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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.08.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120821027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912082102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912082102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-21
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
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Bezugs-Preis »r L«ip»ta »nd Vorort, durch »»ler« Iräarr und EoedUeur« 2 mol tioltch 1», Hau» -«bracht: 1» Ps. monatl^ 3.7Ü Ml. rikneliährl. L«l unser» Filialen «. Ln» natzmeftellen adaeholt: 73 Vt- «oaatl- L»Rl. ot,rt«lMrl. »uv» »»« Voll: innerhalb Deutlchland» und der deutschen Kolonien vierteljähkl. 3.» Ml., monatl. I.Ai Mk. aurlchi. Poirbesiellaeld. Ferner in Lelgie«, Dänemark, den Donaultoaten, Italien, Uu^embura, Niederlande, Noe- weaen, Oelierreich. Ungarn Rutziand, Schweden und Sibwe»». In allen übrigen Liaaten nur direti durch dir Leschait»» stell, de» Blatte» erd ältlich. Da, L,tp,»g«r La,«bla« ,rlch„nl »mal täglich. Sonn» u. Feiettag» nur morgen». Ad»nnein«nt»»illnnahm,. J,da»,t»-»Is« 3^ b«t unseren Träger». Filialen. Sp,dit«urmr »ad tllnnahmeftell.u, sowt, Postämtern and Briefträgern. «tn»,U»,rln»»,»,,t, Ul Vs. Abend Ausaabe. Tel.-Anschl. 14 892 lNachtauschlutzj 14 623 14 694 Handelszeitung. 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Haupt »Filiale Dr,»dr»; Eeestrag« l. l lTelephon ,821). Nr. 426. Mittwoch, üen 21. tiugust >SI2. lO6. Ishrysng. Die vorliegenve Ausgabe umfaßt 8 Setten. Dss Wichtigste. * König Friedrich August traf heute früh, von Turin kommend, auf dem Hauptbahnhof in Leipzig ein und fuhr nach dem Truppenübungs platz Zeithain weiter. (S. Leipz. u. Umgeb.) * Das Repräsentantenhaus in Washington hat den Kongreßbericht zu dem Flottenetat, der den Bau eines Schlachtschiffes vorsieht, ange nommen. * Nach einer Depesche aus Managua ist in der Nahe von Leon im Norden von Managua die ganze fünfhundert Mann starke Garni son nikaraguanischer Truppen mit Ausnahme von 70 Mann oon den Rebellen niederge metzelt worden. * Das Zeppelin-Lustschiff „Viktoria Luise" hat heute vormittag die Fernfahrt Gotha- Chemnitz und zurück mit Erfolg ausgeführt. (S. Sport.) Lsiengeüsnken MLerpsrliksl. Man schreibt uns: Das trauliche Frankenstädtchen Bayreuth ist in diesem Festspielsommer aus d-en Gefilden hehrer Kunst wieder hinübergeglitten auf den rauheren Boden der Politik. Das Haus Wahnfried hat aufs neue den gelegentlich der letzten Regelung des deutschen Urheberschutzes mißglückten Versuch unter- nommen, durch eine Lex Parsifal für alle Zeiten dem Bayreuther Festspielhaus das Monopol der Auf führung jenes letzten Werkes des Meisters zu sichern, durch das Richard Wagner selbst sein Labenswerk zu krönen und der Unsterblichkeit zu sichern vermeinte. Das „Monopol" der Parsifalaufführung — hier stocken wir schon! Denn «in deutsches Gesetz könnt« doch nur das Auffühvungsmonopol für Deutsch, land gewähren. Und so sollte außerhalb der deut» schen Grenzen jedermann ein Hochgowächs deutscher Kunst genießen dürfen, das in Deutschland selbst den Bayreuthpilgern vorbehalten bleibt? Schon diese eine Erwägung wirft unseres Erachtens die ganze Lex-Parsifal-Bewegung über den Haufen. Aber ganz zu schweigen von der Frage, ob die Interessen Bayreuths eine solche Bewegung zugun sten einer monopolistischen Sondergesetzgebung recht fertigen: bedarf Bayreuth, bedarf der Parsifal zu seinem Schutz der Paragraphen? Wir haben diesen letzten, unter dem Schutz des Gesetzes stehenden Fest spielaufführungen selbst beigewohnt und haben es uns angelegen sein lassen, Umschau zu halten unter der großen, festlich hochgestimmten Schar der Tau sende von begeisterten