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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.07.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120706022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912070602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912070602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-06
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
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BrzugL-Prris Ar Leh>,ta »«d «or»«e durch »ul«» Trager und Soediteur, 2«al täalich in» Sau, gebracht: «i VI. »»naiü, LTV Ml. »terteliöhii. Bei unlenr Filiale» u. Lu» nahmestellen abaehoU: 78 Vs. ««utL. L»«t. vtarrrlsichrl. »«ch »t« »,»: innerhalb Drutschland» und der dr»tsch«n Kolonien vierteljährl. 8.80 «k.. monatl. 1^0 Ml. aailchl. Poktdestellaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donausraaten, Italien, Luxemburg, Niederland», Nor» wegen. Oellerretch. Ungarn, Ruhland, Schweden und Schwei». In allen übriae» Staaten nur direkt durch di« Gelchast». stell» d«» Blatte» erhältlich. Da» Leip,t,er Ta,«blatt «richrtnt Lmal tLgltch. Sonn- u. Feiettag» nur margea». Abonnement»«Lnnahm»: Johanni»,»II« 8, dei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Gt»»«lo«rka»f»»ret» 10 Ps. Abend Ausgabe Sankkonto: Postscheikkonl» Lei»»«, 8Z8. l 14892 (Nachtanschlu») TeU-^nschl. i 14 893 > 14894 voftsche«ont» 8«t»,i, «08. l Allgemein« Deutlch» Lredtt» . 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Istlrgsng Sonnsdenü, üen 6. Juli 191? Die vorliegende Ausgabe umfaßt 1V Setten. vss Wichtigste. * An Bord der „HohenzoNern" in Baltisch-Port fand gestern abend Festtafel statt, zu der zahlreiche Einladungen ergangen waren. (S. Les Artikel.) * In Rom ist das Gerücht verbreitet, Ita lien strebe für die ägäif ch en Inseln ein Protektorat der Mächte an. (S. Ausl.) * In Kanton bereiten sich Unruhen vor. (S. Ausland.) * In Amerika ereignete sich schon wieder ein schweres Eisenbahnunglück, das zahlreiche Opfer forderte. (S. Tageschr.) LsilermsnSver lS12. Einen nicht unwesentlichen Bestandteil der Vor arbeiten für das Kaijermanöver bildet die Sicher stellung der Verpflegung für Mann und Pferd Sämtliche Fußtruppen sind mit Feldküchen aus gestattet, die das Essen während des Marsches kochen und bei passender Gelegenheit, d. h. längeren Rasten, Gefechtspausen oder abends im Biwak ausgeben. Der grosse Vorteil der Feldküchen liegt aus der Hand. Die Truppe kann in jedem Augenblick ver pflegt werden und ist nicht gezwungen, nach den Angrengungen des Tages das Essen erst zuzube reiten. Die Marschleistung der Truppen wird erheblich gesteigert, wenn sie wabrend der Rast gegessen haben oder wenigstens mit Kaffee versorgt worden sind. Die berittenen Truppen führen eine volle Mund portion und Haferration zum täglichen Verbrauch mit sich. Die Mannschaften der berittenen Waffen müssen sich also das Essen selbst zubereiten, sind dafür aber auch nicht jo ermüdet, wie die Fußtruppen. Trotzdem ist es erwünscht, dass auch die berittenen Truppen allmählich mit Feldküchen ausgestattet werden. Die Ergänzung der Verpflegung für Fuß- und berittene Truppen erfolgt täglich durch Verpflegungs und Lastkraslwagen-Kolonnen, die kriegsmäßig nach geführt werden. Diese Kolonnen füllen sich wieder neu aus Eisenbahnzügen, die auf den Linien nach gezogen werden, die im Belitz der Parteien sind. An Verpflegung werden neben Brot und Kaffee, hauptsächlich frisches Fleisch und Konserven (Fleisch-, Gemüse- und Milchkonserven) ausgegeben. Eine Verpflegung der Truppen durch die Bevölkerung tritt also während des