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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.08.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120831014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912083101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912083101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-31
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
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Bezug--Drei- st» L«lr»ta und Vor»«, buch >ml«r» Irian »ab Soedtteur« Lm«l tialtch ta» Hau» -»bracht: »PI. manatU, r.7Ü Ml. otenellilhil. V«t »nlrra Filtale» ». Ü«. nahmestellin abaehaU: 7» W. »conatt., L»»n. otettettiiheL »»vH »t, P » iaarr-alb Deutschland» »ad d«r deutsche» Kolonie» vlertellährl. ».« «k.. manatl. 1L0 Ml. auilchl. Poftbeftellaeld. Ferner in Lel-te«. Dänemark, den Donaaltaaten, Italien. i:uremdura. Niederlande. Nor wegen, Oesterreich. Unaarn Rustland, Schwede» und Schweiz In allen ubrraea Staaten nur direkt durch die Leichasts kelle de» Blatt« erhältlich. Da» L«t»,t„r Tageblatt «rlchetnt r mal täglich, Sona» ». Feiettag» nur morgen». Lb»nnem«nt».>ilnnahm«: I,h,»at»gaN, S. dei »nleren Träger», Filialen, Spediteuren »ad Lnuahmesteüen, jowt« Postämtern »ad Briefträgern. Sia»»lv»rl»»f,vr«t» lll Pf. Morgen-Ausgabe. MjpzigerTagMM Tel.-2inschl. f 14 892 lNachkaalchlrchr 14 «SS l 14 694 Handelszeitung. Sankkonto: Allgemein« Deutsch« Tredi«- »nttalt Brühl N/77. Deutsch, Baak, Filiale L«ip,i, Dep.-Nass« Trimm. Stetnweg o. Bokschetkloat, Le«»,i, 8». Amtsblalk -es Rates und des Nokizeiamles der Stadt Leipzig. WMr Anzeige»-PretS «r Saserat« au» Leipita uad Umgebung bi« 1lpalti,«Pettt„tl« APf-dieNeklame» ' »eil» l Ml. von auawätt» SÜ Pf, Xeklam«» UV Ml. 2ns«rat« o»n v«hörden im amt lichen Teil di, Petttietl« S0 Vf. G»schäst»ant«tg«n mit Plahvorschriften im Preis» erhöht. Nadatt nach Tarif. Beilagegebüdr Gesamt auflage S Mk. o. Tausend «rkl. Postgebühr. Teildetlage Höher. FestetteUt« Aufträge können nicht zurück gezogen werden Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Aaaadm«: S»h»»»i»g«If« 4 hei fämtlichen Filialen ». allen Annonre» Lrpedittone» de» In- und Ausland«». Druck und Verlag »»» Fifch«, öl Niest« Inhaber: Puul Kürst«». Nedattt», und G«fch>ft»st«ll»: Johanni»,ass« L -au«-Filiale Dre»d«u: veestrah» < l tTelepho» 4621). Nr. 444. Smmsbenü, üen 31. llugult 1912. los. Zstzr-ang. 2V Seiten IE' Unsre« gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegende Morgennummer 12 Seiten, zulamme« Oss Mchtlglte. * Das Kaiserpaar ist am Freitagabend l!u!rz vor 6 Uhr wieder in Potsdam einge- trosfon. (S. Letzte Dep. S. 3.) > * Italien hat für den 1. September 1913 die Teilnahme an der Zuckerkonvcntion gekündigt. (S. Handelsztg. S. 10.) * Die Lage im Süden des Jangtsetales hat sich gebessert. Es herrscht Ruhe. (S. iuaisl. S. 2.) * Theateranzeigen siehe Seite 9. LleMteuerung. Don konservattv-agrarischer Seite wird uns ge schrieben: Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und darüber hinaus sind die Fleischpreife seit langem in aussteigender Bewegung. Wer sich mit den internationalen Preisverhaltmssen besagt, der weiß auch, daß seit 1909 selbst in den Ver einigten Staaten die Floischpreise auf eine früher unerhörte