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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.08.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120822029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912082202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912082202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-22
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
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BezugS-Prei- fttr Leipitg and ivorort« durch «nl«r« Iräzei und Eordttrur» 2mal tiqlich ins riau» ,edrachr: »Pl. monatU. L7V Mt. »ierteyahrl. Bel unser« Filialen «. An» nahmeslellen abaehoU: L Vs. maaatl^ US »K. vierlelgUnl. Dur» di» Pa»! innerhalb Deulichland» und der deutichen »loianien vierleliahrl. S.SV Ml., monatl. l.HU!kik. auaschl. Postdestellgeld. Ferner in Selzien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, Uuremdura, Rtederlande, Nor- wegen, Oesterreich»Unaarn, Nustlanv, Schweden und Schwei». In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Geschäft», Kelle de» Blatt«» erhältlich. Da» i-'elvztger lagevlatt «rlcheial »mal täglich. Sonn» «. Feienag» nur morgen». Lbonnement».Ännahm« I»h,a»«,,,ll» 8, be» unseren Drägern, Filialen.Eooditeuren »ad Lnnahmekellra, lowt« Pokämreru and Brtesträgern. Vta»«l»»rk«»k»»r»t» UI Vf. Abend Ausgabe. KWMr Tagcblaü -ei.-r>,ch,. > ü Handelszeitrrrrq. f 14694 aV f Dev.-Nast« Enm«. Steinwra M./'L* Ämlsvtatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. 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Ausl.) * Von Toulon ist der Kreuzer „Jurien de la Graviore" am Mittwoch zur Berstärkungder französischenFlottendivisioninMa- rolko in See gegangen. * In Marseille ist bei 14 syrischen Auswanderern gelbes Fieber festge stellt worden. (S. Tageschr.) Zur Frage üer Schlssahrts- gebühren im psnsmsksnal. Don Prof. W. Stahlberg. Kustos am Institut für Meereskunde der Universität Berlin. Nicht nur die große Berkehrsbedcutung bcS Panamakanals, sondern namentlich auch der be. reits zutage getretene englisch-amerikanische Kon- slikt wegen der Frage der Kanalgcbühren hat ein so allgemeines, auch stark weltpolitisch gefärbtes Interesse für die bevorstehende Vollendung des Riesenwerkes gezeitigt, daß wir unseren Lesern zu dienen glauben, wenn wir sie aus berufener fach männischer Feder über die ausgetauchten amerika. Nischen Kanalfragen unterrichten. Die Red. Englands Einspruch gegen die Bevorzugung amerikanischer Schiffe im Verkehr durch den Panama kanal hat die öffentliche Aufmerksamkeit unverhält nismäßig stark auf einen Punkt minderer Wichtig keit gelenkt. Wenn der Kann! erst einmal als eine betriebssichere Straße des Weltverkehrs fertig sein wird, dann werden sich neue Verkehrswege für die Schiffahrt und neue Verkehrsbeziehungen für den Handel herausbilden. Die größte Bedeutung von allen Wirkungen des Kanals aber wird die Förde rung oder Benachteiligung der verschiedenen natio nalen Wirtschaftsgebiete haben; und sie hängt in der Hauptsache nicht von der Flagge ab, unter der die Schiffe durch den Panamakanal fahren, sondern von der Herkunft der Güter, mit denen sie dabei beladen sind. Was den Einspruch selbst angeht, so erscheint es recht sehr fraglich, ob die beabsichtigt« Wirkung er- zielt wird. Der Hay-Pauncefote-Vertrag bestimmt, daß alle aus dem Recht des Kanalbaues auf eigene Kosten fließenden Rechte den Vereinigten Staaten zustehen, und daß deren Negierung alle Be fugnisse zur Regulierung, Verwaltung und zum Be trieb des Kanals haben solle, daß endlich der Kanal den Handels- und Kriegsschiffen aller Nationen in völlig gleicher Weise frei und offen sein