Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.07.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120720024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912072002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912072002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-20
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis ttlr, L«ip,ta und ««rotte durch uni«,« Iran«, und Soedtteur, Lmal tSanch tn» Ha«»-«bracht: »»,. monatUL7u »t. «terieliährl. B«t »nsen, Kutalen u. «n. nutzm,ft«a«n adaeholt: 7S PL «natL, r^SML ot«N«lILHrl. Lurch »,« V«It: «nnerhal» Drullchland, und d«r d«utsch«n X«lont«n vietteljährl. ».« monatl. aurlchü Pojtbeftrllaeld. Ferner tn Belgien, DanemarL den Donauitaalen, Italirn, ^'u;emburL Niederlande, Nor. wegen, Lesterreich. Ungarn, Ru^and. Schweden und Lchwei». In allen übrigen Staaten nur btrett durch die Eelchösr— lteUe d«» «lall«, erhältlich. La» L,i»,tg,r lagedlatt erichet« »mal täglich. Sonn- u. F«t«rtag» nur morgen». Adonnements-Vnnahm« I«da»»t»»«ll» 8, Sei »nl«r«n Tragern, Filialen. Spediteuren und ttlnnahmestellr.i, lowl« Pogämtern und Briefträgern. Si»i«lv«rtau»»»r«l» w Pf. Abend Ausgabe. MBMrTligMaü r.i..ÄnW. > «Z Handelszeitunq. --ME j s 14 694 s Dev.-Naff« Grimin. Eteinwe, L W.7ÄL' Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeige« Preis ft« Inserat« au» Uetpjta und Umgebung »t« lsoalttg«P«tU»«tl« ls Ps-dt«NeNam«. »eil« i ML von «»»wärt, N Pf, Reklamen llv ML Ins«rot« von «ehördrn tm amt- lichen T«tl dt« P.ttt,«tl« S0 Pf. Telchästeanzetgen mit Plagsorschrlst«» im Preis« erhöht. Rabatt nach TartL Betlagrgebahr Eelamt- auslag« L ML o. Tausend erkl. Poftgeduhr. Tettbetlag« höher. Festerteilt« Rusträg« können nicht »urülS gezogen werben. Filr da» Erscheinen »» bestimmten Tagen und Platzen wird kein« Garantie übernommen. tln,eigen » Annadm«: I«d«»,t„«Ne bet iämtltchen Filialen n. allen Annoncen- Elpedittonen de» In» und tlu«land«». »rurk eud Bert«, Fisch», ch «lieft«» Inhaber: Paul Nitriten. N«»«tti«n und »elchült.ftell«: Iohaimirgass« 8. -anp» - Filiale Leeeden: S«e,rran« t. l (Telephon «621X Nr. 367. Die vorliegende Ausgabe umfaßl 10 Lerien. vss Wickliglie. * In Le Havre sind S t r e i t u n r u h c n ausgebrochen. l,S. Ausl.) * Ueber die angebliche Dardanellen-- aktivnder Italiener liegen widersprechende Nachrichten vor. (S. des. Art.) * Der Kaiser von Japan ist ernsthaft an einem Magenleiden erkrankt un^ >-ft gestern bewußtlos. Der Zucker sls Steuerodjekl üer Leickskinsnzpolirik. Durch Las Gesetz über die Deckung der Kosten der Verstärkung von Heer und Flotte vom 14. Ium d. I. ist bestimmt, das; die Lurch das Finanzreformgesetz vom Juli 1909 vorgesehene Ermässigung der Zucker steuer von 14 auf 10 .R für 100 Kilogramm 6 Mo nate nach der Einführung einer allgemeinen Besitz steuer, spätestens aber am 1. Oktober 1910 in Käst treten soll. Die bereits im Jahre 1908 im Interesse der Konsumenten, der Landwirtschaft und der Zucker industrie durch Neichsgesetz festgelegte Ermässigung, die einen Abschluß in der so vielen Wandlungen unterworfenen Behandlung des Zuckers als Steuer objekt der Reichsfinanzen bringen sollte, ist damit abermals vertagt worden. Wie alle indirekten Ver brauchsabgaben in den zahlreichen Finanzreformen