Kaisermanövers überhaupt nicht ein. Die Biwaksbedürfnisse an Stroh und Holz wurden in den letzten Jahren von den Truppen selbst in Ortschaften angekauft, die in der Nähe der Biwak plätze liegen. Auf diese Weise konnte auf Mitführen der sogenannten Viwakkolonnen verzichtet und die Truppe freier und unabhängiger in ihren Be wegungen gemacht werden. Auch Kartoffeln und Heu werden an Ort und Stelle angekauft. Durch diese Ankäufe wird dem am meisten durch das Ma növer belasteten flachen Lande eine gewisse Ent schädigung zuteil. Vielfach hört man nach Schluß der Kaisermanöoer das Urteil, daß die Anstrengungen für die Truppen sehr groß gewesen seien. Dieie Tatsache wird ohne weiteres zugegeben. Führer wie Truppen sind sich aber darüber klar, daß sich im Kaisermanöver Höchst leistungen nicht nur nicht vermeiden lassen, sondern sogar rm Interesse unserer Truppenausbildung ge fordert werden müssen. Die Kaisermanöver stellen immer bochgeplante Augenblicke kur« vor einer Waffenentschcidung. d. h. Kriegslagen bar. rn denen die grösste Anspannung aller Kräfte gefordert werden muß, um den Sieg zu erringen. Die Tage der Kriegshandlungen, in denen nur Märsche zurückgelegt werden und die Schonung der Truppe in den Vordergrund tritt, können in einem Kaisermanöver nicht ausgeführt werden. Dazu fehlt es an Zeit und Mitteln. Die Truppen werden während der ganzen dem Kaisermanöver vorausgehenden Ausbildungsperiode auf die bevor stehenden Anstrengungen vorbereitet und waren diesen stets in vorzüglicher Weise gewachsen. Trotzdem müssen natürlich unnötige Anstrengungen vermieden werden. Hierzu kann das Publikum nicht unwesent lich beitragen. Alljährlich mehrt sich die Zahl der Zuschauer, die im Kraitwagen den Truppen folgen und an den Marschkolonnen entlang fahren Die Insassen bedenken dabei nicht, daß sie durch den aus wirbelnden «taub die marschierende Truppe be lästigen. Es ist daher im Interesse unserer Truppen dringend zu fordern, daß die Kraftwagenbesitzer aus unbenutzten Nebenwegen die Truppe überholen, an statt unmittelbar an den Marschkolonnen entlang zu fahren. Die Asllerkegegnung in Baltisch-Port. Baltisch-Port, 6. Juli. Gestern abend 8 Uhr war Tafel an Bord der „H o h e nzo l l e r n". Kaiser Wilhelm empfing den Kaiser und die Kaiserin von Rußland sowie die Prinzessinnen-Töchter am Fallreep. Er geleitete die Kaiserin in den Speisesaal, wo die Tafel mit reichem Schmuck und herrlichen dunkelroten Nelken «kotiert ipar.., Rechts von Kaiser Wilhelm saßen zunächst die Kaiserin von Rußland, Prinz Adalbert, die Großfürstin Tatjana, Botschafter Graf Pourtales, die Groß fürstin Anastasia uns General von Tateschtschew, links die Großfürstin Olga, Großfürst Nikolaus Niko lajewitsch, Großfürstin Maria, Oberhofmar- fchall Graf Eulenburg, die Hofdame Fürstin Obo lenski und Wirklicher Geheimer Rat v. Dalentini. Gegenüber vom Kaiser saß der Kaiser von Rußland. Rechts folgten zunächst Reichskanzler v. Bethmann Hollweg, Ministerpräsident Kokowzew. Generaladju tant Freiherr v. Lyncker, Minister des Aeußern Sfasonow und Generaladjutant Baron Meyendorff; links Generaloberst o. Plessen, Hausminister Bacon Fredericks, Admiral v. Müller, Kriegsminister Gene ral Ssucholinow und Marineminister Admiral Gri- gorowitsch. Die Kapelle der „Hohenzollern" kon zertierte. Im Programm befanden sich Stücke von Tschaikowsky, Glinka und Gaiina. Die russischen Herrschaften verließen die „Hohen- zollern" gegen 11 Uhr abends. Nach dem Diner fan den kinematographjsche Vorführungen durch den Photographen Jürgensen statt, wobei u. a. Szenen von der Nordlandreise des Kaisers 