Höhe gestiegen sind. Es gehört st^r viel Oberflächlichkeit, um nicht zu sagen: böser Wille dazu, um das Hochgehen der Fleischpreife in Deutsch- land einfach den Landwirten in die Schube zu schieben. Selbst unter sozialdemokratischen Volks- wirten gibt es ernsthafte Forscher, die nicht ein fach durch den Ruf „Ärenzeit öffnen" glauben, das Problem lösen zu können, sondern die sich bemühen, die tieferen Ursachen aufzudecken. Dabei ergibt sich dann die allerdings alltägliche Tatsache, daß zwischen sozialdemokratischen Schriftstellern, wie Calwer und Tr. A. Schulz, und sozialdemokratischer Praxis eine recht tiefe Kluft gähnt. Während die ersteren Fest- stellungen machen wie: Deutschland kann 9b Prozent seines Fleischbedarfs selbst decken und würde bei roei- terer Pflege seiner Viehzucht noch auf Jahrzehnte «ogar dem steigenden Bedarf genügen können; ferner: Zwischen dem Preis, den der vielgeschmähte Land wirt bekommt, und dem Ladenpreis des ausgeschlachte ten Tieres besteht eine unverhältnismäßig hohe Spannung — geht die sozialdemokratisch Verhetzungs- Praxis andere Wege: sie wird mit dem leeren Wort „Oefsnung der Grenzen" auch am nächsten Sonn tag in Leipzig wie anderwärts ihrem Haß gegen die Landwirte Luft machen, die bisher den festesten Widerstand gegen die republikanische Hetzarbeit der Sozialdemokratie geleistet haben. Es ist eine Tatsache, daß der Auftrieb von Vieh auf den Viehmärkten und Schlachthöfen stärker ist als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Wenn es ferner eine Tatsache ist, daß der Landwirt nur mit einer unbedeutenden Erhöhung des Preises für Lebendgewicht rechnen kann, so- liegt die Preis steigerung eben in den Zwischenstufen, besonders dem Großviehhandel und der Großschlächterei. Schlacht bares Rindvieh ist nun etwas knapper als im Bor- fahre, dafür aber ist die Zahl der angebotenen Schweine ganz bedeutend gestiegen. Wo die Ver teuerung des Fleisches zu suchen ist, dafür bietet die Stadt Ulm ein lehrreiches Beispiel. Tort kostet Schweinefleisch das Pfund um 15 Pfennig weniger als der sonstige Marktpreis ist. Tie Stadt verwaltung hat eben mit Mästereien direkte Liefe- rungsverträa« unter Ausschaltung des Zwischenhan- dels abgeschlossen und gibt das Vieh unter der Bedingung an die Fleischer, daß ein amtlich be stimmter Ladenpreis eingehalten wird. Wenn in Berlin, dem größten Biehmarkt Deutschlands, z. B. am 24. d. M. Schweinefleisch (Schlachtgewicht) 1.70 Mark das Kilo durchschnittlicb gehandelt wurde, d. h. schon mit allen Vorspesen vom Stall an, und wenn der Ladenpreis dann von 1.60 Mark bis zu 2.40 Mark schwankt, so ist ersichtlich, daß selbst die geringwertigsten Teile nur um 10 Pfennig das Kilo unter dem Durchschnittspreis verkauft wurden, während die besseren Teile ganz gewaltig über den Durchschnittspreis hinausschnellten. An alledem hat zum mindesten der Landwirt keinen Anteil, und das Schimpfen auf die „Agrarier", die eine Fleisch not wünschten, ist ein billiges politisches AgitationS- mittel, dessen sich besonders die Sozialdemokraten bedienen. Tie deutsche Landwirtschaft und Viehzüchterei hat baS vergangene Mißjahr 1911 glänzend überstan den, unter Opfern, für die das ganze Volk den Landwirten Tank wissen sollte. Der Rindviehbestand