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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120823020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912082302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912082302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-23
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
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Sette 2. Nr. 430. 106. Jahrgang. Reichsamt de« Innern gewesen. Di« Denk, schrift wird, von anderen Gutachten abgesehen, dem Bundesrat al» Material bet der Würdigung der einschlägigen Fragen dienen. Ob der Bundesrat die Denkschrift al» „Grundlage" für seine Entscheidung verwenden wird, steht dahin. — Bei dieser Gelegen- heit sei darauf hingewiesen, dass die jüngst von München au» verbreitet« Meldung, der Bun« de» rat werde den bayrischen Minister präsidenten veranlassen, den Jesuiten« erlag zurück; «ziehen, grundlos ist. Der preussisch-süddeutsch« Lotterievertrag. München, 22. August. Der Ausschu'g der Reichs- ratskammer nahm den Lotterievertrag mit Preussen mit allen gegen eine Stimm« nach dem Anträge des Referenten Grasen Crailsheim an. Deutsche Turbinen-Linienschisse. Berlin, 28. August. Da» auf der kaiserlichen Werft in Kiel erbaute, am 1. August unter dem Be fehl des Kapitäns z. S. v. Ammon in Dienst gestellte Linienschiff „Kaiser", das erste Turbinen-Linicn- schiff der oeutjchen Marine, macht gegenwärtig Probefahrten, nach deren Beendigung es in den Ver band der Hochseeflotte eingereiht wird. End« August soll nunmehr das auf der neuen Pulkanwerst in Hamburg erbaute zweite Turbinen-Linienschiff „Friedrich der Große" an die Marine abge liefert werden. Die Indienststellung erfolgt unter dem Kommando des Kapitäns z. S. F uchs in Wil helmshaven. Auch dieses Schiff tritt nach seiner Er probung in die Hochseeflotte. Drei weitere Tur- binen-Linienschiffe befinden sich im Ausbau. Auf den HowalAswsrken in Kiel wird „Kaiserin" etbaut, au? der Dermaniawerft in kiel „Prinz, regent Luitpold" und auf der Schichauwerft in Danzig „König Alber t". Mhrend die drei erstgenannten Schiffe im vorigen Jahre vom Stapel liefen, wurden die beiden letzteren erst in diesem Jahre zu Wasser gelassen. Die erste aus Turbinen- Linienschjffen bestehende Division dürfte in Jah resfrist formiert werden. Ausland. Frankreich. Havarie «ine» Torpedobootzerstörer». Part», 23. August. Aus Therbourg wird be- richtet, daß der Torpodobootszeritörer „Cata- pulte", der Brest heut« morgen verlass«« Art, durch «ine Haoari« gezwungen woü>en ist, in «t. Malo einen Zwischenaufenthalt zu nehmen. Es scheint sich um eine ernsthaftere Beschädigung zu Han. deln. Die französisch-russische Flottrnkonvention ratifiziert. Pari», 28. August. Der „Temps" meldet au» Pet«r»burg: Wie jetzt festgestellt worden ist, ist Üo Flottenkonvention zwischen Frankreich mkd Rußland, über di« in Pari» verhandelt worden war, während des Petersburger Aufenthaltes de» französischen Ministerpräsidenten dort ratifiziert worden. Vereinigte Staaten. Der Mahlfond» Roosevelt«. Washington, 23. August. Der pennsylvanische Senator Penrose, ein Anhänger TastS, hat gestern abend