Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.08.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120801018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912080101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912080101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-01
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
SeUr 2. Nr. 3S8. los. Iahrgsng. di« Regierung -le Frag« na-eltegend, ob st« nicht im Zinn« -«« schon vorbereiteten milden Erlasses oorg«h«n sollte. Wenn di« Regierung überzeugt war, daß das Gesetz von einem großen Teil der Be- oölkerung schwer empfunden würde, dann konnte es nicht unzulässig sein, wenigstens für eine Milderung der Auefuhrung «tnzutrelen. Da der Bundesrat keine authentische Interpre tation der Ordenstittigkeit der Jesuiten gegeben hat, so konnte es keiner Bundesregierung verwehrt werden, diese, Gesetz so auszulegen, wie sie es für richtig hält. Nun sollen wir gegen die Neichseinhcit verstoßen haben. Wir waren der Meinung, daß wir voll kommen berechtigt waren, so vorzugehen, und erstmals wir sahen, welch große Erregung, vielfach künstlich geschürt, entstanden war, sagten wir uns, »venu wir uns auf falschem Wege be funden haben sollten, dann iverden nur den Bundesrat aussordcrn, den Begriff der Lrdenstäüg- keit zu interpretieren. DaS war ein durchaus lo yales Verhalten der StaatSrrgierung, und von der Reict-sleituna wird dies Verfahren vollkommen an erkannt. Ich sehe also nicht ein, was die Blamage der Negierung ist. Wir Haven nur ein Gesetz, das von wetten »kreisen als ein ungerechtes Ausnahme gesetz bezeichnet lvird, mildern wollen und haben di« »ur Interpretierung berufene stelle angerufen. ES bandelt sich jetzt darum, wie die Entscheidung au-fallt. Die Blamage kann sich auch gegen andere »kreise richten. Dieser Ausdruck ist entschieden zu scharf. Gras Törring hat gemeint, daß wir gegen den früheren Minister von Wehner nicht mit voller Ritterlichkeit verfahren sind. Auch das iveisc ich zurück, denn ich habe selbst erklärt, daß ich die ganze Verantwortung für den Erlas; über« nehme, schließlich hat Graf Lörrmg die Bitte um Schutz an die Neichsregiernng ansgefproäM. So «ine große Gefahr sind die Jesuiten nicht, daß man die NcichSleitung nur Schutz anzurnfcn braucht. Selbst wenn ein Jesuit nicht nur im Wirts haus, sondern auch auf der Kanzel seine Vorträge hält, glaube ich nicht, daß jemand so gefährdet lvird, das; er den Schutz der NcichSleitung anzu rufen braucht. Von einer Störung des konscssio- netten Friedens durch die Jesuiten kann in Wahrheit nicht die Rede sein. Der Minijler ging dann ans daö Jesuitengcsctz von 1872 ein, für dessen Notwen digkeit man bisher immer noch die Beweise schuldig geblieben sei. Von einer sriedenstvrenden Tätigkeit der Jesuiten habe inan nirgends etwas gespürt. Ausgegangeu und angeregt sei das Gesetz vom Protestantenverein; der sei dock selbst eine Gefährdung des konfessionellen Frie dens gewesen. Wenn jetzt ein großer Teil der Be- Mlkernng die Nückbcrufung der Jesuiten wünsche, A- sehe er nicht ein, warum dadurch eine Ge- Mhrdung des Friedens zu befürchten sei. Reichsrat Freih. von Schnurbein erklärt sich Mt der Praris der Negierung in betreff der Nicht- Mätigung sozialdemokratischer Bürgermeister ein« Mffleichsrat Prinz Georg von Bayern