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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.01.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120113015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912011301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912011301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-13
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
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Bezug-Preit jsr L«i»,t« »«» v,k«N« durch «lee, Trager und Svedttenre r««l tißltch tn» Kau» ««brach« W VI. »onatt.. L7V »k. »ieneliähri. «et „lern ßlltalen » An- nahmesiellen abarhott: r» Vs. ^«UL. LS Mr. viertetMa. Dnrch tz,» V»K iimerhakb Drntlchlond» und der dentlchen Kolonien vierleliätzrl. LS «k., monatl. au»jchi. Paftdeklellarld. Pern« in V«l«i«n. Dänemark, den Donauftaatrn, Italien, Luremdvra, Xiederiand«, Kor- weften. O^lerreich« Unaarn. Aabland. Schweden, Schwelt n. Epante«. In allen lidngrn Staaten nur direkt durch die E«>chLit»Ir«lt, de» Blatte» erhältlich. Da» L«tp,l««r Tageblatt «richeint 2 mal täglich. Sann- u. Feiertag» nur Margen». >donn«ment».Annahm« 2»han»t»g,Ii« 8, bei unleren Trägern, tilltalen, Spedtteuren und Ännahmelteüen. jowie Bo>tämtrrn und Briefträgern. Eint«lv,kkauf»pr«t» 1l> Pf. Morgen-Ausgabe. KipMcrTagcblaü led-Än,ch> ^-M q^anoeiv^eitung. rei.-rnM.iE Ämlsblatt des Nates und des Nolrzeiamles der Lladt Leipzig. Uuzeiqe« Prei- ü! ,«il» 1 «k. a»n «»»wärt» » Pf, Reklamen 1Ä Mt. Inieral« »an Behörden ,m amt« lichen Teil di» Pett««ile « Pf ch«lchäsr»ant«>gen mit vlagoorlchrifte* im Breil» «rhSht Rabatt nach Taris Beilage,«düdr Selanrt- auflag« S Ml. p. Taufend «rkl. Voftgeviihr. Irilbetlag« höher. gelierteilt, Auftrag« können nicht »nrück- g«i»,en werden Für da» Erscheinen an deltimmten Tagen und Plätzen wird lein» Garantie übernommen. An,»i,«n»Annahme: S«h„»i»g»ß« 8, det lämtliche» giliale» ». allen Annonce» Elpedttiinen d»» 2» und Au»lande» Druck und Verlag »»» gilcher t Rllrft« Inhaber: Paal Rllrfte». NebaM»» na» Aelchökt»ft«I«: 2ohanni»gall« it. »a»»t-giltat, T>re»d«n: Seestrai« < l (Telephon rvl). Nr. 22. Sonnadenä, ürn >S. Tanuar >SI2. 106. Jahrgang. Das Ergebnis des Wahltages! Vas Aaklergednis von Leiprig. vr. Junck in susllrtztsrelcher SM» mshl mit üem Sozislüemokrsten. DaZ Ringen zwischen den bürgerlichen Parteien Leipzigs ist unentschieden geblie ben. Die Stimmen, die auf den bisherigen AbgeordnetenJustizrat Dr. Iunck ent fallen sind, haben nicht genügt, um ihn gleich im ersten Wahlgang zum Siege zu führen. Er steht jedoch in aussichtsreicher Stich wahl gegen den sozialdemokratischen Kandidaten Cohen. Wenn man heute am Morgen nach der Wahl dieses Resultat betrachtet, so kann man sich des Gefühls nicht erwehren, daß die rechts stehende Sonderkandidatur ein verhängnisvoller Fehler gewesen ist. Denn ohne diese Sonder kandidatur wäre Dr. Junck bereits in der Haupt wahl als Sieger aus dem Wahlkampf hervor gegangen. So lvird er noch einmal am 20. Ja nuar mit dem Vertreter der Roten um Leipzigs Panier kämpfen müssen. Wie wir bestimmt er warten, mit Erfolg, denn es ist jetzt mehr denn je Pflicht jedes nationalen Man nes, die Stadt Leipzig vor einem sozialdemo kratischen Vertreter zu bewahren, mag der ein zelne Wähler mit Dr. Junck einverstanden sein oder nicht. Hier heißt eS: alle Mann für den nationalen Kandidaten' gegen den Ver treter der roten Internationale. Und wir sind der festen Ueberzeugung, daß sich kein Anhänger der rechtsstehenden Parteien