Zuhörern, um ihre Eindrücke zu prüfen und ein Urteil zu gewinnen, wie es nach diesen Eindrücken um die Zukunft von Bayreuth mit oder ohne Lex Parsifal bestellt sein mag. Und wir können aus vollster Ueberzeugung nur sagen: Es be darf wahrhaftig nicht der Entfachung eines mancher lei Verbitterung gegen das Haus Wahnfried stiften den Zwistes um eine Lex Parsifal — Bayreuth schützt sich selbst, und zumal der Parsifal schützt sich selbst! Die Hunderte und Tausend« werden auch in späten Zähren noch ohne jegliches Gesetzssmonopol für Bayreuth vor diesem Altar reiner Kunst opfern und Eindrücke empfangen und heimnehmen, wie sie nie und nimmer von den Bühnen des Alltags aus gehen können. Bayreuthstimmung — wahrlich, sie ist keine leere Phrase, keine Einbildung, sie ist «in unersetzliches Etwas. Der Zauber des alten Städtchens — das ganz zu Unrecht als eine Art Räuberhöhle für die Festspielzeit verrufen ist, sich vielmehr durch eine Be völkerung von herzerquickender, natürlicher Liebens würdigkeit auszeichnet, die ganz mit den Festspiel besuchern lebt und sie weit mehr als freundwillig willkommene Gäste denn als wandelnde Portemon naies behandelt — dieses Städtchen in seiner unge mein anmutigen Umgebung, das den Fremden für einige Weihe- und Feiertage aufnimmt, gestattet doch wahrhaftig eine ganz andere seelische Vorberei tung für die Aufnahme der Wagnervorstellungen, als die in der Großstadt übliche Autohast durch das Ge wühl auf dem Asphalt zur Oper. Auch der zeitliche Raum der Aufführungen selbst, der den ganzen Nach mittag und Abend umspannt und ergiebige Gelegen heit zur Wieüerauffrischung der Aufnahmefähigkeit in den stundenlangen Pausen bietet (die dank der schönen Lag« des Festspielhauses und der prächtigen Aussichten von seiner Höhe so köstlich erfrischend sind), gestattet wiederum ohne die bei landläufigen Wagneraufführungen so leicht eintr«tende Abspan nung, jeden Ton der ganzen Werte mit lebendigster Empfindung zu genießen. Welche Bühne der Welt endlich wäre in der Lage, derartig abgerundete, bis in die allerletzte Kleinigkeit hinein vollendete Auf führungen zu bieten, in denen jeder Mitwirkende auch an untergeordnetster Stelle ein durchgebildeter Künstler ist, der für die Bayreuthwoche restlos in sei ner Aufgabe aufgeht! Alles was Bayreuth mit sich bringt: di« Samm lung der ihrem alltäglichen Geschäftsbetrieb ent zogenen Zuhörer, die Frischerhaltung der Aufnahme fähigkeit durch die lang« Ausdehnung der Spielzeit und die restlose Besetzung auch der kleinsten Chorstelle mit wahrhaft künstlerischen Kräften — alles dies ist vor allen Dingen notwendig, ja unentbehrlich für den Parsifal. Und deshalb schützt Bayreuths Parsifal sich selbst auch ohne Lex Cosima. Gewiß werden von 1913 ab sich einzelne Opernbühnen an das Parsifal- Experiment heranwagen, wie es amerikanische Büh- nen ja auch schon früher getan haben. Aber sie wer den gar bald ihre Unfähigkeit erkennen, ein« erträgliche Parsifalaufführung herauszubringen, di« höchstens möglich wäre an reich subventionierten Hofbühnen, aber auch hier im Alltagsbetriebe bet der Durchschnittsschar der Zuhörer nicht entfernt die Aufnahmefähigkeit finden könnte wie in Bayreuth. Noch etwas möchten wir zur Bekräftigung des über den Selbstschutz von Bayreuth Gesagten aus unseren Beobachtungen am Roten Main anführen: Der noch geschützte Parsifal hat ohne Frage trotz ge rade in einzelnen Hauptrollen nicht einmal sonder lich glücklicher Besetzung — die gesamte Zuhörerschaft, Musikverständige wie Laien, tief ergriffen. In der Tat! Man braucht kein Musikverständiger zu sein, sondern nur die den meisten fühlenden Menschen eigene Liebe zur Musik zu besitzen, um ganz in den Bann dieser musikalischen Offenbarung gezogen zu werden. Aber das haben wir doch an Dutzenden