Wtte aus: Ich teile die Stellungnahme WMWtaatsregierung in der Jesuitensrage -MWrumen, und ich gehöre zu den Bayern, die die -WWA der Jesuiten als wünschenswert betrachten. Ä» »Mtzctiges Vorgehen wie das des Grafen zu TDrrKtM^vie Unterstützung der Reichsleitung anzu- rtM^Hvt meines Wissen» in der Geschichte unseres HmW» keinen Präzedenzfall. Ich halt« diese, Bor« gehWfür bedauerlich und unbegreiflich, und ich denke oolt Her geschichtlichen Selbständigkeit Bayerns viel zu hoch, als daß ich es für nötig -alt«, die Reichsleitung um Schutz curzugehen. Xeilhsrat Dr. Ritter o. Schanz: Bezüglich -«« Hßsuitenerlasscs sei es ein taktischer Fehler aewq-n, daß das Ministerium mit dem Erlaß seine Tätigkeit begann. Es muhte wissen, daß es von vielen im Lande als ein Parteiministerium auf« gefaßt wurde. Retchsrat Graf Crailsheim: Es ist voll ¬ berechtigt gewesen, wenn ich im Ausschuß ausgeführt habe, daß oer Jesuitenerlaß nicht dazu beitrage, das Programm des Ministeriums zu fördern, ein Pro gramm, das darin zu bestehen habe, die durch den Wahlkampf erregten Gemüter zu beruhigen. Die Regierung hätte zunächst «inen Antrag an den Bundesrat wegen einer neuen Interpretation des Gesetzes stellen sollen, da si« nicht wissen konnte, ob der Bundesrat sich mit einer Milderung einverstanden erklären würde. Leipziger Tageblatt ) >en tz- Reichsrat Fürst zu Löwenstein-Wert- beim-Rosenberg wendet sich gegen di« Aus- führungen des Grasen zu Törring. In Berlin werde man sich wundern, wie demütig und be scheiden man in dem angeblich so partikularisti. schen Bayern geworden sei, wenn man sogar den Schutz «iner anderen Regieruna brauche gegen di« eigen«. Bolk und Klerus empfänden da» Jesuiten gesetz al, «ine Schmach und wünschten seine baldige Aufhebung. Reichsrat Erzbischof Dr. Bettinger: Ich kann offen erklären, daß in bezug auf die Jesuitenfrage unter den deutschen Bischöfen nicht di« geringst« Meinungsverschiedenheit besteht und daß der ge samte katholische Klerus in Deutschland mit ver schwindenden Ausnahmen auf feiten der Bischöfe steht. Minister des Innern Dr. Freiherr v. Soden erklärte, er nehme an, daß das Haus mit der Hal- tung der Regierung in der Frage der Nicht bestätigung sozialdemokratischer Bür germeister einverstanden sei. Mit aller Entschieden heit müsse er die Aeußerung zurückweisen, die Graf Törring gegenüber dem gegenwärtigen Mini sterium in der Jefuitensrage gemacht habe. Das An- suchen eines Schutzes der Reichsleitung sei um so weniger angezeigt, al, die Ttaat-regieruug Veran lassung genommen habe, sich an den Bundesrat zu wenden, um die Entscheidung herbeizuführen, die alle« notwendig erscheine. Oberkonsistorialpräsident Reichsrat von Bez- z e l erklärte, den protestantischen Theologen werde es schwer, sich ein Urteil zu bilden, weil anerkannte Katholiken jo bedenkliche Urteile über die Jesuiten gefällt haben. Man seye in den Jesuiten eine Ge- g e n r e f o r m a t i o n. In diesem Worte seien all« die Sorgen, Aengste und Röte enthalten, die di« pro testantischen Glaubensgenossen im Hinblick auf die neue Wendung der Dinge hegen. Ministerpräsident Freiherr von Hertling be tonte, die Staatsregierung werde alles hintanhalten, was den konfessionellen Frieden stören könnt«, Wir wollen als christlich gesinnte Männer im deutschen Baterlande friedlich