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Bezugs-Preis Nr r«ip,ta -nd »»r«U« durch «ul«» Träger und Sxrdttrur« r»»l ttnlich in» Hau» aebrochr:« V- »»natt, L7V Mk. vicrietzährl. Bet untern Ättlnlea n. Än- »ahmestellen abaeh»U: 7» PI. monatl- »LÄk. »lertellährl. »urch die V»»: innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien uierteljahrl. 3M Ml., monatl. IM »k. auischl. Postdeftellaeld. gern« tn Belgien, Dänemark, den Donaustaaten. Italien, kurembura. dttederland«, R»r» »egen, Oesterreich «Ungarn, Rußland, Echwedrn, Cchweii u. Cpanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Erjchästsstell« b», Blatte» erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt erscheint 2 mal täglich, Sonn» u. Feiertags nur «argen». Ldonnement»«Annahme: I,h„ni»,asl» 8, der unseren Trägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briesträgern El»rel»erkauf»pr«t» 1ü Pl- Nr. 172. Abend-Ausgabe riWgcrTagMM los. Irrllrgsng Mlttmach, üen 3. April l912 (14 892 INachtanjchlich» <stl.-Anfchl. l 14 693 l 14 894 <ltl..^,chtl!r^ Handelszeituug Ämtsvlatt -es Nates «nd des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig Anzeigen Preis für Snserat« au, Leipzig und Umgebung di« lspaltig«Petit,eil« 25Pj dieKetlame« zeil« l MI.' von ouswarr» ZV Ps, Aeklamen IM Mk. Inserat« von Behörden amt lichen Teil die Petitzeile Sv P, <h«schäft»anzeigen mit Platzoorschriste» im Preis« erhöht. Nabatt nachlaris. Bella,egebühr Gesamt, »uslag« 5 Mi. v. aausend «rkl. Postgebühr. TetldeUage höher. Fesierteilie Austräa« können nt»t zurück, gezogen werde». Für da. Erscheinen an bestimmten Tagen und Plasten wird kein« <»«r«ntie übernimmeii. Nnzeige». Linadme: 2»h»nn>,,«sse P bei sämtlichen Ftlialen u. allen Annoncen» E,»«»iti»nen de» In» und Äuslande». Lnick und Berlag ,,, Fischer L Kürste» Inhaber Panl Niirfte». Nebaktion und cheschäst»st«ll«: Iohonnisgass« 8. Hauvt < Filiale Dr«»de«: Sec'trnve i. l (Telephon 4621 >- Die vorliegende Attvgade umfaßt 10 Leiten. vss Wichtigste. * Nach einer offiziösen Meldung sollen die Grundlagen für eine Verständigung zwi schen Frankreich und Spanien gefunden worden sein. (S. Ausl.) * Die Grundzüge des französischen Pro tektor atsverlrages mit dem Sultan von Marokko werden bekanntgegcben. (S. Ausl.) * Die Nationalversammlung in Nan king hat nach erbitterter Debatte mit 20 gegen 6 Stimmen beschlossen, den Sitz der provi sorischen Regierung nach Peking zu verlegen. SMstsnüiger Mrttelltsnü unü lkichMcher Gememüelteuer-Gelrtz- emmurf. Die „Mitteilungen der Mittelstands-Vereinigung im Königreich Sackisen an die Presse" schreiben: Zu dem sächsischen Gemeindesteuer-Gesetzentwürfe bat die Konferenz der sächsisckxm Gcwerbckanimern eine Eingabe an den sächsischen Landtag gerichtet, in der die Wünsche des selbständigen Mittelstand- Sachsens in gewissenhafter und gutbcgrnndeter Weise zum Ausdruck gebracht worden sind. Bezüglich der Besitzwechselabgabe und Zuwachssteuer spricht sich die Konferenz dafür aus, das, der Steuer- satz höchstens l Prozent betragen soll. Diese Be schränkung ersä?cittt im Interesse von Handel und Gewerbe, die von dieser Steuer am meisten be troffen werden, dringend geboten. Ferner ersucht die Konferenz um Aufnahme einer Bestimmung in den Entwurf, nach der es den Gemeinden in be sonderen Fällen nackMlassen sein soll, aus Billig- keitsrücksichtcn unter die vom Gesetz vorgcscki-riebene Mindestgrenze der Abgabe herabzugehen. Dadurch soll es z. B. einem Gewerbetreibenden, der zur Siche- runa seiner Forderung eine Hypothek auf das Grund stück seines Schuldners eintragen lassen muhte, er» möglicht werden, eventuell datz betreffende HauS in der Zwangsversteigerung zu erstehen. Weiter beantragt die Gewerbekammer-Äonferenz. das steuerfreie Fünftel für Beamte mit einem Einkommen von über 3000 Mark nicht zuzu lassen. Nach ft 32 des Entwurfs können Gemeinden, die leine gewerbliche Umsatzsteuer erheben, beschliessen, dass als Einkommen aus Grossbetrieben des Kleinhandels und aus Kleinhan del ö b e t r i c b c n , vie Z w eiggeschäsrc in der Gemeinde unterhalten, ein bestimmter Prozentsatz des erzielten Fabresnmsatzcs, sedoch nicht über 10 Prozent, dann zu versteuern ist, wenn das wirklich erzielte Einkommen sinter diesem Satz zu- rückblcibt. Bei dieser Vorschrift lnu die Gewerbe- kamttiertonseren« den driuqenvea Wunsch, dass sie obligatorisch werden möchte, oass also d.e Gemeinden zu verpflichten »ind, diese Form der Besteuerung einzusühren. Die sächsischen Gewerbe!.munern Haven zwar seit Jahren wiederholt um Ginsührnng einer Umsatzsteuer, wie sie in ft 59 Abs. 2 des Entwurfs vorgesehen ist, gebeten, sie sehen jetzt aber von der Forderung der obligatorischen Einführung der Umsatzsteuer nach ft 59 des Entwurfs ab, beantragen dasür aber einstimmig eine Verpflichtung der Gemeinden zur Einführung der iü ft 32 des Entwurfs bezeichneten Steuer, die keine Sondcrsteuer, sondern eine normale Ein kommensteuer ist. Die Gewerberaminer Konferenz jvricvr sich ent schieden gegen die Bestimmung des ft 45 aus, wo nach die Gemeinden nur bis 75 Prozent ihres Steuerbedarfes durch Erhebung der Ein kommensteuer decken dürfen, weil die Folge dieser Vorschrift sein würde, dass die Gemeindtu, wenn sie den fortwährend steigenden Ausgaben gerecht werden wollen und die Einnahmen aus den werben den Anlagen nicht erhöhen rönnen, zu anderen Steuerguellen greisen müssen, unter Umständen auch zur Gewerbesteuer. Gegen die Einführung einer solchen erhebt die Gewerbekammer Konferenz grundsätzlichen Widerspruch. Bäi K 47, der von der Grundsteuer handelt, ersucht die Gewerbekammer-Konferenz auzufügen: „Jedoch darf eine unverhältnismäßige Belastung des Grundbesitzes nicht stattfinden." Den ft 45, nach dem von den: durch andere Steuern als die Einkommen steirer zu deckenden Bedarf mindestens ein Drittel im Wege der Grundsteuer aufzubringen ist, und Gemeinden, die keine Einkommensteuer erheben, mindestens 30 Prozent des Gesamt steuerbedarfs durch die Grundsteuer zu decken lsabcn, ersucht die Gcwerbekamnier-Konferenz zustreich en. Fm Anschluss hieran empfiehlt die (iKwerdclämmcr- tonserenz weiter die Ausnahme der folgenden Be- stimmung: „Der Betrag der Gemeiudcgrundsteuer ist bei der Veranlagung zur Gemeindeeinkommen steuer von dem ermittelten Gesamteinkommen zu kürzen.' Zu oer im ft .'>9 rorzejehenen Umsatzsteuer beainragt die Gtwerbefammcr.Kouferenz, dem Ab satz 2 folgend? Fassung zu geben: „Umsatzsteuern von Grossbetrieben un Kleinhandel und von Klein- handelsbetricbeu, die ein oder mehrere Zweiggesässifte unterhalten, tonnen einge'übrt werden. steuern dieser Art dürfen 2 Prozent des Jahresumsatzes nicc.r überüe'gen." — Ferner lackt die Konferenz em? Vorichrifl über die Verwendung des Ertrags de? Umsatzsteuer nicl t für wünschenswert. Ein Grund, dass eine Reihe vvn Gemeinden die Umsatzsteuer wiener aufgehoben hat, ist offenbar Nlit, datz dir Einnaänien aus dieser steuer dem Kleingewerbe zugute lammen musste». Die