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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.03.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120330014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912033001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912033001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-30
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
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Christentum« Gestalt gewann, gefallen lassen; die be sitzenden Stände der Römerwelt konnten sich aus ihren Bedenken gar nicht hevausfinden. Und Loch hat sie sich -u einem Kultursaktor ersten Stanges durchgerungen, zwar nicht allerorten zum ausschlag, gebenden — lsrder! — aber doch zu einem bekeu- ' rultgsvollen unter mehreren. Und so glaube ich an die Zukunft der allgemeinen Volksschule, die mir nur «ine Konsequenz der Ide« der allgemeinen Menschen- liebe -u sein scheint — glaube ich, das, di« allgemein« Volksschule sich durchringen wird zu einem sozial- psychologischen Faktor, zwar nicht zum ausschlag- gebenden, aber doch zu einem bedeutungsvollen unter mehreren. Um so mehr muhte ich erstaunt sein, als ich mein« Ausführungen in einer Weise zitiert fand, Latz aus ihnen mehr Ab- als Zuneigung gegenüber der all- aemeinen Volksschule sprach. Der „Schulmann" brachte zuerst ein Zitat, das er hinterher selbst als unzntresfeno bedauert. Am 19. März aber drückt er dl« einleitenden Sätze des oben angegebenen Ab- schnitt« wörtlich ab — freilich, ohne dem Inhalt im geringsten gerecht zu werden. Die Sätze stehen bei mir als Einleitungs bzw. als Ueberleitungssätz«, deren Inhalt erst durch das Folgende verdeutlicht wird. In den, Zitat aber erscheinen sie als Quin tessenz meiner Anschauung besonders dadurch, dass der „Schulmann" den ersten Satz sperren lässt und dadurch die Aufmerksamkeit von den Worten: „Wir können es nicht ohne weiteres nachsprechen" ablenkt, also von den Worten, in denen der Hinweis liegt, dasj ich in einem — nach meiner Auffassung — geklärteren Sinne, doch dem Satze von der sozial- versöhnenden Wirkung der Volkssäjule voll und ganz beipflichte. Don Gipfel literarischer Ehrlichkeit be deutet diese Art des Zitierens nicht. Man soll einen Satz in d e r Bedeutung erfassen und wiedergeben, di« dem ltzanzen adäquat ist — oder soll ihn ignorieren. Am besten aber ist es, nicht Zitate gegen Zitate, sondern Erfahrung gegen Erfahrung zu stellen. Oer Drang nach Meilen. sVon unserem Konstantinopeler Mit arbeiter.) Konstantinopel, 26. März. Die Vermittlungsvorfchläge, die zugunsten des Friedens zwischen der Türkei und Italien von neu tralen Kabinetten gemacht wurden, sind bisher stets am krassen Widerstande der Türkei gescheitert. Für den flüchtigen Beobachter rufen die Antworten Said Paschas schon aus diesem Grunde den Eindruck her vor, als sehne sich das Osmanische Reich nicht nach der Beendigung des oerhältnismätzig leicht zu führenden Kampfes Lurch einen Frieden, durch den das Prestige des Khalisats erschüttert rverdcn mutz und durch den die beiden letzten afrikanischen Besitzungen in die Hände der Gjaurs geraten. Auch hört man in Europa häufig die Ansicht, die Türkei könne zunächst in Ruhe warten, bis die Italiener, die bisher nur über einige Küstenstädte gebieten, trotzoem sie in fünf Monaten über 100 000 Mann modern gerüsteter und geführter Truppen gegen eine Handvoll Türken und uirgcfchulte Hausen von Arabern zufammengezogen haben, in die „annektierten" Länder weit genug einge- drungen seien. Erst in der Wüste, wo der Vormarsch von starken Truppenkörvern, besonders von Artil lerie, sowie der Nachschub von Verpflegung und Mu nition einer Armee den grössten Schwierigkeiten be. gcgenen mutz, würden die Italiener, die bis dato vom Feuer ihrer Schiftsgcschütz« nach Tripolis und den anderen besetzten Plätzen begleitet wurden, mir glei chen Waffen gegen die tapferen Verteidiger von Glau ben und Heimat fechten. Auch koste der Krieg den Os- manen nur wenig, während di« Italiener, ähnlich wie die Franzosen in Tunis, Algier und Marokko, Un summen bis zur gänzlichen Bewältigung von Tripolis uns der Cyreuaika auswenden mutzten. Dies« und ähnlich« Betrachtungen enthalten zwei fellos gründliche Wahrheiten, die auch der Türkei den Mut und die Berechtigung zur Wetterführung des Kambses aeben. Ein Frieden, der eine Kränkung der türkischen Nationalehre oder die Gefährdung des Khalisats bedeutete, wird auch wohl, solange wie möglich.abae lehnt werden, welch« Partei oder welcher Grosswesir auch am Ruder lei. Nicht umsonst hat der Krieasminister Mahmud Schefkei Pascha vor einigen Wochen im Parlament« darauf hingewiescn, das das Osinanische Reich der ein zige mohammedanische Staat fei, der noch nicht in Ab hängigkeit einer europäischen, christlichen Grossmacht geraten, und Latz das ganze Volk sich zum Widerstande gegen die Eindringlinge in Älfrika vereinigen müsse. Und dennoch wünscht die Türkei den Frieden auf annehmbarer Grundlage aufrichtig. Der bestorganisierte Staat braucht rhn zu seiner Fort entwicklung, wie viel mehr die Türkei, deren Handel uno Wandel sehr stark seit Kriegsbcginn gelitten hat, und deren inneren politischen Verhältnisse vor allen Dingen der Entwirrung harren. Zudem bat die Regrerurrg klar erkannt, dass die Zukunft des Staates auf LerFähigkeit beruht,Färb.- zu bekennen und eine starke Bündnispolitik zu treiben. Hierzu jedoch gehört wieder neben absoluter Festigung der inneren Lage die voll« Sanierung der Finanzen, die durch den Krieg am meisten mirgenommen werden. Das bisherig« Schwanken von einer Mächtegruppe zur anderen und das Bestreben, mit allen gleichzeitig gut Freund zu sein, war ja nur durch die Besorgnis bedingt, keine Anleihe mehr bei den abgelehnten Grotzmächten unterbringcn zu können oder durch plötz liche Forderungen dieser Grossmächte in üble Ver legenheiten zu geraten. Viel« Anzeichen ober deuten darauf hin, Latz die Finanzen der Türkei, die nach wirtschaftlicher Erschliessung zu den reichsten Ländern der Welt gehören müsste, sich in absehbarer Zeit nach dem Friedensschlüsse erheblich bessern. Leiden sie da- gegen noch länger unter dem Kriege, so könnten schliess- sich nicht nur von den Italienern, sondern auch von neutralen, finanziell stark interessierten Mächten Friedensbedingungen gestellt werben, die der Türket ans Mark gehen und die lieben Nachharn zu lachend«!, Erben machen. Mit Liesen Verhältnissen rechnen die Italiener, die den Frieden noch dringlicher er sehnen als die Türken. Italien hat, wenn es auch öffentlich ablcuanct und glühende patriotische Kuno- gedungen im Parlament veranstaltet, unter dem Kriege enorm gelitten, der einer „Schraube ochneEnde" gleicht. Das Absatzgebiet seiner Industrie lag be- sonders in der Levante, in Rumänien und Südrutz- land. Durch den Warenboykott und die planmässige Sperrung der Dardanellen für den Verkehr von und nach Italien hat dessen Handel schon Hunderte von Millionen