zujammenstehcn, und der Je- suitcnerlaß wird gewiß nicht dahin führen, daß vieler mein Wunsch vereitelt wird. Hierauf wurde die Debatte geschlossen. Referent Freiherr von Kramer-Tlctt drückte den Wunsch aus, daß der Anrus einer Hilfe von aus wärts hoffentlich der erst« und letzte in diesem Hause gewesen sei. —Der Etat de» Ministeriums des Innern wurde darauf ohne wesentliche Debatte im ganzen angenommen. Oeutlcher Lchneiüertsg. -lc. Magdeburg, 31. Juli. Die Verhandlungen des 20. Allgemeinen Deut schen Schneidertages wurden am Dienstag zu Ende geführt. Hervorzuheden ist «in Vortrag Les Sekre tärs des „Allgemeinen Verbandes der auf Selbst hilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschafts genossenschaften", Eerichtsassesfor Dr. jur. Lade- Eharlottenburg über das Genossenschafts wesen. — Beachtung verdienen auch die Ausfüh rungen von Hugo Schmitz- Köln über die Beteili gung des Schneidergewerbes an staatlichen und tommunal« n Arbeiten und Lieferungen. Die Lieferung»- und ZahlungSbooingungen der Behörden sind nach dem Redner so ungünstig, daß es den Schnei dermeistern fast stets unmöglich ist, sich an den Liefe rungen zu beteiligen. Will man hier auf Abhilfe hoffen, so müsse man Einfluß bei den gesetzgebenden Körperschaften zu erlangen suchen und handwerker freundliche Personen in das Magistrats- und Stadt- oerorünetenkollegium der Kommunen bringen. Die viel umstrittene Frage der Zugehörig keit zur Innung nach 8 100k Abj. 5 der N.- G.-O. behandelt G. Voigt-Friedenau und stellt schließlich den Antrag, dem 8 100 k Abs. ö folgende Fassung zu geben: „Gewerbetreibende, die mehrere Handwerks- gewerb betreiben, wofür in dem betreffenden Jnnungsbezirk Zwangsinnungen errichtet sind, ge hören derjenigen Innung als Mitglieder an, die für das hauptsächlich von ihnen betriebene Handwerks gewerbe errichtet ist." Der Antrag wurde einstimmig angenommen, eben so ein Antrag des „D e r b a n d e s der Schneider- innungrn Sachsens", der folgenden Wort laut hat: „Unser 31. Derbandstag in Mügeln am 22. Juli diese» Jahres hat auf Antrag der Innung Leipzig einstimmig beschlossen, beim Deutschen Schneidertaa in Magdeburg den Antrag einzu bringen, der den gesetzgebenden Körperschaften zu er wirken zu suchen, daß der da» pfändbare Einkommen behandelnde fi 880 der H.-P.-O. uneingeschränkt durchgeführt wird, daß also jeder 1500 über steigende Einkommensbetrag ausnuhmslos pfändbar ist und jedwede die Verhinderung dieses bezweckende Nebenabmachungen als gesetzlich unzulässig zu be trachten ist." Die Vorstandswahl ergab di« Wiederwahl des Bundesvorstandes. Der Haushaltsplan für 1912-1911, der in Einnahme und Ausgabe mit IS 800 -X abschlteßt, wurde einstimmig genehmigt. Zum Ort für dir nächste Tagung im Jahre 191« wurde München gewählt. Dann wurde die Tagung geschlossen. Deutsches Reich. Zur Nachfolge Dr. von Ottos. lVon unserer Dresdner Redaktion.) Trieben, 1. August. Ueber den Nachfolger de» verstorbenen Staatsministers Dr. von Otto werden bereit» jetzt, besonders in auswärtigen Blättern, die verschiedenartigsten Kombinationen laut. Wie wir schon vor einigen Tagen mitteilen konnten, dürfte in erster Linie für den wichtigen Posten eines s ' " Justizministers Generalstaatsanwalt G;a thum von Eckstädt in Dresden in Frage kommen. An zweiter Stelle wird auch