und Versuchen zu solchen eine hervorragende Nolle gespielt haben, so war die Besteuerung des Zuckers einem ständigen Wechsel unterworfen, der noch durch das System der Ausfuhrprämien und seine inter nationale Regelung stark beeinflußt wurde. Im Deutschen Zollverein war der Zucker einer gemeinschaftlichen Abgabe unterworfen in Form einer Nübengewichtssteuer, deren ursprünglicher Satz von 30 Pf. für 100 Kilogramm im Jahre 1869 auf 1,60 .k gesteigert wuroe. Gleichzeitig fand auch ein gesetzliche Regelung der seit 1861 gewährten Aus fuhrvergütungen statt. In dieser Form erscheint nach der Begründung des Reiches die Zuckersteuer als Einnahmequelle der Reichsfinanzen. Ihre Erträge stiegen im Durchschnitt der Jahre 1872—1875 von 47 Millionen auf 68 Millionen bis 1880 und auf 130 Millionen bis 1885. Gleichzeitig aber trat durch die außerordentliche Zunahme der Ausfuhr und die daraus sich ergebenden Ausfuhrvergütungen eine er hebliche Abnahme der Nettoerträge für die Reichs kaffe ein. Das Jahr 1886/87 brachte beispielsweise bei 127 Millionen Steuererträgen nur noch 29 Mil lionen Einnahmen für die kieichsfinan,zen. Die Folge war zunächst eine mäßige Herabsetzung der Ausfuhrprämien und eine Erhöhung der Rüben steuer auf 1,70 Beide Maßnahmen hatten aber den erwünschten Erfolg nicht. Es begann daher mit dem Gesetz vom Jahre 1887 eine neue Epoche in der Gesetzgebung der Zucker steuer. Die Rübensteuer wurde auf 80 Pf. ermäßigt, daneben aber eine Fabrikatabgabe von 12 °4t für 100 Kilogramm Zucker eingeführt. Gleichzeitig er folgte eine Herabsetzung der Ausfuhrvergütungen auf die Hälfte der früheren Sätze. Wiederholte Krisen der Zuckerindustrie und besonders die allen zucker- ausnihrenden Staaten durch das Prämiensystem fühlbaren Einbußen an Einnahmen führten 1880 zu einem ersten Versuch, durch die Londoner Konvention Srnmabenü, üen 20. Juli 1912. 106. Zshrgsng die Ausfuhrprämien zu beseitigen, der indessen an dem Widerstand einiger Staaten scheiterte. Die Ge setzgebung von 1887 hatte einen Erfolg für die Rcichsfinanzen nicht gebracht; einem Steuerertrage von 118 Millionen im Jabie 1888 stand nur eine Rcttocinnahme von 14,7 Millionen gegenüber. In folgedessen wurde im Jahre 1889 dem Reichstage ein Gesetzentwurf oorgelegt, der auf die Rübenstcuer ganz verzichten und die Fabrikatsteuer weiter aus bilden wollte. Das Gesey kam nicht zustande, keine Tendenz wurde aber in einer neuen Vorlage wieder ausgenommen, die im Jahre 1891 nach harten Kämp fen zur Annahme gelangte. Die Nübensteuer kam damit ganz in Fortfall, während die Verbrauchs abgabe auf 18 .1l erhöht wurde. Die Ausfuhr zuschüsse, wie sie von jetzt ab hießen, wurden für die nächsten drei Jahre auf 1,25 Ui für 100 Kilogramm Rohzucker und für weitere zwei Jahre auf 1 fest gesetzt. Der Erfolg des Gesetzes war, daß im Durch schnitt der Jahre 1891/95 einem Steuerertrag« von 115 Millionen ein Nettoertrag von 73 Millionen gegeniibrrstand. Bei der Festsetzung der Ausfuhrzuschüssc für fünf Jahre hatte man damit gerechnet, daß in der Zwischenzeit eine Beseitigung der Ausfuhrprämien durch internationale Vereinbarung möglich sein würde. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht, viel mehr führte die Zollpolitik der Vereinigten Staaten zu einem so erheblichen Rückgang der Zuckerpreise, daß durch ein Notgesetz vom Jahre 1895 die bereits fcstgelegte Ermäßigung der Ausfuhnuschüffe, die 1895 in Kraft treten mußte, wieder aufgehoben wurde. Das folgende Jahr brachte abermals ein Zucker- steuergesetz mit dem Ziel, die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Zuckers auf dem Weltmärkte zu erhalten, und daneben die kleinen und mittleren Betriebe gegen das Uebergewicht der großen Fabriken zu schützen. Zn diesem Zweck wurde eine Kontingentie rung eingeführt, die einer uneingeschränkten Pro- duktion Zügel anlcgte. Im Interesse der Reichskaffe wurde die Verbrauchsabgab: auf 20 erhöht; da neben wurde eine Vetriebssteuer eingeführt von 10 Pf. für je 100 Kilogramm bis zu einer Erzeugung von 4 Millionen Kilogramm, steigend bis 15 Pf. bei 5—6 Millionen Kilogramm. Bei einer Ueber- schreitung des Kontingents wurden 2,50 Zuschlag zur Steuer erhüben. Die Au-»fuhrzuk"''rügen 2.50—3 .4t für die verschiedenen .Zuckerarten. Der für die Reichseinnahmen erhoffte Erfolg trat ein: Im Durchschnitt der Jahre 1897/1900 stieg der Er trag der Zuckersteuer auf 135 Millionen und ihre Nettoeinrrahme für das Reich auf 106 Millionen Mark. Die Brüsseler Konvention vom Jahre 1902 führte schließlich zu einer gänzlichen Beseitigung der Aus- fuhrverqütungen; und hierdurch wurde abermals eine gesetzliche Neuregelung der Zuckersteuer erforderlich. Es wurde eine Fabrikatsteuer von 14 -<t festgesetzt. Von dieser blieb der für die Ausfuhr bestimmte Zucker befreit. Die volle finanzielle Wirkung des Gesetzes auf die Reichseinnahmen trat vom Jahr« 1905 ab in die Erscheinung: 121 Millionen Mark, die sich 1906 auf 141 steigerten und im vergangenen Jahre 170 Millionen erreichten. Im Jahre 1908 wurde dann die Ermäßigung der Steuer von 14 auf 10 -4< beschlossen, sofern bis dahin Gesetze zustande kommen würden, di« eine Erhöhung der Einnahme des Reiches von mindestens 35 Millionen jährlich be zweckten. Die Finanzreform von 1909 hat diesen Zeitpunkt auf 1914 vertagt und die Deckung der Wehrvorlagen dieses Jahres verursachte abermals die obenerwähnte Verschiebung. Man darf aber mit Sicherheit annehmen, daß der letzte Beschluß des Reichstages innerhalb der festgesetzten Frist auch zur Durchführung gelangen wird. LI. Pir „Dardanellenaktion". lieber Las Gefecht, Las nach den bereits mitge- teilien Konstantinopeler Meldungen in der Naclft von Donnerstag zum Freitag in den Dardanellen zwischen einer italienischen Torprdobootsflottille und oen türkischen Forts stattgefunden haben soll, liegen weitere zuverlässige Meldungen nicht vor. Alle darüber eingegangenen Nachrichten stammen aus Konstanrinopel; die halbamrlichc italienische Tele graphenagentur, die doch bisher mit dcr Richtig stellung angeblicher türrijch.r Siegesmeldungen nie mals gezögert hat, ist anscheinend ohne Nachricht vom Geschwader. Es ist begreiflich, daß angesichts dieses Mangels zuverlässiger Meldungen dcr Kombination Tür und Tor geöffnet sind. So tauchen auch die bereits aemeldeten Gerüchte, daß es sich bei dem Vorgang um einen Putsch in der türkischen Marine gehandelt hat, wieder aur. ohne daß jedoch bestimmte Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Anderseits ist es sehr begreiflich. Laß die