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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.01.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120122022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912012202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912012202
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-22
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
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portugiesischen Kolonie Angola zu tun gehabt habe, beziehe sich darauf, daß die Portugiesen vor einiger Zeit auf Angola ein Fort erbaut hätten, das die deutsche Grenze überschritt, also zum Teil auf deut« schein Boden stand. Dieses Fort wurde aber im voll- kommensten Einverständnis mit Deutschland zurück- gezogen, da Portugal überhaupt immer bestrebt war, durchaus freundschaftliche Beziehungen zu Deutsäfland zu unterhalten. Der Minister schlaf, seine Erwiderung wie folgt. „Es ist selbstverständlich, daß unsere ganze äusrere Politik auf dem Bündnis mit England basiert, und die feindlichen Artikel gewisser Rutscher Blätter können diese Tatsache nicht ändern." Englische Prcßerörterungen. Zur „Angola-Frage" veröffentlicht die „Saturday- Revieo" einen längeren Artikel, in dem die Möglich keit der Abtretung der portugiesischen Kolonie Angola an Deutschland ausführlich erörtert wird. „Wir wissen aus bester Quelle", so schreibt das Blatt u. a., „daß das Londoner Auswärtige Amt «ine offi ziöse Note veröffentlicht hat, wonach sich England einer Erwerbung der Kolonie Angola durch Deutsch land nicht widersetzen würde." Deutschland soll ferner auch beabsichtigen, die Inseln Cao Thome und P r i n c i p e, die der Bucht von Biafra vor.tclagert sind, zu kaufen. Die „Times" weif; zu dieser Angelegenheit noch zu melden, daß eine große koloniale Bank, die mit deutschem Kapital arbeitet, augenblicklich im Begriffe ist, sich in Lissabon niederzulassen. Diese Bank sei ganz besonders zu dvm Zwecke gegründet worden, um die portugiesischen Kolonien finanziell zu unter stützen und dadurch allmählich einen dominieren den Einfluß auf die Verwaltung der betreffen den Kolonien zu gewinnen. Die Dank soll sich be reits die Unterstützung der portugiesischen Regierung gesichert haben. Oer Krieg um Tripolis. Ueüer die Operationen bei Gargaresch meldet die „Agenzca Stesani": Für den Fall, daß tue Araber und Türlen weiter den Versuch machten, den Arbeiten bei Gargaresch Hindernisse zu bereiten, wurden die Arbeitssoldaten unter den Schutz von 8 Bataillonen Infan terie, sechs Schwadronen Kavallerie, zwei Batte rien Feldartillerie und einer Batterie Gebirgs- gcschütze unter dein Befehl des Generals Techaurand gestellt, obwohl die Erkundung des Lanzenreiter- Regiments und die von Kundschaftern überbrachten Meldungen ergeben hatten, daß die Küftengcgcnd von Tripolis bis Tokra vom Feinde frei war. Tie italienischen Truppen besetzten verschiedene ihnen angewiesenen Plätze, ohne irgendein Anzeiäsen vom Feinde ^n finden, und die Pioniere konnten an die Errichtuno ^cr bereits aba-zjteckten Schanzen und ihre Verstärkung gehen, ohne dabei beunruhigt zu werden. Während die Arbeiten iort'^setzt nmrdeg, unternahmen vier Schwadronen des Regiments Flo renz mit uvci Schwadronen als Vorhut eine Er- lunduno §ur eine Entfernung von neun Kilometer von Garagesch in der Richtung aw Zansur und Fondut el Toger, ohne Spuren vomFeinde zu finden. Tiefe Tatsachen bestätigen die dem Oberkom mando zugcgangenen Nachrichten über die Große der Niederlage des Feindes am 18. Ja- nuar, die in Einzelheiten durch zuverlässige Kund schafter, die