Lire «iiib«bützt und auf unabsehlmre Zeit Gebiete verloren, die von der Konkurrenz sofort be setzt wurden. Was es außerdem kostet, eine Flotte mehrere Mo nate im Ausklärungs-, im Vlockadedicnst und im Ge fechte Tay für Tag zu verwenden und «in Heer von über 4 Armeekorps in voller Stärke und bei Kriegs besoldung in einem fremden Lande zu unterhalten, wohin alle Zufuhr über S«e geschickt werben mutz, ist leicht zu berechnen. So suchen die Italiener, die wider Erwarten länger kämpfen müssen, als ihnen selbst lieb ist. die Türkei durch allerhanv Machenschaf ten und „Absichten" einzuschüchtern. Nach den Schreck schüssen vor Beirutch, deren Echo in Frankreich laut genug widerh-allte, „wollten" sie die Dardanellen an- gratsew,-Smyrna beschietzen und Saloniki blockieren. Wenn cs ihnen auch durch diese „Absichten" gelano, einige weiche' Gemüter, die der Politik jungfräulich gegenüberstanden, zu ängstigen, so lächelten erfahrene Männer über solch Kriegsgeschrei, die da wutzten, datz vor Smyrna England, vor Saloniki Deutschland und Oesterreich-Ungarn, in den Dardanellen aber die Türken selbst die zutreffend« Antwort geben Märchen. Da all« diese Mittel zur Erzwingung des Frieden nichts nutzten, nahmen di« Italiener andere zur Hilfe. Der rebellisch« Said Idris kämpft auf feiten der Angreifer in Südarabien. In der vorigen Woche soll dort «in schweres Gefecht startgefunoen haben, bei dem die mit den Arabern des Imam Iochja vereinigten lürkilchen Truppen die Gegner vollständig zurück geschlagen Haden sollen. Aber wenn auch dort da« Kreuz über den Halbmond eine Weile lang siegen sollte, so würde dies in Konstantinopel die an Araberausstände gewöhnten Politiker nicht erschüt tern. Da will es denn der Zufall, datz der türken freundliche russische Botschafter Tscharykoff seine» Postens plötzlich enthoben wird, und datz Russland „probeweise^ Armeekorps an der kaukasvä»en Grenze mobil macht. Wenn Italien hoffte, datz diese Mobil- inachuna der Russen die Türkei zum Frieden stimmen würde, so hat es sich geirrt. Em Krieg gegen Rutz- land ist in der Türkei, die zudem auf dem Lanoe vor- züglich gerüstet ist, stets populär. Vor allem aber rst eine Ereiize vorhanden, die der Türke zu über schreiten wissen wird, selbst wenn Deutschland, Oesterreicb-Ungarn und Rumänien diesem Waffen- gange mir gekreuzten Armen zusehen würden. Auch hiermit rechneten di« Italiener und suchten die Türken an empfindlicherer Stelle zu treffen, um von ihnen den Frieden zu erzwingen. Gestern abend erhielt ich die telegraphisch)« Siachricht, datz in Sofia auf energisches Betret benderItaliener eine starke panslawistische Bewegung. Li« den Krieg gegen die oerhatzten Türken zum Zweck hat, ausgobro- chcn sei. Welche Gewalt dieses Unwetter an nimmt, ist noch nicht erkennbar. Vor allem ist aber noch nicht ab-zusehen, welche Wege die Italiener, denen der Frieden zum nationalen Bedürfnis zu werden beginnt, politisch beschreiten wollen, welcye wilden Stürme sie entfesseln werden, um die etwas mager«, jedoch längst bereitaehaltene Friedenstaube mit dem Oelzwcige nach Konstantinopel flattern lassen zu können. Der Ser-srdeiterttreik. Dir Lage in Sarstsrn. (Von unserem Zwickauer Mitarbeiter.) Zwickau, 29. März. Im Bergarbeiterstreik sind aus dem Zwickauer Revrer keine nennenswerten Veränderungen zu be richten. Gestern abend fand hier im „Belvedere" eine von gegen 1000 Arbeitern besuchte Versammlung statt, in der eine Protestresolution gegen di« Be handlung