im Senat erklärt, dah Mr. Archbold bon der Standart Oil Tompany einen Betrag von ISS 000 Dollar zur Präsidentschaftswahl Roosevelt- im Jahre 1904 zur Verfügung gestellt habe, und daß davon 100000 Dollar mit Wissen und Zustimmung Roosevelt- für seine Wahl verwendet worden seien. Leipziger Tageblatt std»n-ao»gad« Heute kam Senator Penrose auf die Angelegenheit zurück und fordert« eine Untersuchung durch die Senalskommission, di« di« Frage der Wahlfonds untersucht hatte. Auf eine Anfrage erwiderte Pen rose, Roosevelt habe, nachdem er von der Ver wendung der 100 000 Dollar von Mr. Archbold erfahren hatte, Auftrag gegeben, die Summe zu- ruckzuerstatten. Roosevelt seinerseits erklärt dazu, daß er die Annahme von Beträgen von Mr. Arcl>- bold und den Mitgliedern der Standard Oil Com pany ausdrücklich verboten habe. Archbold hat der Wahlsoudskomiuissiou im Senat angezeigt, dast'^er bereit sei, sich als Zeug« vernehmen zu lassen. Tas Motiv der Anklage des Senators Penrose erbellt sein« weiteren Behauptungen. Er sagte, daß in die sem Jahr« Mr. I. W. Pcrkins drei Millionen Dollar gezeichnet habe, damit Roosevelt als repu blikanischer Kandidat nominiert würde. Aas für Summen zur Finanzierung der fortschrittlichen Partei gezeichnet worden seien, erklärt Periros« nicht zu wissen. Ans LeiflM und llmgeyenü. Leipzig, 23. August. Familiennachrichten. Verlobt: Fräulein Ernestine Kern, Haiusladt, mit Herrn Otto Schubert, L.-Reudnitz und London. Vermählt: Herr Hermann Scheibe und Frau Gertrud geb. Ebert, L.-Connewitz. Herr Rechts anwalt Lr. Rodert Kühn, Döbeln, und Frau Marie geb. Rost. Lchweikershain. Gestorben. Frau Helene Guthzeit geb. Heinrichs, 62 Jahre alt, Königsberg. Frau Elisabeth verw. Roßbach geb. Ritter, 80 Jahre alt, Leipzig. Beerdi gung Sonnabend ',.5 Uhr. Johannissriedhof. Herr Dr. phil. Georg Braud, Leipzig. Beerdigung Montag 11 Uhr. Siidfriedhof. O Herr Moses Rosenbaum, Leipzig-Plagwiß. Beerdigung Sonntag 12'/, Uhr, Israelitischer Friedhof. s» Herr Ernst LÜowig Horn, Anstaltswundarzt a. D., 87 Jahre alt, Leipzig. Ein äscherung Sonntag 3 Ubr, Südfriedhof. « Herr Kantor em. Theodor Schelle, Radebeul bei Dresden. tS Fräulern Ella Paichleuntz. 15 Jahre alt, L.-Reustadt. Beerdigung Sonntag 3 Ubr, Schönefelder Friedhof. » Herr Hugo Teich, L.-Volkmarsdorf. Beerdigung Sonntag 3 Uhr, Friedhof Sellerhausen. « Herr Ru dolf August Ritter von Oloenbourg, Kommerzienrat und Derlagsbuchhändler, München, Herr Johann Gottlieb Brust, Leipzig-Kleinzschocher. Beerdigung Sonntag 2 Uhr, Friedhof Kleimschocher. v Fräulein Elisabeth Bittner, Leipzig. Beerdigung Sonntag ',«11 Uhr, Johanntsfricdhos. Wetterbericht der König!. Siichs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 24. Au au st. Westwinde, wechselnde Bewölkung, kühl, zeitweise Regen. Sonnenaufgang 4 Uhr 58 Minuten, -Untergang 7 Uhr 5 Minuten. Mondauigang 6 Uhr 30 Minuten, -Untergang 12 Uhr 22 Minuten. Temperatur ües Flutzwsllers. 22. August. adds.UUHr 23. August. srühüUhr -3. August. mitgs.l/Uhr .Germaniabad lPleitze) -ft17° 0 -ft 16° 0 -ft 16° ' Schwimmanstalt «rlsteo -ft 17° 0 -f- 16° 0 -ft 16,5' 0 Gemeindebad Schönefeld «Parthei -j- 15° 6 -ft14'0 -ft 14° 0 Familtenbad Markkleeberg (Pi«ib«> —- — — ->drnS'Zplr!pl-n Ser Leipriger (Dealer. st« »tag ÄuftEnh» Sonnabend Ans.Ende Neu», Th. Di« EntsUhrung au» d. Serail, o. 7 3.10 Tiesland. 