soll. Un zweifelhaft legen die Amerikaner diese Bestimmungen im Sinne der ganzen geschichtlichen Entwicklung ihrer Stellung zum Kanal folgerichtig dahin aus, daß nach der Idee des Vertrages auf der einen Seite die Ver einigten Staaten und auf der anderen alle anderen Nationen gestanden haben, vertreten durch England, besten Politik ja notorisch in nationaler Selbstlosig keit lediglich für die kulturelle Aufwärtsentwicklung der gesamten Menschheit geführt wird. Und daß diese amerikanische Auffassung sich durchsetzen wird, liegt ebenso unzweifelhaft auf der Bahn der „Er folge", die England gegen die Bereinigten Staaten in dem diplomatischen Ringen um den Kanal bis her davongetragen hat. Wie der Einspruch formell erledigt wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls fühlen sich die Vereinigten Staaten in dieser Frage völlig autonom; und sie werden die Kanalgebühren mit derselben Sicher heit nach eigenem Ermessen festsetzen, mit der sie, in zielbewußter Abweichung nach den Vertragsbestim mungen. der vorgesehenen „suezkanalmäßigen Neu tralität" ein ganz anderes, durchaus amerikani sches Gesicht gaben. Sie haben sich gegen den Ver trag den territorialen Vorzug des Besitzes am Kanal gebiet mit allen Hoheitsrechten geschaffen; sie haben sich aus der vertragsmäßigen „Berechtigung zur mili tärischen Polizei" die Verpflichtung zu Befestigungs anlagen hergeleitet, die den Kanal schlechthin mili tärisch beherrschen — eine Logik, die international ebensowenig einwandfrei ist, wi« sie national be rechtigt war; sie haben sich überhaupt im Laufe der Jahre immer mehr daran gewöhnt, den Panama kanal, an den sie so gewaltige öffentliche Mittel ge wandt haben, als eine durchaus nationale An gelegenheit anzusehen. — Und sie sollten jetzt geneigt sein, ihre nationale Auffassung zugunsten des Spruchs eines internationalen Schiedsgerichts zurückzustellen? Aber, wie gesagt, es ist durchaus eine Fräste zweiten Grades, ob die Vereinigten Staaten dre amerikanischen Schiffe bei den Panamakanalgebühren bevorrechten, sei es nun unmittelbar durch Befreiung oder mittelbar durch offene oder verschleierte Rück erstattung. Der Verkehr zwischen amerikanischen Häfen ist sowieso durch ein Gesetz der Vereinigten Staaten der amerikanischen Flagge Vorbehalten; die Küstenschiffahrt bleibt nach wie vor amerikanisch. Die Zahl der amerikanischen Uebersee-Schiffe aber ist durch die Bestimmung, daß Schiffbaumaterialien nicht zollfrei eingeführt werden können, in Verbin dung mit dem Gesetz, daß nur im Lande gebaute und Amerikanern gehörige Schiffe unter dem Sternen banner registriert werden können, bisher verschwin dend klein geblieben. Man kann ihre jetzige Be deutungslosigkeit nicht wohl bester beleuchten, als es der letzte amtliche Jahresbericht des Commissioners of Navigation durch Hinweis auf da» Mistverhältnis ihrer Zahl zur Größe der amerikanischen Kriegsflotte tut: Wenn man wollte, so könnt« man jedem ameri kanischen Dampfer im Pastagierverkehr des Nord atlantischen oder des Nordpazifischen Ozeans durch zwei Schlachtschiff«, einen Armeetransport und eine kleine Flottille von Kreuzern, Zerstörern und Tor pedobooten begleiten lasten! An diesen Dingen würde sich auch bei freier Durchfahrt amerikanischer Schiffe durch den Kanal ohne weiteres nichts ändern. Aber man vergesse auch nicht, daß sich, rein wirt schaftlich geschäftsmäßig betrachtet, die Vereinigten Staaten auch schon bisher bei diesem Zustand ganz wohl befunden haben. Ihr Handel macht dem euro päischen Handel auch in den Gebieten, die ihm ge rade durch den Panamakanal erst recht aufgeschlossen werden, schon heute ohne die amerikanische Uebersee- Handelsflotte das Feld sehr stark streitig. Nicht ob die amerikanischen Waren auf amerika- nischen oder auf englischen, deutschen und sonstigen Schiffen den Kanal durchlaufen, sondern daß sie überhaupt durch den Kanal weit leichter in immer größeren Mengen und mit immer steigendem Erfolge in die Eeb'ete des Wettbewerbs mit euro päischen Waren abfließen werden, das ist schließlich der springende Punkt. Das wird die Eroortmöalicb- keit«n für europäische und besonders auch für unsere deutschen Jndustrieerzeugnisse unliebsam beeinträch tigen; und ebenso wird die billigere Verfrachtung landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus dem amerikani schen Westen nach Europa auf unsere Landwirtschaft empfindlich drücken. Das einzusehen braucht man sich nur die durch den Panamakanal geschaffenen Kürzungen der einzelnen Welthandelswege zu ver gegenwärtigen. Das neue Exerzierreglement kür üie stsnMMe Kavallerie. * Bei dem neuen Exerzierreglement für die französische Kavallerie sind vornehmlich drei Ge sichtspunkte für uns von Bedeutung. Ter Einfluß der zweijährigen Tienstzeit, die Betonung der Offen» sive und die dadurch bewirkten Aendernngen in der Organisation der Reitcrivasfe. Tie Anforderungen des alten Reglements konnten nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit nicht mehr erfüllt werden. Sie mußten deshalb herabgesetzt, die Einzel- und Exerzierausbildung vereinfacht werden. Namentlich die Ausbildung der Pferde hat unter der kurzen Tienstzeit gelitten. Es fehlt an genügend guten Reitern, wie sie allein der dritte Jahrgang lieserte. Man versuchte zwar, ihn durch Kapitulanten zu ersetzen. Ties verursacht aber einerseits sehr hohe Kosten, anderseits ist es fraglich, ob es gelingen wird, die nötige Anzahl von Kapitulanten zu ge winnen. Tie an und für sich schwierige Ausbildung des Reiters wurde außerdem noch durch die Ein führung der Lanze erschivert, mit der die Mehrzahl der Regimenter — dem deutschen Beispiel folgend — ausgerüstet werden sollen. Tie geringeren Anforderungen, die an die Aus bildung der Kavallerie gestellt werden, zeigen sich nicht nur in einer großen Vereinfachung aller Exerzierformationen, sondern auch in dein Nach lassen in der Geschlossenheit der Attacke. Ties ist nack unseren Anschauungen ein sehr großer Mangel. Tie Fühlung ist in der Grundaufstel lung nicht Bügel an Bügel, sondern derart, daß die Nachbarn sich nicht berühren sollen. Tie beherz testen Reiter aus den schnellsten Pferden werden im Reglement aufgefordert, sich von den langsamen Pferden nichr aushalten zu lassen. Dieser Satz in Verbindung mit der lockeren Fühlung muß not gedrungen zu einer Art Schwarm-Attacke führen, bei der alle Geschlossenheit verloren aeht. Wir halten gerade die ausgeschlossene Attacke für den Prüfstein der Ausbildung und beurteilen danach die Leistungsfähigkeit und Kriegstüchtigkeit der Truppe. Bei allen Bewegungen reitet der Eskadronführer nicht mehr vor der Mitte seiner Eskadron, sondern vor dem Richtungszugführer. Ties ist für den Zug- führer und die Truppe einfacher und leichter, weil sie nur dem Rittmeister nachzureiten brauchen, aber es besteht die Gefahr, daß nicht mehr die Mitte >er feindlichen Abteilung, sondern ein mehr seitwärts legender Punkt vom Hauptstoß getroffen wird. Bei >er Attacke des Kavallerie-Regiments ist die grund- ätzliche Anwendung der Linie aufgegeben, tatt dessen wird immer eine Staffelung ange wendet, bei der sich die einzelnen Schwadronen mit nur 12 Meter Abstand folgen. Es ist dies also etwas ganz anderes, als unsere Staffelattacke, die nur unter besonderen Verhältnissen angeivendet und bei der sich die