sächsischen Gewerbekammern verdienen für diese energisch? Waarung der Mittelstands-Inter essen den Tank des gesamten selbständigen Mittel standes: um so mehr, als sie die berechtigten For derungen oller Gruppen mit gleicher Sorgfalt ver« treten haben. Damit nun die Wirkung des Gut» l achtens der G.'werbetammcr Kvnscr>.u) nicht beein- I trächtigk wird, empfiehlt es fick, dan die Mittel stands-Vereinigung im Königreich Lachsen sich ohne Einschrälüuna dem Vorgehen der Gewervetnmmern ansä liesst. Nur möchten wir nvco einem Wunsche des Verbandes sächsischer Kaufleute Ausdruck verleihen, der sich gegen die geplante Er hebung von Betriebssteuern von Schank und Gast wirtschaften sowie von Klein Handelsstätten mit Branntwein und Spiritus anssprickst, weil durch die allgemeine Bewegung gegen den Alkohol Äast- und Schankwirtschasten in ihren Erträgnissen ganz erheblich beeinträchtigt worden find, und weil durch die Verbrauchsabgaben der Umsatz von Spirirus bei den kleinen Perlaufsstätten nm zirka 35 Prozent zurückgegangen ist, so dass bei einem grossen Teile der Betriebe per Handel kaum noch, als lohnend angesehen werden kann. Der Verysrdeiterltteik. Die letzten Ziffern über die Abstiwmnn, der englischen Bergleute lauten: 156 247 gegen und 141 540 für die Wiederaufnahme der Arbeit. Nach den Zeitungen ist es zweifelhaft, ob eine einfache oder eine Zweidrittel' Mehrheit erforderlich ist, um über di« Fortsetzung des Streiks zu entscheiden. Der Generalsekretär des Bergarveitcrvcrbairdes Mr. Ashton erklärte eine Zweldrittelnrehrlreit für notwendig. Der Vorsitzende des Verbandes der Bergarbeiter Mr. Enoch Edwards meinte, die Entscheidung der Frage lieg« allein bei dem ausführendcn Ausschuss und er glaube, dieser würde am Donnerstag die Wiederauf nahme der Arbeit empfehlen, auch wenn eine Mehr heit dagegen vorliege. Folgen des euglischen Srreits. Ans London wird gemeldet: Zu schweren Streikausschreltuirgeii ist es gestern in Durham ge'.ommen. Hunderte von Arbeitern drangen in Bäckerladen ein, wo sie Brot ver langten. Als sie dieses nicht sofort erhielten, plünderten sie die Laven. An« Abend gelang cs, die Arbeiter zu zerstreuen. Auch in Houghton Spring wurden eine Anzahl von Läden durch die Streikenden ausgeraubt. Bei dem Versuch Ser Polizei, die Ord nung wiederherrustcUen, wurden einige Personen schwer verletzt. Mehrere Verhaftungen wurden vor genommen. In Wales ist es gleichfalls zu Zusammenstössen zwischen Streikenden und Arbeitswilligen gekommen. Als gestern eine Arbeiterkolonne in ein Bergwerk hinabsteigcn wollte, wurden sie von Streikenden mir Schimpfrusen empfangen. Infolgedessen kam es zu einem Handgemenge, bei dem auf beiden Seiten mehrere Arbeiter schwer verletzt wurden. Die Not unter der Bevölkerung wächst von Tag zu Tag. * Di« Streikbewegung in den Bereinigten Staaten. Aus New Pork wird gemeldet: Die Angestellten der New Parker Untergrundbahn haben der Direktion der Gesellschaft gestern ein Ultimatum iilcerrrrittelt, in dem sie erklären, dass sie. falls die von ihnen verlangten Lohnerhöhungen nickt bewilligt werden, morgen in den Streik treten würden. Auch oie Heizer der West e r n Railway - Ge sellschaft verlangen ebenso wie diefenigen der Castern Railway - Gesellschaft eine Lohn- Msrie-Msgüalen. 