noch der Präsident des Oberlandesgerichts Exzellenz Dr. Börner genannt. Beide Herren sind ganz hervorragende Juristen und haben sich in ihren gegenwärtigen einflußreichen Stellungen ausgezeichnet bewährt. Für die Be rufung des Generalstaatsanwaltes Grafen Viü- thum von Eckstädt, der unverheiratet ist, spricht u. a. auch noch die Talsache, daß sowohl der frühere Finanzminister Dr. von Rüger als auch der verstorbene Justizminister Dr. von Otto von dem Posten eines Generalstaatsanwalts aus den Minister sessel berufen wurden. Die Familie Vitzthum von Eckstädt würde im Falle der Berufung des Generalstaatsanwalts drei der einflußreichsten und höchsten Stellen in Sachsen tnneyaben, und zwar das Präsidium der Ersten Kammer, das Ministerium des Innern und des Auswärtigen und das Ministerium der Justiz. Wie wir erfahren, ist eine definitive Entscheidung in dieser Frage vom König bis jetzt noch nicht getroffen worden. Es steht vielmehr zu erwarten, daß die Berufung des neuen Ministers erst nach der Rückkehr des Königs in einer dann sofort zusammentretenden Sitzung des Gesamt ministeriums erfolgt. Selbstverständlich ist es auch nicht ausgeschlossen, daß König Friedrich August die Ernennung telegraphisch noch vor seiner Rückkehr nach Dresden vollzieht. Die Afrikareise Dr. Solf». Johannesburg, 31. Juli. Von der Reise des Staatssekretärs Dr. Solf wird gemeldet: Am 27. Juli fand eine Besichtigung der Bultfontein-, de Beers-, Wessclton- und Dutoitspan-Minen, des Pferde- und Maulttergestüts und der Milchfarm der de Beers-Gesellschaft, abends ein Diner mit Ball statt. Am 28. Juli kam der Staatssekretär in Jo hannesburg selbst an, wo er durch den Bürgermeister und Vertreter der Deutschen begrüßt wurde. Am 29. wurde di« Einderella-Doldmine besichtigt; abends nahm der Staatssekretär an einem Diner bei Sir George Albu teil. Hochschulvorlesunge» über Arbriterschutz und Gewerbehygiene. Berlin, 31. Juli. Für den Arbeiterschutz ist es außerordentlich wichtig, daß die Unternehmer und die mit der Leitung der Betriebe beauftragten technischen Beamten die besonderen Gefahren der gewerblichen Arbeit und die Mittel, sie abzu wehren, kennen. Das ist früher nicht immer in genügendem Matze der Fall gewesen. Schuld daran war, daß Len Studierenden der Techni schen Hochschulen, aus denen die Leiter der größeren Betriebe meistens hervorgehen, früher keine oder nur unzureichende Gelegenheit geboten war. Vorträge über Unfallschutz und Gewerbehygiene zu hören. Darin ist jetzt ein erfreulicher Wandel eingetreten. Zurzeit werden an den Technischen Hochschulen zu Berlin, Hannover, Aachen, Danzig, München, Dresden, Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt, sowie an den Technischen Staatslehranstalten zu Donnersra-, 1. Lluguv lSlL. Chemnitz regelmäßig Vorlesungen dieser Art abge- halten. Vom kommenden Wintersemester ab werden, wie man un» schreibt, auch an der Technischen Hoch, schule in Braunschweig Vorlesungen über Gewerbe- trankheiten und ihre Verhütung gehalten. An vielen Universitäten sowie an dcr Akademie für Sozial- und Handclswtssenschaftrn in Frankfurt a. M. finden Vorlesungen oder Kurse Über Geweroehygiene und Unfallschutz statt, so daß den Studierenden jetzt im allgemeinen ausreichende Gelegenheit geboten ist, sich die erforderlichen Kenntnisse