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gebaut genug hält, flüchtet er in die CharybdiS eines abermaligen Vclrnntn.f.eS Mangelnder Setbslwillig- leit gegen ministerielle Halbheiten. König uud Rat- get'er Haven fick gegenjei'iq nichts vorzulverftn Nut eine Formsache Denn natürlich steht auch die Aileübllna de» bückstcn und edelsten Monarchen, rechtes unter dem Zwange der tnuusrerieUen Per- tretuna und bedar' somit einer vorgängigen Per* ständigung. Der König durste die Tilade nicht ohne Beisein seine» verantwortlichen Dieners aussprechen. Wenn Caiialejas al o dieses PersauinniS mit seinem Enllasjnngsgeiuche quittierte, so wir das da- min deste, was ich» zu tu» oblag Aber recht hatten schließlich beide, das; sie e- mit dieser etwas nactp drüellichen Eriniicrung an die Bersassungsbestim- muiisten gut sein liehen. Denn die Jahre der gesftn- wanigen liberalen Epoche sind noch nicht um. Wenn dieses ziemlich radikalste Kabinett, das unter der Monarchie möglich ist, nicht eine einzige Frucht seines Reformwillens einheinist, dann tonnte daS Land siel' erinnern, dast so ziemlich Spaniens einzige Fvrtschritw-Aera ,m lepien Halbsasirhundert in die Jabre l.Ri8—1870, also in die Z it einer Thron- Vakanz siel. Und solange der politische Bankerott der portngies.s.-ben Aevublik nicht endgültig sSstgestellt ist, müssen die Aiisteckuilgsstosie dieses gefährlichen Beispiels besürchtel werden. Caiialejas' Ordnungs- geseh aber steht immer noch ans seinem toten Punkte. Noch wichtiger allerdings bleibt eine leid lich befriedigende Lösung des marolkaniselnm Probleins, die gleichfalls einen Ministerwcelifel zur zeit ausserordentlich nnrätlich macht. fchf. Die letzten Stichwahl Parolen. Nachdem gestern die Deutsch.Konservativen und das Zentrum ihre Stichwahlparolen ausgegeeeu haben, sind ihnen heute der Bund der Landwirre uno bi.' Fort,chrittuche Voltspactei gefolgt. Cs haben damit sämtliche größeren Palleten ihr Bel- Halten hei der Stichwahl tunogetan. Zu bedauern ist, vag infolge der Haltung der Fort.chrittlichen Boltspartei das ^en.rum, die Kon e.vallv.n uno der Bund v«r Landwirte beschlossen haben, gegenüber den liberi.leu Kandidaten sich der Stimme zu ent halten. Hierdurch werden mehrere Kreije, die von dem Bürgertum erobert werden konnten, der So zialdemokratie zufallen. Die neuen Stichwahl- Parolen lauten: Bund der Landwirte: „Nachdem die B rsuche der rechtsstehenden Par teien und des Bundes der Landwirt«, mit Len libe ralen Parteien unter Mitwirkung der Regierung «inen allgemeinen Mihlkompromiß gegen die Soz.al- ü«inokratie zustandezubringcn, an der Ablehnung der Fortschrittlichen Volksparte t, über haupt in eine diesbezügliche allgemeine Verhandlung cinzutreten, gescheitert sind, empfehlen wir unseren Freunden, sich der Stellungnahme der rechtsstehenden Partien anmjchließen und im Interesse der Zukunft überall da W a h l e n t h a l t u n g eint.eten zu lassen, wo gleichwertige Kompensationen erre-cht werden. Fortschrittliche volkspartet: „Die Hauptwahl am 12. Januar hat «ine end gültige Enljcl-eidung über die Zusammensetzung des Reichstages nicht gebracht. Das Ziel des Wahl kampfes, die Zertrümmerung des schwarz blauen Blocks, ist auch bei den Stichwahlen fest im Auge zu behalten. Die erste Aufgabe ist überall die Förderung der «igc,um Partei. D.« mit uns ver bündete Nation allibetale Partei ist tz'ey«n jeden K eg nvr--z,r'Um t-ei-zt ü tz-on. Im übng.'n gilt die Losung: Keine Stimme für «in Mitglied der deutschkonservativen Partei, der Rcichspar.ci, des Zentrums, der Wirt'chastlichcn ^Bereinigung oder einer anderen antisemitischen Grupp«. Aus zur Wahl'. Die reaktionäre Mehrheit darf nicht wiebcrlehren." Der Krieg «m Tripolis. Tie Annahme eines italicniscl-en BlatteS, dast eine Besprechung der F r i c d e n ü s r a g e in Rom durcb den deutschen Reichskanzler erfolgen werde, ist, wie die „N. pol. Corr." schreibt, irr- t ü m l i ch. lieber eine Reife des Herrn v. Bethmann Holcweg nacb Italien ist an Stellen, die darüber unterrichtet sein mühten, nichts bekannt- Auch der Besuch, den vielleicht in diesen Tagen Herr v. K i d e r l c n in Nom dem italienischen Minister des Neuster»», Marquis San Giuliano, machen wird, gilt feiner besonderen politischen Aktiön. Er ist hervorgcgangen aus dem Wunsch der beiden Staats- männer, persönliche Beziehungen anzu knüpfen, die bisher zwischen ihnen nicht bestanden. Die Veschlognatzm« des fennzSstschen Dampfers „Carthage". Wie wir ausführlich berichteten, haben italienische Torpedo, oote den franzrsiscc,cn Dampfer „Carthage", der sich aus der Fahrt nach 5unis befand, aus- gebracht, da sich aus dem Schiffe Aeroplane, die für das türkische Lager bei Tripolis bestimmt ge wesen sein sollen, befanden. Ter französische Bot schafter in Roni, Barrkre, hat bereits im Rainen seiner Regierung gegen dieses Vorgehen der ita lienischen Negierung Protest erhoben. Z.i dem Zwischenfall l egen noch folgende Depeschen vor: Paris, 18. Ian. (Tel.) In der Angelegenheit des von italienischen Torpedobooten gekaperten fran zösischen Postdampscrs „Car Hage" erklärt die Com pagnie Transatlantiquc mehreren Berichterstattern, falls nicht von ecnem Absender eine falsche De klaration gemacht wurde, wofür de Gesellschaft keine Verantwortung tragen könnte, sei an Bord deö Dampfers keinerlei k r i e g s k o n t c r - bande gewesen, keinesfalls aber hätten sich Ma schinengewehre an Bord befunden. Aus N o m wird gemeldet, dast der Befehlshaber der italienischen Torpedoboote den Kapitän der „Carthagc" zunächst ausgesordert habe, ihm den Acroplan auszuliescrn, das Schiff würde dann die Fahrt fortsehen können. Ter Kapitän wei gerte sich jedoch, dieser Forderung nachzukommen. ES heisst, die italienischen Behörden hät-en Beweise dafür, dast der Aeroplan in Wirklichkeit sür das türkische Lager in Tripolis bestimmt war. Ter französische Botschafter Barräre hat e heute mit dem Minister des Aeustern di San Giuliano über diese Angelegenheit eine Unterredung. Tie Compagnie Transatlautiaue hat weiter aus Cagliari vom Kommandanten der „Carthage" ein Telegramm erhalten mit der Nachricht, dast der Postdampser noch immer in Cig iari mit Beschlag belegt ist. W>e der Kapitän meldet, ocsand sich das Schiss am Dienstag früh um 6 Uhr ungefähr 17 Meilen von der Küste Sardiniens entfernt austerhalb der italieuischen Gewässer, als ein ita lienisches Torpedoboot einen blinden Kanonenschuß abfenerte und die „Carthage" zum Halten brachte, die daraus nach Cagliari fahren mußte, wo sie mit Beschlag belegt wurde. Aus Paris wird telegraphiert: Alle in Paris weilenden Botschafter wohnten am Mittwoch dem ersten diplomatischen Empfang des Minister präsidenten bei. Der italienische Bot schafter bennhte die Gelegenheit, sich mit Poin- earö über den „C a r t h a g c" - Z w i s ch e n k a l l zu besprechen. Tie beiden Regierungen beabsichtigen, den Zwischenfall im freundschaftlichsten Geiste zu erledigen. Tic Unterhandlungen fanden in R o m statt. Man versichert, Poinearß habe sich veranlaßt gesehen, gegenüber dem italienischen Standpunkt ernste Vorbehalte zu maclcen. Tie Passagiere der „Carthage" telegraphier ten an die französische Negc r ung und p r o t e st i e r - ten entschieden gegen das Vorgehen der Ita lienischen Kriegsschiffe. Wie aus Marseille berichtet wird, hat die Compagnie Transatlantique erfahren, dast die „Car- sbgge" den formellen Befehl erhalten habe, von ihrer Einrichtung für drahtloseTelegraphie t»i n-e n Geb ranch zu machen. Die Oase Tuara von italienischen Kriegsschiffen beschossen. Die Oase Tuara, die demnächst von den Jta- lienern beseht werden soll, ist, wie au- Mailand gemeldet wird, von italienischen Kriegs schiffen beschossen word«n. Die äghptische Regierung stellt jetzt den an die westliche Grenze Reisenden Pässe aus, um die W a s f e n s ch m u g g l e r und die verkleideten türkisclfen Offiziere leichter erkennen zu können. Dor beschlagnahmte Arroplan gehört, wie bereits gemeldet, den Fliegern Obre und Duval. Diese wollten an einem Schau fliegen in Tunis teilnehmen. Vorher hatten sie ihre Kunst in verschiedenen Städten Sardiniens gezeigt und dann ihre Flugmaschinen nach Marseille bringen lassen, um sie von dort nach Tunis zu senden, was den Behörden auf Sardinien auch be kannt war, ohne dast sie Einspruch dagegen erhoben hätten, obgleich es ihnen ein leichtes gewesen wäre, die Absendung des Flugzeug» von Sardinien au» nach Marseille zu verhindern. Die beiden Flieger selbst begaben sich voraus nach Tunis, um dort die Ankunft ihrer Flugmaschinen abzuwarten. Es scheint, daß man in Nom nachträglich den Verdacht bekam, dast Duval und Obre ein schlaues Spiel treiben, indem sie mit Ab- sicht zuerst ihre Fliegerei ilt Sardinien zeigten, und daß das ganze Schausliegen in Tunis nur zu dem Zwecke veranstaltet wurde, um Möglichst unauffällig den Türken in Tr politanien d e gewünschten Flieger mit ihren Maschinen zuzusühre». Mehrere Pariser Zeitungen sprechen ihr leb haftes Bedauern über den Vorfall und gleich zeitig die Hoffnung aus, dast er bald geregelt werde. In einer anscheinend offiziösen französischen Note wird bemerkt: Als die italienischen Behörden den Ver dacht hegten, dast ein sranzösiscl)es Schiff sich mit Kricgskonterbande befassen könnte, hätten sie die französische Regierung verständigen sollen, die sich gewiß beeilt hätte, die Sache zu regeln. Ministerpräsident PoincarS hatte, nach einem Pariser Telegramm, mit den Rcchtsbeiständen des Quai d'Orsay Ren aut und Weiß eine lange Unterredung über die Beschlagnahme des Poft- Kämpfers „Carthage" durch die Italiener. Wie aus R o m genieldet wird, erklärte der dor tige französische Geschäftsträger dem Minister des Auswärtigen, Marquis di Sau Giu- liano, dast die französische Negierung alle Vor- behalte betr. die Wegnahme der „Carthage" mache, und fügte hinzu, dast Frankreich eine rasche Aushebung der Beschlagnahme als ein Z iehen f r e u n d s ch a i t l i ch e r Gesinnung ansehcn würde Protejt der Flieger. Paris, 18. Jan. (Tel.) Die Flieger Duval, Obre und Carnus richteten aus Tunis tele graphisch an das französisch« Ministerium des Aeuße- ren das Ersuchen, bei der italienischen Regierung energisch einzuschreiten, um die sofortige Rück erstattung der an Bord der „Carthage" beschlag, nahmten Flugzeuge zu erlangen. In einem an ein hiesiges Blatt gerichteten Telegramm erheben die Flieger in schärfsten Worten Einspruch gegen das völkerrechtswidrige Vorgehen der italie nischen Behörden und erklären, dast sie lediglich Schauslüge vevanstalten wollten und weder sür die Dienste der Türkei noch Italiens zu haben feien, und dast sie von der italienischen Negierung Schaden ersatz beanspruchen. Wie aus Tunis gemeldet wird, ist die durch den Vorfall unter der französischen und der ein geborenen Bevölkerung verursachte Erregung an dauernd sehr heftig. Militärpatrouillen ziehen durch die Straßen, um Ruhestörungen vorzubeugen. * Bau eines Kriegshasrns in Tripolis. Die italienische Regierung hat soeben eine Son- derlommission gebildet, die die eigenartige Ausgabe hat, in dem noch nicht eroberten Lande Tripolis einen italienischen Kricgshafen zu bauen. D.ie koqnmMon.besteht zum Teil aus Marinssfach- leuten, zum Teu aus Ingenieuren. Der leitende In genieur ist der Marincbauineister Bordone-cher sich bereits seit mehreren Jahren in Tripolis auf- gehalten hat, um die Anlage eines Hafens ins Werk zu scheu. Der endgültige Ausbau des Hafens wird meliere Jahre in Anspruch nehmen und einen Kostenaufwand von 20 Millionen Lire notwendig machen. Für die nächste Zeit soll der Hafen nur provisorisch zu einem Kriegshasen umgestaltet wer- den, indem die Lücken der schützenden Klippen durch Versenkung alter Schiffe und einige Notbauten ergänzt werden sollen. Zum Teil ist mit diesen Arbeiten bereits begonnen worden. An dem Bau eines modernen Kriegshafens in Tripolis hat Italien ein um so größeres Interesse, als der Wasserspiegel der Reede eine sehr gute Form und Größe hat. Er hat eine Länge von 1800 Metern und eine Brette von 1500 Metern, ist also größer als die italieuischen Kriegshäfen. Seine Form ist fast vollkommen rechteckig. ES ist sicher, daß der Hasen nach vollendetem Modernen Ausbau für die italienische Kriegsmarine von größter Bedeutung werden wird. Schon jetzt sind die Klippen, die sich im Hafengebtet vorfanden, und die Lchlffahtt ye- sährdeten, beseitigt worden. Zum Schutze der Ein fahrt soll ein neuer Hafendamm gebaut werden, der in kurzer Zeit in Angriff genommen werden wird. Ein zweiter Kriegshafen in Tripolis wird in Tobruk erstehen. Diese Stadt ist gleichfalls zur Anlage eines Kriegshafen» vorzüglich geeignet. <Ls ist nur die Frage, ob Italien nicht zu zeitig daran geht, in Tripolis für sich KriegShäfen zu bauen, da leicht die Möglichkeit besteht, daß die ita lienische Kriegsmarine von diesen Neubauten weniK Gebrauch wird machen können. b-. Marokko. Aus Tanger wird gemeldet: Die aufrührerischen Araber haben am 14. Januar 'N der Gegend von Sefru abermals die Kolonne des Obersten Dalgies angegriffen. Erst der zur Unterstützung herbeigeeilten Artillerie gelang es, die Rebellen in die Flucht zu schlagen. Am 15. Januar wurde die Kolonne abermals angegriffen, doch gelang es auch diesmal, die Araber unter größeren Verlusten zurückzuschlagen. Die Franzosen hatten 14 Verwundete, während die am Kampfe be teiligte Kolonne des Obersten Drömond drei Tote und vier Verwundete zu verzeichnen hatte. Weiter wird gemeldet: Fez, 18. Jan. (Meldung der Agence Havas.s General Dalbiez unternahm am Sonntag mit einer Kolonne, die von Melines aufgebrochen war und im Südwesten von Sepau lagerte, eine kombinierte Bewegung mit scheriftschen Truppen, die unter dem Kommando des Obersten Brc-mond am Ueü Adam lagerten. Die Franzosen schlugen einen Angriff des Feindes ab, der sich in Unordnung zurückzog und zahlreiche Tote zurückließ. General Dalbiez verfolgte Len Feind den ganzen Tag und auch den nächsten Tag. Die Kolonne Dalbiez hatte nur sechs Verwundete, die scherisischen Truppen zwei Tote und drei Verwundete. Das französische Protektorat. Paris, 18. Jan. (Tel.) Ministerpräsident Po in carö wird heute abend mit dem Kriegs minister Millerand und dem Finanzministet Klotz eine Besprechung haben, um die Vor- arbeiten ihrer Ministerien über die administrativen, militärischen und finanziellen Fragen des Marokkoprotektorates zu überprüfen und miteinander in Einklang zu bringen. Verlustliste des französischen Marokkoseldzuges. Pari», 18. Jan. (Tel.) Nach einer vom General stab des Besatzungskorps ilt Casablanca zusammen gestellten Verlustliste sind während der Ex pedition nach Fez in der Zeit vom 1. Mai bi» 1. November vorigen Jahres 30 Offiziere und 50 Unteroffiziere und Soldaten vor dem Feinde ge fallen und 14 Offiziere und 600 Unteroffiziere und Soldaten infolge von Krankheiten und Unfällen ge storben. 4177 Soldaten, nahezu ein Fünftel des Ex peditionskorps, wurden infolge von Krankheiten kampfunfähig. Am meisten wurden die Kolonial truppen von Krankheiten mitgenommen, während sich dite Senegalschützen am widerstandsfähigsten er wiesen. O Der Stand der französisch-spanischen Marokko verhandlungen wird augenblicklich wieder mit etwas mehr Opti mismus angesehen, wie aus nachstehendem Tele gramm hervorgeht: Pari», 18. Jan. Die aus Madrid über den Stand der französisch-spanischen Differenzen vor liegenden Privatmeldungen lauten günstig. Man versichert, daß eine für Frankreich und Spanien an- Der leine Ssnsjakab. Novelle von Eh-irlvtte Nielo. Es war gerade lange nichts in der kleinen Stadt passiert, weder ein Todesfall, noch ein Diebstahl, noch jonst irgend etwas, was de. Besprechens wert war. Das war langweilig und wirklich auch unrecht vom Schicksal, denn in dein Städtchen panierte eigentlich mehr als anoerswo, obgleich es, wie Fremd« bemerk ten, ein tchläjriges kleines Nest war, das aus lauter häßlichen Häusern bestand. Aber die Fremden konn ten eben in die häßlichen Häuser nickt hineinjehen, uns sie kannten auch nicht die Menschen, die darin wohnten. Daher war man in der Stadt den Fremden auch etwas abgeneigt und betrachtete sic mit Mißtrauen, Las sie verdienten. Auch mußten sie, wenn sie ge legentlich etwas kauften, höhere Preise zahlen. Da für waren sie eben Fremd', und wenn sie dann schal ten, hieß es ziemlich laut, sie brauchten ja n.cht wie- derzatonlinen. Lller war nun aber eigentltch ein Fremder, und wie lange mußte man in der Stadt leben, uin diesen Nam n nicht mehr zu verdienen? Dies« Frage hatte schon manche Leute beschäftigt. Meistens nur in der Theorie, denn nicht viele Fremde zogen in die Stadt; einmal aber mußte sie doch auch praktisch erörtert werden. Nämlich, als Hansjatob Böhmken plötzlich wieder austauchte und in der Stadt leben wollte. Hansiatob Böhmken! Als dieser Nam« ganz unerwartet genannt wurde, schüttelten die älteren Leute der Stadt den Kopf und wollten ihren Ohren Nicht trauen. Hansjakob war ja tot, sagten sie, irgendwo auf See geblieben. Denn seit reichlich zwanzig Jahren, feitocm er als Matrose weßgeganaen war, hatte man nichts mehr von ihm gehört! Was wollte der also wiederkommen? Der Stadtschreiber sah außerdem gleich in den Büchern des Armei^oesen« nach und land darin, daß Hansjakob» Mutter am Ens« ihrer Tage von der Stabt unterstützt worben war, eine Nachricht, die den alten, peßimistisch ge sonnenen Mann zu der Bemerkung veranlaßte, Hans- jakob werd« natürlich auch der Stadt zur Last fallen. Dies war eine betrübende Aussicht, denn die Stadt konnte nicht allzu viele Lasten tragen. Aber wail es doch merkwürdig war. wenn «in Mann, der zwan zig Jahres tot gewesen war, plötzlich wieder auf« lebte so mußten alle Leute von ihm sprechen. Die Gemüsefrau, die viel mehr Neuigkeiten wußte al» da» Wochenblatt, erzählt« allen Köchinnen davon, und diese bcr»cktetcn es ihren Herrschaften wieder, und da gerade cin^ besonders still« Zeit über der Stadt lag, so verschmähten auch die Herrschaften nicht, sich sür Hansfakob zu interessieren. ' Eigentlich sah dieser, trotz seiner langen Abwesen heit, gar nicht sehr interessant aus. Er war «in großer, breiter Mann mit rotem Gesicht und lauter stimme. Wv ihn übrigens genau betrachtet«, dem mußte allerdings der Gedanke kommen, daß er eigent lich nicht aussühe, als wenn er die Hilfe der Stadt nötig habe. Allmählich kamen denn auch di« Leute dahinter, daß er wohl etwas Geld mitgeoracht habe, und sic sprachen etwas freundlicher über ihn, nachdem sie sich vorher plötzlich aller seiner alten, der wirk lichen wie der eingebildeten Sünden mit unheimlicher Genauigkeit entsonnen hatten. Hansjakob Böhmken machte den Eindruck, als kümmere ihn das Gerede der Leute wenig. Er wohnte vorläufig ,n oem kleinen Gasthaus des Posthalters, zahlte regelmäßig wöchentlich seine Rechnung, rauchte viel und las eifrig in den Zeitungen. Er war nicht gerade sehr redselig, und da der Posthalter, ein älterer Mann, auch von Natur schweigsam angelegt war, so dauerte es mehrere Tage, «he die beiden überhaupt miteinander sprachen. Und doch hatten sie sich ehe mals gekannt. Aber eines Abends kamen di« beiden denn doch zusammen. Die Gaststube war ganz leer bis auf Hansiatob, der wieder seine Zeitungen las, und als der Posthalter der gerade nichts zu tun hatte, «intrat, setzte ei sich seinem Gaste gegenüber. Eine Weil« tagen di« zwei, ohne ein Wort zu sprechen; endlich räusperte sich der Posthalter, und Hansjakob hob die Augen von seinem Blatte. „Gu n Abend ok!" bemerkte der erste«. Böhmken nickte. „Guten Abend, Posthalteri Sie haben wohl viel zu tun, daß man Sie gar nicht siehtL' Der Posthalier wurde rot. Er hatte den änderen aus Plattdeutsch angercdet, und der antwortete Hoch deutsch. Diese Sprache liebte er nun gar nicht sehr, aber er wollte zeigen daß er lie auch kannte. „Ich hab' mein Lebtag viel zu tun, Herr Böhm- len! bemerkte er etwas steif. „Arbeit macht das Leben süß!" Böhmken nickte. „Ganz gewiß, Posthalier! Die Arbeit ist schön, aber da, Ausruhen ist auch schön!" Und er streckle fein« langen Glieder. „Dah Sie noch in unsere Stadt gekommen sind, Herr Böhmken!" sprach der Posthalter weiter. „Wo wir all dachten. Sie hätten uns vergeßen. Und Ihr Mutter is noch dazu ins Armenhaus gestorben!" , Jetzt wurde Böhmken dunkelrot. Damals hatte ich noch Geld!" sagte er hastig. „Ick habe nur in den letzten Jahren Glück gehabt — in Südamerika beim vtekhandel", setzte er nach einer Weil« hinzu, und der Posthalter nickt«. „Nu, da^ kann ich mich ia denken! Bei was Feinen sind sie natürlicherweife gewesen, sonst wären sie ja woll „ich so fein geworden. Mich sagt noch gestern ein Herr: „PostHalter", seggt he, „wo Helt Böhmken doch all biss« Jahren steckt? Mi düch, he ia hellschen grotsnutig wori n." Ja, da» war ein Baron, der mich das sagte, Herr Böhmken, der snackt Platt deutsch mit mich!" „Der konnte wohl nichts Besseres!" sagte Hans jakob trotzig. „Hierzulande Haden alle Leute eine ichlechte Sprache! Die habe ich mir lange abge wöhnt, und aus einem Baron mach« ich mir gar nichts. In Südamerika hatte ick einen Diehtteiöer, bas war ein Graf, und der machte seine Sache noch dazu sehr schlecht!" Böhmken konnte wirklich fließend Hochdeutsch sprechen, und wenn er auch hcn und wieder mit dem Artikel auf gespanntem Fuß stand, so hörte der Post halter das gar nicht. Er zog sich kopfschüttelnd von seinem Gaste zurück und war sich ganz darüber einig, diesen die Fremdenpreise zahlen zu laßen. Einige Wochen waren vergangen. Hansjakob wohnte noch beim Posthalter; die anderen Leute aber sprachen nicht mehr von ihm. Irgendein Unglücks fall hatte bas Interesse an Hansjakob auf angenehme Weise abgelöst, uno niemand Lachte mehr an den langweiligen Menschen, wie die Leute ihn nannten. Er war auch wirklich langweilig geworden. Keinen alten Freund, mit dem er sich früher geprügelt und auf der Schulbank gesessen hatte, erkannte er bereit willig wieder; und war er gewißermaßeit gezwungen gewsien, vie Bekanntschaft anzuerkennen, dann hatte er die Leute „Sie" genannt und sein eingelerntes Hochdeutsch mit ihnen gesprochen. „He i» to fitn für uns!" sagte der Posthalter von ihm, und so hieß er denn bald der „seine Hans- jakob. Er macht« sich nichts aus diesem Namen, son dern w' r eigentlich stolz aus ihn, als er ihn erfuhr. „Ich r.ck auch seiner sein, als alle die andern!" jagte er trotzig zu sich selbst, wenn er einsam bei feiner Pfeife saß. „Ich will auch feiner sein!" wiederholte er, wenn er an dem Wirtshaus vorüberaina, in dem die Honoratioren verkehrten. „Nächstes Jahr sitze ich doch mit den Feinen zusammen, wenn ich es nur klug anfange!" Und er ging mit «inem sehnsüchtigen Seufzer weiter. Ja, die Feinbeit hatte es Hansjakob wirklich an getan! Wohl las er demokratiscke Zeitungen und freute sich, wenn über den Adel und die Beamten »e- schölten wurde; wenn er aber selbst einen kleinen Titel hätte erwischen können, wurde er unbe'chreid- lich glücklich gewesen sein. Aber, daß er, der früher« Matrose und Viehhändler, wahrscheinlich auf vielen Vorzug verzichten mußte, sah er selbst ein. Dafür aber wollte er in feine Gesellschaft kommen. Wenn er damals, al» er zurückkehrte, einen vernünftigen Menschen um Rat gefragt hätte, würde ihm dieser vielleicht gesagt haben, nicht in seine Vaterstadt zu ziehen. Der Prophet gilt eben nicht» in seinem Baterlande, und wer vor zwanzig Jahren als Matrose auszog, der kann nicht erwarten, bei seiner Rückkehr gleich mit den Ehren eines Kommerzienrates emp fangen zu werten. Aber Hansjakob hatte niemand gefragt und auch nicht an eine andere Stadt gedacht. Sein« Geo graphie war schon in der Schule schwach gewesen, und seit vielen Jahren gab es in seinem Gedächtnis k inen anderen Orr, als den, in dem er geboren, zur Schule gegangen war, und den er eines Tages ohne viel Abjchrev verlassen hatte. Cs war an einem kalten, herbstlichen Nachmittage. Der Wind wehte die Blätter von den Bäumen der großen Allee, in der Hansiakob langsam spazieren ging. Er war ziemlich schlechter Laune, denn er fühlte sich einsam. Zwar suchte er sich dl« Zeit damit zu vertreiben, daß er über seine Papiere und sein nettes kleines Vermögen nachdachr«; aber e» gibt Augenblicke, wo selbst diese Gedanken keine Freude machen. Vorhin hatte er in der Eaststud« des Post- hatters einig« Leute Karten spielen sehen. Dar war der Mützenmacher non der andern Straßen.'cke, der Pantosfelmacher, sein Nachbar, und der alte Buch bindermeister gewesen. Sie hatten den Daumen ge leckt, wenn sie die Karten gaben, auf den Tisch ge schlagen und allerhand kräftige Worte gebraucht. Un willkürlich war Hansjakob einen Augenblick in der Tür stehen geblieben und hatte ihnen zugeiehen. Dann aber wandte er sich mit raschem Entschlug und ging allein spazieren. Brau'end fuhr der W.nd durch di« Baumkronen, dah sie sich knarrend gegeneinander rieben, und Hansjakob setzte sick auf eine Bank und starrte düster um sich. Er merkt« -s kaum, dah aus dieser selben Bank schon eine Gestalt sah, die bei seiner Annäherung etwas zur Seite rückte. Es war eine Frau, die, in «in großes Umscklagetuch gehüllt, von dem Wind« sich auch auezuruhen schien. Sie trug ein Paket im Arm, das fast ebenso groß war wi« ihr Oberkörper, und man sah von ihr nur die Augen. Einen Augenblick hatten d e beiden Menschen teil« nahmlos nebeneinander gesessen; dann sahen sie sich plötzlich an. Und dann durchfuhr es Han»jakob mit einem fonoerbaren Schreck. Er wollte außtehen; di« Frau im Umschlagetuch aber war ihm näher gerückt und legte die Hand auf feinen Arm. „Hansjakob! Hansjakob Böhmken! Bist du e» oder i, e» dein Geist?" „Ich bin es!" »ersetzte Hansjakob. Sein« Lippen waren trocken geworden, aber er oersncht« zu lachen. „Natürlich bin ich es!" sagte er noch einmal, während er sich bemühte, recht vornehm und gleichgültig zu sprechen. „Hast du denn gar nicht gehört, daß ich wiedergekommen bin?" Die Frau hatte das große Paket aus die Bank gelegt. Ihre Hände zitterten so heftig, daß sie es nicht halten konnte. (Fortsetzung in der morgigen Abendausgabe.)