heute von Azizian und Suani ben AditU znrückgekehrt sind, ergänzt werdest." Ti^se bk- richten, am 18. Januar hätten bei Gargaresch un gefähr löst Araber Wache gehalten, die die ihnen zunächststehenden feindlichen Trupps von dem Vor- marsch der Italiener benachrichtigt und die mit außergewöhnlicher Schnelligkeit erfolgende Konzen- trierung der Ttreitkräsre von A ngile und Suani ben Aden, mehr als 1500 Mann zu Fuß und zu Pferde, darunter zahlreiche reguläre türkische Trup- pen, veranlaßt hätten. Wie bedeutend die Ver luste des Feindes gewesen sind, läßt sich aus ihren eigenen Angaben schließen; sie erklärten nämlich, mehr als 100 Tote gehabt zu haben, von denen, einschließlich zweier Offiziere, ein Drittel Türken sind. Außerdem gaben sie an, viele Verwundete ge. habt zu haben, von denen einer der italienischen Kundschafter mehr als 80 allein auf der Strecke Zwischen Aziziah und Suani ben Aden gezählt hat» Zahlreich Lckuververwundetc waren dort liegen ge- vliebcn. Tie Feinde waren nicht in der Lage, die Waffen der Gefallenen fortzuschasfen. Tie Waffen wurden dann von den Italienern gesammelt. Tic Nachrichten, die über den Kamps zu deni türkischen Kommandanten nach Aziziah gelangten, waren so alarmierend, daß dec Kommandant sich von Aziziah nach Suani ben Aden begab, um den Rückzug der Truppen zu sichern, die an dem Kampfe teitgenom- men hatten. Aus Tripolis, Ainzara und Tadjura ist nichts Neues zu berichten. Am 19. wurde bei Benghasi neue Tätigkeit im Lager des Feindes bemerkt, aber bis zum 20. ereignete sich nichts Neues. Tie neue Schanze bei Terna ist endgültig ohne Zwischenfälle besetzt worden. Von dieser Sck»anze aus wird der Feind überwacht, der seine schwackjen Posten zurückgezogen hat. Weiter wird gemeldet: Tripolis, 22. Jan. (Meldung der „Agenzia Stesani". Tie Oase Gargaresch ist gestern e nd - gültig von den Italienern besetzt worden. Blockade der ottomanifchen Küste am Roten Meer. Der italienische Minister des Aeußern hat nach einer Depesche aus Rom allen Botschaften und Ge sandtschaften in Rom folgende Erklärung unter breitet: Angesichts Les Kriegszustandes, der zwischen Italien und der Türkei besteht, erklärt die Königliche Regierung in Uebereinstiminung mit den Grundsätzen Les internationalen Rechts, daß vom 22. Januar an die ottomanische Küste am Roten Meer, die sich von Car Ina im Norden von Hodeida bis Ras Gulaisac, d. h. zwischen 15 Grad 11 Min. und 11 Grad 80 Min. nördlicher Breite, er streckt, sich im Zustande der effektiven Blockade befindet, die von den Ceestreitkräften Les Königreichs ausgciibt wird. Der italienisch-französische Zwischenfall. Die „Agenzia Stefani" teilt mit: Die Schiffahrtsgesellschaft, der der Dampfer „Manuba" gehört, läßt durch die Zeitungen ver öffentlichen, daß die 29 Türken, die sich an Bord des Dampfers „M anuba" befanden und in Cagliari ausgeschifft wurden, Aerzte und , Kranken pfleger des Roten Halbmondes seien. Demgegen über hat sich ergeben, erstens, daß die Türken versucht haben, Marseille heimlich zu verlaßen und eine Privatjacht zu mieten, um an einem unbeobachteten Punkt der öden tunesischen oder tripolitanisck>en Küste zu landen. Sie konnten diesen Plan nicht ausführen, weil der Eigentümer der Jacht, als er ihre Quali tät als aktive Offiziere erfuhr sich weigerte, das Fahrzeug zu vermieten. Zweitens ist ermittelt, daß die Türken weder in Marseille noch anderswo chirur gisches Material gekauft haben. Man fand bei ihnen nur zwei Etuis mit chirurgischen Instrumenten von wenig medizinischem Aussehen und kein Ver bandszeug, was ernstlich daran zweifeln läßt, daß ihre Mission