litt schwer durch die Maul- und Klauenseuche, die monatelange Türre brachte schwere Futternot. Da mals forderten die Hetzer kategorisch die „Oeffnung" der österreichischen Grenze; und in Oesterreich war dabei die Verlegenheit ärger als bei uns, und dort forderte man — freie Vieheinfuhr von Teutschland! Heuer legte sich alles gut an; alber gerade zur Ernte setzte der verhängnisvolle Regen «in, der Tag und Nacht fett drei Wochen die Erntehoffnung ver- nichtet. Geht es so weiter, so ist nicht nur ein gro ßer Teil der Kornerernte verloren, sondern faulen auch di« Kartoffeln. Die Futterernte dürfte ja, von Kartoffeln abgesehen, befriedigen. Nun aber soll die „Oeffnung" der Grenzen helfen. Abgesehen da von, daß di« Viehbestand« Deutschlands jetzt völlig ausreichend find, um den Bedarf zu decken, können «ir nicht iräser Land der ungeheuren Gefahr der Seucheneinschleppuna aussetzen, durch die die deutsche Viehwirtschast vielleicht auf Jahrzehnte zugrunde gerichtet würde: dann hingen wir auf Gnade und Ungnade ganz , von demselben Händlertum ab, das jetzt schon bei uns die Preise in die Höhe schraubt, die es in den Bereinigten Staaten völlig diktiert. Jetzt besteht wenigstens bei uns noch die Möglichkeit, so vorzugehen, wie es der Rat von Ulm getan, und wie es sich in der Tat auch allgemeiner empfehlen würde. Man komme aber auch nicht immer wieder mit dem „argentinischen Gefrierfleisch", mit »em andere Länder bereits die übelsten Erfahrungen ge macht haben. In diesen Tagen tauchten Vorschläge auf, aus Südwestafrika lebendes Rindvieh einyuführen. Unsere „Agrarier" hätten gar keinen Grund, sich dar über aufzuregen. Amtlich steht fest, daß diese Kolo nie nur ungefähr 150 000 Rinder, 380 000 Fleisch schaf«, ebensoviel Ziagen und etwa 8000 Schwein« zählt, wovon also höchstens 25 000 Rinder und etwa 100 000 Schafe und ebensoviel Ziegen jährlich abge geben werden könnten, wovon man in Deutschland auf wenige Tage den Fleischbedarf decken könnt«. Diejenigen, die an einen Laoendtransport denken, haben aber wohl keine Ahnung davon, in welchem Zustande das Vieh hier ankommen würde. Denn erstens ist der Rindviehschlag dort sehr klein, dann kommt der Auftrieb durch die Durststrecke der Rama, die bis zu 100 Kilometer breit ist; und nun geht das schon ermattet« Lieh an Bord: mindestens 20 Prozent würden auf vierwöchiger Seefahrt eiirgehen. Dabei wird man auf je etwa 30 Köpfe «inen Wärter als Begleiter rechnen müssen. Wie hoch würden sich dann für das durch die Seereise her- untergekonnnene Vieh die Preise in Deutschland stell len? Teurer zum mindesten als heimisches Fleisch und sch^hter dazu. Wohl aber ist begreiflich, daß unsere südrvestafrikanischen Farmer sich einen Markt suche.r müssen; und da bietet sich ihnen di« Verarbei tung zu Konserven — wobei wir nicht in erster Linie an Büchsen fleisch, sondern an Rauchfleisch und Wurst waren denken sollten, die in Südwestafrrka sehr wohl als Dauerware in der kalten Jahreszeit hergestellt werden könnten. Dazu reichen auch die FvuerhSlz- Lestände. denn selbst der Dornbusch ist gut zum Räucherfetler. Wir halten die Asst für gekommen, wo die Sv- meinden sich kurz entschlossen der Fleischversorgüntz annehmen sollten, «He durch di« Spekulation unleid liche Zustände