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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.02.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191202046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19120204
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19120204
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
- Img 34 u. 36 Seiten vertauscht
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-04
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Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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Sette 2. Nr. 63. l06. Jahrgang. vielleicht eher fretgegeben werben, al» noch vor kur zem schien. An der portugiesischen R«pu- blik bewährt sich der alte Ersahrungysatz, -ah selbst da» unzulänglichste Königtum noch einen besseren schütz gegen Zuchtlosigkeiten des Pöbels bietet, als ein ungefesteter Freistaat, auf» neu«. In Lissabon und zahlreichen anderen Städten tobt der Gene ralausstand mit allen seinen Schrecken zum zweiten Male in den noch nicht l'/z Jahren der Republik! Es wäre nicht gerecht, den Machthabern Energielosigkeit in der Bekämpfung vorzuwerfen. Möglich, daß er dem kräftigen Einschreiten des Generals Caroalha gelingt, der Bewegung Herr zu werden, die in der Prooinzhauptstadt Evora schon sich erkühnt hatte, den Gouverneur auf einem impro- visierten Schaffotte zu enthaupten! Aber wie diese Tat, so schmecken auch die Massenverhaftungen in Lissabon, nicht bloß von anarchistischen oder soziali stischen Arbeitern, sondern selbst von Personen mit unverdächtig aristokratischem Namen, nach französi schen Wohliahrtsausschuß Erinnerungen und russi schen Gepflogenheiten. Die Hauptfrage aber bleibt, ob die repu blikanische Regierung Zeit behalten wird >um Riederwerfen des Aufstandes mit eigenen Machtmitteln. Auf bas noch nicht bestätigte Gerächt, sah die r e p u d l i la n t i che Garde gemein sameSache mit den Ausständigen und Aufrührern mache, hat Spaniens Ministerpräsident ein Einschreiten seines Landes im Falle der Be stätigung in Aussicht gestellt. Man kann es ia der «panischen Dynastie nachfühlcu, -aß ihr unbcyagtick» geworden ist durch die Errichtung einer Republik auch an der zweiten Lcmdesgrenze. Und de: ocmotrar sch gesinnte Herr Eanalejas Hai alle Ursache, seine wache Fürsorge für die seiner Obhut anvertraute Monarchie recht dick zu unterstreichen. Auch von einer Teilnahme Englands an einem Esir'chr.Ncn in Porlnzal verlautet schon. Bei der Okiober-Neooiution schien Englands Interesse an« Hause Koburg etwas einae- schlummcrt zu sein. Nunmehr mögen die drei ge niester intensiver englischer Erziehung, die der Ent thronte seitdem g«irc>sen bat, ibn zu grünerem Wohl- wollcn berechtigen. Auch nach Toni Miguels Les Aelteren Staatsstreiche hatte man ein pa<tt Iahr^ di« Entwicklung aögewarret, bis die Brasilianer ver sprachen, nicht mehr gegen den englischen Stachel zu löken. Ein Aufbegehren gegen Englands kaum oer- hülltes Prolettorak über Portugal ist den Portugiesen noch immer übel bekommen, seit vor Mi Jahren der Methuen-Lertrag ihr Land in politisch w'.r.schaill'che F«sseln geschlagen hat. Sollten auch die hartnäckig sich erhaltenden Ge rüchte, dost die portugiesische Kolonial frage in Flusz komm«, mit den aufrührerischen Vorgängen in Lissabon usw. nur mit dem A^chlusie des Familie».Vertrages von Dover in Verbindung flehen? Auch von