darin bestand, an Len Orten medi- zinischen Beistand zu leisten, an denen sich viele Kranke, aber vollkommen unzureichendes Verbands zeug befindet. Drittens ist festgestellt, daß der Zweifel an ihrer Eigenschaft als Aerzte noch mehr gerechtfertigt ist Lurch den Umstand, daß sich einige von ihnen als Rechnungsbeamte ausgaben »nd beträchtliche Summen sowie einen Scheck Uber 1 100 000 Franken befaßen. — Um aber genau fest- zuitellcn, welche Eigenschaft die gefangenen Türken besitzen, ist von Personen, die auf medizinischem Ge biete maßgebend sind» eine Untersuchung er- össnet worden. .. Die Nevolutton in Lhins. » ' Der Korrespondent des „New York Herald" meldet aus Peking, daß die Situation in China von Stunde zu Stunde bedrohlicher wird. Die Führer der Revolutionäre in Nanking haben ein Ulti matum an Puanschikai gerichtet, in dem sie ihm untersagen, eine provisorische Regierung einzu richten, falls die Dynastie abdanken würde, weil mit diesem Augenblicke unbedingt im Norden Chinas völlige Anarchie herrschen würde. Außerdem glaubt der „New Pork Herald", daß die Inter vention des Auslandes unmittelbar bevor- stehe. In allen auswärtigen Remtern der euro päischen Großmächte haben bereits Beratungen hier über stattgcfunden, da die augenblicklichen Zustände in China als unhaltbar bezeichnet werden. Die Lage in Peking ist nach einer anderen Mel» düng außerordentlich verwickelt und es werden wich tige Ereignisse erwartet. Gegenwärtig betreiben die jüngeren Mandschuprinzen eine aktive Kriegführung gegen die Republikaner. Diese Haltung schließt eine gewiße Bedrohung Puan- schikais ein, dessen Freunde gestern drei Sonder züge bereit hielten, um ihn im Notfälle nach Tient - s i n bringen zu können. Immerhin ist seine Abreise unwahrsct)«inlich. Weiter meldet das Reuterbureau aus Peking: Puan sch ikai ist angesichts des Widerstandes der Revolutionäre gegen «ine provisorische Regie rung in Peking der Ansicht, Laß der beste Weg sein würde, nach der Abdankung des Thrones, die als un vermeidlich gilt, den Sitz der Regierung tem porär in Tientsin zu etablieren. Vor dem Ausbruch der Anarchie. London, 22. Jan. (Tel.) Die „Morning Post" meldet aus Schanghai vom 21. Januar, nach Telegrammen aus Peking befürchte man dort einen Ausbruch von Anarchie. Ein Mandschuprinz als Urheber des Attentate» auf Puanschikai? Peking, 22. Ian. (P.-C.-Tel.) Der Urheber des Attentats auf Puanschikai ist nach den Ermittelungen wahrscheinlich einer von Len Prinzen aus der kaiserlich enFamilie. Ilm nun die Mandfchu- dynastie nicht noch mehr zu kompromittieren, ist Puanschikai der an gezeigten Spur nicht weiter nach gegangen. Die Abdankung der Mandschudynastie. Peking, 22. Ian. (P.-C.-Tel.) In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag fand abermals im kaiserlichen Palast eine Beratung statt. Das kaiser liche Edikt, das die Abdankung der Mandschu- Lynastie und die Errichtung der Republik China ver kündet, ist bereits mit dem Siegel der Kaiserin witwe versehen worden und wird am Dienstag gleichzeitig in allen Teilen des Landes verkündet werden. Die Kaiserin wird den Titel eines Mandschükaisers annehmen und eine jährliche Rente von 7s/s Millionen Mark beziehen. Der Winter palast und der Sommerpalast sowie die verbotene Stadt bleiben unangetastetes Eigentum der kaiser. licheir Familie. Die Gesundheit der Kaiserinwitwe ist infolge der Ereigniße der letzten Tage unter graben. Weiter wird gemeldet: Tientsin, 22. Jan. (P.-C.