geschaffen werden. O Die Aelteste« der Kaufmannschaft von Berlin veröffentlichen folgende Resolution zur Frage der Fleischteuerung: Seit «in«r Reiche von Jahren zeigt die Bewegung der Preise für Vieh und Fleisch im allgemeinen eine aufsteigende Richtung. Diese Verteuerung eines der wichtigsten Volksnahrungsmittel hat sich in den letz ten Monaten wiederum verschärft und bedroht di« Lebenshaltung weiter Bevölkerungskrerse in einer auch für Handel und Industrie bfforgniserregenden Weise. Nach den amtlichen Preisberichten zur Sta tistischen Korrespondenz vom 22. August stellten sich in 51 preußischen Großstädten die Kleinhandelspreise für Fleisch während der ersten Hälfte des August der Jahre 1909—1912 (in Pf. für 1 Kilogramm im Ge samtdurchschnitt de: Fleischgattung) folgendermaßen dar: -v-7 -n» «/ * a/ 'N - M -7- »//st - -72 FAL ." . en ' -SS -V Der Vergleich der diesjährigen Augustpreise mit denen der Vorjahre zeigt ein von Jahr zu Jahr »u beobachtendes Ansteigen der Preis« für Rffrd-, Kalo- und Hammelfleisch; der Preis für Schweinefleisch, das vor ein«m Jahre verhältnismäßig billig war, ist im August 1912 weit über feinen Stand vom August 1909 und 1910 «mporgeschnellt. Die hohen Zöll« verhindern, daß die Steigerung der Vieh- und Fleischproduktion d«r Vermehrung der Bevölkerung und der Entwicklurw des Volkswohl- standes folgt. Unzweckmäßige Bestimmungen des Viehseuchen- und des Flerschbeschaugesetzes hindern die erforderliche Ergänzung der heimischen Fleisch- Produktion durch di« Einfuhr von ausländischem Vieh und Fleisch, insbesondere aus überseeischen Gebieten. Infolge der ungünstigen Witterung-Verhältnisse de» Vorjahres und der hierdurch bedingten Ausfälle an Futtermitteln treten im laufenden Jahre die Wir- jungen der hohen Zolle und der Einfuhrbeschränkung gen mit besonderer Deutlichkeit in die Erscheinung. Die große Schöffe des herrschenden Notstandes erheischt schleunig« Maßregeln, die geeignet find, die Teuerung Zu lindern uüd ihrer Wiederkehr vorzu beugen. Die Aeltesten der Kaufmannschaft von ver- lin haben, in einer Reche von Denkschriften und Ein gaben Borschläge zur Milderung des Notstandes ge macht; sie stellen in der Hauptsache folgende Forde rungen auf: 1) Die Einfuhrzölle auf Vieh und Fleisch — auch Büchscufleisch — müßen, mindestens vorübergehend, aufgehoben oder ermäßigt werden. 2) Das Viehseuchen- und das Flerschbeschaugesetz müßen unter Wahrung der Interessen der öffent lichen Gesundheitspflege und der deutschen Viehzucht so abgeändert werden, daß in größerem Umfange als bisher Lieh und Fleisch aus dem Auslande «inge- fiihrt werden kann. 3) Es muß sofort in eine Revision der Zölle für Futtermittel, insbesondere für Mais, eingetreten werden. 4) Di« Bahnverwaltungen müßen durch eine Er mäßigung der Eiseirbachntarife für Vieh und Fleisch und durch ausreichende Gestellung von Kühlwagen di« Fleischoersorgung der Großstädte und Industrie zentren erleichtern. 