einzelnen Staffeln in der Regel mit 150 Meter folgen. Bedingt ist diese neue Attacken form durch den Umstand, daß das lange Galoppieren in enttvickelter Linie, wobei sieb alle Schwadronen 106. Jahrgang. auf gleick>er Höhe befinden und nur durch kleine Zwischenräume voneinander getrennt sind, einen Hohen Grad reiterlicher Ausbildung verlangt, der bei der zweijährigen Dienstzeit nicht zu erreichen war. Taktisch muß aber die geschlossen anreitende Linie der losen französischen Formationen überlegen sein. Ti« vorderste staffel muß geworfen sein, eh« die anderen eingreifen können. Tie Offensive wird nach jeder Richtung hin betont. Es spricht sich hier dieselbe An schauung aus, die wir neuerdings auch bei den ande ren Reglements und Vorschriften finden und die ein Zeichen des allgemein gesteigerten Selbstbewußtseins der französischen Armee ist. Sie fühlt sich so stark und überlegen, daß sie auf die Vorteile der Teven- sive verzichtet, sie sucht den Gegner auf, um ihn zu schlagen. Auch in Frankreich ist jetzt die Ueber- zcugung vorhanden, daß es zuerst erforderlich ist, die gegnerische Kavallerie zu schlagen, ehe die Auf klärung bis an die feindlichen Linien herangetragen werden kann und ehe sie wirklich brauchbare Er- folge zeitigen wird. In einer siegreichen Attacke, die die feindliche Kavallerie bis auf seine Infanterie spitzen zurückwirft, liegt auch die beste Gewähr für eine Verschleierung der eigenen Slbsichten. Ta die Ansichten sich wohl auf deutscher wie französischer Seite vorfinden, werden sich die vor der Front der beiden Armeen befindlichen Kaval lerie-Tivisionen im Zukunftskriege aufsuchen. ES wird also zunächst zu großen Reiter schlachten kommen, deren Ausgang für die spätere Aufklärung und Verschleierung von ausschlaggebender Be deutung sein wird. Es cst deshalb ganz folgerichtig, wenn im Frieden daraufhin alle Vorbereitungen getroffen werden. Tie Franzosen haben aus diesen Erwägungen hinaus schon im Frieden Kavallerie- Tivisionen aufgestellt, und ihre Zahl jetzt auf 10 erhöht. Sie haben dies allerdings nur dadurch erreichen können, daß sie die Zahl der den Armee korps belassenen Kavallerie wesentlich verringerten. Es ist sehr zu bedauern, daß wir uns noch immer nicht zur Aufstellung von Kavalleriedivisionen entschließen können, so daß gerade der Truppen körper, der zuerst mit dem Gegner zusammenstoßen wird, nicht vorhanden ist, sondern erst im Mobil machungsfall gebildet werden muß. SS. Ällyemeiner SenolletMsftstsy. München, 22. August. Unter starker Beteiligung der Vertreter der Ge nossenschaften ganz Deutschlands trat gestern vor mittag im Festsaale des alten Rathauses der 53. All gemein« Genossenschaftstag zusammen. Zahlreiche Ehrengäste sind erschienen, unter ihnen Prinz Lud wig von Bayern, Vertreter der Staatsbehörden und der Stadt München. Sofort nach Eröffnung der Versammlung durch den Vorsitzenden Justizrat Alberti-Wiesbaden nahm Prinz Ludwig von Bayern das Wort. Der Prinz gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß es ihm möglich sei, zu dieser Versammlung zu er scheinen, er bezeichnete sich als einen Freund der Ge nossenschaften, gleichviel in welcher Art sie auftreten, und rühmte ihren Nutzen und ihren erzieherischen Wert. — Nach weiteren Begrüßungsansprachen wurde in die Tagesordnung eingetreten. Haupt punkt der Eröffnungssitzung war der Jahres bericht des Verbandsanwaltes Landtagsabg. Pro fessors Dr. C r ü g e r - Charlottenburg: Das Jahr 1911 war für die Kreditgenossenschaften wieder ein Oie große Karriere. 39) Roman von A. von Klinckowstroem. (Nachdruck verboten.) „Warum sitze ich eigentlich immer allein?" dachte sie einmal. „Warum gehe ich nicht zu Lene Busch? Der ist's ganz egal, ob ich sie ein Jahr vernachlässigt habe oder nicht. Die empfängt mich trotz allem mit offenen Armen." Es stand zwar zu befürchten, daß jene jetzt gegen Ende des Sommers nicht in der Stadt sein werde, aber den Versuch wenigstens konnte Esther immerhin machen. Und wirklich wurde ihr geöffnet, als sie an der Tür des Ateliers in der Nordendstraß« anklingelte. Lenens pikantes Gesichtchen erschien und verklärte sich beim Anblick der Freundin. „Das ist aber leutselig von dir, daß du dich meiner erinnerst." Die andere wollte ein paar Entschuldigungen stammeln, aber dazu ließ es die klein« Malerin gor nicht kommen. Lachend und mit vielen Küssen zog sie Esther herein, warf zwei Kisten auf die Kohlen kiste, stopfte der jungen Frau ein drittes in den Rücken, ein viertes unter die Füße, und kam mit ihrer bewährten Kognakflasche, um der sichtlich Er- schöpften ein« H«rzstärkung einzuzwingen. „Du brauchst mir gar nichts zu erklären," rief sie. „Ich kann mir schon vorstellen, wie es war." „Ach Lene, an mir lag es nicht." „Natürlich nicht. Wir wissen ja, wie wir zu sammen stehen, du und ich. Aber dein Mann ist jetzt so'n großes Tier geworden und verdient unmensch lich viel Geld. Da wollt« er es nicht. Den kenne ich doch aus- und inwendig." Esther fing an zu weinen. Der warme Empfang und die ganze liebvertraute klein« Bohsmewirtschaft lösten ein Schmerz- und Wohlgefühl ohnegleichen in ihr aus, das sich nicht anders Luft schaffen konnte als in Tranen. „Wenn du schon heulen mußt, dann heul dich wenigstens gleich ordentlich aus," sagte Len« trocken, und nun mußt« die junge Frau doch mitten aus der Tränenflut heraus nervös auflachen. Sie trocknet« die Augen, saß aber zwischen all ihren Kissen wie ein Häufchen Unglück. „Es ist ja sehr gnädig oon deinem Mann, daß «r dir heute gestattet hat, mich zu besuchen", fuhr die andere fort. „Jan ist verreist." „So, so! Wo ist er denn?" „Malt in Südfrankreich." „Kommt er bald zurück?" „Nicht vor Oktober." „Ich denke, bei euch kann jeden Augenblick der Storch einpassieren." „Darum kümmert der sich doch nicht." Wie Esther das bitter herausstieß, wandte sich Lene rasch und sah sie forschend an. Auf diesem blassen, jetzt etwas entstellten Gesicht lag keine Spur von Freudigkeit, wie sie doch bei einer so jung verheirate ten Frau natürlich gewesen wäre. „Das ist auch ganz gut", meinte sie, sofort den Dingen wieder di« beste Seite abgewinnend. „Du hast nun wenigstens Zeit, alles in Ruhe zum Empfang des Stammhalters einzurichten." „Ich mag es aber nicht!" klang es schroff zurück. „Der Gedanke daran ist mir schon gräßlich. — Was soll ich mit dem Kinde? — Ich weiß schon, es wird alle schlechten Eigenschaften Pallingers mit auf di« Welt bringen, — gerade weil mir das so schrecklich wäre. — Mir schlägt ja alles zum Unglück aus." „Na hör' mal, du hackst ab«r ein bißchen reichlich auf deinen Mann los", sagt« Lene. „Steht es «twa nicht gut zwischen euch?" Jetzt brach ein Strom von Anklage» über Esthers Lippen. Alle Bitterkeit, die sich im Laufe vieler Wochen in ihr angesammelt, kam zum krassesten Aus druck. Es tat ihr wohl, sich «inmal Luft schaffen zu können. Die andere hatte sich derweil rittlings auf einen Stuhl gesetzt, die Hände auf der Rücklehn« gekreuzt, und sah die Redende unverwandt an. „Und wie stand es denn mit dir?" fragte sie, als jene endlich innehielt und wieder schluchzte. „Was hast du getan, um in dieser holperigen Ehe den Kar ren ins rechte Gleis zu bringen? Hast du denn Pal- linger wenigstens so recht ordentlich lieb gehabt?" „Nein", antwortete Esther ehrlich. „Das war mir nicht