der Streikenden durch die Polizei im Ruhrrevier angenommen wurde. Di« Versammlung stimmte ferner einem Beschluss des Gewerkschafts kartells zu, wonach dieses aus eigenen Mitteln die Nichtorganisierten streikenden Bergarbeiter unterstützt, und zwar in derselben Weise, wie der Bergarbeiteroerband seine eoen erst eingetretenen Mitglieder unterstützt. — Gestern abend waren im hiesigen Revier von 4180 Grubenarbeitern 2377 aus ständig, das sind 56,8 Prozent: heute früh betrug di- Zahl der streikenden Grubenarbeiter 2401 von 4630, das sind 51,8 Prozent. Am 27. März waren von einer Gesamtbelegschaft von 11922 Mann leinschl. Tagearbeiterj 5173 ausständig, das find 43,4 Prozent gegen 43,6 Prozent tags vorher. Im Lugau-Oelsnitzer Revier streikten am 27. Mürz von einer Gesamtbelegschaft von 10 824 Arbeitern 4045 Mann, das sind 37,4 Proz. Die Streiklage im böhmischen Braunkohleureviee ist nach einem Telegramm aus Prag unver- ändert. In den Besprechungen beim Revierberg amt in Teplitz haben die Vertreter der organi sierten Arbeiterschaft zugesagt, zu den Verhandlungen des Einigungsamts Dele gierte zu entsenden. Die Skreikmüdigkeit in England. Aus London wird gemeldet: 1500 bis 2000 Bergleute haben am Freitag in Warwlckshire die Arbeit ausgenommen. Auch in Lanarkshire sind zahlreiche Bergleute ein gefahren. Sie bedangen sich aus, dass sie am Sonnabendabend Lohn erhielten, da sie dem Ver hungern nahe seien. Weiter liegt folgende» Telegramm vor: London. 29. März. (Tel.) Der Sekretär de» Vergarbeiteroerbandes Ashton hat den Bergleuten geraten, bei der bevorst«l)end«n Abstimmung für die Wiederaufnahme der Arbeit zu stimmen. ckb Di« französisch« Kammerberatnng über de» Streik. Pari», 29. März. (Tel.) Die Kammer setzte heut« die Beratung des Gesetzentwurfes über die Arbeitsdauer in den Bergwerken fort. Der Berichterstatter Durafour wies auf di« mora lischen und sozialen Vorteile des Gesetzentwürfe» hin. Minister für Arbeit und soziale Fürsorge Bourgeois forderte eine Anwendung des Gesetzes auf alle Bergarbeiter, meinte aber, die Zahl der Fälle, in denen das Gesetz nicht Anwendung zu ttnden brauche, müsse vermehrt werden. Er schloss mit dem Wunsche, dass der Gesetzentwurf noch vor den Ferien angenommen werd«. * Kohleumangel in Norwegen. 8t. Christian»«, 29. März. (Tel.) Wie wir schon früher berichteten, ist Norwegen, das mit secnem Kohlenbedarf vollständig auf England ange wiesen ist, von dem Streik der englischen Berg leute besonders hart betroffen. Viele Fabriken mutzten wegen Kohlenmangels ihren Betrieb ein st eilen, nachdem schon vor zwei Wochen einige Eüterrouren der Dainpfschiffahrts- gesellschaft eingestellt wurden, müssen nun auch die Postrouten und Lokalrouten im nördlichen Nor wegen ausfallen, was jetzt zur Zeit des Hauvt- fischfangs für die Bevölkerung ein sä)werer Schlag ist. In Ehristiania wird seit 8 Tagen di« Strassenbeleuchtung um ein Viertel der Laternen vermindert. Gestern teilte der Ver band der Kohlenhändler mit, datz seine ganzen Vorräte am 4. April aufgebraucht )ein werden. Man hat also noch grosse Kalamitäten zu erwarten. Sitzung üer Gewerdelrsmmer. ü" Leipzig, 29. März. Die Eewerbekammer zu Leipzig hielt am Freitag abenv ^6 Uhr unter dem Vorptze von Malermeister Gründer eine Sitzung ab. Nach der Erledigung verschieden«! Eingänge berichtet« Ober meister Nietzschmann über die Rechnung d'r Kammer für 1911. Tas Konto Gewerbekammer weist 53 863,86 .n Einnahmen und 73 646,92 Ausgaben