5) Zweckmäßig wird auch eine Ausgestaltung der Diehstatistik sein, die Lücken im Viehbestände schnel ler erkennen läßt, als dies heute möglich ist. O Die außergewöhnliche Steigerung der Flersch- prerse, besonders die gegenwärtige Verteuerung des Schweinefleisches, hat den Magistratder Stadt Magdeburg Veranlassung gegeben, an zuständi ger stelle erneut auf eine Oefsnung der Gren zen hinzuwirken. Der Magistrat hat zu diesem Zweck bei dem am 7. und 8. Oktober in Düsseldorf statt findenden 7. preußischen Städtetaa folgenden Dringlichkeitsautrag gestellt: „Der 7. preußische StSdtetaa möge den Bundesrat er suchen, die Grenzen des Deutschen Reichs für die Ein fuhr von Fleisch und lebendes Schlachtvieh aus dem Ausland unter Aufhebung oder Ermäßigung der dar auf liegenden Einfuhrzölle und unter Wahrung der vom veterinärpolizeilichen Standpunkt aus gebotenen Voffichtsmaßregeln zu öffnen. vle -ntlprnrrM- « E TSMl. (Bon «nfatein -»«st-Nttnopersr Mit arbeiter.) » KoAstantittppek, 27. August. Ti« Türkei ist ein Land der Unbeständigkeit und der Ueberräschungen. Ein Prophet gilt dort daher noch weniger als anderswo. - Besonders in letzter Zeit war es kaum möglich,' Zeichen zu deuten und zu wahrsagen, denn die wichtigsten Ereignisse wechsel ten fast täglich miteinander ab und verschoben die Aussichten auf die Zukunft kaleidoskopartig. Nun erst will es scheinen, als ob die innere und äußere Lage des OSuianenreiches sich so wesentlich gebessert hat; daß man von eingetretenen Zustanden reden darf. Am meisten Sorge bereitet den Staatsmännern der Hohen Pforte noch immer das Verhalten der Albanier. Tiefe halbwilden Horden, die sich lang sam in ihre Dörfer zerstreuten, haben den Rückmarsch zu Plünderungen von Wasfenmagazinen und zu Ueberfällen aus Serben benutzt, weil ihnen, wie es heißt, infolge mangels an telegraphischen Verbindun gen die Entschlüsse der Regierung nicht rechtzeitig mitgeteilt werden konnten. Man tut gut daran, die Arnauten im Auge ru behalten. Ihr Aufstand ist freilich beendet. Er hatte Schaden genug ange richtet. Wie lange diese unkultivierten, in kaum erforschtem Gebiete wohnenden Hinterwäldler aber Ruhe halten werden, weiß kein Mensch, wahrscheinlich sie selbst nicht. Einzelne Kenner der Verhältnisse meinen, der nächste Aufstand würde noch vor Ablauf des Jahres erfolgen, da die türkische Negierung nicht imstande sei, allen Forderungen der Albanier in kurzer Frist zu genügen. Man muß hoffen, daß die „Schwarzseher" unrecht behalten, und daß es Ghazi Muktar Pascha gelingen wird, mit dem gei- stigen Urheber der albanisä>en Bewegung, Ismail Kemal Bei, einen dauerhasren Frieden zu schließen. Ter Vorschlag des Grafen Berchtold ist wohl in erster Linie zum Schutze der ausgedehnten österreichisch-ungarischen Interessen in Rumelien ge macht worden. Wenn nur in diesem Schreiben an die Großmächte das „Fremd"wort Dezentralisation nicht stünde! Selbst die Gelehrten sind sich nicht ganz über den Sinn dieses Wortes einig. Unzweifel haft ist keine Einmischung in die inneren Angelegen heiten der Türkei vom Grafen Berchtold geplant worden. Sonst hätte das Deutsche Reich gewiß dem Bundesgenossen nicht seine Unterstützung zugesaat. Jede Einmischung würde die Lsmanen zum hef tigsten Wider stände gegen die Großmächte reizen und den großen Weltbrand in gefährliche Nähe rücken. In den hiesigen Kreisen der Diplo matie neigt man der Ansicht zu, daß die Besprechung der Nationalitätenfrage auf dem Balkan kein greif bares Ergebnis zeitigen und nur eine akademische Erörterung bleiben wird, die sang- und klanglos in den