2s Seenovelle von Graf Hans Bernstorff. (Nachdruck verboten.) „'.'liier ding?, gnädige Frau!" entgegnete Karl Fels sehr erstaunt. „Das war vor — vor sieben oder acht Jahren, und der Name Heydebringk ist mir noch in sehr angenehmer Erinnerung, aber —" „Ich bin Frau Heydebringk," wurde er unter- drochen, „und dies hier ist meine Tochter Marie- Magdalen!" „Ah, gnädige Frau, gnädiges Fräulein, das ist mir sehr angenehm, Sic kennen zu lernen!" rief Kapitünleutnant Fels erfreut. „Im Hause Ihres Mannes habe ick damals äußerst ver gnügte und nette Stunden verlebt! Es war eine ganz reizende Zeit auf — auf — wie heißt dock gleich Ihre Besitzung?" „Magdalens-Hof!" warf Frau Heydebringk lächelnd ein. „Natürlich, Magdalens-Hof!" rief Fels. „Wie dumm, daß mir das bei Ihrem Namen nicht gleich ciufiel, gnädiges Fräulein! Uber Sic beide waren damals verreist, und ich hatte nicht das Vergnügen, Sie kennen zu lernen !" „Nein, wir waren zu jener Zeit in Deutsch land bei meinen Verwandten, von tvv wir auch jetzt kommen!" versetzte Frssu Heydebringk. „Mein Mann hat uns damals sehr viel von den liebenswürdigen deutschen Seeoffizieren und be sonders von Ihnen erzählt, Herr Fels! Ihre Photographie, die Sie ihm geschenkt haben, steht noch immer auf seinem Schreibtisch —" „Zu viel Ehre!" meinte Fels bescheiden. „Und mein Mann sagt noch oft: „Das war ein wirklich feiner, netter Mensch, den ich gern mal wieder hier haben möchte!" „Mer, gnädige Frau, Sie beschämen mich!" wehrte der so Gelobte ab, doch Frau Heyde bringk ließ sich nicht aufhalten, sondern fuhr fort: „Vor allen Dingen haben Sie meinem Mann, der ein großer Sportliebhaber war, sehr durch Ihre Nett- und Schießkunst und durch Ihre große Körperstärke imponiert. „Das ist ein junger Niese!" sagte er oft, und als ich heute bei der Ausreise in Bremerhaven von einem der Herren hörte, daß er Sie so anredete, wurde ich aufmerksam und dachte gleich, ob das wohl derselbe ist! Ihr Gesicht war mir schon bekannt vorgekommen. aber nach der Photographie hätte ich Sie doch nicht ohne weiteres erkannt. Damals trugen Sie noch nicht solch stattlichen Bart, sahen auch nicht so ernst aus!" „Nun, daS ist kein Wunder, gnädige Frau!" lachte Karl Fels. „Damals war ich ein junger Leutnant, den die Sorgen und Mühsale de? Dienstes noch nicht arg drückten, der im Gegenteil die Welt als großes DeranügungSlokal betrach tete und in Magdalens-Hof eine der vergnüg testen Stationen fand! Mer ich muß für meine Vergeßlichkeit und Kurzsichtigkeit um Entschul digung bitten, daß ich Sie beide nicht wieder erkannt habe, denn Ihre Bilder habe ich oft genug gesehen, und setzt ist eS mir ein Rätsel, daß ich Sie vor allen Dingen nicht erkannte, denn Sie sind völlig unverändert! Ihr Fräulein Tochter freilich —" „O, das glaube ich Wohl!" mischte sich nun auch die jüngere Dame ins Gespräch. „Pa be hauptete damals immer, mein Bild und das von einer Bohnenstange wären gar nicht von einander zu unterscheiden!" „Mer nein! Den Ausdruck habe ich wahr haftig nie von ihm gehört!" protestierte Karl Fels lebhaft, und als er die schlanke, kräftige Gestalt des jungen Mädchens mit einem rasch prüfenden Blick überflog, dachte er bei sich: „Jedenfalls hat sich die Stange dann famos entwickelt." Marie-Maadalen aber ries lacvenv: „Doch! doch! Das wollen Sie jetzt nur nicht eingeftehcn. Papa hatte allerhand solche schönen Bezeichnung gen für mich, doch mit Vorliebe sagte er Staken oder Stange zu mir! Nur wenn ich in irgend einem Eukalyptus saß, rief er: „Affe, komm herunter!" " „Mer, Marie-Maadalen!" schalt die Mutter. „Wenn das ein Fremder hört!" „Wir sind ja allein!" entgegnete Marte- Magdalen jedoch gleichmütig. „Und außerdem, was