auf, einschliesslich 38 455,44 Zuschüsse zu den Kosten des Erweiterungs- und Umbaues, für Möbel unü sonstige Gegenstände sowie für Ankauf von Wert papieren. Für die Scharsfck>en Vermächtnisse wurden 1047,01 vereinnahmt, 586 verausgabt. Die Meisterprüfungen brachten 9659,47 .tt Einnahmen, 8306,17 Ausgaben, das Lehrlings- und Gesellen wesen jn Einnahmen 6260,53 ^t, an Ausgaben 6015,19 Mar!. Im Konto Staatsunterstützunasfonds zur För derung des Kleingewerbes und Kleinhandels sind gebucht 3365,93 «tt Einnahme, 3268 Ausgabe. Im Staatsunterstützungssonbs zu den Kosten der Lehr lingsausbildung im Handwerke sind verzeichnet 1200 Einnahmen und ebenso 1200 Ausgaben. Das Grundstück der Kammer steht mit 13 344,72 Einnahmen und 12 327,74 -K Ausgaben verzeichnet. Die Rechnungslegung wurde r i ch t r gg es p r och e n. Hierauf berichtet« für den GewcvLeausichuh Kam- mermftglied Hetzer über die von einer Petroleum- vertrieosgcsellschcrft Lei der Gcneraldirektion der säch sischen Staatsbahnen nachgesuchte mietweise lloberlassung von Bahnlanb zur Anlage unter- irLisck-er Petroleum tank s. Der Eewerbeaus- schuh steht in dieser Angelegenheit auf dem ablehnen den Standpunkte wie im Jahr« 1902. Danrals be schäftigte sich di« Kammer mit einem ähnlichen Ge suche, das ni ch t befürwortet wurde, weil die Ge- Ssntos. Ssll psulo. Von Dr. med. Werner Wolff (Leipzig!. Der Eesamteindruck von Santos in Brasilien, das 1546 gegründet wurde und jetzt gegen 50 000 Ein wohner, darunter 2—3000 Deutsche zählt, ist der einer modernen Stadt, freilich einer Sradt der Arbeit, in der dem vergnügungslustigen Reisenden nur wenig Amüsement geboten wird. Die Strassen sins fast alle rechtwinklig zueinander angelegt und geben die schmalen, nur einstöckigen Häuser ohne Vorgärten dem Bild etwas Eintöniges, über das auch di« vielen zweirädrigen Lastkarren nicht hinwcgtäuschen können, die tagsüber die Strassen beleben. Nur während der Geschäftszeit bieten auch die Hauptstrassen reges Treiben, am späten Rochmittag zieht sich alles in cie schönen Vorstadt« zurück, zu denen auf breiten Ave- niden schnelle Elektrische hinaussühren. Vor allem Iosü Mcnino und Sao Vicente, beide am Ufer des Ozeans gelegen, bieten dem reiche» Euro päer ein angenehmes Heim, während das nal>« Guarujü, eine halbe Stunde entfernt auf der Insel Santo Amaro gelegen und durch Motorboot und Lokalbahn mit der Stadt verbunden, «in ent zückend am Strande des Atlantik zwischen Felsen und Urwald gelegener Badeort mit grossen Hotel» und Spielsälen, besonders während der heissen Sommer monate ei» beliebter Ausflugs- und Erholungsort ist. Ueberragt wird Santo« von dem Monte Scr- rate, einem etwa hundert Meter hohen Hügel, von dem mittels eines Flaggenmastes die «inlaufenden Schiffe der unten liegenden Stadt angezeigt werden. Hier befindet sich neben der neuerdings angelegten Station für drahtlose Telegraphie auch eine alt« Ka pelle, wohl das älteste Wahrzeichen der Stadt, noch heute ein besuchter Wallfahrtsort, vo» dessen Be liebtheit massenhaft aufgehängte Wachsmodelle aller möglichen Körperteile ein beredtes Zeugnis ablegen. Von Sao Paul«, der Hauptstadt de» gleich namigen Staates, die mit 300 000 Einwohnern, unter denen sehr viele Italiener und etwa .3000 Deutsche, di« zweitgrösste und nach Rio bedeutendste Stadt Brasiliens ist, liegt Santos ungefähr 80 Kilometer entfernt, ist jedoch mit ihr durch eine Eisenbahn v?r- Kunden, die als eine der ersten in Brasilien bereits