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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.07.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120709016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912070901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912070901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-09
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
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Seite 2. Nr. 34S. los. Jahrgang. brechen. Was di« Moskauer Kaufleute übrigens auch recht gut zu wissen scheinen. Es scheint demnach recht zweifelhaft, ob die ge plante transpersijche Bahn je gebaut wird. Nicht zweifelhaft aber scheint, daß Rußland ferne Bahnen rm Norden und Enaland seine im Siidwesteic Persiens bauen wird. Da dieser Südwesten Persiens die sogenannte neutrale Zone ist, so hat di« deutsche Industrie jede Berechtigung, sich an der Konkurrenz dort zu beteiligen. Oder di« deutsche Politik — und Diplomatie — jede Berechtigung, diese „Berechtigung zur Konkurrenz", wenn England daraus ein Mono pol machen will, nur gegen Kompensationen auf zugeben. Im Norden ist ja Deutschland wohl durch das Potsdamer Abkommen gebunden und hat dafür wohl Gegenwerte empfangen. Mit Eniftand, im Südwcsten, fehlt «in solches Abkommen. Vesser als „Kompensationen" wäre eine Beteiligung Deutsch lands am Bahnbau im Südwesten. Die deutschen Interessen sind, schon durch die Bagdadbahn, dort ganz gewiß nicht geringere als die französischen. (Herr o. Kiderlen hat Deutschland leider ohne Kompensationen auch in Südpersien weitgehend „desinteressiert", und auch die letzten Veränderungen auf den diplomatischen Posten lassen erkennen, daß wir aus dem persischen Geschäft kein Kapital mehr schlagen wollen! D. Red.) Sin Gnylänüer als Lettischer Bestrkssmtmsnn auk Samoa. Der neue Gouverneur von Samoa wird sich, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" von kolonialer Seite geschrieben wird, mit einer sehr eigenartigen Angelegenheit bei seinem Amtsantritt zu besagen haben, die auf ganz. Samoa das unlieb,amsle Aus sehen erregt. Auf Savaii wurde nämlich seltsumer' weise ein Engländer namens Williams zum deutschen Bezirksamtmann ernannt und führt seit einiger Zeit die Geschäfte eines solchen. Zu erwähnen ist zu dieser merkwürdigen Angelegenheit folgendes: Mr. Williams ist der einzige „deutsche Beamte auf der gan.zen Insel. Es läßt sich also der eigenartige Zu stand feststellen, daß auf einer großen deutschen Insel der einzige amtliche Vertreter Deutschlands ein Eng- lünder ist. Dies wäre zu entschuldigen, wenn auf der Insel Deutsche nicht wohnen würden. Tatsächlich gibt es aber hier eine verhältnismäßig große Anzahl sehr angesehener Gutsbesitzer deutscher Nationalität, die sicherlich die deutschen Interessen ebensogut wahr nehmen würden wie di« Engländer. Wir haben schon frülier einmal darauf hingewiesen, daß manche Kon suln Deutschlands eigenartigerweise ihre Veröffent lichungen in englischer Sprache abfassen, und wir können mit Genugtuung feststellcn, daß dadurch Ab hilfe geschaffen worden ist. Hier auf Savaii ereignet sich nun der Fall, daß der Vertreter des Deutschen Reiches seine Veröffentlichungen deshalb in englischer Sprache abfaßt, weil er die deutsche Sprache gar nicht versteht. Natürlich sind auch die deutsclien An siedler gezwungen, wenn sie in deutschen Regierungs angelegenheiten die deutsche Bezirksamtmannschast aufsuck>en, Englisch zu sprechen. Dieser Bezirksamt mann soll übrigens der Vertreter einer englisch' australischen landwirtschaftlichen Gesellschaft sein. Selbst wenn er die besten Absichten hat, so wird er Goch irnuwr dem Mißtrauen begegnen. Ge ist auch die Frage, ab es angängig ist, daß «in deutscher Be- Wrkscwumann australische Landmtoressen vertritt. Kurz, es find hier so viel innere Widersprüche und nationale Unmöglichkeiten vorhanden, daß eine baldige Abbestellung dieser Merkwürdigkeit von all Lelpziger Tageblatt ) ^Morgenausgabe gemeinstem und dringendstem Interesse ist. Wir wollen zuletzt noch darauf Hinweisen, daß die Förde rung deutschen Wesens auf dieser großen deutschen Samoatnsel unmöglich in der notwendigen Weise bewirkt werden kann, wenn der einzige Vertreter Deutschland» nicht «in Deutscher ist, dem di« deut schen nationalen Interessen warm am Herzen liegen. Die Förderung des deutschen Wesen» ist eine schwere Arbeit und muß einem Manne anvertraut werden, der sich dieser Aufgabe mit freudigem Diensteifer und sogar mit Aufopferung widmet. Es braucht nicht erst betont zu werden, daß der Enlgänder und Ver treter australischer Landgesellschaften diese Vorbe dingung für sein Amt nicht mitbringt. 23. Internationaler vergsrbeitrrkonsretz. I. Amsterdam, 7. Juli. Ueber der Porta Westfalica stieg aus de,r ver träumten Fluren des deutschesten aller deutschen Ströme der Sonneuball glutrot empor, als das schnaubend« Dampfroß uns durch di« brauenden Nobel, die über den Bergwerkshalden der „schwarzen Erde" lagerten, zum Tagungsorte des 23. Inter nationalen Bergarbeiterkongresses, nach Amsterdam trug. Amsterdam! Es scheint fast, als ob die „mijnwerker", beziehungsweise die Delegierten der Bergknappen die Amsterdamer anspornten, ihnen zu zeigen, daß auch in Amsterdam die Arbeit niemals ruht; denn trotz des heutigen Sonntags ist alles tätig; ja selbst der „briefbesieler" klettert noch am Spätnachmitag die steilen stiegen empor, bis zum Giebel, wo der Aufzugsbalken neugierig fragt, ob er vielleicht heule auch noch in Aktion treten soll. Es ist, als ob die Pfahlstadt mit ihren 90 Inseln heute noch das Glück erjagen will, bevor sie in den schlam- migen Grund der ,,Grachten" versinkt. Nur draußen, in der van Baerlestraet, im Eon- certgebouw, das vom Montag ab zum Parlaments gebäude des Vergavbeiterkongresses wird, ist alle» still. Einsam liegt der etwas einförmige Steinbau mit seinem Niesensaal in der Sonnenhitze da. Ver schlossen« Türen, überall ein Schweigen und ein Trauern. Nur hinten, in den Büschen und Bäumen des Parks ist ein Raunen und Flüstern, als ob die Bergwichtelmännchen miteinander schwatzten. Und die Erle erzählt es der Birke: „Es geht etwas vor!" Da und dort steht man auch in der Tat Gruppen von Bergarbeiterdelegierten auftauchen, darunter die bekanntesten Führer aus Deutschland, Oesterreich, England, Belgien, Holland, Frankreich usw. Vor allem bemerkt man den Führer der deut schen Bergarbeiter, den früheren Reichstagsabgeord neten Hu«, 'der bekanntlich bei den letzten Reichs- tagswahlen seinen Stammsitz Bochum an seinen Antipoden von den christlichen Gewerkschaften, den ehemaligen Bergmann Karl Heckmann verlor. Der heutige Tag galt der Erholung von den Reise strapazen. Morgen, Montag, beginnen die Verhand lungen, di« diesmal um so größeres Interesse bean spruchen, als die Frage des internationalen Soli daritätsstreiks erörtert werden soll: bekanntlich '"haben di« belgischen Sozialisten beschlossen, im Falle des Scheitern», der Reform in Belgien den General streik zu proklamieren: am 10. Juli wird das bel gische Komitee zusammentreten. Nun soll erwogen werden, ob, wenn in einem Lande die Bergarbeiter von Tripolis vor, , beispielsweise >en Inseln, aus. in einen Generalstreik eintreten, nicht auch all« Bergarbeiter aller Länder streiken sollten. Auch ander« einschneidende Fragen werden den Kongreß beschäftigen. Vas Mittelmeerproblem. Tin Artikel Lucien Wolfs im „Daily Graphit", für den wir dem bekannten Schriftsteller die Verant wortung überlassen müssen, wirft neues Licht auf das Mtttelmeerprodlem. Hiernach will di« englische Re gierung nicht nur mit militärischen, sondern