anzueignen. kwslsnü. England. Unruhen in London. London, 31. Juli. Heute morgen haben sich an verschiedenen Stellen des Hafens ernste Un ruhen ereignet. Drei Personen wurden durch Re volverschüsse schwer verletzt. Die Unruhen in den Docks wurden hervorgerusen durch Angrifft früherer Streikender auf Nicht-Unio nisten. wobei Steine, Knüppel und Revolver als Waffen verwandt wurden. Viele Personen wurden durch Steinwürfe verletzt. Die Schutzleute gingen wiederholt mit ihren Knüppeln vor. Uulrland. Ein Kanal vom Schwarzen Meer zur Ostsee. Petersburg, 31. Juli. Die Schwierigkeiten, in denen sich der russische Eetreidehandel und die russische Kohlenindustrie wegen der mangelhaften Ver bindungen zwischen dem Süden und dem Norden Rußlands befiuven, und die seit der fortdauernd drohenden Schließung der Dardanellen immer fühlbarer geworden sind, haben zu dem Plan geführt, vom schwarzen Meer aus quer durch Rußland einen Kanal zu bauen, der zur Ostsee führt. Man be.rächtet diesen Bau als eine dringende wirt schaftliche Notwendigkeit für Rußland. Der Verwirklichung dieses Projektes stellen sich keine unüberwindlichen technischen Schwierigkeiten entgegen, wett dcr ganze Kanalbau durch Tiefland führen würde, und weil die Verbindung der einzelnen Flußscheiden wohl schwer, aber nicht unmöglich ist. Es wäre selbstverständlich notwendig, daß der Kanal in einen Fluß münden müßte, der bis zu seiner Mündung in Rußlano bleibt, nicht also in den Rjemen, dcr ins Ausland fließt. Die vorliegenden Projekte behandeln meist die Verbindung der Düna mir dem Dnjepr, durch die der Handel Rigas einen enormen und ungeahnten Aufschwung nehmen würde. In technischer Hin sicht verdient dieses Projekt den Vorzug, weil es nur oie Anlage mehrerer bedeutender Schleusen, einzelner Wasserreservoire und eine Umgehung der Dnjepr-Stromschnellen durch einen Kanalbau erfor dert. Die Kosten für die Verwirklichung des Baues sind naturgemäß sehr bedeutend, sie werden auf 300 Millionen Rubel geschätzt, doch wird versichert, daß sich dieses Anlagekapital gut verzinsen und im Laufe einiger Jahrzehnte amortisieren lasten würde. Vom rein kommerziellen Standpunkte aus muß der Kanalbau ais gutes Geschäft betrachtet werden. Bisher allerdings find der Entwurf und die Gesuche um die Baukonzession nicht aus dem Stadium der Prüfung durch die maßgebenden Stellen heraus getreten, es scheint aber, als habe das Projekt alle Aussicht aus Verwirklichung. Marokko. Zu der Ermordung des Deutschen Wolfgang Opitz. Part», 31. Juli. Die heutigen Morgenblätter suchen den Tod des Deutschen Wolfgang Opitz aus Marrakesch auf dessen eigene Unvorsichtig keit zurllckzuführen und erklären übereinstimmend, daß er ausdrücklich und wiederholt gewarnt worden sei, nicht ohne Begleitung die Stadt zu verlassen. Den Behörden von Marrakesch lönne an der Ermor dung des Deutschen daher keinerlei Schuld bei gemessen werden. Mexiko. Dreitägiger Kampf. Mexiko, 31. Juli. Seit drei Tagen findet zwischen den Regierungstruppen und den Aufstän dischen 15 Meilen von der Hauptstadt ein Kampf statt. Die Verluste der Negierungstruppen sollen 80 dis 150 Mann betragen. dem 60 Menschen mit den Köpfen festgebundcii lagen, denen die Megären nach dem Takte eines National liedes mit dicken Knütteln die Schädel zerschlugen. Andere Gefangene wurden mit Stroh umwickelt und angezündet, die entsetzliclytcn Grausamkeiten waren an der Tagesordnung. DaS marschierende Heer hatte nicht minder zu leiden. Hier war Pferdefleisch zur Hanptnahnina geworden, aber was für Pferdefleisch. Ein Teil nehmer erzählte, daß beim Britten aus dem krausen Fleisch Eiter quoll, aber es wurde dock mit Gier verschlungen. Ter Ekel war überwunden. Auch andere menschliche Regungen gingen verloren, man gab dem verendenden Pferd nicht mehr den Gnaden stoß, „sondern man schnitt dem noch lebenden Tiere seinen Teil ab." Und wie gegen das Tier, so wurde mit der Zeil der Mensch auch gegen den Menscl>cn. Die Roheit und Rücksichtslosigkeit, das Gehen über Leicheu feierte Triumphe, besonders an schmalen Weastcllen oder an Flußübergangen. Am bekanntesten ist dcr Neber- gang über die Beresina auf zivei schmalen Stegen unter dem Feuer der russischen Kanonen. Scbon iveit vor der sogenannten Brücke kämpften ver schiedene Kolonnen einen erbitterten Kampf um den Zugang. Der einzelne wurde gedrängt und gcsclwben, dis er sich nach stundenlangen Bemühungen dock von der Brücke abgedrängt sand nud wieder umkehren musste. Es waren vom Schicksal Begünstigte, die ihr Ziel erreichten, Hunderte wurden von den schma len Planken inS Wasser gestürzt und ertranken in den eisigen Fluten, Hunderte wurden zu Boden geworfen und zu Tode getrampelt, Tausende gaben nach niedreren vergeblichen Versuck-en die Hoffnung ganz am, blieben zurück und fielen den Russen in die Hände. Ihr Los ist uns aus dem früher (Geschilderten bekannt. Tie sich glücklich auf daS andere Ufer gerettet hatten, traten den Weg nach Wilna an. In diesen Tagen forderte wieder die Kälte unheimlich viele Opzer. „Der 7. Dezember", schreibt der badische Generalma r Hochberg, „war der schrecklichste Tag meines Lebens. Um 3 Uhr morgens befahl der Marsächll <Victor) den Abmarsch. Als das Signal dazu gegeben werden sollte, war der letzte Tambour erfroren." DaS Journal des badischen Leibregi ments gibt für diesen Tag — 27 Grad Reaumur an. Aus welche Art die Kälte wirkte, können »vir auck aus den Berichten der Augenzeugen erkennen. Der württembcrgiscln Sergeant v. Toenge- schreibt: f „Sobald einer, erschöpft, nur einen Augenblick ver lockte, ergriff ihn des Winters eisige Hand und I hielt ihn für immer fest. Umsonst versuchten diese I Unglüctlichcn, ihre allmähliche Erstarrung fühlend, sich wieder aufrurickten und, der Sprache und jeder Empfindung schon beraubt, einige Schritte zu tun: ihr Blut erstarrte in den Adern, eine gänzliche Läh mung ergriff ihr Herz, die dann auch auf den Kopf überging, und so schwankten diese Opfer des TodcS, wie in einem Zustande von Trunkenheit, noch einige Augenblicke besinnungslos umher . . ." lind ein anderer Teilnehmer berichtet: „Es war eine ganz eigene Erscheinung, daß man die kaum noch ziemlich munter sprechenden Leute, wie vom Schlage getroffen, neben sich niederstttrzen sah und auf der stelle tot erblickte." Wieweit der Hunger die Mannschaften der großen Armee trieb, lässt sich daraus erkennen, daß Totschlag lvcgcn eines Stückes Brot oder einer Hand voll Zucker nicht zu den Seltenheiten gehörten und daß von verschiedenen ganz einwandfreien Zeu gen sogar Fälle von Kannibalismus berichtet werben. Ein letztes großes Massengrab wurde den Krie gern Napoleons die Stadl Wilna. Die Berührung mit anderen Mcnscl-en, meufn^nwürdige Wohnungen, di« Möglichkeit, Speisen und ('Getränke zu erwerben, veranlaßte viele, in der Stadt zu bleiben, als di« Armee nach Kowno weiterzoa. Für die meisten war das der sichere Tod. Die Kosaken folgten den Abzkehcnden auf dem Fuß und stacken nieder, was ihnen begegnete. Aber die Zahl der Zurückgeblie- denen war zu groß, als daß man die Lausende hätte einfach hinschlachten können, sie wurden in Klöstern und anderen großen Olebäuden gefangen gehalten, das heisst, ohne jede Heizung der kalte preisgegeben. Und den Gefangenen Nahrung zu geben, wurde vergessen, so da« sie langsam hin- siechten und verschmachteten. Ueber di« Sterblich keit unter den Zurückgebliebenen berichtet der Eng- länder Wilson, der mit den russischen Truppe» unter Kutusow nach Wilna kam: „Das St. BlasiuS-Hospital bot den schrecklichsten Anblick dar: 7800 Leichen waren in den Gängen tote Bleimulden übereinander geschichtet; auck in allen anderen Räumen lagen solche herum; und die zerbrochenen Fenster und di« Löcher in den Mauern waren mit Füßen, Beinen, Händen, Rümpfen und Köpfen, tote sie in die Oeff- nungen paßten, zugestopft, um die kalte Luft von den Lebenden fernznhalten. Da» Faulen de- tauen« bei« Fleisches, wo die T-cle sick berührten und der Prozeß der Zersetzung vor sich ging, verbreitete ringsum einen leichenhaften Gestank." Diese wenigen Proben genügen schon, uns das grauenvolle Los der „Gebliebenen" erkennen zu lassen. Da- war da- Schicksal unserer verblende- ten Borfahren, die für einen fremden, freilich geni« alen Feldherr« Haus und Heimat verließen oder auch gezwungen verlassen mußten, ein Schicksal, wie es jick entsetzlicher nicht anSdenken läßt. Er schütternd liest sich das Buch, aus dem die Zeugen jener Vorgänge zu uns sprechen. Wir müßten all das für Wahngebilde, für Uebertreibunaen halten, w'nn nicht Hunderte zuverlässiger deutscher Zeugen selbst das SchlimmsG zur Tatsache erhärteten. Die wenigen, aber, die den Weg zurück in die Heimat fanden, waren in Fetzen gekleidet, und von Ungeziefer und Schmutz starrend, trugen viele den Keim einer tödlichen Krankheit in sich. Denn auch Krankheiten und Seuchen gingen als Gehilfen des Todeo mir Frost und Grausamkeiten auf dem ganzen Marsche Hand in Hand. 1912 ist für uns ein Gedenkjahr dcr aller« traurigsten Art. Als einziger Schimmer schwebt über den Ereignissen, die sich vor 100 Jahren in Rußland abgespielt haben, das Bewußtsein, daß in ihnen der Keim zur Befreiung Deutschlands aus den Fesseln Napoleons liegt. Und das ist es, was uns jetzt, nach Mlauf eines Jahrhunderts, auch mit dem Entsetzlichsten auSzusöhnen vermag. Die Saide blüht. Z Viele Tausende suchen jetzt die einst als ein- könige, sandige Wüste verschrieene Heide auf, um fick ihrer stillen landschaftlichen Reize zu erfreuen. Tie Blütcnpracht des Heidekrautes ist es, die zu dieser Zeit den Fremdcnstrom, dcr die Heide zum Ziele wählt, anschwellen läßt Aieviele unter den heidebeaeisterten Wanderern, die von der bunten Heideflache entzückt sind, mag cS geben, die das unscheinbare kraut, daS nur durch sein massen haftes Auftreten di« Farbenpracht zustande bringt, einmal näher angesehen haben? DaS verlohnt sick wohl der Mühe. DaS Heidekraut, lateinisch eslluna, nicht: Erika, wie eS oft fälschlich genannt wird, ist ein holziger Strauch mit schlanken, federnden, aufrechten, über und über mit vier Nadclreilßm besäten Zweigen, di« so dicht stehen, daß die Pflanze eher einem filzigen Gewirr al- einem Strauche gleicht. Diese eigentümliche Bauart hat ihren guten Grnnd: es ist ein Schutz gegen den ewigen Wind der Heide, der die Pflanze sonst auStrocknen würde. Man braucht sich nur in- hohe Heidekraut zu werfen, um selbst bei stärkerem Winde zu merken, daß innerhalb des heidcbewachscnen Striches nahe dem Boden völlige Windstille herrscht. DaS Interessanteste am Heidekraut ist natürlich die Blütezeit und die Blüte selbst. Ende Juli oder Anfang August verändert die graugrüne Heidefläche ihr Aussehen. ES ist, wie Dr. Koelsck sehr anschau- sich schildert, ein ivunderliches Bild, das weite, braungrüne Land langsam, langsam ganz im Rosen roten untergehen zu sehen und von Ende September an zu erleben, wie der rosenrote Schaum langsam absteht, zerplatzt und wieder dem Braunarün weicht. Es ist kein Brennen, kein Feuer, nichts Wildes, kein Glanz, sondern ein mildes, weiä-es, verhal tenes Gluten, ein etwas trübes Rosenrot, und nur dort, wo die Heidekräuter sehr dicht zusammenrücken und sehr reichlich mit Blüten behangen sind, steigt daS bläuliche Rosa zu kräftigeren Tönen auf, die an Helles Karmin erinnern, -soweit das Auge schaut, ist tagsüber die Luft ganz geladen von diesem Not. Ganz kleine, fast unscheinbare Blütchen sind es, die dieses Farbenwunder zustande bringen. Der rote Blütenteil ist nicht eine Blütenkrone, sondern ist der ich, der aus vier getrennten, glockenförmig gencch icn Blättern besteht. Wiegen seiner Färbung wird er von Unkundigen häufig für die Blumenkrone gehalten. Die Blumen krone aber ist zu einem ganz winzigen Organ der« kümmert, das nur die Rolle des Honigträgers spielt und sick mit einem vierteiligen Saum um di« grüne Kugel hernmzieht, die den Fruchtknoten bildet. Ent sprechend den eigentümlichen Lebensbedingungen in der Heide rechnet das Heidekraut auf Befruchtung durch Insekten oder durch Wind. Insekten, Bienen und Hummeln in erster Linie werden durch den Honig neben der Farbe angelockt. Der Blutenstaub ist aber nicht, wie bei den meisten insektenblütigen Pflanzen, klebrig, sondern staubtrocken, auch der llebertragung durch den Wind angepaßt. In der Blüte finden sich um den rosenroten Griffel acht Staubgefäße mit purpurbraunen Beuteln, die kegel förmig zusammensteheu. Dcr Kegel, den sie bilden/ steht nicht symmetrisch, sondern ist mit der Spitze etwas nach oben verschoben. So ist den Honigsaugern der Eintritt von der Hinterseite her nahezu unmög lich gemacht. Betritt ein Insekt auf der Suckie nach Honig die Blüte so, wie es der Pflanze erwünscht ist, so stößt es auf einen kleinen Wall, der durch Anhängsel an den Staubbeutel gebildet wird. Dieser geringe Anstoß bringt die federnde Aufhängung der Staubbeutel in- Schwingen, und nun streuen die Staubbeutel ihren Inhalt über das honigsaugend« Insekt. (Segen Ende der Blüte dehnt sich der Kegel, zu dem die Staubgefäße zusammenstehen, auS, und nun hat der Wind ein leichtes Spiel mit ihnen: durch zwei runde Löcher an den Seiten der Staubbeutel wird Korn für Korn herausgeschüttet, um dann in di« Ferne getragen zu werden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)