in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eröffnet wurde, trotz der kolossalen Schwierigkeiten, di« dabei zu besiegen waren' galt es doch, da Sao Paulo, 800 Meter Uber dem Meere, auf einem Hoch plateau liegt zwischen der Serra da Tantareira, von der es sein ausgezeichnetes Trinkwas er erhält, und der Serra do Mar, die es von der Küste trennt, dies« starke Steigung auf kurzer Strecke zu überwinden. So sah sich die englische Sao Paulo Railway Com pany, die Unternehmerin des Projektes, zur Anlage einer Funikularbahn gezwungen, wobei dle 800 Meter Niveau-Unterschied in N Kilometern ge nommen wurden, indem di« Züge, länger« in zwei Abteilungen, vermittels stationärer Maschinen an Drahtseilen cmporgewunden, bzw. herabgelassen wurden. Da die erste Bahn bald nicht mehr im stande war, den von Jahr zu Jahr wachsenden Be trieb zu bewältigen, auch häufige Unterbrechungen, durch Erdrutsche veranlasst, vortamen, sah man sich zur Anlage einer neuen Linie genötigt, die, mit der alten Strecke ziemlich parallel, doch oberhalb der selben gebaut, fast nur aus Tunnels oder Viadukten besteht, so das; solch« Naturereignisse ihr wenig oder nichts anhaben können. Nicht mit Unrecht sind daher die Paulistaner auf diese Bahn stolz, kommt man sich doch oft gleich einem Vogel vor, wenn man von den hohen eisernen Viadukten aus über die weiten, ur- waldbedeckten Täler blickt oder unter sich tiefe Ab gründe sieht, aber was Naturschönheiten anlangt, kann sie sich mit der Zahnradbahn auf den Cercovado bei Rio de Janeiro doch nicht messens Nach zweistündiger Fahrt kommt man in Sao Paulo auf der Station da Luz an, einem schönen, modernen Bahnhofsgebäude mft weiter Vorhalle und grossen Wartesülen, das von einem di« Stadt über ragenden hoi)«« Uhrturme gekrönt wird. Direkt davor liegt der schönste Park der Stadt, der bereits 1700 angelegte Passcio Publico, mit künst lichen Teichen, prächtig«» alten Daumgruppcn und gutgepflegtc» Teppichbecten, so dass man gleich d«n günstigsten Eindruck von Sao Paulo erhält. Das Zentrum der Stadt liebst mehr südlich. Hier bilden di- Rua dircita. Sao Bcuto und Quinze de Novcmbre die Hauptgeschäftsstrassen, cm Dreieck, in dem vor allem der modern« Neubau der Lasa Allem«, der Berliner Firma Heydenreich gehörig, sowie das stilvolle Gebäude der Brasiliani schen Bant nir Deutschland, einer Gründung der Hamburger Diskonto Bank, angenehm auffallen. Wenige Schritte von hier liegt die Hauptpost sowie das Palais des Präsidenten, das mit den um gebenden Ministerien, alle im gleichen klassizistischen Stil, ein hübsches Viertel vornehmer Regierungs- gebäud« bildet. In der Fortsetzung der Rua dircita verbindet ein« 200 Meter lange eiserne Bogendrücke, die über die im Tale liegenden Häuser hinwegführt, di« alte Stadt mit der Vorstadt Hygicnopoli», für die schon der Name die beste Reklame bildet. Gleich am Anfang liegt zur Rechten das soeben fertiggc- steilte Stadtiheater, ein schöner Bau, der dem Ge meinsinn der Bürger alle Ehre macht. Hygienopolis ist neben den Vorstädten Santa Cecilia und Palmciras der Sitz der reichen Paulistaner Kaufleute, von denen viel« über etliche Millionen verfügen sotten, und dementsprechend auch in luxuriö sem Stil angelegt, mit breiten Strassen, schönen Plätzen und vornehmen Villen. Verdankt doch die Hauptstadt ihre kommerzielle Bedeutung nicht nur Ker hier herrschenden industriellen Tätigkeit, die sich in grossen Spinnereien und zahlreichen Fabri ken bewährt, nicht zu vergessen die grossen