-Tel.) Di« National- Versammlung wird den neuesten Meldungen zufolge nach Tientsin einberufen werden. Puanschikai wird den Vorsitz übernehmen. Wahrscheinlich wird Puanschikai Oberhaupt der Republik. Die neue Republik soll den Namen Schung Hwakwo (Blumennation der Mitte) erhalten. Die alesjshrjge Tsyunq ües Deutschen Lanümirtlchaltsrstes. Wie wir kören, ist die 40. Plenarsitzuna des Deutschen Landwirtschaftsrats von dcmPräsi- deuten Dr. Graf von Schwerin-Löwitz auf ben 13. bis 16. Februar des Jahres einberufen worden, i Auf der reichhaltigen Tagesordnung stehen unter anderem folgend« Gegenstände: ' 1. Die Ausführungsbestimmungen zum Vieh- seuchenaesetz. insbesondere zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche. 2 Die Aus iibrungsbestimmungen des Gesetzes betreffend den Absatz von Kalisalzen. 3. Die landwirtschaftliche Entwicklung Sibiriens. 4. Die Geld- und Kreditverhällnisse in unseren Kolonien. 5. Der Zusammenschluß der deutschen landwirt- chastliHen Hapftpflichtversicherungsvereine. 6. Dre Bedeutung und Durchführung der gemein nützigen Rechtsauskunft aus dem Lande. politische Nachrichten. Die neuen Heeres- und Flottenvvrlagen. Wie verlautet, werden die neuen Heeres- und Flottenoorlage,» noch im Laufe dieses Mo nats endgültig fertlggestellt werden und sollen dem Reichstage bei seinem Zusammentritt vor- gclegt werden. Der Regierung ist daran gelegen, so» fort festzustellen, ob der neue Reichstag eine Mehr» heit besitzt, auf die die Regierung sich in natio nalen Wehrfragen stützen tann. Ungünstige Nachrichten über den Gesundheitszustand Kaiser Franz Josef». Im Lause Les Sonntags waren in Wien über das Befinden Kaiser Franz Josefs ungünstige Nach richten verbreitet. Diese Nachrichten entbehren, wie der Wiener Korrespondent der „Preß-Centrale" aus zuständiger Quell« erführt, jeder Begründung. Der Gesundheitszustand des alten Monarchen ist ab so» lut normal. Der Kaiser erledigte auch am Sonn tag wie alle anderen Tage sein gewöhnliches Arbcits- Pensum, so Laß affo das Befinden des Kaisers zu keinen Besorgnissen Anlaß gibt. Die Krankheit Les Grasen Aehrenthal. Wien, 22. Ian. (Tel.) Nach Mitteilungen von unterrichteter Stell« unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß der Minister cxs Aeußeren Graf Aehren thal krankheitshalber balo aus dem Amte scheiden wird. Em Termin für seinen Rücktritt kann heute noch nicht angegeben werden. Man weiß jetzt noch nicht «inmal, oo es dem Grasen Aehrenthal möglich sein wird, in Len Ende Februar tagenden Delegationen zu ersclzeinen. Ein Teil per Aerzte ist l<r Ansicht, daß Graf Aehrenthal an Leukämie leidet: die Aerzte haben der Familie Les Grggcn dringend nahegelegt, auf ihn einzuwirken, damit er die Arbeit sobald als möglich aufgebe. Auf keinen Fall er folgt sein Rücktritt aus politischen Gründen, denn Graf Aehrenthal genießt Las vollste Ver trauen des Kaisers, d«r sich erst in ben aller letzten Tagen über den Minister in einer für diese» sehr schmeichelhaften Weise geäußert hat. Unruhen in Bukarest. Bukarest, 22. Januar. (Tel.) Rach Schluß einer öffentlichen Versammlung der oppositionellen Par teien versuch.e eine Anzahl Temon,tränten unter den Rufen „Zum Palais!" den Gendarment» rdon zu durchbrechen, der die Hauptstraße sperrte. Die Gendarmen verhinderten die Ruhestörer an ihrer Ab» sicht, ohne von der Waffe Gebrauch zu machen. Die Manifestanten griffen darauf den Konservativen Klub an, der mit aller Art Wurfgeschossen bombardiert wurde. Alle Fensterscheiben wurden zertrümmert. Als Gendarmen den Theaterplatz räumien, wurden mehrere Revolverschüße vom Hotel Continental und dem Demokratischen Klub auf sie abgegeben. Ein Manifestant, der geschossen hatte, wurde verhaftet. Bei dem Zusammenstoß wurden 20 Personen leicht verletzt. Um 50, Uhr nachmittags war die Ordnung wieder hergestellt. Die Lage in Persien. Täbris, 22. Jan. (Petersb. Tel.