Italiener die innere türkische Krisis, deren Beilegung durch die Ernennung Tcwfik Paschas zum Größwesir erst airgebahnt ist, zur Führung eines Schlages benützen wollten. Kaum verständlich aber wäre es, wenn die Forcierung der Dardanellen nur mit einigen Torpedobooten ver sucht worden wäre. Politisch dürfte die Wirkung des abgeschlagenen Angriffes darin bestehen, daß er für die Türken zur einigenden Kraft wird. Wir ver zeichnen nachstehende Depesche, die die Ungewißheit über die tatsächlichen Vorgänge erkennen lassen: Noch leine Schließung der Dardanellen. London, 20. Juli. Nach hier vorliegenden Mel dungen ist die Schließung dr Dardanellen noch nicht verfügt worden. Die heute nachmittag aus Kon. stantinopel hier eingetroffcnen Depeschen lauten weniger kategorisch, als die ersten Meldungen von dem Angriff auf die DaLoanellen. Auch in Kon stantinopel liegen noch keine definitiven Nachrichten über die Forcierung dcr Dar- danelleirctnfahrt vor. Von anderer Seite wird be hauptet, daß die Kanonade auf einer Meuterei türkischer Truppen zurückzuführen sei. Die italienische Auslegung. Auf der Pariser italienischen Botschaft erklärt man zu der Meldung über die Forcierung der Dar danellen folgendes: „Die italienischen Kreuzer, die sich vor der Ein fahrt der Dardanellen befanden, bemerkten schon seit einigen Tagen, daß aus den letzteren mehrere türkische Torpedoboote ausgelaufen waren, die jedenfalls die Absicht hatten, die italienischen Kreuzer zu beunruhigen. Es ist nun sehr wahr scheinlich, daß italienische Torpedoboote den tür kischen entgegcngefahren sind und daß es dabei zu einem gegenseitigen Wechsel von Schüssen gekommen ist. Völlig lächerlich sei es jedoch, zu glauben, daß einige italienische Torpedoboote die Absicht gchabt haben sollen, in die Dardanellen einzudringen. Wenn die Türken aus diesem Vorfall aber die Ab sicht herleiten wollen, die Dardanellen zu sperren, so kann man dieses Vorgehen dcr Türkei als höchst ungerechtfertigt bezeichnen." Die römischen Zeitungen „Tribuva", „Eiornale d Italia", „Pvpolo Romano" und andere Zeitungen lieben einstimmig die Unsinnigkeit der An nahme hervor, daß das Bombardement, das bei oen Dardanellen gehört worden sei, von einem Kampfe mit italienischen Torpedobooten hergerührt habe. Die Z'itung.'n weisen ferner darauf hin, oaß bisher -eine Bestätigung noch Einzelheiten über einen als so wich, tig bezeichneten Vorgang aus Konstantinopel in Rom eingetroifen seien. In Athen sind ebenfalls Nachrichten über die nächtliche Kano nade, die bei dem Fort von Kum Kaleh stattgesunden haben soll, eingelaufen. Nach einem unkontrollier baren Gerücht soll es sich dabei um eine Aus stand s b c w e g u n g in der türkischen Marine und im türkischen Heer gegen die Oberbefehlshaber han deln. Auch wird die anoere Version über den An griff der italienischen Torpedoboote verbreitet, Loch vorlauter nichts über den Verlust zweier italienischer Torpedoboote und die Be schädigung von mehreren anderen Torpedobooten. Die ausländische Presse. Paris, 20. Juli. Der „Temps" stellt über die ge meldete Beschießung dcr Dardanellen folgend« Hypo these auf: Die Türken haben vielleicht ein einfaches Zu sammentreffen von italienischen und türkischen Torpedobooten mit Absicht zu einer großen