von Beispielen aus der Zuhörerschaft feststellen kön nen, daß tiefer noch als die Ergriffenheit durch den mystischen Parsifal die unmittelbar zu Herzen gehende Wirkung einer so urdeutschen und so rein menschlichen Oper wie der Meistersinger — in freilich schlechtweg unübertrefflicher Darstellung — war. Alle diese Zuhörer hatten die Meistersinger schon wer weiß wie oft auf anderen Bühnen gehört und gesehen, aber sie meinten, das Werk kaum wie derzuerkennen, und waren voll nicht endenden Lobes über seine so ganz zu Herzen gehende Wirkung. Wenn dieser für spätere Zeit immer wieder die Sehnsucht nach Bayreuths Weihetagen garantierende Einfluß ausgehen kann von einer Oper, die man schon seit langen Jahren an jeder deutschen Opern bühne hören kann, dann muß man doch wahrlich überzeugt sein, Bayreuth schützt sich selbst, es wird auch ohne Lex Parsifal, ja sogar besser ohne den un erquicklichen Streit um die Lex Parsifal, den Kreis seiner Getreuen immer wieder in seinen Bann ziehen, und wenn es auf der Höhe seiner Aufgabe bleibt, auch von Jahr zu Jahr mehr erweitern. Schutz üer Gelkenllichkeit gegen gemeingefährliche Geisteskranke Man schreibt uns: Die gegen wehrlose Frauen gerichtete Untat eines Geisteskranken, der trotz wiederholter Straftaten in folge Unzurechnungsfähigkeit sich auf freiem Fuße be fand, hat von neuem die Aufmerksamkeit auf eine Lück« im geltenden Strafrecht gelenkt, deren endliche Beseitigung im dringenden Interesse der Allgemein heit liegt. Unser Strafrecht kennt keine gerichtlichen Maß nahmen gegen gemeingefährliche Geisteskranke. Es können allerdings wegen Geisteskrankheit Frei gesprochene nach den landesgesetzlicken Vorschriften zwangsweise in «in Irrenhaus gebracht werden, jedoch nur, wenn sie von der Verwaltungs behörde als gemeingefährlich anerkannt sind, und zwar ohne Rücksicht auf den strafrechtlichen Vorgang. Gegen nur vermindert Zurechnungsfähige sind in der Regel überhaupt keine sichernden Maßnahmen mög lich. Und schließlich erfolgt die Unterbringung in ein Irrenhaus auch da, wo sie zulässig geboten ist, aus Mangel an Platz und anderen Gründen ost über haupt nicht oder sehr spät und nur auf kurze Zeit, so daß irre Verbrecher und verbrecherische Irre, die sich auf freiem Fuße bewegen, vielfach eine ernste Gefahr für die Gesellschaft und die öffentliche Sicher heit geworden sind. Diesen beklagenswerten Zustand will der Vorentwurf für das Strafgesetz buch beseitigen. Und die Strafrechtskommis- fion hat diese Absicht uneingeschränkt gebilligt. Nach den Vorschlägen des Entwurfs sollen Un zurechnungsfähige, die freigesprochen oder außer Ver folgung gesetzt werden, vermindert Zurechnungs fähige, die zu einer milderen Strafe verurteilt sind, in einer öffentlichen Heil- oder Pflegeanstalt unter gebracht werden. Diese Maßnahme soll das Gericht selbst anordnen, sofern die öffentliche Sicherheit sie erfordert Die menschliche Gesellschaft hat unzweifel haft einen Anspruch auf Schutz vor den Angriffen gefährlicher Menschen. Dasselbe gilt von den ge mindert Zurechnungsfähigen, die nur eine geringe Strafe trifft, und die infolgedessen früher wieder auf freien Fuß gelangen. Eine solche Unterbringung Unzurechnungsfähiger findet sich bereits in den Ge setzgebungen mehrerer Staaten. Die Absicht, die de/ Entwurf des neuen Strafgesetzbuches verfolgt, will überall Z u st i in mung finden, denn sie trägt eine» neuerdings allgemein verbreiteten Forderung Rech nung. Es bleibt nur zu erwägen, ob es angängig ist, eine so dringend erforderliche Maßnahme bis zum Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches — von dem uns bekanntlich noch wenigstens 6 Jahre trennen — zu verschieben. Die Frage erscheint wohl erwägenswert, ob es nicht notwendig ist, die vor handene Lücke unseres Strafrechts