0. 1-8 10 Alt- r». Erschlossen. — — Dt« damein Not Op. 8 Operett.-Dh Da» gewisse Etwas. Op, 8 1.11 da» gewisse Etwas. »>>>. 8 1,>l Schauspielh. E rklirun g so i» Windhund. : 0. — Oper, t,. -» Uustipi» 3.9 i)r>. l. i 1.11 -» Op< r. --- so'n Windhund. rette, Lau. — Trauerspiel. 'i.ö scha 3.11 «spiel * Auszeichnungen. Vom König!. Ministerium des Innern ist den nachgenannten, seit über 30 Jahren ununterbrochen in einer Stell« beschäftigten Per sonen je das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit verliehen worden, und zwar: dem Buchhand- lungserpevienten Gustav Hermann Lindner in Leipzig, in der Buchhandlung und Leihbibliothek von Franz Ohme in Leipzig, Uiuo.'rsitäts'trutze 5, bvschcif- tigr, dem Schirrmeiseer Earl Richard Glau sch in Leipzig, in' dem Spedition-;-, Kommission» , Salz en gros- und Bank-Geschäft von Johann Christian Freygang in Leipzig, Rikolaistraß« 16, beschäftigt, und dem Werkmeister Robert Prautzsch rn Leip zig und dem Hobler Bernhard Paul Zähne in Schönefeld, beide in der Majchinenbauanstalt von Kirchner K Co., Akt.-Ges. in L.-Sellerhausen, Tor gauer Straße 41/43, beschäftigt. Die Auszeichnun gen wurden oen Jubilaren heute in Gegenwart ihrer Arbeitgeber durch Bürgermeister Roth an Ratsstelle ausgehändigt. * Einrichtung einer Zählerprüfanlage und eines Laboratoriums >m Elektrizitätswerk Süd. Nachdem die Regierung von dem anfangs in Aussicht ge nommenen Eichzwangc für die Elektrizitätszähler durst, staatlist'I: Prusungsanstalten abgesehen hat, müssen die Strom verkaufenden Werke selbst dafür sorgen, daß die Zähler vor ihrer Verivendung sorg, faltig geeicht werden. Damit dienen die Werke, abgesehen davon, das; es ihre Pflicht ist, die Rech nungen auf Grund einwandfreier Messungen aus- zustcllen, vor allem auch ihrem eigensten Inter- esse: denn cs bedarf keiner Darlegung, das; die Abnehmer in der Regel nur Ungenauigkeiten zu ihren Ungunsten bemerken und melden. Deshalb besitzen die meisten größeren Elektrizitätswerke Eicheinrich tungen vollkommener Art. Im Bereist)« der Leip ziger Werke sind gegenwärtig annähernd 8000 Zähler in Benutzung. Will man di« Gewähr haben, daß dies« genau messen, so muß jeder durchschnittlich alle zwei Fahre nachgeeicht werden. Bei der Ent wicklung unserer Werke wird die Zahl der Zähler sehr bald auf 10 000 steigen. Dann macht sich die Racheichung von jährlich 5000 oder täglich 17 Zäh- lern erforderlich. Hierzu kommt die Prüfung von durchschnittlich 8 bis 10 von den Fabrik«» ge lieferten neuen Zählern sowie die der auZbesserungs- bedürftigen, so das; sich die Notwendigkeit ergibt, täglich mindestens 30 Zähler zu eichen. Hierzu reicht die vorhandene Einrichtung in keiner Weise aus. Ter Rat si«ht «S deshalb als zwingende Notwendig keit an, Prüfeinrichtungen für Zähler und Meß instrumente zu beschaffen, die den Bedürfnissen ern- sprechen und der Grüße der beiden städtischen Werke angepaßt sind. Tie Räume für die Einrichtung einer ZäblerprÜfanlage und eines Laboratoriums sind bereits bei der Erbauung des Elektrizitätswerkes Süd vorgesehen worden. ES handelt sich daher nun mehr um 1. Einrichtungen für Gleichstrom- und Dreh stromzähler, nebst den .zugehörigen Vorrichtungen zur Erzeugung von Gleich- und Drehstcom mit praktisch glelchbleibender Spannung, 2. Prüfeinrichtungen für Meßinstrumente (ström- und Spannungsmesser), 8. eine Pbotometriereinrichtung, die dazu dient, elek trische Lampen auf ihre Güte und Kerzenstärke genau zu prüfen. Ti« für die Prüfanlage erforderlichen Freu-,. 23. »usu« ISI2. 79 000 Mark hat der Rat au- Anleihe zu Lasten der Stammanlage der Elektrizitätswerke zu bervil- ligen beschlossen und ersucht die Stadtverordneten um Zustimmung. * Ausnahmesonntage im -andelvgewerbe. Der Kreisoerein Leipzig im Verband« deutscher Hand» lungsgehilfen hatte sich im Juli d. I. an Rat und Stadtverordnete mit einer Eingabe gewandt, in der er sich gegen die Zulassung eines dritten Ausnahme» sonntags vor Weihnachten ausgesprochen hat. Nun« mehr fugt in einer wetteren Eingabe der genannte Verein ergänzend hinzu, daß sich auch da» Kauf mannsgericht Leipzig in seiner letzten Plenarsitzung gegen jede Zulassung von Ausnahmesonntagen erklärt hat. Daraus ergibt sich, daß das Kaufmannsgericht einen dritten Ausnahmesonntag vor Weihnachten von vornherein als überflüssig empfunden hat. Der Verein ersucht daher Rat und Stadtverordnete, dem Anträge der Handelskammer nicht bcizutreten. son dern höchstens zwei Ausnahmesonntage vor Weih nachten für den Kleinhandel mit einem Ladenschluß um 0 Uhr freizugeben und die Ausnahmesonntage im Großhandel ganz zu beseitigen. * Durchführung de» Kraftfahrbetriebes bei der Leipziger Feuerwehr. Tie Einführung des voll ständigen Kraftfahrbetriedes bei der städtischen Feuerwehr ist eine Frage, die den Rat der Stadt Leipzig schon seit längerer Zeit beschäftigt. Zurzeit ist die Feuerwehr mit 5 Kraftfahrzeugen ausgerüstet. Da seit der ersten, teilweisen Einführung des Kraft- fahrbctrisbes schon geraume Zeit verflossen ist und deshalb die Versuch« über die Bewährung als ab geschlossen gelten können, hält der Rat die Zeit für gekommen, um über die gesamte Einführung des vollständigen Kraftfahrbetriebes Entschließung zu fassen. Dies um so mebr. als die finanziellen Wir kungen einer solchen Umgestaltung unserer Feuer wehr von nicht zu unterschützender Tragweite sind. Der Rat hat daher beschlossen, 1) für die Durch führung des Kraftfahrzeugbetriebes 325 000 -K zu bewilligen und diese nach Bedarf in den Jahren 1913, 1914, 1915 und 1916 dem Betriebsvermögen zu entnehmen; 2) zur Rückerstattung dieser Summe aus den laufenden Mitteln an das Betriebsvermögen in den Hausbaltplan für 1913 30 000 .A, für 1914 40 000 .<k, für 1915 60 000 für 1916 75 000 für 1917 60 000 und für 1918 60 000 einzusetzen; 3) nach Auflösung der Ausstellungswache 4 etat mäßige Stellen von Feuerwehrleuten und nach In dienststellung je eines neuen Kraftfahrzeuges weiter je 2 Stellen von Feuerwehrleuten, insgesamt 12, und zwar 8 von Maschinisten und 4 von Feuerwehr männern, einzuziehen; 41 nach Beschaffung der ein zelnen Löschzüge die entbehrlich werdenden Pferde und Fahrzeuge zu verkaufen und den Erlös aus dem Verkauf dem Betriebe wieder zuzuführen. Hierzu ersucht der Rat die Stadtverordneten um Zu stimmung. * Achtung — Wage« besetzt. Es dürfte von Interesse sein, von folgendem kürzlich ergangenen Schöffengerichtsurteil Kenntnis zu erhalten: Ein Fahrgast hatte einen vollbesetzten Straßenbahnwagen bestiegen und der Aufforderung des Schaffners, die sen zu verlaßen, nicht Folg« geleistet. Deswegen vom Schaffner zur Anzeige gebracht, ist er wegen Ueber« tretuna der Vorschriften der Betriebsordnung für die elektrischen Straßenbahnen zu 5 Geldstrafe oder 1 Tag Haft verurteilt worden. " Schwerer Einbruchsdiebstahl. Ein Einbruch, wie er mit solcher Dreistigkeit wohl selten ausgeführt, wird, ist in vergangener Nacht in dem Juwelen geschäft ron Hugo Meschke in der Grimmaischen Straße, dicht am Neumarkt, verübt worden. Die Diebe hatten zwei an der Seite des Einganges be findliche große Spiegelscheiben, die etwa 8 Zenti meter auseinanderstehen, mit einem Hammer ein- Dss Gute, üas lv nshe liegt... Eine Ehegeschichte von M. Pitt. (Nachdruck verboten.) Heber den Straßen der Stadt lag die Augustsonne. Die Balkontüren der Hessingschen Wohnung stan den weit offen, und im Schatten der breiten Markise, die bis auf die üppiablühenden Topfpflanzen nieder reichte, spielte der Bubi mit dem neuen Kinder« fräuletn. Drinnen, im kühlen Speisezimmer, «ine Kaffee tasse vor sich, die Zeitung in der Hand, saß Herr von Hessing. Elegant und gelangweilt. Eine Näherei aus den Knien, emsig stichelnd, leistete die mehr anmutige als schöne Gattin ihm stumme Gesellschaft. Als die Matrosenbluse geheftet war. rief Frau von Hessing das Fräulein, ne dem Bubi anzuprobieren. Der kleine vierjährige Mann ließ sich nur ungern aus- und anzieben und gab durchaus kein Gutachten über das neue Kleidungsstück ab. Aber das Fräulein mit der netten Erscheinung, dem appetitlichen jungen Gesicht und den angenehmen Manieren verstand e» so vortrefflich, ihn zu bewundern, zu interessieren, hob ihn schließlich vor den Spiegel, damit er sähe, wie aut ibm die von der Mama genähte Bluse stehe, daß sein kleine» Hey weich wurde. Er wandte sich um, küßte die Mutter und fragte dann: „Darf ich dem Fräulein auch einen Kuß geben?'' „Freilich" antwortete Frau von Hessing mit wohl wollendem Nicken. „Wenn du's sagst, Mama . . . Von allein traue ich mich nicht. Der Papa hat dem Fräulein heute früh einen Kuß geben wollen und da hat sie ihm eine Ohrfeig« gegeben . . Al» sei der Blitz vor ihr niedergefahren, stand Frau von Hessing. Blaß und erschreckt starrte der Vater sein «miaut toinüdls an ... Eine Sekund« lang verharrte da» Fräulein und war des Türweisens gewärtig. Als nicht» erfolgte, nahm sie das Bübchen an der Hand und verließ mit ihm da» Zimmer, di« Ehegatten taktvoll allem zu lassen. Also das tust du mir an!" klagte Frau von Hessing leis«, tränenschweren Auge« zu dem geliebten, bestechenden Manne hinüberschauend. „Daß du mich so beleidigst, Jasper . . „Ellinor", bat «r weich, und haschte nach ihrer Hand. „Eine Laune — »in dummer Scherz . . . Ver giß und vergib . . . Denke an die fünf glücklichen Jahr«, die hinter «ns liegen ... „Ich denke an die zwanzig, die vielleicht noch vor uns liegen, Jasper", antwortete sie traurig, ohne den Druck seiner Hand zu erwidern. „Wie sollen die werden!" Er stampfte ärgerlich mit dem Fuße auf. „Gott, du tust, als habe ich ein Verbrechen begangen . , . Lächerlich . . Lächerlich kommt mir so etwa, nun nicht gerade vor . sagte sie strena. Beider Worte wurden heftiger, Anklage und Verteidigung schwerer und lauter. Bit ten und Vorstellungen seinerseits halfen nichts. Ellinor wollt« sofort da» Fräulein entlassen und dann mit dem Bubi zu Mama reisen. Ruhiger ge worden, dachte sie milder über den unliebsamen Vor fall, DH das«M reicht entzündbar w«r, hatte ihr vor ihrer Verlobung alle Welt gesagt. Sie wollte ihn aber trotzdem haben. Durchaus haben. Und geradezu gewaltsam hatte sie ihn sich erobert. Das hatte sie nun davon ... Wenn sie ihm ernstlich zürnte und von ihm ging, lernte er sich vielleicht nach ihr und dem Kinde sehnen. Ihre Ehe würde sich dann auf neuer Basis ausdauen . . . Sie reiste also wirklich. Von ihr keines Wortes gewürdigt, begleitete er sie auf die Bahn, stellt« sich immer wieder aufs Tritt brett, mit dem Kinde zu plaudern oder von der Gat tin wenigstens einen feuchten Abschiedsblick zu er haschen. Nichts dergleichen . . . „Obacht! Zurück treten! . . .Fertig! . . / Laut hallten die knappen Rufe des Zugführers durch die weite Bahnhofshalle. Dann zischte der weiße Dampf aus der Lokomotive, und der Zug rollte davon. Jasper winkte. Aber sein letzter Gruß wurde nicht erwidert. Trotzdem verließ er den Perron erst, als die Scheibe am letzten Waggon nur noch wie ein Pünktchen erschien. Es war ihm doch sehr fatal zumute, verlassen worden zu sein. . . . Draußen auf dem Bahnhofsplatze flutete Heller Sonnenschein und das Getriebe der Großstadt rauschte an ihm vorüber. Er war nun ganz allein. Und allein mit den Gedanken über sein« Dummheit, mit der er sich um seinen häuslichen Frieden gebracht. Es war natürlich furchtbar überspannt von Ellinor, die harmlos« Sache so aufzubauschen. Man würde doch noch einem netten, stachligen Käfer einen Kuß rau ben dürfen! Besonders, wenn die eigene Frau so wenig pikanten Retz besitzt, dachte er in Parenthese. Welcher Mann machte nicht gelegentlich einen ähn lichen Streich! Er wollte sich aber derartiges nie mehr zuschulden kommen lassen, gelohte er sich feierlich. Gewiß nicht. Vorläufig wenigstens nicht, schränkte er heimlich ein. In der vereinsamten Wohnung hielt er's nicht lange aus, zumal von Ellinor keine Zeile eintraf. Was sollte er im August zwischen diesen engen Stadtmauern, aus denen alle Bekannten geflohen waren? Nachreifen? Nein. Das erlaubte sein persönlicher Stolz nicht. Im Gegenteil. Nun wollte er ihr Angst machen — sein bezwingendes Aeußere und seine Treu« in ihren Augen erst recht in Gefahr bringen ... Er bemühte sich beim Ministerium um Urlaub und suchte das nächste beste Seebad auf. Nun lag er an der Düne, formte sich aus Sand ein Kopf kissen und versuchte, unter dem Brausen des Meeres und dem Kreischen der Möwen einzuschlafen, um erst bei einbrechender Dämmerung zu erwachen. Da sah er plötzlich ein Frauenkleid aufleuchten, das mit graziöser Bewegung gerafft wurde und dann gefällig um einen Feldstuhl floß. Donnerwetter, diese Linien! Er war ganz Feuer und Flamme für das junge Wesen dort, das mit ver schlungenen Händen in die Meerferne hinausträumte. Solch einen Wuchs batte er noch nie gesehen, und er ergötzte sich an den fcingeschwungenen Konturen, der anmutig-lässigen Haltung, die so gut in da» Land schaftsbild hineinpaßte... Da war so etwa« Weiches, Hingebende», für das er «in Faible hatte, dem er einfach nicht widerstehen tonnte. . . . Unter dem Panama sielen braune, losgelöst» Ringellöckchen auf einen schneeweißen, offenen Hals. Das fein ausgebaute Köpfchen war ein wenig seitlich geneigt. Schad«! Kein Profil M sehen. . .. Seine Phantasie malte sich ein süßes Gesicht — Augen voll ungewxckter Gluten, und er aus. trank diese rührende Schönheit mit so durstiger Sehnsucht, daß er unmerklich immer näher rückte und plötzlich vor dem Gegenstände keiner Bewunderung stand. „Ellinor . . . Das bist du . . .?" Sie war gar nicht erstaunt, ihren Gatten hier zu sehen. Sic glaubte genau au wissen, daß Mama ihr den Reumütigen nachgeschickt batte. . . . Sie ahnte deshalb auch nicht, daß sie Jasper eigentlich auf einer neuen Untreue ertappt hatte, wenn auch diesmal seine Begeisterung ihr selbst galt. Sie fühlte nur, daß sie ihm in dieser wundervollen Stunde vollkommen neu war, und aus seinen strah lenden Augen und den zitternden Händen, mit denen er die WiederMwonnene umschlang, entnahm sie mit Entzücken ein Geständnis, das sie beseligte. Tolltoi-Lrinnerungen. fj, Der seit vielen Jahren in Rußland lebende tta- lienische Schriftsteller Conoetto Pettinato veröffentlicht seine Erinnerungen an das literarische und künstlerische Rußland vergangener Jahrzehnte, und er erzählt dabei auch interessante Einzelheiten von dem Leben und Wirken Tolstois, der von Jasnaja Poljana aus mit vielen der führenden Künstler in Beziehungen stand und seine Freunde oft auf seinem Gut« empfing. Wenn er auch schon damals das Petersburger Treiben verwarf und die Großstadt haßte, so war er doch, zwischen seinem 60. und 70. Le bensjahre, mit dem Loben im Grunde nicht ganz un zufrieden. Die Gräfin Alexandra, die als Ehren dame der Großfürstin Maria Nikolajewna im Hof leben stand, pflegte er vergnügt zu fragen, was sie in ihrem „Schornstein" anfang« und treibe; der „Schorn stein" war für ihn die höfische Welt, und er backte da- bei an Len vielen Dampf und Rauch der menschlichen Eitelkeit. Vergnügt setzte er hinzu: „Ich aber bin aufs tiefste unglücklich. Seit sechs Tagen habe ich am Auge «in großes Gerstenkorn, das mich martert und mir die Sinn« raubt. Ich seh« schlecht, ich rieche schlecht, ich bin vollkommen verblödet. Darum bin ich vermutlich auch allerbester Laune." Eingeweihte aus jenen Tagen böstätigen das, die Freunde ergötzten sich weidlich über die komischen klei nen Leiben; „er hat wegen seines Gerstenkorns nicht weniger als dreimal den Arzt gerufen". Ueber Einsamkeit konnte man sich damals auf Jas- naja P^lnaja nicht beklagen, fast immer weilten Gäste tm Haufe, Besucher kamen und gingen. Repin war in jenen Zeiten oft bei Tolstoi, um ihn zu malen; 