Sache aufgebauscht, um dadurch einen Grund zu haben für ihre Absicht, die Dardanellen aber mals zu schließen. London, 20. Juli. Die englischen Zeitungen veröffentlichen nur Nachrichten von einer Kanonade der italienischen Torpedoboote durch türkische Bat terien von Kum Kaleh, erwähnen aber nichts von Beschädigungen italienischer Torpedoboote oder türkischer Forts. * Die Geschichte der Dardanellen- deschirfrungcn. Der erste Dardanellenkampf erfolgte im Jahre 1334, wo eine Flotte aus venezianischen, zypistihen und rhodischen Fahrzeugen in Gemeinschaft mit Len Schiffen Philipps von Valois auf Veranlassung des Papstes Johannes XXII. die Durchfahrt er zwang. Die Flotte, in einer Stärke von 38 Galeeren und 30 Frachtschiffen, segelte mit günstigem Winde in die Dardanellen hinein und vernichtete die türki schen Fahrzeuge. Im Juni 1770 fuhr ein russisches Geschwader der Kaiserin Katharina II. vor die Dar danellen, blockierte Konstantinopel und wollte die Dardanellen durchfahren. Später wurde die Aktion unnötig, da die russischen Siege bei Schumla und Varna den Krieg ohnehin entschieden. Im Jahre 1807 gelang es einer englischen Flotte unter Admiral Duckworth, die Durchfahrt zu erzwingen und das Goldene Horn zu erreichen. Die Flotte sollte das Bündnis zwischen Frankreich und dcr Türkei zur Zeit Napoleons I. auseinanderreißen. England verlangte, die Türkei solle die Unterhandlungen mit Frankreich abbrechen, und als die Hohe Pforte sich weigerte, forcierte die englische Flotte augenblicklich die Einfahrt und Durchfahrt der Dardanellen. Unter geringen Verlusten erschienen die Engländer vor Konstantinopel, und es schien, als hätten sie Erfolg. Stolze Herzen. Roman von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) Bisher hatte Isabelle nur di« Sonnenseite des Lebens kennen gelernt und sich geflissentlich gegen den Ernst des Lebens verschlossen. Jetzt war das anders, im eigenen Leid und Schmerz lernte sie den Kummer der anderen verstehen und mitfühlen! In den Zeitungen las man eingehende Berichte über die Wassersnot, und in Worten warmer An erkennung wurde Baron von Wallbrunn auf Althof als Held des Tages gefeiert. Er war wegen Helden, wütiger, mit Einsatz des eigenen Lebens verknüpften Rettung einer schwer bedrohten Familie für die Rettungsmedaille vorgeschlagen worden. Das alles mußte Lübbecke zu seinem Verdruß lesen — und er, der Besitzer von Birkenfelde, war mit keinem Wort erwähnt! Sofort stiftete er vierzigtausend Mark für die Ueberschwemmten und im Namen seiner Gattin Isabelle Lübbecke-Krüger weitere zehntausend Mark. Als er dann in der Zeitung von dieser „hoch herzigen Spende" las, wurde sein Herz von Eitelkeit erfüllt — das konnte ihm so leicht keiner nach machen! Den Höhepunkt erreichte seine Befriedigung, als der Landrat bei ihm vorfuhr, um sich öersonlich zu bedanken. — Aber vorher war Graf Rechoerg schon in Althof bei Baron Wallbrunn gewesen. Das ver- stimmt« ihn; denn er neidete Klaus das Ansehen und die Stellung, die ihm in der Gesellschaft ein geräumt wurden! Neuntes Kapitel. .