Entsendung d e u tt ch r. S ch i f f e an die Tejo Mündung war bereits die Rede: und an -er Themse Überschlag! man sich in lange nicht ver nommenen Liebenswürdigkeiten an L'.e deutsche Adresse: wie sie bräuchlich sind, wenn ein gemein schaftliches Geschöftsunternehmen in der Luit liegt. Oer LntAurk ües Stsatssngehörirrkrttsgesetzes. In seiner Sitzung am Sonnabend erteilte der Bundesrat dem Entwurf eines Staatsanae - . hörigkeitsgesctzes, einem Gesetz zur Ab ändcrüna des Reichs Militärgesetzes, sowie einem Gesetz betreffend Aender ungen der Wehrpflicht vom 1l. Februar 1888 seine Zu stimmung. Der Entwurf des neuen Reichs- und Staatsangebörigleitsgesches soll, wie die „Nordd. Alla. Ztg." vernimmt, dein Reichstage alsbald nach seinem Zusammentritt vorgelegt werden. Heber die wesentlichen Grundzüge der Vorlage teilt die „Nordd. Allg. Ztg." u. a. narbitchendcs mit: Der Entwurf soll eine Aenderunq des gegen wärtigen Rechtszustandes namentlich nach zwei Rich tungen hcrbeiführeu: der Verlust der Reichs angehörigkeit soll erschwert, ihr Wiedererwerb erreichter: werden. Dem zufolge beseitig! der Eniwnri in erster Linie den S 21 Absatz 1 des geltenden Gesetzes, wonach ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit durch zehn jährigen ununterbrochenen Aufent- halt im Auslande verliert, falls er sich nicht in die Matrikel eines Konsulats har einschreiben lassen. Das Mittel der Eintragung in die Konsnlatsmatrikel hat im groszen und ganzen versagt, denn teils aus Unkenntnis, teils ans Saumseligkeit hat davon nur telmlnrr Trmrdlsn. eine verhältnismäßig kleine Zahl im Auslande leben» der Deutscher Gebrauch gemacht. So hat die Nicht erfüllung einer bloszen Formalität den Verlust wertvoller Elemente zur Folge gehabt, dar unter auch solcher Personen, die im deutschen Heere gedient, ja sogar an Feldzügen teilgenoMmen Haven. Die Vorlage gebt davon aus, daß der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Umstände bestimmt sein muß. die den Willen des Beteiligten, seinem Vaterland« nicht weiter anzugehären, deutlich erkennen lassen. Dieser Wille kann selbstverständlich nicht nur ausdrücklich, also durch einen Antrag auf Entlassung aus der Staatsanflehörigkeit, erklärt werden, vielmehr genügt ein Verhalten des Beteiligten, das mir dem staatsrechtlichen Verhältnis zu seinem Vaterland« nicht zu vereinigen und daher als Verzicht aus seine Staatsangehörigkeit anzu- fehen ist. Lin solches Verhalten erblickt der Gesetz entwurf in dem Erwerb einer ausländi schen Staatsanflehörigkeit und in der Nichterfüllung der Wehrpflicht. Er bestimmt daber. dasz der Erwerb einer aus ländischen Staatsangehörigkeit, wenn er aus Antrag erfolgt, de» Verlust der deutschen Staatsangehörig keit zur Folge hat. In den Fällen, in denen der Antrag auf Erwerb einer fremden Staatsunaehörig keil durch die Rücksicht auf Erwerbsverhültmsse und dergleichen veranlagt L'ird, können Härten insofern vermieden werden, als die Hcimatbehörde die Bei behaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit genehmigen kann. Was die Ausbürgerung wegen Verletzung der Wehrpflicht anlangt, so bestimmt -er Entwurf, daß «in im Auslände lebender Deutscher, -er dis zum Ablauf seines 31. Lebensjahres seine Milnäruerhältnisie nicht ins Reine gebracht oder sich o<-r Fahnenflucht durch Entfernung oder Fernbleiben vv, der Truppe schuldig gemacht har, die Reichsange- hörigkeit verlieren soll. Die Vorichriftcn sind im einzelnen so ausgestaltet, dasz der Verlust nur bei Verletzung der wichtigsten aus der Wehr pflicht folgenLen Verpflichtungen eintritt, dost der Wehrpflichtige unter Berücksichtigung der Aus- landsv-rhälintsie genügend Zeit zur Ersüllnug seinem Obliegenheiten behält, endlich, das! der Zeit punkt ocs Verlustes unzweifelhaft feststeht und mög lichst leich zu ermitteln ist. Die Ausbürgerung wegen Verletzung der Wehrpflicht beruht auf dem ethischen Gedanken, daß stvorsbürgsrliche Rechte nicht ohne Erfüllung entsprechender staatsbürgerlicher Pflich ten in Anspruch genommen werden dürfen, und ^aß. wer diese Pflichten nicht erfüllt, dainit still schweigend Lei: Willen tundgibr, die staatsbürger liche Gsmeinschaft nicht weiter fortzu setzen. Reben diesen Gesichtspunkten sprechen für die Aus bürgerung wegen Nichterfüllunfl der Wehrpflicht militärische wie politische Gründe. Aus ländsdeutsche, die sich ihren militärischen Verpflich tungen entziehen, verlieren heute ihre Reichs- angchürigkeit durch einen zehnjährigen Aufenthalt im Ausland, während sie ohne den neuen Verlustgrund dauernd im Besitze der Reichsangehörig, leit verbleiben würden. Dem säumigen Wehr pflichtige» würden alsdann, wenn die jetzt tat sächlich bcsteben-r Ausbürgerung wegfiele. nur zwei Nachteile ocohen, vämlich die gerichtliche Strafe und die nachträgliche Einstellung. Diese Nachteile er scheinen aber nicht ausreichend. Vom politischen Standpunkt läfzt es sich nicht rechtfertigen, -ast Deutschen im Auslande der Schutz Les Reiches und seiner Vertreter gewährt wird, auch wenn sie ihre Pflicht, an -er Verteidigung des Reiches ieilzunchmcn, nicht erfüllt und sich dadurch von ihrem Vaterlands losgesagt haben. Das Staatsiuter- esse erfordert, Latz wir weitere Schunoerpslichtungen nur zugunsten solcher Personen übernehmen, die auch ihrerseits bereit sind, dem Reiche gegenüber ihre militärischen Pflichte» zu erfülle» und dadurch zur Erhöhung seiner Wehrkraft beizutragen. Das Prinzip des neuen Verlustqrundes erscheint auch billig und gerecht, zumal da -<n Ausländsdeutschen in letzter Zeit Erleichterungen in der Erfüllung de« Wehrpflicht gewährt worden und weitere Erleichte rungen in dem gleichzeitig mit dem Reichs- und Staatsanqehörigkeitsgesetz -em Reichstage vorzu legenden Gesetzentwurf zur Abänderung des Reichsmilitärgesetzes vorgesehen sind, und zwar namentlich nach zwei Richtungen: einmal soll für die überseeischen Deutschen, denen durch die Ab leistung ihrer militärischen Pflichten unverhältnis- mäßige Nachteile entstehen würden, die Möglichkeit einer Befreiung non der aktiven Dienstpflicht geschaffen werden. Sodann besteht die Absicht, die für die überseeischen Deutschen bereits «ingeführte Möglichkeit der Befreiung von allen militärischen Uebungen auch auf die im europäischen Ausland lebenden Deutschen auszudehnen. Für di« Erhaltung des Deutschtums im Auslände wir- die in Aussicht genommene Regelung noch günstiger sein als -er gegenwärtig« Zustand. Diesem Bestreben dient noch «in« weitere Vorschrift, die den Wiedererwerb der bisherigen Staatsangehörigkeit wesentlich er leichtern wird. In Zukunft soll bei d«r Aufnahme aller ehemali gen Deutsche» und ihrer Nachkommen, einerlei auf welche Weise sie di« Staatsangehörigkeit eingebüfzt haben, von dem Erfordernisse der Niederlassung im Inland« abgesehen werden. Dem gleichen Gedanken, früheren Deutschen den Anschluß an die Heimat wieder zu ermöglichen, entspricht ein« Vorschrift in dem Entwurf, durch di« Witwen und geschiedenen Ehefrauen, die ihre Staatsangehörigkeit durch Ver heiratung mit einem Ausländer ver loren haben, nach Auflösung der Ehe die Wiederauf nahme in ihren früheren Sraatsverband zugesich-rt wird. Der neue Gesetzentwurf sucht ferner die mehr fache Staatsangehörigkeit in verschiedenen Bundes staaten möglichst zu beseitigen, läßt aber selbstver ständlich für die Fäll«, wo ein Interesse an der Beibehaltung der mehrfachen Staatsangehörigkeit bestehl, den Wünsche» der Beteiligten einen weiteren Spielraum. Die „Norov. Allg. Ztg." schließt: Mit der Vor lage ist den Wünschen nach einer zeitgemäßen A u s g c st a t r u n g der Lraatsangehörigkeitsrechte, wie sie in ö-r Oessentlichkeit zum Ausdruck gelangt sind, in volle in Umfang Rechnung getragen. Vor allem dürite das neu« Gesetz von den Deutschen im Auslande begrüßt werden, die es fester un- nach haltiger mit der angestammten Heimat verknüpfen und damir dem Deutschtum wertvolle Ele mente erhalten soll. D!e Kanütar.sVkchlen in Böi^rn. Am Montag finde» im zweitgrößten deutschen Bundesstaate dir Wahlen zur Abgeordnetenkammer statt, deren Ausfall man auchaußerhaldder blau-weiße» Grenzpfähle mitgroßerSpan- nung cntgegensieht. Es :st das zweite Mal, daß die Wahlen noch dem allgemeinen und gleichen Stimmrecht vorgenommen werden. Bekannrlich erfolgte om 13. November v. I. die Auflösung der bayrischen Zweiten Kammer, weil das Zentrum, das die überwiegende Mehrheit innehatte, m.t der Regierung in offenem Konflikte stand, so daß an ein Weiterarbeiten nicht mehr gedacht werden ionnte. Damals erfüllten sich die Hoffnungen man cher Stelle» nicht, daß der Prinzrcgent einer Auf lösung widerstreben werde, im Gegenteil ermunterte der greise Fürst seine Regierung, nach ihrem Ermessen im Interesse -es Landes ihre Pslicht zu tun, ohne auf seine Person Rücksicht zu nehmen. Um so größer war natürlich die Erbitterung des Zentrums, das im bayrischen Abgeordnerenhause unumschränkt ge herrscht c UL in brutalster Weise die Minderheit bei jeder Gelegenhei: vergewaltigt hatte. Zum Kampf gegen das Zentrum hat sich nun die izesamte Minderheit gerüstet, und zur Erzielung eines bestmöglichen Erfolges ist der Block der Linken ge bildet worden, in dem sich die Liberalen und die äußerste Linke vereinigt haben. Ob es trotzdem ge lingen wird, die Macht des Zentrums zu brechen, ist recht fraglich, wenn auch die letzten Reichstags wahlen gezeigt haben. Laß der Zentrumsturm auch in Wahlkreisen, die für ibn als unbedingt sicher galten, nicht uuerschütteebar ist. Aber der Einfluß des Zen trums auf dem platten Lande ist doch zu groß, als -aß -ort die bisherige Mehrheit große Erfolge er zielen könnte. Tie besten Chance» bietet den Libe ralen noch die Pfalz und Overfranken, während die Sozialdemokraten in de» Städten die Oberhand haben. Dem Zentrum kommt hauptsächlich die Wahlkreis» einteilung zustatten, die nach der Volkszählung von 1900 festgclegt worden ist. Alle Versuche, gelegent lich der Wahlreform die Bestimmung durchzuführen, als Grundlage des Wahlgesetzes die jeweilig letzte Zählung gelten zu lassen, scheiterten am Widerstande -e» Zentrums. Das Königreich ist in 133 Wahlkreise eingeteilt, von denen 3» durch je 2 Abgeordnete ver treten werden, so daß die Zweit« Kammer im ganzen 183 Mitglieder zahlt. Bei der Wahl entscheidet die relarive Mehrheit mit der Einschränkung, daß der Gewählte mindestens ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen muß. Wahlberechtigt ist, wer das 25. Lebensjahr vollendet, im letzten Jahre die bayrische Staatsangehörigkeit besessen und in derselben Zeit eine direkt« Steuer bezahlt hat. Sonntag, 4. Februar 1912. Oer Srieg «m Tripolis. Di« Vermittlerrolle Rußlands. 8t. Konstantinopel, 3. Febr. (Priv.-Tel.) Nach Informationen, die der Pforte zugegangen sind, be reitet Rußland einen neuen Vermittlungs versuch vor. Einen Ausgangspunkt soll die Ver einbarung eines Waffenstillstandes zwischen Italien und der Türkei bilden. Wenn der Waffen stillstand von den Kriegführenden angenommen ist, sollen beide ihre Kontingente vom Kriegstheater zurückführen. Dann würde «rst über die Basis eines Friedensschlusses verhandelt werden. Die Pforte und natürlich ebenso alle militärischen Kreise stehen solchen Absichten durchaus ao leh nend gegenüber. Sie erheben die Einwendung, daß, falls die nachherigen Verhandlungen nicht zum günstigen Abschluß führen und die Operationen wieder ausgenommen werden müßten, oie Türkei später außerstande wäre, ihre au» den afrikanischen Provinzen zurückgezogenen Truppen wieder dorthin zu expedieren. Die Revolution in Chino. Tie „Petersburger Tclegravhen-Agentur" meldet unter dem 3. Februar aus Han kau: Die Verirrungen der Revolutionäre mit den Abgesandten des VizekönigS ergaben den Be schluß, dos; der Vizekönig die Regierungs truppen nach Peking zurücksüyren soll und demzufolge die Absicht, mir den Republikanern zu kämpfen, aufzugeben habe. Es ver lautet, die Truppen hätten bereits die Provinz Hup eh verlassen. Tie Lage in der Mandschurei. Mnkseu, 3. Febr. (Petersburger Telegr.» Agentur.) Der Vizckönig wurde von Peking aufmerksam gemacht, daß der fortgesetzte Terror gegen die Revolutionäre den Auf stand in der Mandschurei und ihren Abfall be schleunige und daher unerwünscht sei. Des halb werde das Gesuch des Mzekönigs um Aus zeichnung der Befehlshaber der Garnison Tschansolt abgelehnt. Lhester. Leipzig, 4. Februar. Neues Theater. (Neu einstudiert: „Cosi fan tutte".) Seit langer Zeit war Mozarts Oper „Cosi fan lntte" vom Leipziger Spielplan verschwunden. Vor nun 107 Jahre« (1805) tauchte sie in unserer Stadt wieder aus unter -em Titel „Weibertreuc", nachdem sie hier durch de» bekannten Direktor Euar- dasoni bereits bekannt geworden war. Hier wie anderenorts hielt sie sich nicht Lang«. Schuld trug daran Pontes schwaches, so viele Schwächen und Un möglichkeiten offenbarendes Buch, die auch durch eine lange Reihe von Umarbeitungen nicht beseitigt werden konnten. Keinesfalls aber Mozarts Musik. Steht dickse doch, obwohl in ganz erstaunlich kurzer Zeil komponiert, in unmittelbarer Nähe von „Fi garo" und Don Giovanni, enthält sie ja eine Ueber- füll« entzückender Melodien un- wundervoller Fein heiten, die sich insbesondere auch in dem Orchester detail zeigen. Außerordentlich scharf sind die Per sonen und deren mannigfaltig gebildetere Charakter musikalisch individualisiert, ist auch -rr Sinn der Textworte und manche Einzelheit -er Situation Mu- siliert. Gewiß werden jene obengenannten Vor bilder nicht durchaus musikalisch erreicht. Anderseits aber feiert auch hier wieder des Meisters unerschöpf lich« Erfindungskraft, sein wahrhaft ungemcssener künstlerischer Lebenstrieb wie das völlige Unter tauchen in einem Meer von Wohlkang den größten und reinsten Triumph. Um so mebr zu bewundern angesichts der Tatsache, daß der unvergleichliche Mei ster gerade damals, 1789 auf 1790, unsäglich unter der Schwere des Lobens litt, die Gattin ernstlich krank und keine Mittel zur Hand waren. Vom Kaiser war ihm diese Oper auf den bestimmton, un ablehnbaren Text aufgetragen worden. Und aus dieser „von oben" befohlenen Aufgabe wurde, rein musikalisch betrachtet, ein Meisterwerk. Die Musik Wertvolle ösrrtksüen. Erinnerungen aus ernster Zeit 1870/71. «Nachdruck verbot«».) Unserem 12. »Armeekorps war in der AernierungS- linie vor Paris der Abschnitt von ungefähr Ourg- Kanal bis zum rechten Marne-Ufer zugewiesen. Die 23. Infanteriedivision hatte ihre Posten von Sevrau bis Rainen stehen, die 21. Infanterie division von dort bis Chellcs. Tie Posten waren so weit wie möglich vorgeschoben. Bor unserer Front lagen vom Feinde besetz: Neuilly sur-Marne, Bille momble, Bondy unk» i» weiterer Ferne Bobigny und Tranch. Rechts schloß sich da? Gardekvrps an, mit uns dnrch treue Waffenbrüderschaft von St. Privat her befreundet. Konnte dieser Lrt, der Schlüssel der Stellung der französischen Rlieinarinee, dock erst genommen werden, nachdem die Sachsen den rechten Flügel des Marschall Canrobert ^von unsern Leuten >talm-Robcrt genannt) umfaßt und von Norden hcrbeieilend der Garde zum erdrückenden Sturm auf St. Privat die .'pand gereicht hatten. Auch bei Sedan focht die Garde neben uns. — Links vor uns, lenseits ocr Marne, standen die Württemberger. Sparer unsei-e Kampsgenossen in den Togen von Villiers. Tort jochten sie Lckmtter an Schulter mit uns gegen eine sechsfache feindlich« Ucbermacht und bewiesen zähe Ausdauer und glän zende Tapferkeit Sie tragen damals eine Uniform, die der französischen Mobilgarden-Bekleidung, na mentlich die Kopfbedeckung, sehr ähnlich war Unter dieser, uns etwas fremden Uniform schlug »aber das brave, deutsche Herz in treuester Hingabe. Das von uns besetzte Gelände war an Natur- schönheiten sehr reich, und in ihm lagen verschiedene Dillenorte, die an Gärten und Parks dem Auge so viel Schönes boten, wie man es in unserer Heimat vor N Jahren noch nicht zu osr zu sehen bekam. Entzückende Fernsichten hatte man von Raincy auf die Befestigungen von Paris, und von Montfermeil bot sich ein weiter Ueberblick in da» Marnetal. Die Park- waren unter geschickter Ausnutzung de» yelände- sehr geschmackvoll angelegt. Schöne- vaub- -olz wechselte mit Tannengruppen wirkungsvoll ab. LlS im Spätherbst da- Lauoholz die Blätter ab warf, verlor der Wald doch nicht ganz sein Grün, denn überall war der immergrüne Buchsbaum, rich tige Bäume, vertreten, und die großen Listen und Buchen waren oft bi- in die höchsten Wipfel mit Efeu umrankt. Besonder- schön war in dieser Hin- I ficht 6n Park, der sich zwischen le Ptn und Lourtry 1 weit erstreckte, er gehörte zu einer Villa in Mlle- vaude, einem Nachkommen eines Leibarztes Napo leon? I. gehörend. Und dock habe ich mir sagen lassen, daß der Osten von Leine-Babel keineswegs die schönsten Be sitzungen reicher Paricer aufzuwecsen hat, der Glanz punkt soll im Süden und Westen in dort vorgelager ten Dörfern und Städtchen zu suchen sein, und als hervorragende Perle im Norden wurde mir Engbien- Montmorency genannt. Ich kenne leider diese Gegenden nicht aus eigener Anschauung. In der Hauptsache kam für unser Regiment Mont- fermeil in Betracht. Dem Namen nach ist dieser Ort allenthalben durch Paul stockt „Daö Milcymädchen von Montfermeil" bekannt. Ich will hier aber gleich, um Irrtümer zu vermeiden, bemerken, daß »vir tem schönes Milchmädchen dort anrrafen. Nichts von Bewohnern war im ganzen großen Ration anwesend außer ein paar Dutzend ganz alter, überaus häß licher Weiber und etwa ebensoviel alte, höchst ge brechliche Männer. Hier und da, aber sehr vereinzelt, stieß man aus einen Hausverwalter. Die große Mehr zahl aller Villen und Wohnstätten war aber gänz lich verwaist. Wenn nun auch die Bewohner dieser reizenden Orte bei ihrem Rückzug vor uns nach Paris, den sie keineswegs sreiwillig ängetretcn haben sollen, sehr viel des Inventars hatte» mitgehen heißen, so blieb uns dock immerhin »och so viel, daß wir uns leid lich einrichten konnten. Die Orte waren uns in der langen Zeit der Belagerung, fast ein halbes Jahr, förmlich lieb geworden, und ich kann rubig behaup te«, daß manchen: von uns dec Mschied von dort schwer geworden ist, obwohl niemand ein „geliebtes Milchmädckfen" dort zurückließ. Im September 1870 und den größeren Teil de- Oktober hatten wir einen wunderbar schönen Herbst. Die Gärten wurden zu allerlei Gartenspielen viel von unS benutzt. In den Parks und Weinbergen in un mittelbarer Nähe unserer Quartiere, weit durften wir uns der ständigen Bereitschaft wegen ja nicht entfernen, mochten wir herrliche Spaziergänge. Bet schlechterem Wetter hatten wir auch in den Quar tieren Unterhaltung genug, da aab eS vi lards und Pianinos und vor allem sehr reichhaltige Bibliotheken, in denen wir sogar, wenn auch höchst selten, einige deutsche Bücher fanden. Sehr interessant waren aber die gebundenen Jahrgänge von illustrierten Zei tungen und Witzblättern, wie „Journal amüsant" mit seinen vorzüglichen Zeichnungen. Besonders ty pisch und wahr find tztnefenigen Bilder, di« sich auf dir französische LandbevSlkervng bestehen. Und nicht zuletzt, wenn drei oder mehrere des TkateS Kundige sich zrrsamrnenfanden, da wurden auch diesem Nationalspiele — einig« Stunden ge widmet. Wir befanden uns ganz wohl in unserem Rayon und tonnren es gut und gern einige Monate aus- halten. Hätte manch liebende Mutter daheim den Lohn so behaglich schallen und walten sehen können, so würde ihre Sorge für den Augenblick wesentlich gemindert worden sein. Freilich die Gefahr blieb unmer für uns bestehen. Unser Trost war: „Eine jede Kugel, die trifft ja nicht!" Wir dachten möglichst wenig daran und waren in der ganzen Zeit, selbst den schwersten Tagen, ganz zufrieden und niemals nieder geschlagen. Doch kommen wir jetzt zu den wertvollen Barri kaden. Fast bei jeder Villa im Garten oder auf Terrassen standen Orangen- und Lorbeerbäume, Oleander und Granatäpfel, oft in wahren Pracht exemplaren. Diese Pflanzen repräsentieren einen sehr hohen Wert und waren wir, die augenblicklichen Herren, all dieser Herrlichkeiten wohl besorgt, daß diese Zierbäume vor Eintritt des Frostes unter Dach und Fach kamen. Dieser Arbeit unterzogen sich unsere Leute, angcleitet durch einige Kunstgärtner, sehr gern, ja sogar die hochstämmigen Rosen wurden oft von ihrer sorgenden Hand eingeschlagen. Auch ein Beweis für deutsch« Gutmütigkeit und dafür, wie wir bemüht waren, nach Kräften das fremde Gut zu erhalten. Auf der Terrasse des Schlosses von Montfermeil und in Maison-Rouge gab eS z. B. so viel Orangen bäume in das Winterquartier zu überführen, daß es eine richtige Arbeit war. Wie gern unsere Sol daten in ihren Berufsarbeiten sich betätigten, dafür ein kleiner Beweis. Ein Kunstgärtner unferer Kom panie brachte uns eines Tages eine angetriebene Lpargelpflanze und sagte freudestrahlend: „Davon habe ick eine ganze Menge in ein Warmbcet ein gesetzt, und ich hoffe, daß die Herren zu Weihnachten Spargel essen können." Daraus ist jedoch durch unsere vielen Hin- und Herzüge zu unserm B.dauern nicht» geworden. — In Gagny und Raincy, von unS nur mit Borposten besetzt, und in villemomble, bis Ende Dezember in französischemDe'itz, hatte man diesen Zierpflanzen diese Aürkorg« nicht angedeihen lassen können, sie waren sämtlich erfroren, hatten »vir doch zwischen 16—18 Grad Reaumur Kälte gehabt. Her- nach fanden die mit Erde gefüllten Kübel „sehr prak tisch" Verwendung — zum Barrikadcnbau. Vier Bar rikaden, fast ausschließlich auS solchen Kübeln erbaut, waren angelegt zum Abschluß der Straßen am Nond- point de Raincy gegen Bondy und Draney, ferner am Ausgang von Villemomble gegen Dorf Rosnu und auf den Ävron, unweit der Kirche. Da diese Barri kaden für stehende Schützen erbaut waren mW die Straßen 12—LO Schritte breit, so läßt sich ermessen, wicviele Orangen- usw. Kübel eingebaut werden muß ten. Ich habe mich an Ort und Stelle mit unserem Kunstgärtner über den Wert der hier zugrundc- gegannenen Pflanzen unterhalten, er schätzte ihn auf viele Tausende von Talern. — Auch manch anderer Gegenstano, oft in scherzhafter Weije, war zum Barri- kadenban vercvendet worden. Wären die Bewohner dageiveseu, so würde er kaum die Ebre gehabt haben, uns vor feindst-l-en Geschossen zu schützen. Unsere schwer arbeitenden Soldaten wollten aber auch ihren Spaß haben, das kann ihnen sicherlich nie mand verdenken. Ich habe niemals eine ausge sprochene Roheit oder mutwilligen Zerstörungstrieb bei unserer Mannschaft bemerkt. Unser Heer war eben kein Söldnerheer; Leute von höchster Intelli genz und Bildung standen in den Reihen unserer Mannschaft, da war cs nicht schwer, jedes etwa aufkeimend» Gelüste nach roher Willkür schon im Keime zu ersticken. Wir waren weder die „Horden^ Tillys in Magde burg, noch die zügellose Soldateska eines Turenne oder Conde. Was unser Deutschland durch diese hat erdulden müssen, dafür nur ein Hinweis auf die bayrische Pfalz und auf Baden. Hat Frankreich 1870/71 durch unser Heer in viel, viel geringerem Maße leiden müssen, so ist dies Strafgericht in allen Fällen durch eigene Schuld der Bevölkerung heraufbeschworen. In Frankreich wird gar zu gern Gegenteiliges behauptet. Wir müssen uns aber zu trösten wissen, denn: „Der Gerechte muß viel leiden." Die dürfte es wohl gekommen kein, wenn die Armee von Bazaine und Mac Mahon den Rhein überschritten hätten, in letzterer Armee schon damals mehrere Regimenter der jetzt so viel genannten „schwarzer» Gefahr" ? Ein große- Glück für unS, daß wir die Fran zosen nicht nur von deutschen Gauen fernhalten, sondern sie auch gründlich besiegen konnten. Ach dächte, Deutschland hätte e» in den Jahren 1»iw bi» 1813 zur Genüg« erfahren, wa- fremde Macht und Willkür an Fesseln anlegen kann und an Wunden zu schlagen vermag. Grund genug, daß wir uns ständig rüsten, uni in einen: abermaligen Kriege die Sieger bleiben zu können! ES gibt eben nur eine Losung für UNS: ,Hi ei» pacem, par» bellum"^ L L
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