-Agentur.) Eine Abteilung Schützen mit zwei Maschinengewehren und ein« halb« Schwadron Kosaken sind nach Maragu ausgerückt. Teheran, 22. Jan. (Reuter.) Trotz der Erregung der Armenier und der Intervention des armenischen Erzbischofs von Ispahan ist gestern in Täbris der vornehme Armenier Andrassian gehenkt worden. Die Verstaatlichung des amerikanischen Telegraphen wesens. Washington, 22. Jan. (Tel.) Dem Repräsen tantenhaus« ist «ine Bill zugegangen, di« den Ankauf der Telegraphenlinien durch die Regierung vorsieht. . . Streikunruhen in Lawrence. New York, 22. Jan. (?.O.-Tel.) In Lawrence befürchtet man infolge des Streiks Ausschreitungen. Die Negierung hat, um hiergegen gewappnet zu sein, drei neue Kompanien Nationalgarde in das Streik gebiet entsandt, so daß sich nun ca. 1000 Soldaten und über 100 Polizisten dort befinden. Viele der Streikenden sind Ausländer, und es heißt, daß die Arbeiter versuchen wollen, die Fabriken in die Luft zu sprengen. Um dies zu verhindern, hat man erne Organisation zum Schutze der einzelnen Gebäude geschaffen, und dem Militär Beiehl gegeben, sofort zu schießen, falls sich in die Nähe der Gebäude verdächtige Personen wagen sollten. Die Streikenden erklärten, falls ihre Forderungen bis morgen nicht bewilligt werden, große Demonstrationen zu ver anstalten. In der Umgebung von Lawrence ist es bereits gestern zu Zusammenstößen Zwischen Streikenden und Polizisten gekommen, wobei zwei Arbeiter getötet worden sind. Vam berliner pretzbsll. Jawohl, Preßball und nickt Prcssedall, wohlgar mit Betonung der zweiten Silbe. Der Wühlklang entscheide; für die ichtigkeit, wofür man freilich auch häufig Gewohnheit sagen kann, fällt mir gerade kein nahc!ie.:endes Analogon ein. Einer der größten Säle Berlins konnte kaum die Ucbcrfülle oercr »assen.diezusammengeslrömt waren,um unter dem Zeichen der Feder zu — tanzen. In einem kleinen Rondel, eingepreßt in die wogende Menge, versuchten Tanzlustige, die's auf jedem Balle geben soll, Len Charakter des Vergnügens zu wahren. Ob auch die gazellczifüßige Karvasina und der kraftvoll elastische Nijinsu, die Sterne oes russischen Balletts, das im Theater des Westens allen Rcformverrenkungcn der Isadora Duncan zum Hohne Triumphe feiert, Lust verspürt baden, sich im Walzertakie^u wiegen, weiß ich nicht. Ich kann nur berichten, daß sie und rhre leichte Schaar unter Führung des Barons und der Baronin von Genzbaurg und des Direktors Tiagilew erschienen waren. Man bewunderte sie auch >o und taxierte Edelsteine von geradezu großfürstlichem Werte. Also der Ball — man hatte geglaubt, in den neuen Festsälen des Zoologischen Gartens mebr Raum für rhn zu gewinnen, als die Philharmonie hergegeben hatte. Man opferie also die alte phil- harmoniiche Gemütlichkeit der kühlen Vornehmheit größter Dimension. Und das Ergebnis: in dem Riesensaale blieb für den Ball auch nicht viel mehr Platz als dazumal. Auf dem Berliner Preßballe hätte ich als Walzertänzer jedenfalls vorteilhafter debütiert als in dem »einen Tanzstundenballsaale, wo ich aus Mangel an Zentrifugalkraft meine arme Dame unterm Kronleuchter sesthielt. Ich habe nickt viel vom Ball gesehen. Doch auch ohne ibn war das bewegte Bild reizvoll genug, das sich dein Auge schon in den vom berauickenden Duft bunter Blumen erfüllten Vorräumen und dann im Saale lelbst bot. In solchen Fällen hat der Impressionismus recht. Das Auge eines Degas und die Palette Monets mußte man haben, um den Licht- und Farbenzauber des entsckeidenden, ersten Eindrucks festzuhalten. In greller Lichtflut wogen die bunten Farben von Teppiche -, die über die Logenbrüsrungen herab hängen, Kostümen, deren Buntheit sich in Anklängen an die Merveilleuscn und da» festliche Empire sammelt, und Uniformen, gehoben durch die Vor nehmheit de» schwarzen Frack» und der wetßen Weste, blitzen an turbanartig verschlungenen Seiden, tüchern oder in vollem Haar die Brillontagraffen der Neiherstutze und Oroenssierne auf verdienst vollen Männerdrüsten auf. Eine bestimmte Bewegung kommt jetzt in die wogende Masse Sie teilt sich und staut sich, und eine Gasse wird frei. Und durch den Hohlweg schreitet an der Spitze seines Ministerreigens Reichs kanzler von Bethmänn Hollweg. — Frei von Stich wahlwollen ist die Stirn, die über die Reihen hinaus ragt. Aber flüchtig raucht bei seinem Erscheinen doch aus den Festeswogen die böse Politik aus und er innert an den ernsten Kampf draußen irn Reiche. Rach dem Zentrum des Saals natürlich steuert der Reichskanzler und zieht sie alle nach sich, den Marine staatssekretär von Tirpitz mit seinem Gefolge von Otfi ocren, den Finanzminister Len.tze, der noch genau so aussiebt wie damals, als er noch nicht Exzellenz Lentze sondern nur Oberbürgermeister von Magde burg war, den Minister des Innern von Dallwitz, den Effenbabnnnnmer von Breitenbach, der sick zu freuen scheint über die schnell geschaffene Bahn, und als neuen Mann ben Stacnssekretär des Reichs- kolonialantts Dr. Sols. Reichskanzler von Bethmann Hollweg taucht schließlich in der Mntelloge auf, wo er mit dem Chefredakteur eines rechtsstehenden Blattes sich eifria unterhält. Die Wogen schließen sich wieder und in buntem Gedränge lassen sich ele gante Damen und berühmte Männer auf dem „neuen Schauplätze" <> p r irat sehen, den der alte Albert Träger im Musenalmanache des Preßballs mit zoo logisch angehauchtem Humor folgendermaßen besingt: Stolz schreiten zahme Löwen auf und nieder, Der Prennerentiger faucht vor Lust. Und manches Adlers schimmerndes Gefieder Schmückt lohnend die getreue Mannesdrust; Wo Luck und Frohsinn alle Schritte lenken, Strebt keiner zu den Tieren mehr hinaus. Verwegene Spötter frevelnd nur gedenken Mit stiller Sehnsucht an cas Affenhaus. Mancher kann noch so alt werden, er dreht sich den Schnurrbart noch immer und dichtet weiter. Doch nun will ich vom Großen ins Kleine gehn und mit den Blick auf Einzelheiten die Größen aus der Menge heraus uchen. Die Leuchren der Wissenschaft sagen heute sicher nicht immer die Wahrheit. Der Archäologe Prof. Dörpfelb huldigt nicht dem Altertum und lagt sich: die lvdoüu«, die ralti»! D. h., daß er getanzt hat, kann ich nicht beschwören, nur glaube ich, daß er einmal gern die steinerne Schönheit der Vergangenheit hin- gegeden hat für den Anblick lebendiger Weiblichkeit in nicht ganz bis zum Halse reichenden Festgewande. Daß der Rektor der Universität Geheimrat Lenz sich nicht ausschließlich mit dein Rektor der technischen Hochschule unterhält, braucht zu keinen Rivalen gerüchten Anlaß zu geben; hier haben sie besseres zu tun. Die Jnternationalität der Wissenschaft betont Dr. Hatas gelbes Gesicht. Voll den berühmten Musikern «cheint Arthur Nilisch philharmonischen Erinnerungen nachzuhangen. Ioief Schlar aber mag mit dem Generalintendanten Grafen von Hülsen- Häieler und Joseph Lauff, der als Ballvater seiner beiden Töchter erschienen ist, nebenbei auch des Festspiels zur Feier des 200. Geburts tages Friedrichs »I. im Königlichen Opernhause gedenken. Leo Fall genießt die andern nicht be- nyiedene Eenuuuung, eigenen Weisen lauschen zu können. Dorr