^Weshalb bist du so aufgeregt, Ellen? Es war doch vorauszusehen, daß Lübbeckes uns «inen Besuch machen würden!" „Gewiß, Klaus, — nur war Frau Lübbecke so sonderbar zu mir, als ich sie kennen lernte." „Und nun fürchtest du dich davor, sie wiederzu sehen? Wer weiß, was sie damals gerade geärgert hatte!" Klaus vermied den Blick seiner Frau. „Komm schnell, damit wir Lübbeckes nicht warten kaffen." Isabelle hatte sich ncuaierig in dem Empfangs- raum von Älthof umgcs—cn. Es war ein mäßig großes Zimmer, dessen bescheidene Einrichtung sie ein wenrg lächeln macht -. Aber James entdeckte auf dem Klavier mehrere Photographien von Ruth, die zu seinem Erstaunen das junge Mädchen in verschiedenen Kostümen dar stellten. Ehe er Isabelle darauf aufmerksam machen konnte, traten Klaus und Ellen ein. Verbindlich begrüßten sie ihre Gäste. Ellen war ein wenig schüchtern; sie fühlte di« Ucberlegenheit der eleganten, schönen Frau Lübbecke, und wie ein Druck lag es auf den vier Menschen, trotz der Ge wandtheit, mit der Isabelle die Unterhaltung führte. Obgleich die Hochwafferkatastrophe schon acht Wochen zurücklag, konnte James doch nicht umhin, di« Hilfsbereitschaft Wallbrunns rühmend zu er wähnen — aber Klaus wehrte ab. „Haben Sie sich gut eingelebt, Frau Baronin?" fragte James Ellen von Wallbrunn. „Da sie im Winter geheiratet haben, muß es doch sehr eintönig für Sie gewesen sein!" „Im Gegenteil, Herr Lübbecke! Gerade die Wintermonate waren sehr lehrreich für mich! Mein Mann hatte Zeit, mich mit meinen Pflichten ver traut zu machen, während er jetzt doch viel draußen sein muß." Ellens Augen leuchteten, wahrend sie von ihrem Manne sprach. „Mir macht alles so viel Freude. .Illerdings steht mir ein« tüchtige Mamsell zur Seite, und so. hoffe ich, daß mein Mann mit der Zeit ganz zufrieden sein wird. Klaus nickte ihr freundlich zu. „Das ist er jetzt schon, liebe Ellen", sagte er, worauf sie wie ein junges Mädchen errötete. „Gott, wie rührend!" dacht« Isabelle spöttisch, als sie den liebevollen Blick sah, den Klaus seiner Gattin spendet«, und doch regte sich in ihrem Herzen der Neid, und unablässig grüoelte sie über der Frage, ob er seine Frau wirklich liebe. Sein Gesicht war so »«rschlossen, sein« Augen blickten so ruhig auf Isabelle — sollte sie ganz aus seiner Erinnerung gelöscht sein? Sie konnte ihn nie vergessen, sie liebte ihn heißer, schmerzlicher denn je! Und wi« geht es d«r Baronesse?" fuhr James zu fragen fort, da niemand das junge Mädchen erwähnt« und er von ihr zu hören verlangte. „Danke, meiner Schwester geht es gut. Sie ist in Berlin und studiert —" „Studiert?" „Allerdings! Meine Schwester studiert Musik. Sie hofft auf ein Engagement an der Frankfurter Oper", entgegnet« Klaus ruhig. Er wollt« kein Hehl aus der Sache machen, die man über kurz oder lang doch erfahren würde. James war so erstaunt über diese Mitteilung, daß ihm die Worte fehlten. „Ah, das ist ja riesig interegant! rref Isabelle. „Sie waren aber damals sehr dagegen, als Sie Adele Wöhrmann und mir von der Neigung der Baronesse erzählten — Sie wollten Ihr kleines Sing vögelchen doch so gern für sich behalten." „Ich denke heute noch genau so, gnädige Frau. Glauben Sie, es sei mir leicht geworden, diesen Ent schluß meiner Schwester gutzuheißen? Doch sie hat einen festen Willen, gegen den nicht anzukämpfen ist!" „Ist Baronesse Ruth schon einmal aufgetreten?" fragte Isabelle. „Schon verschiedentlich, gnädige Frau. Und alle Kritiken ohne