1911 und oer MittelmeerreUe 1912 gezeigt wurden. Mißstimmung in der Türkei. Konstantinopel, 0. Juli. Vornehmlich die der Regierung nahestehenoe Presse zeigt ang.sichts der Begegnung von Baltisch-Porr eine merkliche Miß- stimmun g. Das in Frage der auswärtigen Polin! tonangebende Blatt „S a o a h" schreibt: „Unter den gegenwärtigen Verhältnissen kann die Türkei von dieser Zusammenkunft kein günstiges Er gebnis für sich erwarten. Die Begegnung ähnelt stark der von Potsdam. Wird man sich aber mit dem damaligen Ergebnis begnügen? Wenn man die Gefühle der beiden interessierten Kabinette in Rech nung zieht, darr man ein zweites Reval befürchten. Doch solche Möglichkeiten sollen uns nicht schrecken. Genau wie unsere nach Reval unternommenen An strengungen zur Verjüngung der Türkei alle Berech nungen des Auslandes Uber oen Hausen warfen wer den wir jetzt durch einen Konsolidationsprozeß un seren inneren Fortschritt den Staaten, die sich zu Verteidigern unserer Rechte machen, ihre Aufgabe erleichtern." Das Blatt erwartet mit Bestimmtheit, daß Zar und Kaiser bei dec Prüfung der Richtlinien ihrer Politik die Ge fühle der Ottomanen nicht unberück sichtigt lassen werden. der Gelsnüten-Wechlel in Lillatwn. Seit der Abreise des langjährigen bewährten Gesandten Grafen v. Tattenbach aus Lissabon zu Weihnachten 1908 wird nun in der Person des Dr. Rosen bereits der dritte deutsche Gesandte in Lissabon sein Amt als Vertreter des Deutschen Reichs übernehmen. Wenn man in Betracht zieht, daß der Posten in Lissabon ungen her eigenartigen politischen Lage, wegen der vielseitigen kolonialen und finanziellen Beziehungen zu den wichtigeren «e- hört, die Deutschland zu besetzen hat, so muß man be dauern, daß ein so häufiger Lvechsel auf einem un zweifelhaft recht schwierigen Posten eintreten mußte. Leider hat tatsächlich eine ernsthafte Krankheit unseren letzten Gesandten, den badischen Freiherrn v. Bodman, veranlaßt, schon seit Monaten Lissabon fern zu bleiben, und dadurch mußten wir seine Mit wirkung, die infolge seiner großen Rührigkeit «ine recht wertvolle war, gerade in schwierigen Zeit läuften entbehren. Dem nunmehrigen Gesandten Dr. Rosen geht ein sehr guter Ruf voraus, so daß anzunehmen ist, daß er sich in die ihm bisher unbekannten, eigen artigen und verzwickten Verhältnisse Portugals bald genügend einarbeiten wird: doch kann das Be dauern darüber nicht unterdrückt werden, daß die deutsche Regierung konsequent alle Gesuche um Ent sendung eines Berufskonsuls, oder bester Handels sachverständigen bzw. Kolonialattachös nach Lissabon abgelehnt hat, obwohl ein solcher unparteiischer Be rater nicht nur bei den häufigen (tzesandtenwechseln und Beurlaubungen von großem Vorteil hätte sein können, sondern auch diejenigen empfehlenswerten Wege hätte betreten können, die weder von dem Gejandtjchastspersonal, noch vom Wnhlkonsul einge schlagen werden können. Dies« ablehnende Haltung ist kaum anders zu erklären, als daß die zur Aus- kuufterteilung herangezogenen größten kaufmänni schen Firmen ein Interesse daran hatten, eine solche Ernennung und die damit zu erwartenden Berichte, durch die noch weitere Kreise auf das durch Kolonial produkte usw. lukrative portugiesische Geschäft auf merksam gemacht würden, zu Hintertreiben. Da durch ist aber auch die dringend notwendige Be arbeitung der umfangreichen portugiesischen Ko lonialliteratur in sanitären, militärischem und wirt schaftlichen Fragen zur Informierung der die por tugiesische Sprache nicht beherrschenden deutschen Interessenten leider unerledigt geblieben. Ein solches Werk, welches das schon vorhandene historische Werk Zimmermanns ergänzen würde, kann nur mit regierungsseitiger Unterstützung verfaßt werden, denn anderseits würbe der Verfasser mit Verlust abeiten. Di« Wahl des neuen Gesandten, der zwar die Verhältnisse im Orient kennt, für die portugiesischen Angelegenheiten aber keine speziellen Vorkcnntnist« mitbringt, verrät wiederum nicht gerade eine be sondere Umsicht. Lin devarltehenüer Lohnksmpl lm Laugemerbe? Man schreibt uns: Der inzwischen erfolgte Zu sammenschluß der Arbeitgeber im Baugewerbe hat erneut zu der Behauptung Anlaß gegeben, daß mit dem Ablauf des geltenden Tarifvertrages am 31. März n. I. mit größter Wahrscheinlichkeit auf den Ausbruch eines Lohnkampfes zu rechnen sei. I n beteiligten Kreisen wird diese pesii- mistisch« Auffassung durchaus nicht un bedingt geteilt. Es ist in dieser Beziehung immerhin zu berücksichtigen, daß für das Baugewerbe ein ZentraiMedsgitricht vorhanden ist, das für den Abschluß eines neuen Tarifvertrages sehr wertvolle Dienste zu leisten imstande ist. Das ursprünglich aus 3 Mitgliedern bestehende Hentralschiedsgerüht ist kürzlich um 2 Mitglieder verstärkt worden. Ihm ge hören gegenwärtig an: Generaldirektor Dr. Prenner- München, der an die Stelle des nach Japan beurlaub ten Geh. Regierungsrats Dr. Wiefeldt getreten ist, ferner Oberregierungsrat Mayr München, die Ma gistratsräte v. Schulz uno Wölbing-Beclin und Rath- Esten. Um die Aussichten für den Abschluß eines neuen Tarifvertrages) beurteilen zu können, muß man sich der Beoingungen erinnern, unter denen im Juni des Jahres 1910 der große Streik im Bau gewerbe durch Entscheinung des Schiedsgerichtes be endet wurde. In bezug auf die Arbeitslöhne wur den die tariflichen Sätze allgemein um 5 Pf. erhöht, in Orten mit weniger als 5000 Einwohnern um 4 Pf. Dabei trat di« Erhöhung um 1 Pf. sofort, um weitere 2 Pf. am 1. April 1911 und um den Rest am 1. April 1912 in Geltung. Man war sich dabei bewußt, daß eine solche schematische Regelung war nichts Neues. von Frühling zu Frühling. 23s Roman von Erich Ebenstein. (Nachdruck verboten.) Meta hatte Frau ihr von der alten friedlich um den Dann saßen sie alle vier — Lengler gebeten, zu bleiben und Frau Bettina zu erzählen — Kaffeetisch. Was Frau Lengler erzählte, Sie kam jede Woche einmal zu der alten Frau hin aus und wunderte sich über die Zähigkeit ihrer Kraft. Schon vor Jahren hatte man gemeint, daß sie es nicht mehr lange machen würde, und im Grunde war sie heute nicht viel schlechter daran als damals. Atemnot, schloflose Nächte und gelegentliche Schwächeanfälle hatten äußerlich wohl Spuren Hinter lasten, aber innerlich schien sie noch ganz frisch und ungebrochen. In Herminenruhe war sie seit dem Tode des jungen Herrn nur einmal gewesen, um die Dienst boten abzulohnen und den Hausstand aufzulösen. Es gab nun weder Pferde und Wagen noch Glashäuser. Den Park pflegte zur Not Herr Lengler und das Haus hielt seine Frau im Stand. Meta wußte dies alles. Burger hatte es ihr geschrieben. Dennoch hörte sie der Alten mit einer gewissen Behaglichkeit zu, und das Gefühl des Da heimseins wurde immer stärker in ihr. „Wer ist denn draußen bei Mama?" fragte sie. „Wer pflegt sie?" „Die alte Lott, ihre ehemalige Kammerfrau, Lina Lott. Ach Gott, die ist nun auch schon an die Sechzig, ja, ja, wir werden alt! Und Lorinser ist noch draußen — der alte Lorinser. Gnädige Frau wer den sich gewiß noch erinnern an ihn? Er war einmal Kutscher hier in Herminenruhe, den hat sich Frau Petermann mit hinausgenommen, er ist Gärtner, Portier, Diener — kurz alle» in allem." Meta erinnerte sich genau an Lorinser. Das glattrasierte, markante, immer etwas grämliche Ge sicht — die dünnen Beine, auf denen er sich beim Gehen so eigentümlich wiegte .. . ein« Seele treu wie Gold. „Jetzt ist er natürlich schneeweiß" lacht« Frau Lengler, „und noch schweigsamer als früher. Sie sind alle schweigsam in der Villa Par." Um zehn Uhr schickte Meta um einen Wagen. Sie hatte beschlossen, Konradchen vorerst nicht mitzu nehmen, es könnte di« alte Frau zu sehr aufregen. Lena sollte mit ibm im Dark bleiben. Wenn sie bi. Mittag nicht zurück sei, möge sie nach Tisch mit dem Kinde nachkommen. Sie beschrieb Lena noch, wohin sie dann zu fahren habe, und nahm Abschied von ihr und dem Knaben. Das Herz klopfte ihr doch unruhig während der Fahrt. Wie würde sie empfangen werden? Mama mußte sich doch recht verändert haben, daß sie nun selbst nach ihr verlangte. Endlich hielt der Wagen vor der kleinen einsamen Villa. Die Bäume waren so herangewachsen, daß man von der Straße aus nichts sah als das breite Einfahrstor und ein Stück hinter dem Gitter. „Pax" stand in großen verblichenen Eoldbuch- staben darüber. Ob wirklich der Friede hinter diesen Mauern wohnte? Das Wiedersehen mit Lorinser war beinahe rührend. Tränen standen in seinen verblaßten Ereisenaugen, als er Meta erkannte, und auch sie fühlte sich beinahe erschüttert durch seinen Anblick. So vieles Vergangene wurde lebendig dabei. War es nicht Lorinser gewesen, der sie in jener Wei nachtsnacht zu Frau Bettina hinausgefahren hatte? Nun kam Frau Lott getrippelt. Sie war stark und ziemlich unbeholfen geworden, aber in ihrem Blick lag noch Siejelbe Gutmütigkeit uno Treue wie einst. Auch sie weinte. „Ach Gott, ach Gott", stammelte sie, „welche Freude wird die arme gnädige Frau haben! Sie hat so oft von Konradchen gesprochen und von seiner lieben Mama in der letzten Zeit. Haben Sie denn den Kleinen nicht migebracht, gnädig« Frau?" „Doch, liebe Lina. Aber ich dachte, beide wären wir zu viel fürs erstemal?" „Freilich, freilich, sie ist recht schwach — ich muß sie nur gleich vorbereiten, denn wenn « auch eine Freude ist — zu plötzlich darf's nicht über st« kom- men." Sie führte Meta in «inen Salon und bat sie zu warten. Frau Petermann bewohnte nur das Hochparterre ihrer Villa. Im Erdgeschoß lagen Küche und Wirt« schaftsräum«, im ersten Stock ein paar leerstehend« Fremdenzimmer. Schon nach fünf Minuten kam Frau Lott zu rück und bat Meta freudestrahlend, ihr zu folgen. Und dann stand sie auf einmal vor einer ver- schrumpften kleinen Frau, die die Arm« um sie schlang, während ihr die Tränen über die runzstgen Wangen kollerten. Dreizehntes Kapitel. Sie saßen einander gegenüber in Frau Bettinas Gemach an einem der drei großen Fenster, die in den Garten gingen. Es war geräumig, luftig und gegenwärtig voll Sonne, dieses Gemach, das alles war: Salon, Wohn zimmer und Schlafraum. In einer Ecke, nahe dem Kamin aus rotem Porphyr, stand hinter goldgestickten japanischen Wänden das Bett. Gegenüber am Pfeiler die rote Plüschgarnitur mit Ebenholzrahmen und Perlmut tereinlagen, die Meta von Herminenruhe aus kannte. Darüber hing in leuchtendem Farbenzauber ein echter Rubens. Ein paar Palmen wölbten sich über den großen schmucklosen Schreibtisch, der in des alten Peter- manns Arbeitszimmer gestanden hatte. Links von der Tür war ein Piano und gerade gegenüber in der Nische des dritten Fensters standen Frau Bettinas Nähtisch und Armsessel, der Platz, an dem sie den grüßten Teil des Tages zubrachte und zu dem sie nun auch Meta geführt hatte. „Es plaudert sich bester hier als dort aus dem Soka", meinte sie lächelnd, „und wir haben doch so viel zu plaudern! Du wirst dich wundern, wie schwatzhaft ich geworden bin!" Meta wunderte sich schon ietzt. Dieser weiche Ton, in oem Frau Bettina sprach, uno der warme klare Blick, der so gütig auf ihr ruhte, waren ihr völlig neu. „Wenn ich geahnt hätte, Mama, daß du mich noch ein wenig lieb hast — wie gern wäre ich schon längst gekommen. Aber ich dachte —" „Ja, ja", Frau Bettina streichelte Metas Hand und ein kleines Lächeln umspielte ihre blaffen Lip pen, „ich wollte nichts von dir wissen, seit... und das war töricht von mir! Ich hätte es ja begreifen müssen! Siehst du, es ist alles so merkwürdig ein- fach, wenn man alt wird. Nur, daß man's früher nicht sehen kann . . . aber nach und nach fallen di« Schleier, die einem den Blick trüben, und auf einmal ist alles rundum klar und einfach. Dir ist viel Un recht geschehen in unserem Haus« — willst ou ver suchen, es zu vergessen?" „Es ist längst verblaßt, Mama. Aber das Gute, das ist gewachsen in der Erinnerung ... und ich meine, dafür kann ich dir gar nie genug danken. -- Vu -"ßi'.r, wie mich hier bei dir alles an heimelt. Wie dankbar ich bin, daß ich kommen durfte . . . Frau Bettina hob den Kopf und blickte ihre Schwiegertochter lange an. Dann nickt« sie. „Freilich — das ist auch eine der Merkwürdig keiten des Lebens, daß der Mensch nie etwas Fer tiges ist, sondern unaufhörlich wird ... er mag so alt werden wie er will, immer noch ist er im Werden. So kommt es dann manchmal, daß zwei, die sich früher nicht finden konnten, in irgend einem Sta dium dieses Werdens einander plötzlich ganz nahe kommen. Ich habe mich lange aller Welt verschlossen und jetzt ist mir, als müsse ich sie suchen, als hätte ich vieles versäumt abseits von hier. Dir aber ist es, als hättest du mitten drin etwas versäumt und mühtest es nun abseits suchen. Dabei müssen wir uns begegnen." Meta staunte immer mehr. „Wie gut du in andern zu lesen verstehst, Mama!" „Jetzt erst, mein Kind! Ich wollte, ich hätte es früher immer gekonnt! Da verstand ich nur, in der Seele eines einzigen zu lesen . . . und als mein Mann tot war, meinte ich, mit der Ehe sei nun auch alles Leben für mich zu Ende. Denn eine wahre Ehe ist ein wahres Leben. Heute glaube ich, daß eine wirkliche Ehe — wie sie zum Beispiel Konrad und mich verband, mit dem Tove des einen nicht zu Ende ist — daß sie überhaupt nie zu Ende sein kann." Wieder huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht, während ihr klarer Blick unverwandt auf Meta rubte. „Du brauchst nun natürlich nicht zu denken, daß ich Spiritistin bin. Ich meine das ganz ohne Hinter gedanken. Es gibt ein Einswerden im Geiste, das nie erlischt. Aber nicht davon wollte ich heute zu dir sprechen, Meta, sondern von realen Dingen. Es freut mich, daß du gekommen bist und wir es in Ruhe be sprechen können. Siehst du, als ich früher meinte, dir sei Unrecht geschehen in unserem Hause, dachte ich nicht bloß an seelisches Unrecht. Du hast Niki geheiratet in der Ueberzeugung, «ine glänzende Partie zu machen —" „Nein, Mama Ich glaubte ihn zu lieben. Ich wollte ihn ehrlich lieben, auch dann noch, als ich sah —" „Und du konntest nicht! Ich glaube dir, Meta. Heut« begreife ich es ja ganz gut. Er war «in Lebe- mann, zynisch und frivol — du ein reines junges Wesen voller Ideale — es war nicht möglich. Viel- leicht wäre es später bester geworden, aber darüber zu grübeln, Hai heute keinen Sinn Heute hast du ein neues Glück gefunden, ein wirkliches hoffent- lich... - (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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