dieser eminent vater ländischen Pflicht entziehen wird. Leipzig muß am Tage der Stichwahl, am 20. Januar, wieder einen nationalenVertreterinden Reichs tag entsenden. Darum tue auch zur Stichwahl jeder seine Pflicht! Der Kainpf war gestern erbittert. Die Zahl der Wähler hat sich gegen 1907 um ca. 500 ver mehrt. Betrachten wir das Bild des Wahltages (die Einzelheiten siehe 2. Beilage) so ergibt sich folgendes: Wangemann erhielt 3 424 Stimmen Dr. Junck 18190 Cohen 17 525 Erzberger 103 zersplittert waren 57 abgegeben wurden 39 299 stimmberechtigt waren 45 705 Wähler. Am 25. Januar 1907 ergab sich folgendes Bild: Dr. Junck erhielt 24 044 Stimmen Lagerhalter Lange 14 366 Erzberger 216 zersplittert waren 166 abgegeben wurden 38 790 stimmberechtigt waren 42 938 Die bürgerlichen Parteien sind insgesamt von 24 426 auf 21 774 Stimmen zurückgegangen, an derseits haben die Stimmen der Sozialdemo kraten sich von 14 366 auf 17 525 vermehrt. Diese Verschiebung möge allen Lässigen und 'Säumigen eine ernste Mahnung sein; denn nur wenn alle — auch die ca. 6500 Nichtwähler — ausnahmslos ihre Pflicht gegen das Vaterland erfüllen, erst dann ist der Sieg der nationalen Zache am 20. Januar gesichert. In Leipzig-Land ist die rote Flut auch gestern wieder über den bürgerlichen Kandidaten zusammengeschlagen. Mt erdrückender Mehrheit ist der Sozialdemokrat Geyer wieder aus dem Wahlkampf hervorgegangen, trotz der großen An strengungen, die seine bürgerlichen Gegner mach ten, ihn aus dem Sattel zu heben. —tb. S Die gen an en, nach Wahlbezirken ge- ordneten Ziffern über die Ergebnisse in Leipzig-Stabt and Leipzig,Land b«, finde» sich an der Spitze der zweite» Beilage. Oer Slrenü Les Wahltages. Leipziger MomentvUüer. Punkt sieben Uhr wurden im ganzen Deut schen Reiche sämtliche Wahlhandlungen abge schlossen und die Auszählung der Stimmen in Im Norden und Osten der Stadt. Noch waren die Resultate nicht bekannt, als wir am Abend einen Rundgang durch die einzelnen Stadt teile antraten, um die Stimmung und Hoffnungen der verschiedenen Kreise kennen zu lernen. Eins wurde uns aber sofort klar: überall, wo wir hinkamen, interessierte man sich für die Wahl in der Altstadt Leipzig in viel höherem Maße, als für die Wahl im eigenen Kreise Leipzig-Land. Für letzteren hatte man nirgends irgendwelche Hoffnung, den gab man von vornherein als für die nationalen Parteien ver loren. Uns hat der „Geyer" geholt und hält uns fest, das war der Ausspruch älterer Herren, die in ruhiger Unterhaltung an einem der bekanntesten Stammtische in Eohtts über den Tag debattierten. Einzelne jugendliche Schwärmer hofften auf Grund der letzten Wahlen im Jahre 1907 allerdings noch immer auf die Möglichkeit eines Erfolges, doch sie wurden stiller, als die ersten Extrablätter eintrasen. Danach war an einem Siege der Sozialdemokratie nicht mehr zu zweifeln. Nun kam aber das Extra blatt des Leipziger Tageblattes über die Wahl in Leipzig-Stadt und meldete: Stichwahl zwischen Dr. Junck und Cohen! Und zwar Dr. Junck mit der größten Stimmenzahl! Man war wie elektrisiert, die Stimmung eine gehobene: Im nächsten Reichstage ist unser Leipzig wieder national vertreten. Denn daran zweifelt kein Mensch, daß bei der Stichwahl die Leipziger Konservativen geschlossen für den natio nalen Kandidaten eintreten werden. Und wir konn ten dem nur beistimmen. Das war die Situation im nationalen Lager! Im sozialdemokratischen dagegen herrschte von Anfang an für beide Kandidaten der Partei Siegeszuversicht. Daher wurden die