schon vorher durch einen gesetzgeberischen Akt zu schließen. Die Frankreich leine „verstümmelte" kongokvlonle mjrtllksttlilk erlchttetzt. Man schreibt uns: Infolge der Abtretungen im Kongogebiet ist in Frankreich die Kolonie Aequatorial-Afrita in ge wissem Sinn« erst volkstümlich geworden, nachdem das weite Tropengebiet seitens der Heimat lange stiefmütterlich behandelt worden war. Die Fran zosen gehen nun außerordentlich großzügig in der Erschließung des ihnen verbliebenen großen Restes zwischen dem Atlantischen Ozean, dem Kongo und unserem Schutzgebiet Kamerun vor, indem eine A n - leihe von 172 Millionen Franken für das Schutzgebiet geplant ist. Die diesbezügliche Gesetzesvorlage hat schon die Billigung der lokalen Verwaltung, des Gouverne ments und der Landesräte, gefunden, befindet sich zurzeit in den maßgebenden Ministerien und wird Vinnen kurzem vor das Parlament kommen, das ohne Zweifel der Anleihe zustimmen wirb. Die 172 Mil lionen sollen in der Hauptsache für Eisenbahnen Verwendung finden; vorgesehen ist ein Schienenweg zwischen der Hauptstadt der Kolonie Brazzaville und dem Hafen Point« Noire, der etwa 85 Millionen kosten soll. Größeres Interesse für uns hat di« in Aussicht genommene Strecke von Ndjole im Hinter land von Libreville nach Tandjama, weil sie nicht allzu fern von unserer neuen Kameruner Südgrenze und parallel mit dieser verläuft. 45 Millionen Fran ken sind für diese Eisenbahn eingestellt. Außerdem enthält der Gesetzentwurf noch 15 Mil lionen für ein« Schmalspurlinie von Bangt am oberen Ubangi nach Fori C r a m p e l. Der Rest oon 27 Millionen Franken soll nutzbar gemacht wer den für die Ausgestaltung der Seehäfen Pointe Noire, Kap Lopes, Libreville, sowie der Flußhäfen von Ndjole, Brazzaville und Bangi. Ein verhält nismäßig kleiner Posten soll der Herstellung einer drahtlosen Telegraphenlinie von 2600 Kilometer Länge dienen und der Rest gesundheitlichen Zwecken sowie zur Errichtung von Postanstalten und Schulen. Eine französisck/e Koionialzeitschrift schätzt, daß die Erfüllung aller dieser Aufgaben zehn Jahre erfordern wird, daß dann aber auch die Möglichkeit gegeben sei, die durch den Vertrag vom 4. November v. I. herbeigeführte „Verstümmelung" wieder gutzumachen, und ihre Folgen zu heilen. Das Blatt befürwortet das ganze Projekt mit dem Hinweis darauf, daß es nicht mehr an der Zeit sei. Französisch Aequatorial- Afrika Trost zu spenden und die Kolonie mit Senti mentalitäten zu bedenken, sondern daß nach der schmerzlichen „Amputation" tatsächliche und reelle Hilfe notwendig sei. Die grvtze Ssrriere. 37) Roman von A. von Klinckowstroem. (Nachdruck verboten.) Haidek zündete sich eine Zigarette an. während er auf die Kellnerin wartete, und antwortete nicht. „Wenn Sie es wünschen, will ich alles über den Verfasser der Artikel in Erfahrung zu bringen suchen, was Ihnen irgend wissenswert scheint", fuhr jener geschmeidig und beflissen fort. „Bitte, bemühen Sie sich nicht. Die Sache geht mich ja schließlich nichts an." Der Freiherr grüßte sehr obenhin und ging hin aus. Draußen bei ruhigem Nachdenken kam ihm erst di« Ueberzeugung. daß Pallinger selbst der Ver fasser jener Pamphlete sei, die bei jedesmaligem Erscheinen die halbe Stadt erheiterten oder em pörten. je nachdem die Leser Vertoldi fern oder nahe standen. Wie hätte er andernfalls wissen können, was in dem Originalmanuskript gestanden und von der Redaktion gestrichen wurde? Warum wäre er sonst über die eigene unvorsichtige Aeußerung in Verlegenbeit geraten und in eine offenbare Lüge hineinqetrieven worden, die er mit seinem Wort zu bekräftigen sich doch nicht getraute? Haidek dacht« daran, den Grafen Hugo Blanken stein aufzusuchen und ihm von seiner Mutmaßung Mitteilung zu machen. Der war sehr empfindlich in