europäischen Kanzleien und TageSblättern verhallt. Und dock hat Kiffer Vorschlag bereits einen Erfolg aufzuweisen. Die Türken sind sich des festen Willen- der Großmächte, auf dem Balkan keine Unordnungen län ger zu dulden, bewußt geworden und suchen nun selbst Ruhe in ihrem Reiche zu schaffen. Sie sind alS Volk von etwa 4 Millionen Seelen Herren über 9 Millionen Araber, 8 Millionen Griechen, 7 Millionen Armenier, je 8 Millionen Albanier, Bul garen und Wallachen, viele Hunderttausend« von Serben, Kurden, Lasen und Juden, die samt und sonder- nach „Tezentraftsation" streben. Ihre ein zige Stärke besteht, besonder» seit dem Sturz d«S Komitee- für „Einheit und Fortschritt" im Heere. Ta- Heer hat den jüngsten Ereignissen im Jirnern de- Lande- verhältni-mäßig ruhig und gleichmütig zugeschaut. Man darf behaupten, daß höchsten- ein viertel seine- Bestände- entweder für „Einheit und Fortschritt" und die strenge Unterdrückung der Alba nier oder für die Opposition und die Erfüllung der albanischen Wünsche Partei ergriffen hat. Wen» auch in der Armee, wie man annehmen daff, die Betätigung mit Politik aufgehört hat, so üben doch die Offiziere einen bestimmten Truck auf die jeweili gen Regierungen aus, die ganz einfach gezwungen sind, sich aus die Armee zu stützen, solange eben Türken im Osmanenreicl-e herrschen wollen. Tie Armee hat die Verfassung erzwungen; sie hat da- Komitee gestürzt und unlängst den Justizminister Hussein Hilmi, der zu stark nach der Komiteeseite neigte, zu Fall gebracht. Tas Heer ist im türkischen Militärstaate der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht. Es ist durch Untätigkeit im Kriege gegen die Italiener gereizt und wünscht an den Feind zu kommen, wenn auch nur gegen die Montene griner, die sich kecker Uevergrisfe an der LandeS- grenze bei Mackowatsch, Seltsche und Berana erlaubt, oder die Bulgaren, deren Kriegsbegeisterung zweifel los durch den Vorschlag des Grafen Berchtold zu Hellem Feuer angeschürt wurde. Aber es ist genug des grausamen Spieles auf dem Balkan. Tie Bulgaren besänftigen sich, weil die Russen und die Oesterreicher ihnen zu scharf auf die Finger sehen und sie niederträchtiger Bomben attentate anklagen. Tie Großmächte werden sich auf die Einladung des Grafen Berchtold hin gewiß auch mit dem Bandenunwesen und den gemeinen Mordtaten der Bulgaren in Mazedonien beschäftig gen. Am letzten Sonntag hat die Hohe Pforte die Herren der Schwarzen Berge aufgefordert, sofort die Reservisten zu entlassen. Montenegro, ein Staat mit 200 000 Einwohnern, hatte mobilisiert und die Türkei tatsächlich ihm gegenüber eine fast rührende Langmut an den Tag gelegt. Es wird höchste Zeit, daß König Nikita den ernsten Vorstellungen Ruß lands und Oesterreichs Gehör schenkt. Er paßte als streitharter Monarch von 200 000 Bewohnern rauher Berge wahrlich besser ins finsterste Mittelalter al- in die Neuzeit. Tie Beziehungen der Türkei zu ihren Nachbarstaaten geben keine Veranlassung mehr zu beunruhigenden Nachrichten, die der Regierung zu den Parteien im Innern bessern sich. Tas Kabi nett Ghazi Muktar wird fortbestehen, wenigsten- bis zum Abschluß der Wahlen, die im ganzen Reiche am 14. Oktober stattfinden sollen. Tie Gerüchte, Kiamil. Pascha werde bald ins Großwffirat