Gesichter etwas sehr lang, als nun die Wahrheit kam. An fangs wollte man daran nicht glauben, man hielt es für eine Finte der nationalen Parteien, indes, als man aus eigenem Lager die Bestätigung erhielt, mußti man schon mit den Tatsachen sich absurden. Wie. in den nördlichen Stadtteilen, so spielte sich der Abend auch im Osten ab; nur kleine Variationen sind zwischen beiden. Im ganzen war hier wie -ort das Leben auf Straßen und in Restaurants ziemlich ruhig: alle die Interesse für die Wahl hatten, waren eben im Innern der Stadt, wo sie die eingegangenen Nachrich ten aus erster Quelle erhielten. Ja der Uwerkhalle. Wie bei früheren Reichstagswahltagcn, so be gann sich auch gestern abend kurz nach 7 Uhr die Alberthalle, wo die Nationalliberalen ihr Lager aufgeschlagen hatten, ziemlich schnell mit einer erwartungsvollen Menge zu füllen, um die eintreffenden Wahlresultate aus Leipzig-Stadt zu vernehmen. Der Zudrang war so stark, daß schon gegen ^8 Uhr die große Alberthalle bis auf den letzten Platz gefüllt war, und wohin man sah und hörte, überall erwartungsvolle Mienen und lebhafte Debatten über den Ausgang der Reichstagswahl in Leipzig. Kurz nach 8 Uhr trafen die ersten Wahl ergebnisse aus den in der Nähe des Kristallpalastes gelegenen Wahlbezirken ein. Das erste zur Verlesung kommende Resultat (1. Bezirk) lautete zwar nicht allzu günstig für Justizrat Junck, wurde aber trotzdem mit lautem Beifall ausgenommen. Das 2. Resultat (2. Wahlbezirk) enttäuschte, und schon wurden oie ersten Pfuirufe und Zischen laut. Professor Bran de n b u r g , der 1. Vorsitzende des Nationalliberalen Vereins, bei seinem Erscheinen mit lebhaftem Beifall begrüßt, verlas dann die weiteren Resultate, die je nach dem Ausfall des Stimmenverhältnisses mit mehr oder minder großem Beifall ausgenommen wuroen Nachdem etwa Zweidrittel der Resultate aus den Leipziger Wahlbezirken bekanntgcgeben waren, konnte man bereits mit Sicherheit annehmen, daß diesmal eine Stichwahl in Leipzig erforderlich sein würde. Di« Spannung war inzwischen auf das höchste gestiegen. Kegen N10 Uhr traf das Resultat des letzten ausstehenden Bezirkes (31.) ein, und bald darauf wurde das Ee- samtresultat verkündet. Die große Alberthalle hallte wieder von dem dröhnenden Beifall, mit dem es ausgenommen wurde. Darauf trat der Kandidat' des Wahlkreises Leipzig-Stadt Justizrat Junck an das Rednerpult und hielt eine längere Ansprache, in der er etwa folgendes ausführte: Daß es schwer ist, in solcher Stunde die rechten Worte zu finden — so begann er —, werden Sie mir nachsühlen und darum Nachsicht haben. Das Resultat gibt zwar nicht Anlaß zu übergroßer Freude, aber wir können sagen, es ist ein ehrlicher Achtungserfolg. Wenn man die Stimmenzahlen ansieht, möchte man aller dings bedauern, daß «s nicht gelungen ist, in Leipzig diesmal eine geschloßen« Phalanx aller bürgerlichen Parteien herzustellen. Ich hatte Vie Reihen auf der rechten Seite doch etwas stärker geschätzt. Ick, glaube, die Leipziger Bürgerschaft kann sich immerhin Glück wünschen zu dem erzielten Resultat. Das einige von den Herren Wählern vielleicht ihren Verdacht gegen meine Rassenreinheit dadurch zum Ausdruck brachten, daß sie ihre Stimme dem Sozialdemokraten gaben, halte ich nicht für ausgeschlossen. Was unsere konservativen Freunde betrifft, so haben diese Herren jetzt Gelegenheit, bei der Stichwahl ihre echte na tionale Gesinnung zu zeigen, dadurch, daß sie einem nationalen Manne ihre Stimme geben. Ich gebe zu. ich habe es den Herren von der rech ten Seite nicht gerade leicht gemacht, sie haben mir aber auch nicht gerade den Wahlkampf erleichtert. Vielleicht bewirkt dies« Tatsache, daß bi« Herren nun doch in der Stichwahl, wenn sie echt national sein wollen, mir ihre Stimme geben müssen, vielleicht eine allen Wahllokalen begann. Eine halbe. Stunde I der absoluten Ruhe und Erwartung. Schlag- I bereit harrten die Redakttonen. Halb acht Uhr. Das große Tor am Geschäftsaebäude des „Leip ziger Tageblattes" in der Johannisgasse flog donnernd zu und ein unerbittlicher Doppelposten bezog seinen Stand davor. Auf dem Dache des Seitenflügels am Roßplatz vier Stockwerke hoch knisterte der elektrische Funke, flammte grell der Scheinwerfer auf, laut begrüßt von einer erwar tungsvollen, sich immer dichter drängenden Men schenmenge unten. Nun begann bas Leben und Jagen unaufhörlich. Messenger auf Messenger raste auf sausendem Rad vors Tor, Einlaß be gehrend. Im Wettlauf kamen Bote um Bote angetrabt, alle mit Wahlresultaten aus Leipzig- Stadt und -Land, ein unaufhörlicher Pendeldienst zuverlässiger Boten, die mit strikter Order gin gen. Und im Hause Telephonschrillen und -gellen in allen Stockwerken: Dutzende, Hunderte von Resultaten. Ein Schreiben und Disputieren, Ad dieren beginnt. Trotz des Kommens und Laufens absolute Ruhe an allen Tischen und Pulten, nur ab und zu ein Ruf, ein Wink. Zahl auf Zabl fliegt vom Scheinwerfer hoch auf dem Dach in die Nacht. Jetzt braust drunten im Hofgeschoß die große Rotationsmaschine brummens los, um nicht wieder aufzuhören. Extrablatt l, jetzt Extra blatt II und lll. Die Boten fliegen in alle Winde. Hochdruck im Zeitungsbetrieb: Eine große Schlacht wird geschlagen. Es ist eine Lust zu leben! Mitzuhalten! In der Stadt kein geringeres Treiben. Straßein und -aus wogt die Menge, Männer und Frauen, auf Wahlresultate begierig, dis- mtterend. Wo einer ein Extrablatt halt, drängen ie sich um ihn, häufen sich zu Mauern und rufen aut: Vorlesen! Vorlesen! Auf den, Nvßplatze, wo die Zahlen hoch vom Scheinwerfer blitzen, staut sich sie Menge zu dichten Mauern. Mühsam nur ist das Vordringen von Straße zu Straße. Und es ist doch erst 9 Uhr, noch früh am Abend. In den Lokalen, den ganz großen wie den kleinen, wird jeder Stuhl umsonst mit tausend guten Worten ausgewogen. Wer sitzt, der sitzt. Alles sitzt und ruft durcheinander. Die Tür fliegt auf und wirft mit der eisigen Luft einen Depeschenboten herein. Vorlesen! Vorlesen! schreit alles. V. Sonderausgabe. Extrablatt des Tageblattes! Alles lauscht. Stichwahl war die Parole! Nun setzt ein Jubel ein. Und die Gemüler erhitzen sich. Das Feld ist nicht ver loren, es gehört uns, muß uns gehören am nächsten Sonnabend! Hei, da klin gen die Becher! Die Begeisterung ist allgemein. Es geht etwas wie ein Schwung nationaler Be geisterung durch all die Massen, die Menschen fremd und bekannt, in allen Lokalen vornehm und gering. Ein neues Extrablatt! VI. Sonder ausgabe des Tageblattes! Man steigt auf die Stühle. Leipzig-Land. Man faßt sich bei den Händen. Und aufs neue blinken und klingen die Becher. In den Straßen ein unaufhörliches Auf und Ab, aber alles in tadellosester Ruhe. Nur aus dem Seeburgviertel biegt jetzt ein johlender Trupp auf den Hellen Platz, der Mob. „Das sind die Dummen; sie werden bald ausgelärmt haben." Damit sind die Schreier abgetan, und alles ist wieder ruhig. Das Gewoge auf den Straßen wird immer dichter, immer unüber sehbarer, das Interesse an den Wahlergebnissen immer größer. Man hält die radelnden Boten, die Automobile an, bettelt ihnen die Extrablätter ab und liest und parlamcnticrt mitten auf winter licher Straße. Es ist elf Uhr. Aus dem Reiche kommt Resultat auf Resultat. Die Spannung erhöht sich immer mehr. Die Leute, die aus die weiße Wand hoch überm Roßplatz starren, die Massen vor den Aushängekästen, keiner achtet der Kälte, alles ist wie im Fieber. Sage keiner, daß unser Volk unpolitisch ist. Noch einen letzten Blick vom Vorposten hoch auf dem Dache, wo aus dem kleinen Bretterhäus chen, das drei emsige Männer herbergt, Zahl um Zahl hinauszüngelt in die weiße Winter nacht. Grandios ist der Blick hinaus über die verschneiten Dächer, zwischen den dunklen Ka minen hin. Fern winkt der breite Turm der Pleißenburg, von rechts ein einsames Licht, zur Linken roter Himmelsschein und von unten schallt das Lärmen der nächtlichen Stadt verhalten herauf. Die Drähte surren und sum men leis, im Scheinwerfer knistert der blendende Funke. Es ist etwas Seltenes, Schönes, hier auf hohem Altane über der nimmermüden, er- tvartungsvollen Riesenstadt einsam zu stehen, ver bunden durch den elektrischen Draht mit allen deutschen Gauen, wissend um das große politische Geschick überall in Stadt und Land, tausend, tausend Meilen weit. Da wird der Wunsch tief im Herzen wach und lauter, gebieterischer, wird zum Gebet, das hinauf zum unbewegten, nächt lichen Himmel drängt: Lenker da oben! Herr des Alls! Was heut die Lose warfen mit deinem Willen, was noch geschieht daraus, laß es gut, laß es zu unseres deutschen Vaterlandes Heile werden! Versöhnung der bestehenden Gegensätze. Das wäre ein Resultat, das wir im Interesse des Vaterlandes nur begrüßen können. Aber ich erkläre, ich werde für die Stichwahl nicht zu haben sein für erne ent» geg«nkommend« Erklärung meinerseits; ich werd« an meinen Anschauungen unerschütterlich festhalten. Ich glaube, das d«utsch« Volk würde gut tun, in Zu kunft mehr und mehr zurückzukehren zu dem eigent lichen Gedanken des Reichstagswahlrechts. Der Wühler soll eine Persönlichkeit wählen, der er ver trauen kann, und es dieser überlassen, daß sie bei der Vertretung das Rechte findet. Was für Erklärun- gen sind mir in den Wahlversammlungen all« zu gemutet worden. Wo soll es hinführen, wenn in kleinen unbedeutenden Fragen dem Kandidaten der» artige Schwierigkeiten bereitet werden? Ich freue mich, konstatieren zu können, daß der größte Teil der Leipziger Bürgerschaft das Amt eines Abgeordneten etwas höher eingeschätzt hat. Vielleicht bat mir etwas geschadet mein Vorwärtsdrängen aut einem Weg um einen größeren Einfluß des Parlaments. Aber ich glaube, was das Kraftgefühl anlangt, so ist ein Zuwenig schlimmer als ein Zuviel. Es wird schon dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Ich gehe wieder hinein in den Reichstag, wenn Sie mir in der Stichwahl wieder Ihre Stimme geben, mit der alten Pflichttreu« und Durchdrungenheit von den großen Aufgaben. Nach herzlichen Dankesworten an seine Wählerschaft schloß Justizrat Dr. Junck mit dem alten Schlachtruf: Heil Kaiser und Reich! Nachdem die Versammlung begeistert in diesen Ruf eingestimmt und Prof. Brandenburg noch Worte des Dankes an die Erschienenen gerichtet hatte, erreichte die Versammlung mit dem gemeinsamen Gesang: „Deutschland, Deutschland über alles" ihr Ende. Im Etablisirment Sanssouri. hatte der Wahlausschuß für die Kandi datur Wangemann sein Quartier auf geschlagen, um hier die Verkündigung -er Wahl ergebnisse Leipzig-Stadt vorzunehmen und die nach und nach aus den einzelnen Wahlbezirken etnlaufen- den Berichte sofort zur Kenntnis der zahlreich ver sammelten Wähler zu bringen. Erst langsam ent wickelte sich der Verkehr, und als um 1/28 Uhr die elektrischen Lichter im Saale aufblitzten, waren erst vereinzelte Besucher erschienen. Dann begann der Zuzug in Masten. Boten aus den einzelnen Wahl bezirken kamen herbei, und aus ihren Feststellungen wurde dann die Lage der Wahl erkennbar. Im all gemeinen nahm man die Zahlen, wie sie für Dr. Junck, Wangemann und Cohen fielen, ziemlich ruhig auf, nur ab und zu machte sich beim Ueber- wiegen der Stimmenmehrheit Cohens ein lautes Oh! und Ah! als Aeußerung des Erstaunens bemerkbar. Das Wahlergebenis für Wangemann bewegte sich in bescheidenen Grenzen; es wurde stillschweigend aus genommen. Allmählich fanden sich weitere Kreise ein, die den nun immer rascher einlaufenden Mel dungen lebhaftes Interests entgegenbrachten und der von dem Ausschußtische gegebenen Verkündigung der Wahlresultate bis zu ihrem Ende lauschten. Im „Schloss Nitkersirin". Die offizielle Bekanntgabe des Wahlresultates für den nationalliberalen Kandidaten in Leipzig-Land, Dr. Günther, erfolgte gestern abend im Kleinen Saale des Schloß Ritterstein. Wohl infolae der Hauptversammlung, die von der Nationalliberalen Partei nach dem Kristallpalast cinberufen worden war, hatte die Versammlung im „Schloß Ritterstein" einen mangelhaften Besuch aufzuwersen. Erst nach 10 Uhr wurden dort einzelne Wahlresultate von Leipzig-Land bekanntgegeben. Herr Studien cat Profeyor von Brause hielt eine kurze Ansprache, in der er darauf hinwies, daß die Schlacht zwar ver loren sei. daß man aber deshalb den Mut nicht ver lieren dürfe. Es müsse heißen: frisch, fröhlich und geschloßen zu neuer Arbeit! Nach Herrn Professor von Brause sprach Herr Lehrer Schiff mann. Der Redner hob hervor, daß alles bei dieser Wahl getan worden sei, was zu tun möglich gewesen wäre. Der Kandidat Dr. Eün- ther habe sich so weit aufgeopfert, daß es ihm nicht möglich sei, die gegenwärtige Versammlung zu be suchen und über die geleistete Arbeit selbst zu sprechen. Nicht auf die Agitation sei der Mißerfolg zurückzu führen, sondern auf die bisher schon durch geringen Versammlungsbesuch bewiesene Gleichgültigkeit der großen Maste von Parteifreunden. Dr. Günther habe nicht mehr leisten können, als er getan hab«. Von Studienrat Prof, von Brause wurde weiter be tont, daß der Ausfall der Wahl auch darauf zurück zuführen sei, daß man zu früh mit der Agitation be gonnen habe. Der Mangel einer Regierungsparole, das Auseinandergehen der bürgerlichen Parteien und die Verteuerung der Lebensmittel hätten dann weiter dazu beigetragen, die Wahl ungünstig zu beein flussen. Hauptsächlich die verteuerten Lebensmittel seien als Wahlquittung zu betrachten. Am Schlüße legt« Herr Prof, von Brause den Anwesenden noch nahe, für eine zukünftige Stärkung der Organisation zu sorgen, um dadurch ähnlichen Mißerfolgen vor zubeugen. Der Wahltag in der sächsischen Residenz. (Privattelegramm unserer Dresdner Redaktion.) (:) Die Wahlfchlacht in Dresden ist geschlagen. In den Nachmittag- und Abendstunden erreichte sie ihren Höhepunkt. Die Wahlschlepper traten bei den bürgerlichen Parteien in Tätigkeit, um die säumigen Wähler zur Urne zu holen. Teilweise erhielten auch diejenigen, die tns nachmittag ihrer Wahlpflicht nicht genügt hatten, nochmals schriftliche Aufforde rung, schleunigst zu wählen. Dieben Uhr hatte die
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