solchen Dingen, und wennschon es begreiflich schien, daß Pallinger die nicht gerade rühmliche Autorschaft ableugnete, würde den alten Herrn ein« an seinem Tisch ausgesprochene Unwahrheit doch stark ver- schnupfen. Außerdem schätzte Graf Hugo Bertoldi als Menschen, wenn er auch von seiner Künstlerschaft keine groß« Meinung hegte. Es ließ sich annehmen, daß er die hinterhältigen Angriffe auf jenen mit der Verbannung des Angreifers aus seinem Hause ahnden werde. In solchen Dingen verstand «r keinen Spaß. Dann verloren die Pallinger» den festen ge sellschaftlichen Rückhalt, den sie an ihm hatten, denn er war tonangebend, und wer bei ihm nicht mehr empfangen wurde, besaß in seinen Kreisen überhaupt kein« Existenzberechtigung mehr. Das alles ging Haidek im Kopf herum, während er schon die Brienner Straße entlang schritt, in der der Großonkel seiner Frau wohnte. Er gönnte Pal linger einen gründlichen Abfall und konnte dann sicher sein, diesen Emporkömmlingen nicht mehr zu begegnen. Aber dann bog er doch ab und seitwärts in di« Türkenstraße hinein, in der seine eigen« Wohnung lag, denn mit einem Male schien ihm sein Vorhaben nicht anständig. Sollte er zum Angeber werden? Aus einem unvorsichtig hingeworfenen und von ihm aufgefangenen Wort Kapital schlagen, um persön licher Antipathie Genüge zu tun? Sollte er dem Ehepaar den mühsam Schritt für Schritt eroberten Boden unter den Füßen weqziehen? Was den Mann traf, mußte ja die Frau mittreffoq.. Wie sie sich in dieser neuen glänzenden Sphäre i^-.rnte, die schöne Esther! Wie sie es genoß, aus der Tief« an die schillernd« Oberfläch« der großen Welt gehoben zu sein? — Wie prachtvoll sie in den Rahmen hinein paßte, den man ihr geschaffen hatte! Nein. Haidek wußte, daß kein Wort über seine Lippen kommen werde, das ihr schaden könne. Fünfzehntes Kapitel. Nach langem, unfreundlich zögerndem Frühling setzte der Sommer plötzlich mit südlicher Wärme ein. Die leichtlebigen Münchner, die seit der Salvator- saison schon keine Feste gefeiert und durch anhaltendes Regenwetter in allen Unternehmungen behindert ge- weien, schwärmten ins Frei«, zum Isartal, ins l8e- birge. Die Ferien standen vor der Tür. All« Welt machte Reisepläne. Nur Esther saß daheim, denn sie sollte sich schonen. Und sie saß immer allein, denn Pallinger, der eine kurze Zeit hindurch Geduld mit ihr gehabt, war viel zu unruhig, um es auf die Dauer in dem stillgewor- denen, sommerlichen Haus auszuhalten, lies ins Atelier, in Ausstellungen und traf Tag für Tag Ver abredungen, oon denen er meist erst spät in der Nacht hnmkehrte. Schon Ende Mai mußten sie ihr« Donnerstags empfänge wegen oer schwankenden Gesundheit der jungen Frau aufgeben. Das ging Pallinger sehr gegen den Strich, oenn er hatte sich bei denen immer ausnehmend amüsiert. Wenn die aristokratischen Gäste, welche dem Jour seine Weihe gaben, sich ent- fernten, waren die junge Künftlerschast uns «in paar junge Leute der Finanzwelt st«ts noch geblieben, um bis tief in die Nacht bin«in, ja manchmal bis -um grauenden Morgen, lustigen Radau zu voll führen. Man hatte viel getrunken, viel gelacht, musi geziert, getanzt und Kabarettvorstellungen gegeben. Nun das aufhörte, suchte Pallinger seine Unter haltung mehr uno mehr außerhalb des Hauses. Er war nicht unfreundlich gegen seine Frau, aber gleich gültiger geworden, oenn sie sah sehr unvorteilhaft aus. Ihre stille Gedrücktheit und Kränklichkeit lang weilten ihn. Sein Ueberschuß an Lebenslust konnte sich daheim nicht mehr genügend betätigen und fand vor allem keinen Widerhall bei Esther. Es gab jetzt mitunter kleine eheliche Zwistigkeiten, die er leicht und sie schwer nahm. Sie fühlte dann, wie innerlich fern sie sich geblieben waren, uno maß ihm die Schuld daran bei, nannte ihn frivol und leichtsinnig. Das