auch diplomatischen Mitteln ihre Position im Mittelmeer stützen. Das englisch« Auswärtige Amt ist in Ver bindung mit Paris und Rom getreten, um durch ein neues förmliches Abkommen zwischen England, Frank reich und Italien den Etatusquo im Mittelmeer' decken zu gewährleisten. Das Schema geht, wie Lucien Wolc wissen will, von französischer Seite aus, und wurde bereits am 5. Juni zwischen dem Londoner französischen Botschafter Eambon und Sir Edward Grey in den Grundlinien festgelegt. Alsdann wurde die Zustimmung des englischen Kabinetts eingcholt und der britische Botschafter in Rom erhielt Weisun gen, die Angelegenheit der italienischen Regierung vorzulegen. Der Vertragsentwurf steht die Aner kennung der italienischen Annexion > - - - schließt aber weiteren Landerwerb, eine ständige Besetzung der Aegäischc., Den Grund für di« etwas vorei igen Verhandlungen über diesen noch gar nicht bestehenden Statusquo sieht der Artikel darin, daß Italien sich sonst an an deren Stellen die nötige diplomatische Unterstützung gesichert hätte. Dieser Möglichkeit wollten England und Frankreich vorbeugen, um den Eintritt neuer störender Elemente in das Mittelmeerprogramm zu verhindern. Das angeblich zu erwartende neue Mittelmeerprogramm würde natürlich erst nach dem Friedensschluß zwischen Italien und der Türkei in Kraft treten können. Errichtung van Stützpunkten kür MilitärMeger. Die „Inspektion des Mtlitärluft- und Kraftfahr- wesens" hat, wie uns von militärischer Seite geschrie ben wird, die unterstellten Dienststellen angewiesen, einen vom Breisgauverein für Luftfahrt in Freiburg geschaffenen ,,Stütz- und Unterkunftspunkt für Flie ger" bei militärischen Ueberlandflügen zu benutzen. Mit dieser Neuschöpfung ist jetzt in unserem Militär» flugwcsen eine neue bedeutsame Einrichtung ins Werk gesetzt worden, die durch die große Entwick- lung unserer Luftfahrt notwendig geworden ist. Die ser Stützpunkt für Flieger ist die erste von einem deutschen Luftfabrerverein geschaffene Station, der weitere bald folgen sollen. Derartige Stützpunkte sind für das militärische Flugwesen im heutigen Stadium und auch in Zukunft eine dringende Not- n»endigkeit. Im Frieden können die Stützpunkte für die Ausbildung der Flieger außerordentliche Dienste leisten. Die Flieger, die sonst nach Möglichkeit zu ihrem Aufstiegsort Lurückkehren müssen, um ihr Flugzeug dort nach Beendigung des Fluges zu ber gen, können ihre Ueberlandflüge auf diese Weise weiter ausdehnen und ihr Flugzeug nach der Lan dung in einem loschest,-für dies; Zrpeche errichteten Unterkunftsvunkt«, der auch In einet einfachen Halle aus einem Feld« beskhen kann, untentzingen. Da durch erhält einerseits der Führer viel besser« Gelegen- heil, sich im Fliegen zu übem anderseits der Beob achter, sich in unbekannter Gegend zu orientieren. Viensttl-, 9. JuU 1Sl2. Ferner ist es durch diese Stationen möglich, Militär flieger auf kurze Zeit m Garnisonen zu stationieren, denen keine Flieger dauernd zur Verfügung stehen. Dadurch können die Flieger bei Trupoenübungen in den verschiedensten Terrain» in Wirksamkeit treten, und die Truppen auch dieser Garnisonen können im Zusammenwirken mit der neuen Luftwaffe geübt werden. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn diese Stationen, wie die in Freiburg eingerichtete, auch mit Betriebsstoffen für Flugzeuge und mit Re paraturwerkzeugen, wenn nwglich auch mit Ersatz teilen ausgerüstet werden, so daß die Militärflieger auf großen Ueberlandflügen auch bei Notlandungen leichter Hilfe finden können als heute, wo sie ge zwungen sind, selbst bei kleineren Havarien, die mit Bordmitteln nicht beseitigt werden können, ihren Apparat nach der Heimataarnison auf dem Land- wege zu transportieren. Auch im Kriege, und hier vielleicht noch mehr, werden solche Hallen