Brauereien, di«, meist in deutschen Händen, für ihr Produkt schnell«» Absatz in ganz Brasilien finden, sondern auch seiner günstigen Lage, denn tn Sao Paulo nehmen olle Eisenbahnen ihren Anfang, die sich sowohl nördlich nach Minas Geraes und Rio de Janeiro erstrecken, als auch nach Westen in da» Innere des Staate«, so dass fast aller im Lande pro duzierter Kaffe« über Sao Paulo seinen Weg nach dem Auslände nehmen muss. Aber auch in in tellektueller Hinsicht zeichnet sich di« Haupt stadt rühmlich au». Nicht nur, dass sie mit allen mo dernen Einrichtungen, wie Feuerwehr, Kanalisation, Gas und Wasserleitung, elektrischer Beleuchtung, Telefon und Strassenbahn versehen ist, stehen auch I sein« Unterrichtsanstalten auf voller Höhe, von denen nur das Polytechnikum, die Nechtsfalultät, Lehrer- I und Priestekseminar, alle mit reichausgcstatteten Bibliotheken, drei Gymnasien sowie ein grosser Kin- Vergärten nach Frocbelschem System für über 200 Kinder hier erwähnt seien. Von wissenschaft- lick)«n Instituten, an deren Spitz« oft hervorragende Gelehrte stehen, seien hier nur noch genannt: das staatliche Impf-Institut, das Pasteur-Institut, das 1903 aus dem Erlös einer öffentlichen Sammlung begründet wurde und Impfungen gegen Hundswut vornimmt sowie Heilsera gegen Tuberkulose und Diphtherie herstellt, der Botanisch« Garten mit land wirtschaftlicher Versuchsstation sowie das grosse, 1893 eröffnete Naturhistorisch« Museum auf dem Frei' heitshiigel zu Ppiranga, ein zur Erinnerung an die daselbst 1822 proklamiert« Unabhängigkeit errichtetes Prachtgebäude, ein Denkmal, wie man es sich in seiner Art auch in Deutschland zum Vorbild nehmen sollte! Direktor dieses Museums ist Dr. Hermann von Jhering, ein Forscher von iifternanonalem Rufe, der seine grundlegenden Studien an unserem Leipziger Zoologischen Institute unter Leuckart begonnen, und der es verstanden hat, im Lauf« der Jähre hier in Ppiranga eine mustergültige natur wissenschaftlich-ethnographische Sammlung zusammen zubringen, die ihm und seinen Assistenten zu For schungen dienen, von denen die alljährlich heraus gegebenen Jahresberichte des Muscu Paulista be redte» Zeugnis ablegen. Kunst UNÜ Mllenschak. * In dem Prozess des Königs von Sachsen gegen den Kammersänger B u r r i a n hat der Oberste Ge richtshof das zwcitinstanzlick)« Urteil des Prager Oberlandesgerichts bestätigt, durch das Burrian zur ganzen Konventionalstrafe von 30 000 .it verurteil! worden war. * Die Hauptversammlung der Allgemeinen Deut, schen Kunstgenossenichaft, die in München stattfand, wählte für den Hauptausschutz, der satzungsgemätz in diesem Frühjahr für die nächsten sechs Jahre von München nach Berlin übersiedelt, «inen neuen Vorstand. Erster Vorsitzender wurde Bildhauer Pro fessor Ludwig Manzel, und zweiter Vorsitzender Maler William Pape, erster Schriftführer Maler Professor Carl Langhammer, zweiter Schriftführer Maler Adolf Schladitz^ Kassenwart Architekt Pro- fessor F. Schwenke. Der Hauptausschuss wird erst am 20. Mai nach Berlin verlegt werden, da die bisherigen Ausschussmitglieder noch di« Arbeiten für die gross« Ausstellung der Genossenschaft in Hanno- ver zu End« führen wollen. Professor Emanuel Seidl in München wird für diese Ausstellung Skizzen zur Ausschmückung der Zufahrtsstrasse schassen, und der Intendant des Hofthcaters plant eine Festspiel- wochc. * Die Kommission der Perli«er Jubiläums- Kvnsiausftellung für das Iabr 1913 ist mft Rücksicht auf die besonderen