schadct's! Jetzt heiße ich ja nicht mehr so. — Leider!" setzte sie mit einem kleinen Seufzer hinzu. „Wieso leider?" fragte Fels belustigt, dem die heitere, ungezwungene Art des jungen Mäd chens ausnehmend gefiel. „Weil ich nicht mehr in die Bäume klettern darf," versetzte Märie-Magdalen und zog die Mundwinkel ein ganz wenig nach unten. „Mer reiten darf ich," fuhr sie lebhaft fort. „Reiten, so viel und so oft ich will. Das ist daS schönste Vergnügen, das ich kenne. Ich könnte den ganzen Tag aus dem Pferd sitzen, und je wilder eS ist, um so lieber reite ich. Ich reite alle jungen Pferde von Papa. Manchmal heimlich, wenn er'S noch gar nicht erlauben will, und das ist dann das allerschönste, solch junges feuriges Tier zu bändigen, das seinen Kopf nicht beugen will und nickt so gehen, wie es soll. Ach!" Bei den letzten Worten reckte sie ihre Gestalt und streckte die Arme vor, als ob sie die Zügel in der Hand hätte. „Sie reiten do'ch auch?" waudte sie sich dann an Fels, der sie mit immer größerem Vergnügen betrachtete. „Gewiß?" antlvortetc der Gefragte. „Dann reiten wir zusammen aus, wenn Sie zu uns kommen," jubelte Marie-Magdalen. „Jeden Tag! und Sie müssen recht lang« bleiben!" „Mer Marie-Magdalen! Die kannst du nur!" verwies sie die Mutter. „Dir wissen doch gar nicht, ob der Herr Kapitänleutnant nach Australien kommt, und ob er dann noch Lust Hot, uns zu besuchen!" „DaS ist doch selbstverständlich, gnädige Frau!" beeilte sich Karl Fels zu versichern. „Ich bin als erster Offizier aus den „Pinguin" kom mandiert und werde Sie mit dem größten Ver gnügen besuchen, wenn wir nach Sydney kommen." „Das ist herrlich!" jubelte Märie-Magdalen und streckte ihm beide Hände entgegen. „Dann habe ich doch wieder einen Kavalier als Be gleitung. Papa reitet nämlich nicht mehr viel, weil er nie Zeit hat, wie er sagt, aber ich glaube, mein lieber Pa ist ciu bißchen zu bequem ge worden und fährt lieber. Und Mama —" „Kann es mit dir nickt aufnehmen," fiel Frau Heydebringk ein. „Für das Jagen über Stock und Stein bin ich zu alt —" „Sie scherzen, gnädige Frau," unterbrach sie Fels. „Offen gestanden, ich Ivar anfangs im Zweifel, ob ich nicht die ältere und jüngere Schwester in Ihnen beiden zu suchen hätte." „Schmeichler," drohte Frau Heydcbrink mit dem Finger. „Nein, wirklich," sprach sie weiter. „Meine Tochter treibt es ein bißchen zu arg. Aber es ist schließlich daS einzige Vergnügen, was sie hat, und da lassen wir es ihr. Sie ist ja von Kindheit an sozusagen unter Pferden aus gewachsen und bändigt jedes Tier. Bis jetzt ist es ja auch noch immer glücklich abgelaufen." „Also reiten wir zusammen," rief Karl Fels, dem jungen Mädchen die Hand bietend, in die eS kräftig einschlug. „Und je toller, je besser." „Maemacyt," lachte Märie-Magdalen. „Und recht bald!" „Sobald wir da find," entgegnete Fels. „Wie gedenken Sie zu reisen, gnädige Frau?" ES stellte sich heraus, daß alle drei dieselbe Route vor sich hatten und auch mit demselben Zuge von New Hör? nach San Franzisko reisen wollten, um dort den gleichen Dampfer zu be nutzen. Die kleine Gesellschaft saß dann noch lange vlandernd zusammen, und als Kart Fels endlich m seine Kabine kam, war er mit dem Verlaufe des Tages und besonders der Abends sehr zu frieden. Solche angenehme Reisebekanntschaft hatte er sich wahrlich nicht träumen lassen. Wie er noch darüber nachdachte, lachte er plötzlich laut auf! Ihm war der Zuruf seine? Kameraden Hilaner eingefallen: „Verlobe dich nur nicht, sondern komme heil wieder!" Na, so weit »var'S denn doch noch nicht, wenn er auch gar nicht leugnen konnte oder wollte, dass Marie-Magdalen ihm in ihrer frischen, natürlichen Lebendigkeit sehr gut ge fiel. Vorläufig war er nicht mal verliebt in sie, und das musste seiner Ueberzeugung nach doch unbedingt zuerst kommen. Am nächsten Ddorgen war er nack alter Ge wohnheit schon früh auf Deck und erfreute sich wieder an dem kristallklaren Wasser der Nord er, deren hellgrüne, weißkSpfige Wogen ein charfer Ost hinter dem eilenden Dampfer her- agte. Zahlreiche Fischerboote, Segelschiffe und Dampfer belebten die Oberfläche, von denen die meisten grüßend die Flagge dippten, als der Koloß „Kaiser Wilhelm II." an ihnen vorüber schnob. Mit Behagen sog Karl Fel? die frische See- lukt ein und liess seine Blicke rundum über die schimmernde, strahlende Lee gleiten, da hörte er sich von einer fröhlichen Stimme angerufen: „Güten Morgen, Herr Kapitänleutnant!" „Guten Morgen, gnädiges Fräulein!" er- widerte Kapitänleutnant Fels, sich rasch um wendend, und streckte Marie-Magdalen die Hand entgegen: „Schon ausgeschlafen?" „Ich stehe immer sehr früh aus," entgegnete das junge Mädchen. „Ich finde, der Tag ist morgens am schönsten, und die Pferde sind am muntersten. Auch die Menschen gefallen mir am Morgen besser als am Abend, wenn sie von der Arbeit und den Anstrengungen de? Tages müde und abgespannt find. Ick habe immer daS Ge fühl, jeder Mensm muss morgen? mit irgendeiner unbestimmten Hoffnung erwachen aus etwa?, was ihm der Tag Gutes bringen wird. Es trifft ia gewiß nicht immer ein, aber die Hoffnung ist doch da, und deshalb sehen alle in der Frühe vergnügter aus, wäbrend sie am Abend ein brummiges Gesicht ziehen, weil eS wieder nickt» war." Erstaunt blickte Karl Fels die Sprecherin an. Solche Gedanken hatte er hinter drr klaren weißen Stirn eigentlich nicht vermutet. „ES wäre gewiß sehr schön und das Leben viel erträglicher, wenn Sie mit Ihrer Annahme reckt hätten," erwiderte er dann nachdenklich. „Aber glauben Sie wirklich, daß bei den Tausen den und Millionen von Arbeitern, deren Tage werk tagaus, tagein in ganz bestimmte Grenzen eingeschossen ist und in einer schon an und für sich ermüdenden Gleichförmigkeit verläuft und verlaufen mutz, solche unausgesprochene oder sagen wir lieber instinktive Hosfnungkfreudig- keit noch Platz hat?" „Ganz gewitz ist sie da!" rief Marie-Mag dalen. „Nur die Menschen wissen eS nicht!" „Wie soll daS aber möglich sein?" fuhr Fels fort. ^Nehmen wir z. B. einen Dteinträger, einen Maurer, einen Kohlentrimmer oder sonst einen Arbeiter, der im täglichen Akkord für ganz genau festgesetzten Preis sein Stück Tagewerk zu verrichten bat. »vorauf soll der hoffen? Viel leicht darauf, daß sein Arbeitgeber in einer plötz lichen Anwandlung von Grossmut ihm den Lohn erböht? Oder dass er besser bezahlte Arbeit findet? Oder daß ihm der Briefträger die Nach richt von der Erbschaft eines reichen'Onkels au? Amerika bringt?" „Sie brauchen mich gar nicht zu verspotten!" rief Marie-Magdalen schmollend und klemmte die Untcrlipve zwischen die lveitzen Zähne. „Ick meine ja nicht, daß e? sich bei der Hoffnung nur um Geld oder GeldeSwert handelt, sondern es kann ebensogut irgendeine innere Freude sein, die dem Betreffenden zuteil wird. Ick kann das mit Worten nicht so genau ausdrücken, wie ich e? mir vorstelle, aber oa ist e», das glaube, nein, da» weiß »Ich ganz gewitz." - » ^- (Fortsetzung in Mvqjtztzausaaöe.l