der zayme Löwe, dessen scharf geschnit tenes, rassiges Profil hoch aus der Menge emporragt, ist der Polizeipräsident v. Jagow, der Gelegenbeit genug hat, sich bet Schauspielerinnen über lünstlerische Fragen zu informieren, ohne mißverstanden zu werden. Die Welt der Kulissen ist ja nicht immer gul auf die Presse zu sprechen, weil sie nicht immer nut von ihr sprechen kann. Zum Preßball aber stellen sich alle mit dem liebenswürdigsten Lächeln ein und run wohl. Eine Phalanx von Hoftheaterintendanten alänzt im Schmucke schöner Orden. Was man über haupt an Orden zu sehen krieat! Man »ollte es nicht für möglich halten, da» so viel Verdienst zu krönen wäre. Die moderne Menschheit muß sich doch durch ein defonderes Maß hervorragender Eigenschaften auszeicknen. Bei Träcrern von Namen wie Sommerstorff. Gemma Bellincioni, V.fflma von Mayburg, Marie Barkany, Guido Thielfcher, Frida Hempel, Mad. Salvatini, Waldemar Staegemann, Kurt Frederich wird das niemand in Abrede stellen. Sie alle waren erschienen und noch viel mehr. Und dort der graue Wuschelkopf! Sollte ich den Löwen zu dieser Mähne nicht kennen? Richtig Rudolph Herzog, der aus Amerika mit reicher Beute Heimgekehrte. Meine Begleiterin in blau flüstert mir zu: „Er hat wieder 'was unter der Feder. Er schreibt jetzt . den" Roman." — „Na endlich." Paul Lindau, den Klemmer auf der »ein geschwungenen Nase, schmunzelt dort einein reizenden Mädel nach. Ach ja, man wird alt. Aber schließlich. Rudolf Presder möchte meine Schöne fragen, wa» die Uhr geschlagen habe. Warum? Er hat die Uhrmacher weisheit zum „Musenalmanach" beigetragen: Der Weise wohl zerlegt die Uhr Erklärend mit Behagen: Doch gehn läßt sie der Künstler nur Und nur der Meister schlagen. Ich lasse meiner Dame aber nicht Zeit, festzu stellen, ob Presbers Uhr stehen geblieben sei. Wir lassen noch Anna Ritter, Olga Wohlbruck, Viktor Blüthgen. Prof. Manzel, Pros. Hans Bohrdt, Prof. Max Rabes, Prof. Börmer, Pros. Schuster-Woldan und andere Berühmtheiten vorbeiziehen, opfern unfern Wohltätiaksitsbeitrag an der dichtbedrängten Tombola und ruhen dann wieder aus. um beim Sekte im Musenalmanach des Fürsten v. Bülow bedeutungs vollen Satz zu lesen: Wenn der Verstand allein herrscht, ist er oft ebenso kurzsichtig wie das Gefühl. Ich sah mich nach dem Reichskanzler um, ob er noch oa sei. Sein Platz ist leer. Noch ein feines Aneinanderklirren der Gläser, in denen Lhamoaaner prickelt, ein Druck der Hände, und: „Gute Nacht!" ich sagte besser: „Guten Morgen!" Draußen auf der Straße, voin Winterwind an die Bortschwellen und Häuser gedrückt, liegen Zettel. Extrablätter. Richtig, die Stichwahlen! bm. Lawinen. Jetzt, mit eintretendem Tauwetter, ist die Zeit, wo dre „schlcnende Löwin" erwacht und bei ihrem Sturze zu Tal Tiere, Menschen, Wälder und ganze Dörfer vernichtet und vergräbt. Noch vor hundert Jahren fanden sich über das Zustandekommen von Lawinen recht merkwürdige Anschauungen. Ein Mann wie Johann Peter Hebel konnte im Jahre 1808 in »einem Voltskalender noch die folgende Be schreibung der Lawine geben: „Wenn in sehr hohen und gähen Schneegebirgen durch den Wind, oder durch einen Vogel oder auch nur durch den Schall eine kleine Hand voll Schnee los wird und anfängt den Berg heradzurollen, so wird der Ball natürlicherweise immer größer, aber dis er in ein Tal heradkommt, wird er endlich so groß, daß er Wagen, Pferd und Mann auf der Straße erdrücken und bedecken, ja ganze Häusee zerschmettern kann und viele 100 Zentner Schnee schießen von ode„ herab nach. Einen solchen Schneeschuh heißt ma^
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