Ausnahme sprechen ihr ein ungewöhn liches Talent zu." „Ihre Stimme ist wundervoll", sagte Ellen; . nie habe ich etwas so Schones gehört! Und einen Mur hat sie durch ihr erstes Auftreten bewiesen, das ganz zufällig kam —" „Das ist ja fabelhaft!" bemerkte James. Seine Stimme zitterte ein wenig vor Erregung, und seins Augen leuchteten förmlich verklärt, als er die Photo graphien Ruths betrachtete, di« ihm Ellen gereicht hatte. „Baronesse Ruth ist wunderschön!" meinte Isa belle, „und ich bedaure sehr, daß ich jetzt auf ein Wiedersehen mit ihr verzichten muß!" Sie erhob sich, ihr Gatte folgte ihrem Beispiel, und in verbind lichster Weise verabschiedeten sie sich. Schweren Herzens nur hatte sich Klaus zu dem nötigen Gegenbesuch entschlossen, und war froh, als er da» überstanden hatte! Hatte James Lübbecke aber gehofft, daß sich nun ein reger Verkehr zwischen Birkenfelde und Althof entwickeln würde, so sah er sich enttäuscht. Baron Wallbrunn hielt sich sehr zurück. Er hatte auch guten Grund dazu; sein« Frau war leidend, und ihr jetziger Zustand erforderte größte Schonung. Aber ihre Freude, dem Gatten ein Kind — vielleicht gar einen Sohn — zu schenken, war übergroß und ließ sie all« Beschwerden geduÜstg tragen, förmlich verklärt ging sie einher. Im November war es ihr dann vergönnt, den ersten Schrei ihres Kindes zu hören — und dieser Augenblick ließ sie alle Schmerzen und Leiden ver gessen. Tief gerührt kniete Klaus vor ihrem Bett und küßte ihr wieder und wieder die blassen Hände, immer von neuem mußte er sie versichern, wie sehr er sich über seinen Sohn freue! Aber Ellen mußte lange liegen; sie war fast be ängstigend schwach. Als Ellen Besuch annehmen durfte, ließ sich Frau Isabelle Lübbecke bei ihr melden. Sie brachte einen großen Strauß Veilchen mit. „Die ersten Frühlingskinder, liebe Baronin! Sie sollen Ihnen den Lenz kündigen, der nun bald seinen Einzug hält —" Mitleidig ruhten die Blicke der schönen, eleganten Frau auf der jungen Mutter, die so kinderhast zart und gebrechlich in ihrem großen Stuhl ruhte, den man ans Fenster geschoben hatte, damit sie in der Sonn« saß. „Darf ich das Kind sehen?" fragte Isabelle. „Klein Klaus schläft jetzt!" „Schade, ich hätte ihn gern bewundert!" „Wenn ich Sie dann zu ihm bemühen darf?" „Aber gern gehe ich mit!" Das Kinderzimmer befand sich neben dem Schlaf zimmer, dessen halb geöffnete Tür cin«n Blick hinein gestattete. Isabelle überlief es siedenheiß, als sie in den einfachen, schmucklosen, aber sehr großen luftigen Raum sah — schnell wandte sie sich ab, wie auf etwas Verbotenem ertappt. Und da — sein Kind! Friedlich lag es in seinem Körbchen, die Fäustchen an die Wangen gepreßt; die Amme saß daneben, sorglich seinen Schlummer be wachend. Mit unbeschreiblichem Gefühl betrachtete Isabelle den Knaben, während Ellen in grenzenloser Liebe sich über ihn neigte; das Mutterglück verklärte sie wunderbar. Jetzt regte sich der Kleine, er schlug die Augen auf und verzog ängstlich das Gesicht, als ob er weinen wollte. Besorgt nahm ihn Ellen hoch. „Du, du — nicht weinen! Wir tun dir ja nichts! Wir wollen Klausi nur bewundern und uns freuen, wie groß er schon geworden ist." (Fortsetzung in der Morgenausgabe )
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite