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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.01.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912013002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912013002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-30
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
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Seite 2. Nr. 54. los. Jahrgang. hüllung und werden dann dem Notenlager «in- verleibt. Der König stattete auch der Musikabteilung einen kurzen Besuch ad, wo ihm deren Leiter, Herr Rie mann, vorgcstellt wurde, welcher auf einem Aus- nahineslügel ein kurzes Stück spielte, um dem Könige den Vorgang einer Künstlerspiel-Aufnahme zu ver anschaulichen. Der König hörte hier mit großem Interesse von den Kllnstlerrollen. Diese enthalten das Original.Klaviersptel von mehr al» ISO ersten Künstlern der Welt, darunter Reisenauer, Reinecke, Grieg, D'Albert und viele andere, welche über die Schwelle des Musikzimmers geschritten sind und in ihrem Spiel für die Künstlerrollcn, um Len sinnigen Ausspruch des französischen Altmeisters Plants an» zuwcnden, ihr musikalisches Testament niedcrgeleyt haben. Alle die technischen Einrichtungen der Fabrik werden in den Dienst des «inen Gedankens gestellt, das Spiel der Meister für alle Zeiten naturgetreu zu überliefern und auch dem Laien ein künstlerisch vollendetes Klavicrspiel zu ermöglichen. In der Musikabteilung betonte der König den großen Wert, den die Kunstlerrollen für die Musikpädagogik und für Konservatorien haben müßten. Sehr lobend sprach er sich dann über die sclbstspielende Geige aus. Auch betonte Generalleutnant v. Müller bei der Ab fahrt, daß leider die Zeit zu der Besichtigung sehr knapp gewesen sei. Der Nundgang hatte nunmehr sein Ende erreicht und der König schritt zum Erdgeschoß hinab, nachdem er den ihn führenden Herren seine hohe Befriedigung Uber alles Ersehene uno Gehörte, und seine An erkennung über die Leistung eines spezifisch sächsischen Industriezweiges zum Ausdruck gebracht hatte. Durch das große Hauptkontor hindurch, in welchem 70 Be amte tätig sind, wurde der Monarch in einen künst lerisch geschmückten Festsaal geleitet, woselbst das dar gereichte Frühstück eingenommen wurde. Hier de- wegte sich der König ungemein frisch und leut selig in dem Kreise der Anwesenden. Der König zeichnete sich in das goldene Buch des Hauses ein und begab sich sodann in den Hof, wo er in leut- seligster Weise der Bitte entsprach, sich und sein Ge folge an der Spitze des inzwischen versammelten gesamten Fabrilperfonals zur bleibenden Erinnerung an diesen Dag im Bild« sesthalten zu lasten. Bei der Verabschiedung sprach Herr Direktor Tetzner dem König den Dank des Hauses aus für den hohen Besuch und die Wort« der Anerkennung, welche dem Hause ein weiterer Ansporn sein würden aus dem lx?trctcnen Wege fortzuschrcitcn. Tie Ueber- zeugung, daß das Herz des Königs für die Industrie warm schlage, wird in freudiger und stolzer Er innerung an diesen denkwürdigen Tag in den Herzen eines jeden Angehörigen des Hauses fortleben. Während der Abfahrt brachte Herr Betriebsleiter Reichel ein dreifaches Hoch auf den König aus, in welches das Fabrikpersonal begeistert einstimmte. Durch eine aus Tannen, Girlanden und Flaggen gebildete Nia triumphalis verließ der König durch das an dec Ludwig-Hupfeld-Straße gelegene Portal die Fabrik, um sich in di« Universität zu begeben. In üer UnIverMLtt. Literaturkolleg bei Geheimrat Köster. Das kleine Amphitheater des Hörsaales Xl harrte in abgedämpfter Beleuchtung der großen Stunde und füllte sich nach 11 Uhr rasch mit eifrigen Hörern. Heute fehlten auch die hartnäckigsten Kollegschwünzer nicht. Ich empfand gar nicht wenig mein schlechtes Gewißen, während ich mir einen bequemen Eckplatz , aussuchte. In der Tat. man ist für diese harten engen Bänke der hohen Schule in all den Jahren doch schon , ein bißchen zu bequem und breit geworden. Es will mir auch scheinen, als ob die Kommilitonen ringsum heute viel jünger, ärmer an Semestern sind, als wir es einst waren. Man sieht so gar keine behäbigen Ge stalten, die Baccho und Gambrino mit gleicher, ja größerer Liebe als der hehren Alma mater anhan- gen. Diese jungen, eleganten Herren rings um mich mit den charakteristischen Gesichtern zählen sicherlich manchen späteren großen Dichter, manchen Literar historiker von Ruf in ihren Reihen, der unsereinen in Grund und Boden verdammen wird. Zur Strafe, weil wir einst unslcißig waren! Schadet nichts, es war dennoch so schön damals. Mein Blick streichelt die zerkerbten Bänke. K. W. 02. Den hab' ich auch gekonnt. Längst schon deckt den guten Bursckien der grüne Rasen. Eine seine, weiche Frauenhand gleitet über das Monogramm. Das war auch noch anders in unseren Tagen. Ich sehe mich um im Kreise: Leipziger Tageblatt. Damen, junge Damen da und dort, auch schön« darun ter. Sie blättern mit holdseliger Betriebsamkeit in ihren Büchern und Mappen. Der schlanke, blonde Famulus schreitet die Parade der weißen Ehrenstühle vor der ersten Bankreih« ab und nimmt leinen Amtssitz am erhöhten Pult neben der Tür ein. Noch einmal streikt sein Blick prüfend den verhüllten Kasten auf breitem Postament vor der weißen Wand. Bon draußen schallen Hurrarufe herein. Der König betritt mit seinem Gefolge das Auditorium, von Hochrufen und Beifallsaetrampel be grüßt. Er nimmt zur Nechten des mit oer goldenen Amtskette feierlich einherschreitenden Rektors seinen Sitz ein. Geheimrat Professor Dr. Albert Köster beginnt sein Kollegium. „Was Eure Majestät hören werden, kann wohl jede Universität bieten da sich eine jede heute nnt Theatergeschicht« und Bühnenkunst zu befaßen hat, aber was Eure Majestät heut« hier sehen werden, da» kann doch wohl nur Eurer Majestät Landes» Universität bieten, ein« Sammlung von Bildern und Modellen aus der älteren Theatergeschichte, mit Fleiß und Mühe zusammengetragen." Und dann gab Professor Köster mit dem gerechten Stolze des be wanderten Sammlers und Gelehrten «ine kurze, orientierende und amüsante Einführung in die Bühnenrcsorm des Joses Furttcnbach. die der be rühmte Leipziger Gelehrte mit großem Fleiß und dem Aufwand eigener Mittel vortrefflich rekonstruiert hat. Man spürte wohl etwas vom Geiste jenes jungen Ulmer Architekten Josef Furttenbach. der gen Italien zog und mit kunstcrfüllter Seele heimkchrte; man wurde etwas von seinem Geiste gewahr, während man der klaren Stimme des Gelehrten lauschte, der so energisch mit dem Zeigestock über die weiß« Wand tafel fuhr und seinem Rektor MagnMzentistimus mit so frischem Humor die naive Dühnenkunst vergangener Zeiten veranschaulichte, wie sie Furttenbach in seinem Itinerarium Italiae beschreibt, worin er von dem Blicke aus den Galerien der Uffizien zu Florenz in den Theateisaal schwärmt, und in seinem „mannhaften Kunstspiegel" von 1603, der von Palästen erzählt mit dem Theatersaal in der Mitten, von speisenden Kö nigen und Potentaten, denen man nach jedem Gericht «ine neue Komödie bot, immer auf einer neuen Bühn«: sie selber saßen auf einem rotierenden Eß karussell und hatten bald vielen, bald jenen ergötz- lickzen Anblick. Zn herzliches Lachen salzen wir unsern König ausbrechen über die Furttenbacher Improvi sationen, sahen ihn die sich nun eruhüllende niedliche und anschauliche Modellbühn« mit regem Interest; aus nächster Nähe lxtrachten und die Furttenbacher Negieverfuche in seinem Mosesdrama, den feurigen Balch, das bewegte Meer, mit heiteren Mienen ge nießen. Eine derbe naive Welt, jene Zeit, der wir heute noch unser« verlästerte Guckkastenbühne danken. Sie konnte in ihren kindlichen Versuchen di« Effekte nicht dick und derb genug kriegen, ließ den Donner mit den schwersten Steiniugeln über sich rollen und Len Wind im Theater aus starken Blasbälgen grad- bin auf sich blalen. Fand dann die Tragödie ihr herzbewegliches Ende, so streuten gute Geister hoch von der Saaldecke h«rab Blumen und Konfekt auf di« bewegten Gemüter der Fürsten und Damen. So war es einst. Ein ergötzliches, außerordentlich unterhaltsames und belehrendes Kollegium war es, das Geheimrat Köft«r da las. und als «r yeendet hatte und der Famulus an seinem Pult wiederum das Hoch auf den König ausbrachte, dankten die stürmischen Rufe der Kommilitonen und Kommilitoninnen nach dem königlichen Mithörer auch dem Dozenten. Es war eine schöne -Stund« im Reiche des phantasieoollen Josef Furttenbach. p. o. Vorlesung bei Geheimrat Lamprecht. Das Auditorium maximum unserer Universität war bis aus den letzten Platz gefüllt und viele Studenten sahen ihren Wunsch einer Vorlesung Lamprechts in Gegenwart des Königs beiwohnen zu dürfen, unerfüllt. Als König Friedrich August mit den Herren seiner Begleitung den Horsaal betrat, wurde er durch ein brausendes dreifaches Hoch des Auditoriums begrüßt und nun entwickelte Geheimrat Lamprecht in der ihm eigenen geistreichen Weise einen glänzenden Vortray, in dem er im Anschluß an seine Vorlesung „Einleitung in das kulturgeschicht liche Verständnis der Gegenwart" die Frage behan delte, wag historischer Sinn lei, und wie sich die Möglichkeit rer sittlichen Weltanschauung zum historischen Denken der Gegenwart stelle. Weit über die Frcüde der Heldenverehrung und den einfachen archäologischen Sinn für Altertümer, welche früher, wie auch noch jetzt kräftige Formen des geschichtlichen Denkens darstellen, hat sich heute der geschichtliche Sinn als das Vermögen entwickelt, sich in das ^anze Sein, Fühlen, Denken und Empfinden früherer Zetten zu versetzen. So kann man auch sagen, der historische Sinn der Gegenwart sei die Empfindung für den seelischen Unterschied früherer Vergangenheiten im Verba.tnis zu heute. Wie dieser Sinn im einzelnen geweckt und erhöht werden kann, wurde an Beispielen gezeigt. Wenn nun aus dem Vermögen diese« Sinnes her die Vergangenheit verstanden wird, so zerfällt sie für jedes einzelne Volk in eine Reihe aufeinander- olgende Kulturzcitalter, die sich in ihrer ganzen eelischen Konstruktion, mithin in ihrer Dichtung und Kunst, in ihrer Sittlichkeit und Frömmigkeit, in ihrer wirtschaftlichen Betätigung und ihrer sozialen Glie derung, in ihrem Gesellschafts- und ihrem Staats leben voneinander unterscheiden. Ist dies aber der Fall, so ergibt sich für jeden einzelnen Lebenszweig, wie z. B. für die Kunst eine Aufeinanderfolge von Zeitaltern, die innerlich, in der Kunst zum Beispiel durch verschiedene Stile, von einander abweichen. Auf dem sittlichen Gebiete drückt sich nun dies Ergebnis dadurch aus, Laß jedes Zeitalter sein besonderes System sittlicher Anschau ungen hat. Gegen diese Auffassung ist man nun viel fach in die Schranken getreten und hat sie als historischen Relativismus verdammt. Und in der Tat kann gefragt werden, ob denn bei einer solchen Auf fassung die sittlichen Gesetze bestehen bleiben, ^ie nach des Dichters Worten „droben hängen unveräußerlich". Eine solche Kritik ist kurzsichtig. Denn sic übersieht einen weiteren Zusammenhang, aus den der Vortragende in der zweiten Hälfte sein«r Aus führungen kam. Die Reihenfolge der Kultur zeitalter, welche das Leben der einzelnen Nationen durchläuft, ist nicht willkürlich, sondern vielmehr stetig nach dem Gesichtspunkt einer ständig steigenven Kulturauswirkung geordnet. Anerkannt ist dies« Tatsache schon für den Verlauf der Kultur der europäischen Nationen, und insbesondere ist der Parallelismus der Entwicklung der antilen Völker im Verhältnis zu den modernen aury von Erforschern der Antike wie Eduard Meyer und Wilamowitz be tont worden. Diese Erscheinung gilt aber auch für die Entwicklung der ostasiatischen Welt, für Inder, Chinesen. Japaner, wie Untersuchungen zeigen, die im Leipziger Institut für Kultur- und Universal geschichte in immer größerer Breite ausgenommen worden sind. Was ergibt sich nun aus dieser Tatsache für den einzelnen? Es stellt sich heraus, daß die Angehörigkeit des einzelnen zu der sittlichen Welt eines bestimmten Kultiirzeitaltcrs keineswegs eine willkürliche, sondern eine gesetzliche ist, denn die Auf einanderfolge der einzelnen Zeitalter hat den Cha rakter einer ohne Ausnahme dastehenden Regel. Ist dies aber der Fall, so ist es selbstverständlich, daß die Lebensregelung des jeweiligen Zeitalters für alle Zeitgenossen nut derselben Unverbrüchlichkeit gilt, die wir für das Soll der großen sittlichen Regeln anzu nehmen gewöhnt sind. Gewiß kann sich der einzelne, wenn er sich dazu berufen fühlt, gegen das Gesetzbuch dieser sittlichen Vorschriften seines Zeitalters kehren, und er kann Lies unter Umständen aus den edelsten Motiven tun, z. B. denen der Fortbildung dieser Regeln hinein in die Forderungen einer höheren Zeit. Aver er darf dann nicht »erkennen, daß er sich geg«n den Geist des geschichtlich Herkömmlichen ver geht, und er hat die Folgen zu tragen, die das Schick sal aller derjenigen sind, die sich zu Neuerungen hohen Grades berufen fühlen. — Der König folgte den geistreichen Worten Lamprechts mit sichtlichem Intereste. Nach dieser Vorlesung begab sich König Friedrich August zu Fuß nach dem Palais. Unterwegs wurde der Monarch vom Publikum wiederholt durch Hoch rufe begrüßt. Heute nachmittag hat der König dem „Stadt geschichtlichen Museum" im Alten Rathaus einen Besuch gemacht. Zur Königlichen Tafel um s Uhr hatten Einladungen erhallten: Obekställmeister Generalleutnant von Haugk, Hausmarschall von Metzsch-Reichenbach, General adjutant Generalleutnant von Müller, Flügel adjutant Major Freiherr von Koenneritz, Staats minister Dr. Beck, Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt, General der Artillerie von Kirchbach, Dienstag, 30. Januar lSl2. Generalleutnant Krug von Nivda, Generalarzt ü I» «uito des Sanitütskorps Professor Dr. Tillmanns, Oberst Gras von der Schulenburg, Oberst z. D. Heinick«, Oberstleutnant Bolze, Oberstleutnant Schneider, Krcishauptmann von Burgsdorff, Senats präsident Stephan Hoffmann, Geh. Oberpostrat Domizlaff, Oberpostdirettor, Direktor der Reichs bank Frenkel, Amtsgerichtspräsident Siegel, Geh. Justiziar Böhme, Oberstaatsanwalt, Kammerherr Amtshauptmann von Nostiz-Wallwitz, Oberfinanz rat Siebert, Kretssteuerrat, Geh. Regierungsrat Professor Dr. Häpe, Geh. Finanzrat Schilling, Lotteriedirektor, Oberbaurat Faltan, Eisenbahn direktor, Oberschulrat Zimmler, Bezirksschulin- spektor, Geh. Hofra-t Professor Dr. Lamprecht, Geh. Hofrat Professor Dr. Köster, Wirkl. Geh. Rat Pro fessor Dr. Binding, Justiziar Flade, Universitäts richter, Oberbürgermeister Dr. Dittrich, Polizei direktor Dr. Wagler, Baurat Enke, Stadtverordneten- Vizevorsteher, Stadtrat Lampe, Bayr. General konsul Thieme, Brasilianischer Konsul Dr. Hermann Meyer, Französischer Generalkonsul Laurcnt-Coche- lot, Geh. Kirchenrat 0. Pank, Wirkl. Geh. Lega tionsrat Dr. Göhring, Justiziar Dr. Anschütz, Gcwerbe- kammcrvorsitzendcr Grüner, Konsul Krause, Fabrik direktor Ludwig Hupfeld, Geh. Hofrat Professor Dr. Hans Meyer, Stadtrat Esche, Theatcrdirektor Volkner, Direktor Dr. Kurzwelly und Stadtrat Cichorius. Im Sieükinüer-llnterluüiungsantt. Zu unserem Bericht im Morgenblatt über den Besuch Les Königs im Ziehkinder-Untersuchungsamt können wir noch einige sehr interessante Zahlen ver öffentlichen, die Se. Majestät im Gespräch mit dem Dezernenten des Amtes Stadtrat Koehler mit geteilt wurden. 9650 Kinder stehen jetzt in Leipzig unter der Aufsicht des Zichlinüeramtes, und zwar sind diese zum größten Teil Mündel der Getteralvormund- schaft Im Jahre 1911 oetruaen die von den Vätern dieser Kinder beigetriebenen Unterhaltsbeiträge rund 410 000 in den letzten 10 Jahren überhaupt be läuft sich diese Summe auf über 2'/, Millionen Mark und zeigt in diesen Jahren eine ständig aufsteigende Kurve, gewiß der glänzendste Beweis für den volks wirtschaftlichen und sozialen Wert Les Ziehkinder amtes und der Generaloormundschaft. Programm Mr Mittwoch. Nachdem König Friedrich August am Dienstag abend in der „Alten Börse" dem Vortrag des Herrn Geheimrats Professor Dr. Hans Meyer über seine letzte Afrikareise bcigewohnt hatte und nachher beim Herrn Kreishauptmann zur Abendgesellschaft gewesen ist. zeigt das Programm für Mittwoch folgende Be sichtigungen und Vorlesungen: 9 Uhr Abfahrt zur Leipziger Baumwollspinnerei. 9.30 bis 10,45 Uhr Besichtigung. 10.45 Uhr Abfahrt nach der Medizinischen Klinik fLiebigstraße 22). 11.15 Uhr Vorlesung des Geh. Medizinalrats Pro fessor Dr. v. Strümpell: „Die Bedeutung des Röntgen-Verfahrens für die innere Medizin". 12,05 Uhr Abfahrt nach dem Physikalisch-Chemi schen Institut (Linnöftraße 2). 12.15 bis 12,45 Vorlesung des Professors Le Blanc: „Die Nutzbarmachung des atmosphärischen Stick stoffes". 12.45 Uhr Abfahrt zur Handelskammer mit an schließendem Besuch der Börse und der neuen Räume der Handelskammer. 3 Uhr Abfahrt nach der Heerstraße zur Be sichtigung der Garnison. 3.50 Uhr Rückfahrt nach dem Palais. Ruhepause. 6.30 Königliche Tafel. 9 Uhr Abfahrt vom Dresdner Bahnhof. Sur prSllüentenkrage im Reichstage Von oolksparteilicher Seite wird der Sozialdemo kratie zuqercdet, die Vertretung der Partei im Reichs tagspräsidium sich nicht entgehen zu lasten und da für den Verkehr mit dem Hofe in Kauf zu nehmen. Beim „Vorwärts" finden solche Ratschläge jedoch nichts weniger als eine wohlwollende Aufnahme. Das sozialdemokratische Zentralorgan will die Ent» scheidung hierüber seiner Partei allein anheim ge» Wie ich Mustker murüe. Don Gustav Brecher. Das Kölner Tageblatt" hat in seiner hübschen Wcihnachtsbeilage eine Rundfrage an hervorragende Kölner Künstler gerichtet, mit dem Ersuchen, Auto biographisches mitzuteilen. Aus diesem Anlaß äußert sich Gustav Brecher, der jetzige Kölner Operndirektor, über das Thema „wie ich Musiker wurde" folgender» maßen: Einer Generation von Medizinern in der väter lichen Familie, von Gelehrten in der Familie der Mutter entstammend, in einem Erzgebirgsdorf und einer benachbarten kleinen Stadt aufgewachsen und zehn Jahre alt geworden, da ich zum ersten Mal« ein Orchester hörte, hatte ich bereits «ine ganze Reihe Gymnasialklajien in Leipzrg durchsesten, hatte dazu Klavier und Theorie studiert und ganze Berge ge» schriebcner Noten und mindestens vierundzwanzig» zeitiger Partituren gehäuft, die als Sonaten, Sin fonien und dergleichen zu bezeichnen mir beliebte, ohne daß mein heißer Wunsch: Musiker zu werden, die begründeten schweren Bedenken meiner Eltern gegen diese Berufswahl besiegen konnte. Wohl waren sie sich der Tatsache meiner musikalischen Begabung be wußt, hatte doch di« Mutter selbst seit meinem sechsten Jahre mich im Klaviersviel unterrichtet, — ob aber di« Intensität und Tragfähigkeit meines Talentes ausreichen würde, um darauf den Lebensberuf zu gründen, dies schien ihnen keineswegs zweifellos festzustehen. Jedenfalls setzten sie meinem ungestümen Verlangen: dem Gymnasium sobald wie möglich, mindestens gleich nach Erlangung des Einjährig- Freiwilligcnzeugnistes, zu entfliehen, den allerbe- stimmlcstcn Widerstand entgegen, einen Widerstand, für den ich heute natürlich meinen Eltern dankbar genug bin. Damals jedoch ertrug ich den Schul» zwang nur unter Klagen und Knirschen; nicht au« mangelndem Intereste an d«n wissenschaftlichen Fächern — Mathematik etwa und di« mir unfaßbare Geometrie ausgenommen —, sondern darum, weil mir nicht genügend Zeit verblieb, musikalische Werk« zu studieren und zu „komponieren". Wenige Schritte vom Leipziger Nikolaigqmnastum liegt die berühmte Musikbibliothek Peters, rin In stitut, das in der Zweckmäßigkeit und Bequemlichkeit seiner Einrichtung, in der geradezu staunenswerten Reichhaltigkeit seiner Bestände auch heute einen aller ersten Rang behauptet. Dahin eilte ich, allmittäglich und nachmittäglich, geradenwegs von der Schul« aus und schwelgt« in den unerschöpflichen Reichtümern und Partituren die kurz« Stunde, die über d«n Schulbesuch hinaus di« Bibliothek noch geöffnet blieb. In ihrem Lesezimmer entschied sich mein Schicksal. Eines Nachmistags saß ich wird« einmal vor Richard Strauß' „Guntram"-Partitur, die vor kurzem herausgekommen war (und es bedurfte gar vieler Nachmittage, um des umfangreichen Werkes einiger maßen Herr zu werden), wie ich denn überharwt schon seit längerer Zeit die Erscheinung Richard Strauß', des damals noch heftig umstrittenen und besonders auch in Leipzig voll Wut bekämpften Tondichters mit leidenschaftlichstem Interest« umfaßt hatte. Wäh rend ich emsig an dem Werk studierte: — „ein Fremder trat da herein'': ein Besucher, den der Bibliothekar, Dr. Emil Vogel, der inzwischen ver storbene bekannte Bibliograph, besonders bewill kommnete und, seine Arbeit unterbrechend, durch die Gänge und Säle geleitete, um dem Gast die Ein richtung der großartigen Sammlung, ihre hervor ragendsten Seltenheiten an Autograpbcn, an alten Drucken und Bildern zu zeigen. Solche Besuche kamen häufig vor und wurden von niemand weiter beachtet. Auch rch hatte die Anwesenheit des so respektvoll emp fangenen Fremden schon längst vergessen, als Dr. Vogel plötzlich zu mir bintrat nnt dem Be merken, Richard Strauß — denn dieser war der Fremde — wünsche mich kennen zu lernen. Man denke sich die an Bestürzung grenzende Ueberraschung des Sechzehnjährigen, der im Begriff steht, sein künstlerisches Idol leibhaftig schauen, zu dem in phantastischster Weis« bewunderten, mit dem ganzen dumpfen Ueberschwanq der Jünglingsjahre verehrten Meister sprechen zu dürfen. Wie ich später von Dr. Vogel erfuhr, war da« so gekommen: Beim Rundgang Lurch die Büchersäle hatten der Besucher (der gerade zur Leitung eines «infoniekonzertes nach Leipzig gekommen war) und sein Führer natürlich auch jen« Abteilung passiert, die dr« modernen Partituren barg. Angesichts der klaffenden Lücke in der Reihe der Strauß-Partituren erzählte Dr. Vogel, auf die naheliegend« Frag« des damals noch lang nicht in d«m Grad« wie beute be» rühmten Autors, daß sich unter den regelmäßigen Besuchern der Bibliothek «in Schüler vom Nikolai» gymnasium befinde, der bereit» all« Strauß Parti turen studiert habe und jetzt beim „Guntram an» gelangt sei, den er seit Wochen mit Beschlag belegt habe. Strauß zeigt« sich interessiert oder mindestens amüsiert; und als Dr. Vogel mich bei der Rückkehr in den Lef«saal an meinem gewohnten Platz bemerkte, oder vielmehr di« mächtige Partitur auf dem Lese pult, hinter der meine halbwüchsige Peckson zu ver muten war, stellte er mich dem „Meister meiner Wahl" vor. Was ich dabei gesagt habe, konnte ich mich hernach nicht mehr entsinnen. Sehr zusammen hängend und wohlgesetzt dürfte meine Red« nicht a«- wesen fein. Jedenfalls aber ging daraus deutlich hervor, daß ich Verfasser einer ganzen Anzahl Kom positionen war; denn die Unterredung schloß mit einer Aufforderung Straußen», ihm ein« meiner Ar» beiten M schicken. . Ich wählt« Las letzte meiner „Werke", eine Sin- fonisck)e Dichtung natürlich, und eine nach Ibsens „Rosmersholm" obendrein. Eine Stoffwahl, di« zu einer Zeit, da Ibsens Werke in der schulbehördlichen Abstempelung noch unter d«r Kategorie: „ungesunde dekadente Erzeugnisse d«s sensationslüsternen Aus- lanoes" rubrizierten, nicht unbedenklich schien. Sonder Sch«u und Zagen sandte ich meine Partitur nach München, wo Richard Strauß vor kurzem die Nach folgerschaft Hermann Levis angetreten hatte, und schon nach wenigen Wochen erhielt ich einen Brief von ihm, in dem er, nebst dem warmen Ausdruck seiner Freude über die kräftige Talentprobe, mir kurz und bündig mitteilte: Er führe mein Werk in der nächsten Sanon in Leipzig auf, am soundsovielten November, im soundsovielten Liszt-Vereins-Konzert. Richard Strauß, d«r schon damals die Begriffe ,,Reise dirigent" und „Rcigerdirigent" nicht identifizierte, sondern sich oft und gern auch für unbewährt« Neu- heten einsetzte, hielt Wort — eine Tatsache, die man chen nach seinen Erfahrungen bei anderen musikali schen Machthabern ganz legendarisch anmuten dürfte — er brachte da« Werk des Siebzehnjährigen zur Aufführung, mit so günstigem Resultat und so glück lichen Nachwirkungen des Erfolges, daß von da ab meine musikalische Laufbahn außer allem Zweifel stand. So wurde ich Musiker; und nicht nur im Sinn« d«s hier erzählten äußeren Zufallsspieles: Denn aus den Ausstellungen, di« mir Strauß nach der Auf- führung an der Hand meiner Partitur machte, aus seinen Anweisungen, wie es -«ster zu machen sei, ging mir ein Licht auf gerade über wesentlichste kiinst- leriiche Dinge, über solche, von denen man im Kom- positioneunterricht nichts erfährt; ich gewann daraus Einblicke in W-fen und Technik unserer Kunst, die bis zum heutigen Tag« einen entscheidenden Einfluß aus mein musikalische» Dichten uitd Trachten aus geübt haben. Sucht rmü kvlllenlcksst. Dir Ausprslmngrn von Abydos. Der Name Abydos hat in der Geschichte und Altertumskunde Aegyptens einen besonderen Klang. Die in Oberägypten unweit vom Nil gelegene Stadt, deren Ruinen seit langem die Aufmerksamkeit der Aegyptologen auf sich gelenkt haben, blickt auf ein Alter von wenigstens vier Jahrtausenden zurück, und die dort errichteten Bauten hatten zum Teil im Altertum eine solche Berühmtheit, daß sie auch bei den griechischen Schriftstellern erwähnt werden. Die Forschungen an diesem Platz scheinen noch lange Nicht am Ende ihrer Enthüllungen angelangt zu fein. Seit drei Jahren hat der englische Fond« für die Erforschung Aegyptens wieder regelmäßige Aus» grabungen in Abydos unter der Leitung von Piofessor Naville ausführen lasten, die zu einer Folge wichtiger Entdeckungen in der großen Totenstadt geführt haben. Die Gräber, auf die man gestoßen ist, umfassen dem Alter nach die ganze Zeit von der vordynasttichen Periode bis zum Römerreich. Besonders merkwürdig sind in der neuesten Kampagne die Funde aus dieser spä testen Zert gewesen. Das großartigste Beispiel eines Römergrabes be» stand aus einer gewölbten Kammer aus Lehmziegeln, die fast völlig im Sande vergraben lag uno vielleicht deshalb von Räuberhand unberührt geblieben war. Auf dem Boden fanden sich zwölf schwere Särge aus Kalkstein mit sorgfältig versiegelten Ueberzügen und in jedem eine Mumie mit einer völlig frtich erichei» nenden Bemalung in Blau und Gold. Als höchst wertvoll wird auch das Grab einer Frau aus der zweiundzwanzigsten Dynastie beschrieben, deren Mumie mit prachtvollem Schmuck ausgestattet war. Unter diesem befand sich ein Ring mit fünf Skarabäen, deren einer den Namen von Sisak, dem Eroberer Jerusalem», trua. Auf der Nase der Mumie lag noch ein kleiner Nasenring aus Silber. Ein anderes Grab war besonders durch einen Skarabäus aus Amethyst ausgezeichnet. Mit Beginn des Jahres sollten die Ausgrabungen auf den unterirdischen Tempel des Königs Meneptah ausgedehnt werden, der als Pharao der Bibel gedeutet wird. * * Ein« sehr interessante Entdeckung machte der englische Mrnen-Jngenreur Pritchard, der zu Land» vermesjungsarbeiten in die Nähe der Wüste Kalahari geschickt worden war. Er fand eine Berglehne, die zum größren Teile aus reinem Jaspis bestand, und außerdem den ersten Miser, den man bisher in Südafrika entdeckt bat. Bei einem seiner Ausflüge im Betkefeld-Distrikt stieß er in einer schmalen Berg schlucht auf eine Kolonie von 9 Burenfamilien. Gr wußte sich das Vertrauen dieser Leute, die ohn« Gesetz, ohne Obrigkeit und ohne Priester ein para diesisches Dasein führten, zu erwerben. Auf merksam gemacht durch ihre Erzählungen, ließ er sich vomrhnen tiefer in die Schlucht bineinfiihren. Die flüchtige Untersuchung, die er auf seiner Wanderung an Gesteinsproben vornahm, überzeugte ihn von dem Jaspis-Reichtum der Berglehne. Schließlich brachte ihn sein Führer zu einer großen Erdöffnung, aus der ein donnerähnliches Getöse drang und von Zeit zu Zeit ein dicker Wasserstrahl in die Luft schoß, sich in großer Höhe brechend. Mr. Pritchard erstattete eingehenden Bericht über seine Entdeckung an di« Köniost. Geographische Gesellschaft in London. * vany s. Nach einem Telegramm aus New Port ist der dänisch« Schriftsteller Hermann Banq, der sich auf einer Vortragsreise nach Kalifornien befand, i« Ogden llltah) gestorben.
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