Vorbereitungen, die aus Anlass des 25jährigen Regierungsjubiläums des Kaiser» getroffen werden, schon jetzt zusammengetretcn. In der konstituierenden Sitzung, di« gestern im Kultus ministerium stattsand, wurde Professor Friedrich Kallmorgen zum Präsidenten der Ausstellung gewählt, zu seinem Stellvertreter Professor Rudolf Schulte im Hofe, Schriftführer find Maler Leonhard Sandrock und Bildhauer Professor Hermann Hosaeus. * Hohe Preise siir Eoethe-Naritäten. Bei Karl Ernst Henrici in Berlin begann die Versteigerung wertvoller Autogramme, unter denen sich zahlreiche Goethe-Raritäten befinden. Die Versteigerung war u. a besucht von Dr. Jacobs von der Königlichen Bibliothek in Berlin, Gel)«imrat non Lettinnen vom Goethe-Schiller Archiv in Weimar, Dr. Neuhaus vom Germanischen Museum in Nürnberg, Kurz- welly vom Stadtgeschichtlichen Museum m Leipzig, ferner zahlreichen Händlern und Samm lern aus den grossen Städten des Reiches. Als erste Nummer der Goethe-Serie wurde eine eigen händig geschriebene Visitenkarte des Dichters für 150 versteigert. Ein acht Verszeilen umfassen des Gedicht an Gräfin Iaraczewska brachte 425 ^l, ein Widmungsexeniülar der Iphigenie 400 .tt, ein ausserordentlich lebhafter Kampf entspann sich um das Widmungsgedicht Goethes an Fräulein Kirschner: di« interessanteste Rarität erzielt« 760 Boerner in Leipzig erstand sie. * Die Rassaclsche Akademie, die Accademia Raffaello in Urbino, der Lao Geburtshaus des grossen Meisters gehört, beging den Geburtstag des Künstlers mit einer Feier. Auf Antrag des Ehren präsidenten John Morris Moor« wurde der König Georg von England zum Ehren mit» glied ernannt. Die geschichtlichen Äeziehunaen zwischen England und Urbino haben von alters her eine Rolle gespielt. Eduard IV. hatte dem Herzog Friedrich von Montcfeltro im Jahre 1474 die Ab zeichen des Orstinl- «lolia Oiarottiora (des Hosen band Ordens) vcrliehen. Auch die Königin Viktoria und Eduard VII. waren Ehrenmitglieder der Aka demie in Urbino. * Theaterchronik. Gustav Bertram, der be liebte Komiker des Neuen Operetten-Theaters, verlässt Anfang April die bisherige Stätte seiner Wirksamkeit und wird sich am 3. April in der Rolle des Larousse in der „Eva" vom Leipziger Publikum verabschieden. Hochschulnachrichten. Als ordentliches Mit glied der Akademie für praktische Medizin in Düssel dorf und Direktor der Frauenklinik an den dortigen allgemeinen Krankenamtalten wurde als Nachfolger von Professor E. Opitz der nichtetatmässige ausser ordentliche Processor der Gynäkologie in Freiburg im Breisgau Dr. Otto Pankow berufen. — Die evangelisch - theologische Fakultät in Tübingen hat dem katholischen Prälaten von Hermann in Stutt gart wegen seiner Verdienste um di« Heraus gabe de» neuen wiirttemderaischen Gesangbuch» die Würde eines Ehrendoktors der Theologie verliehen. — Der PrivatLozent für mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften in Bonn Dr. W. Levi- son ist zum ausserordentlichen Professor ernannt worden. — 2n Zürich ist der Gymnasialprofessor Dr. O. Jyri zum ausserordentlichen Professor für Handels wissenschaften an der dortigen Universität ernannt worden. — Die ausserordentlichen Professoren in Zürich Dr. Heinrich Zanggcr (gerichtliche Medizin), Dr. Eduard Schwyzer lindogermanüche Sprachwissen schaft, klassische Philologie und Sanskrit) und Dr. E. Feer (Kinderheilkunde) sind laut „Frft. Ztg." zu ordentlichen Professoren ernannt worden.
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