1891 kam auch der bekannte Bildhauer Gunsburg, durch Vermittlung von Stassoff, nach Jasnaja Pol jana. Tolstois Arbeitszimmer wurde dann zum Mal- und zum Bildhaueratelier. Es mag wenig Menschen auf der Welt geben, di« so viel und so bereitwillig Modell saßen; schon in früher Morgenstunde pflegte der Gntsherr die Künstler dann zu wecken: „Wie habt ihr geschlafen? Haben die Mücken euch nicht geplagt?" Aus Gründen der Zeitersparnis wurden dann Kollek- tiositzungen abgehalten, zwei, drei Maler arbeiteten zu gleicher Zett, während Tatjana, manchmal auch Tolstoi selbst laut vorlas. Immer wieder wurden diese ost ausgedehnten Sitzungen durch Besucher unter brochen: Jasnaja Poljana war bereits zum Wall fahrtsort der Tolstoibewunderer geworden. Die meisten der unzähligen Pilger begnügten sich freilich damit, den greisen Weisen zu sehen, mehr be gehrten sie nicht. Während Gunsburg an einer seiner Tolstoistatucn arbeitete, meldete eines Tages der Diener „einige Fräulein aus Tula". Tolstoi wandte sich zu dem Diener: „Was wollen sie?" „Sie sehen." „Wie lästig!" meinte Tolstoi, „aber das hilft nichts: wir müssen es ertragen." Drei junge Mädchen werden hereingelassen, blei ben an der Tür stehen und starren Tolstoi wortlos an. „Woher kommen Sie?" „Aus Tula." Was wünschen Sie?" Schweigen. Die vier Pilgerinnen bekommen eine Gänsehaut. „Haben Sie etwas von mir gelesen?" „Jawohl." '„Auch meine Romane?" „Nein." Erneutes Schweigen. Die armen Wesen fanden kein« Worte. Tolstoi mußte die Szene beenden, indem er den Diener beauftragte, den verstörten Damen di« versprochenen Bücher zu gaben. Ein andermal erscheint eine junge Dam«, die ein« Million geerbt hat und nach Jasnaja Poljana kommt, um Tolstoi zu fragen, was sie mit dem Geld anfangen soll. Der Philosoph hatte nur eine merkwürdige sehr lakonische Antwort: „Verbrennen!" „Aber wir Haden doch so wenig Kinderasyl« und Heimstätten für alte Leute." „Wozu das?" erwidert Tolstoi, ,^>ie Eltern sollen ihre Kinder nicht ins Asyl schicken, und die Kinder nicht ihre Ettern ins Hospiz. Verbrennens" Der seltsamste Besuch, den Tolstoi in jenen Tagen wohl empfing, war der eines „Fremden" aus Moskau. Eines Tages empfing Tolstoi aus Moskau von Be kannten «in langes Telegramm, worin er gebeten wird, diesem rätselhaften Fremden eine Audienz zu erteilen. Tolstoi lohnte ab. Ein paar Tag« später rollt während eines Spazier- gange» «ine Troika heran und dem Gefährt entsteigt ein eleganter Herr: der Fremde aus Moskau. „Sie sind doch Tolstoi, nickt währ? Da, freut mich auf richtig. Die ganze Welt hab« ich gesehen, ich wollt« auch Sie gesehen haben." „Ah, und wer sind Sie?" „Ich bin der Vertreter für O ... Darf ich Sie be- gleiten?" Osch halbe keine Zett." Inzwischen zieht der wunderliche Herr bereit- ein elegante» Samtetui aus der Brusttasche, läßt es auf. springen und will es Tolstoi überreichen: zwei Fla kon» . . . Der Dichter waichte dem Herrn den Rücken: „Was soll ich damit?" Aber als Tolstoi am Abend heimkam, erwartete ihn auf einem Stuhl das Etui mit den beiden Flaschen uttd daneben lag di« Visitenkarte jenes seltsamen Gaste»,
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