möglich" „Also da liegt der Has« im Pfeffer. Ich will dir was sagen, mein Kind: Es tut nicht gut, die Schuld nur auf eine Seite allein zu häufen. Suche nur auch bei dir ein Splitterchen, wenn du schon bei deinem Manne lauter Balken im Auge siehst. Du wußtest, daß er von seinen Vagabundeninstinkttn noch nicht lassen konnte, aber du wußtest auch, was für ein glän zend veranlagter, genialer Kerl er ist. An dir als Tochter aus gutem Hause wäre es gewesen, ihm den moralischen Halt zu geben, der ihm fehlte, und ihm innerlich nahe zu kommen, so nahe, daß du seine Seele zu packen kriegtest. Lieb hättest du ihn haben müs sen. Aber du hast eben nur sein Wohlleben mit ihm teilen und nichts dagegen geben wollen. Du meinst wohl, das merken die Männer nicht, wenn sie ihren Frauen schnuppe sind? O jemine! — Und wie konntest du ihm nur, um allem die Krone aufzusetfen, seine Herkunft vorwerfen? Du, das war roh." „Es hat mir ja hinterher leid genug getan." „Ja, hinterher. Da war das Unglück geschehen. Kann er etwas dafür, daß er aus dem Sumpf auf gestiegen ist, — übrigens alle Achtung davor, — und daß da noch allerhand Sumpfgewächse in ihm wuchern?" „Ach, Lene, lies mir licht so streng den Text." „Du weißt, ich nehm« ungern ein Blatt vor den Mund, und du hast den Text geradezu herausgefor dert. Jetzt halte auch still." .Das tue ich ja. Sag, Lene, könntest du nicht mit nnr kommen? Es ist so nett, dich zu haben, nnd ich bin so allein." „Kann nicht. Ich hab einen Kranken." „Wen?" „Louis Haller." „Den Cellisten aus dem Türkenkabarett?" „Ja. Sonst wäre ich nicht im Sommer in der Stadt." „Was fehlt ihm denn?" „Schwindsucht. Letztes Stadium." „Ach du liebe Zeit! Der arme Kerl!" Die Doktors sagen, er wird den Winter nicht mehr erleben." All das kam so trocken üb«r Lenes Lippen, aber ihr Wippnäschen rötete sich leicht und die Augen wurden naß. „Und du pflegst ihn?" „Ja, wer sollte ihn auch sonst pflegen? Er hat doch niemand außer mir." „Ist er hier bei dir?" Esther deutete mit dem Kopf nach dem Nebenzimmer. „Bewahre. Er liegt in seiner Bude bei 'ner alten Bäckerswitwe. Ich geh jeden Tag hin." „Reden die Leute nicht darüber?" „Mögen sie doch. Wenn jemand stirbt, ist so etwas egal." Die Frau umfing das Mädchen herzlich mit bei- den Armen. „Ihr hattet euch lieb, ihr zwei, nicht wahr?" „Ja. Wir wollten uns heiraten, aber er konnte nicht aus seiner gewohnten Sphäre heraus. Ihm fehlte die Willenskraft. Das lag wohl an der Krankheit." Die Arme der Frau schlossen sich fester um da« Mädchen. Sie fand hierfür kein Trostwort, das nicht banal geklungen hätte. „Nun sei bloß nicht sentimental", meint« Len«, und machte sich frei. „Es läßt sich nicht ändern." „Komm doch mit mir!" bat die andere wieder. „Ich möchte dich auch mal so recht verwöhnen. Iß heute bei mir." „Nee. danke. Laß mich nur hier. Ich möchte noch arbeiten. Ich muß verdienen. Krankheit kostet Geld. „Du opferst ihm so viel." „Das ist kein Opfer. Mich macht'« glückselig, etwas für ihn tun zu können." „Ich wollte, ich könnte jemand so lieben, wie du"? sagte Esther mit zuckenden Lippen. „Das muß schön sein." „Das wünschte ich dir auch, du arme» Hascherl du. Komm bald mal wieder. Ich will dann auch nicht so grantig mit dir sein wie heute. Zu dieser Stunde findest du mich immer." . Esther schlich betroffen und kleinlaut heim. Si« beneidete der kleinen armseligen Malerin di« Glücks und Liebesfähigkeit. In ihrer eigenen Seele sah e« so dürr und grau aus, und nebenbei war da noch ei» unangenehmes Schuldbewußtsein. Da» hatte Len« doch wachgerüttelt. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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