Einzug halten, find erfunden. Da- Komitee freilich rüstet sick zum Kampf, aber es wirb voraussichtlich unterliegen. Es verfügt nicht über Mittel genug, um die zahlkräftige Regierung und deren starke« Anhang zur Seite zu schieben, und in der Türket hat die bare Münze ihren verführerischen Klang noch nicht verloren. Zudem ist in der Partei Einheit und Fortschritt selbst eine ernste Spaltung ent standen. Tie Einsichtigeren wollen - sich von den Heißspornen trennen? Im italienisch.türkisch en Kriege ist Waffenstillstand eingetreten, denn die Verhandlungen in der Schweiz haben begonnen. Sie werden in kurzer Zeit zur Entscheidung reifen, da beide Gegner vom Wunsch nach Frieden beseelt sind. Man darf endlich wieder von dauerhaften Zu ständen reden. Tas Drunter und Drüber hat im OSmanenreiche aufgehört. O Aus Konstantinopel wird über die Lage am Freitagnachmittag folgendes berichtet: Es verlautet, die Regierung will einen neuen Vorschuß von 350000 Pfund gegen Belehnung des dem Staatsschatz gehörigen, bei der Banque Ottomane deponierten Staatsfonds aufnehmen. Der frühere Kriegsminister Mahmud Sch es- ket Pascha ist erkrankt. Der Mali von Bitlis ist auf Veranlassung des armenischen Patriarchen abgesetzt worden. Unter der Bezeichnung „Halass ivatan. Ret ter des Vaterlandes" wirb eine politische Par tei gegründet werden, deren Programm nächstens veröffentlicht werden wird. Deutsches Keich. Der russische Botschafter beim Staatssekretär de» Aeußeren. Berlin. 30. August. Der russische Botschafter Swerbejew stattete gestern dem Staatssekretär o. Kiderlen-Wächter einen Besuch ab, den dieser heute in der russischen Botschaft erwiderte. Die verstärkte Hochseeflotte. Kiel, 30. August. Nach den soeben bekannt ge wordenen Herdstkommandierungen der Marine wird die Hochseeflotte, deren Oberbffehl Admiral von Holtzendorsf noch ein Jahr behält, vom Ok tober ab eine wesentliche Verstärkung erfahren. Während sie jetzt aus 17 Linienschiffen, 3 Panzer- kreuzern und 6 Kreuzern besteht, wird sie in Zukunft aus 20 Linienschiffen, 4 Panzerkreuzern und 7 Kreuzern zusammengesetzt sein. Als Flagg schiff der Flotte soll das neue Turbinen-Linienschiff „Friedrich der Große" dienen. Da« bi»- herige Flaggschiff „Deutschland" wird dem 2. Ge schwader eingereiht. Völlig neuformiert wird di« 5. Dwision, aus der das 3. Linienschiffs-Geschwader entstehen wird. Diesem vom Konteradmiral Schmidt zu befehligenden Flottenkörper sollen das neue Tur binen-Linienschiff „Kaiser" sowie die Linienschiff« „Elsaß" und „Braunschweig", die früher dem 1. bzw. 2. Geschwader anaehörten, zugeteitt werden. Auch die Zahl der Ausklärungsschtffe wird etwa» vermehrt. Ein wertvolles Zuwachs ist zunächst der Turbinen-Panzerkreuzer „Goeben". An Stelle de» ausgeschiedenen Kreuzer» „Berlin" treten di« neuen Kreuzer „Breslau" und „Straßburg" der Grupp« der Aufklärungsschiffe bei. Die nächsten Jachre wer den ein« weitere Verstattung gerade dieser Gruppe bringen müllen. Im allgemeinen bringt der Herost der Hochseeflotte somit ein« Vermchrnag um neue, kamrffkräftige Schiffe aller Arten und einen Auwach» an Kraft, der ebenso wertvoll wie notwendig ist. WM- Marr b-acht» a«ch -1» Aajsrats ja M«a--A«»sap-. 'M
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