nahm er einmal achselzuckend und lachend hin; ein zweites Mal antwortete er mit einem Sarkasmus, der weh tun wollte und weh tat. Und niemano kam, um einmal freundichartlich nach ihr zu sehen. Zuweilen traten ihr die Tränen in die Augen, so verlassen fühlte sie sich. „Wenn ich nur wüßte, wo du die vielen Menschen noch austreibst, mit denen du immer zusammen sein mutzt", sagte sie einmal zu ihrem Mann. „So un häuslich wie letzt warst du noch nie." „Du weißt, ich kann nun mal nicht stillsitzen", gab er zurück. „Und ich mag mich auch nicht von den Kollegen ausschlicken." „Die meisten Maler sind ja schon auf dem Lande." „Es sino noch massenhaft da. Versuche nur nicht, mich einzusperren, denn damit wirst du kein Gluck haben." Esther schwieg. Sie zog bei einem Wortwechsel doch jedesmal den Kürzeren. Er entglitt ihr, bei welcher Seite st« ihn auch zu fassen versuchte, bald mit einem Witz, bald mit offenkundigen Lügen. „Nimm mich doch mit!" bat sie ein andermal, als er, den Panama schon auf dem Kopf, eilig an ihr vorbeiflitzen wollte. „Wir können ja einen Wagen holen lasten." „Unmöglich. Mauserl! Ich bin mit Professor Maurer und noch ein paar Kollegen für den Franzis kaner verabredet." „Der Professor hätte sicher nichts dagegen." „Diesmal gebt's wirklich nicht. Außerdem, — nimm es mir nicht übel, — bin ich zu eitel mich mit einer Frau zu zeigen, die im Augenblick ihre Schönheit «rngebußi hat." Damit war er schon draußen. Sie sah ihn durch den Garten eilen, und über der Zigarette, die er da bet anzündet«, vergaß er den Abschieosgruß. Eine große Bitterkeit stieg in ihr auf. Das war also ihres Mannes Auffassung von der Ehe! In dem Moment, in dem er nicht mehr mit ihr prunken konnte, schob er sie beiseite, wi« alles, was ihm un bequem wurde. Nun, sie hatte ihn ja in seiner leicht beweglichen, flatterhaften Art zur Genüge kennen ge lernt. Es wunderte sie nicht weiter. Zeder andere würde versucht haben, seiner Frau über eine schwere Zeit hinwegzuhelfen. Er dacht« nur an sich. Später am Abend, wie es schon dunkelte wurden ihr die Einsamkeit und die Hitze in Len Zimmern unerträglich. Auch im Gärtchen war es schwül. Esther sehnte sich nach Luft uno Bewegung, warf einen leich ten Mantel über uns ging zur Leopoldstraße, d«r Hauptverkehrsader Schwabings. In den grünen Seitenalleen hier wanderte sie langiam hin uno her, passierte achtlos einmal das Taf« dicht am Bürger steig, wo unter buntgestreiftem Zeltdach, nur durch ein Gitter von der Straße getrennt, eine Menge von Menschen sich der Illusion hingab, im Freien zu sitzen, und der Musik lauschte, welche drinnen im Saal voll führt wurde. Wie sie ein zweites Mal vorüberging, schwieg di« Musik gerade, und die menschlichen Stimmen kamen deutlicher zur Geltung. Esther hätte auch jetzt nicht darauf geachtet, wenn nicht «in weiches, stoflweise» Lachen an ihr Ohr gedrungen wär«. Da yorch-te sie auf. blieb stehen und sah hinein. Dickt am Gitter saß ihr Mann mit einer Dam« beim Abendessen und goß Champagner auf Pfirsich«. Seine Begleiterin drehte zwar der Straße den Rücken zu, aber unter dem auffallenden Feoerhut quoll das rotblonde Gelock einer abenteuerlichen Frisur her vor. Nur Fräulein Friede besaß dieses impertinente Blond, und dann sprach die Dam« auch, und damit war jeder etwaige Zweifel beseitigt. ..Ich möchte auch noch ein Schokoladengefrorenes", sagte sie. „Geh, Mauserl, wie kannst du nur all das süße Gschlamp mögen!" „Ich muß mir doch den Abschied von München etwas versüßen." „Jst'r also wirklich ernst? Ich hab gemeint. Las Engagement nach auswärts ser nur Spiegelfech terei." „Aber ich bitte? Ich kann meinen Kontrast für- naive Rollenfach vorweisen." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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