von ganz hervorragendem Nutzen sein. Wenn sich die Städte der Grenzländer, auch ohne daß Luft/ahrervereine in ihnen tagen, selbst bereitfinden, einfache Hallen am Rande ihres Weichbildes nächst einer glatten, freien Ebene, dl« fast überall vorhanden ist, zu errichten, so würde durch ein solches Netz von Stützpunkten die Aktionsfähigkeit des militärischen Fliegerkorps ganz bedeutend erhöht. Sos. unü perlonalnschrichten. * König Friedrich August wird am 12. Juli in Oberwiesenthal eintreffen und im Sport hotel absteigen. * Der „Reichsanzeiger" meldet die Verleihung des Sterns zum Kronenorden zweiter Klasse an den Generalmajor z. D. Gerard de Graaff-Berlin- Halensee und des Kronenordens zweiter Klasse an den Obersten z. D. Charles de Beaulieu- Berlin» Steglitz. DeuMes Seich. Zum Tod« des Staatsministers a. D. Hobrecht schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Mit dem Ver ewigten ist eine Persönlichkeit aus den: irdischen Dasein geschieden, di« auf zahlreichen Gebieten des öffentlichen Lebens sich durch bedeutende Gaben und Tatkraft hervorgetan hat. Politisch ist er als führendes Mitglied der nationalliberalen Partei hervorgetreten und hat nicht nur bei seinen Freun den, sondern auch bei den politischen Gegnern hohe Achtung genossen." Die Abgrenzung des Gebietes an der Walfischbai. Berlin, 8. Juli. Bekanntlich wird sich der Staats sekretär Dr. Sols auf seiner Reise in Südwestafrika auch persönlich über die Grenzregulierung an der Walfischbai unterrichten. Zu dieser Angelegenheit schreibt Geheimrat Dr. v. Danckelmann, der zu sammen mit Herrn v. Lindequist den Abschied nahm, in der B. Z.: „Die Grenzen des Walfischbaigebietes, über die ein mehr als 25jähriger Streit mit Eng. land bestand, sind durch den Schiedsspruch des spani- schen Senators Professor Dr. Grida am 12. Mai vorigen Jahre» festgesetzt worden. Und zwar wurde der Streit zugunsten Englands entschieden. Es bleibt- daher heute nur übrig, die Grenze an Ort und Stell«, gemeinsam zu vermerken. Da die Grenze im Jahre 1885 bereits durch den englischen Landmesser Wrey einseitig vermerkt ist und der Schiedsspruch aus- ecnzulasjen . . . Prozesse sinh in den meisten Fällen eine Art von Hasardipcel . . . Aber in vorliegendem t^alle rann ich als gewiß hinsrellen, daß Ihnen wegen Aussichtslosigteit des Rechtsstreits nicht einmal das Armenrechl vowclligt werden würde. Daß «in eigen händiges Testament mit dem als Datum stehen ge bliebenen Vordruck nichtig ist, darüber sind sich alle Kommentatoren des Bürgerlichen Gesetzbuä-s, Planck, Staudinger, der Kommentar der Reichsterichrsräte, einig. Jeder Nachlaßrichter erlebt den Fall jährlich einige Mal«, die Frag« ist schon oft von den Ober landesgerichten und dem Reichsgericht entschieden worden.. Die Bank wird zur Abhebung des Deports von den beiden Herren einen Erbschein verlangen, den wir ihnen ohne weiteres ausstellen müssen." „Es ist nicht möglich, es kann nicht sein ... ich kann es nicht fassen", ries die schluchzende Dame, dl« einen völlig gebrochenen Eindruck machte. „Meine Gegenwart ist wohl hier nicht mehr nötig", jagte der Oberleutnant, indem er sich erhob. „Das Protokoll muß noch unterschrieben werden", er widerte der Assessor, indem er die von ihm gemachte Niederschrift verlas. Bei der Unterschrift siel ihm auf, daß Fräulein Möbius, die sich endlich gefaßt zu haben schien und deren Gesicht eine sonderbar bleick)« Farbe angenommen hatte, mit fester und sicherer Hand, das Protokoll unterschrieb, während die beiden Herren, die mit roten Köpfen dastanden, vor Er regung nur mit zitternden Schriftzügen ihren Namen auf das Papier brachten. Alle drei verließen dann das Amtszimmer. Peter Arbogast zündete sich, als er sich allein sah, eine Zigarre an und blickte sinnend den Dampswolken nach, indem er darüber grübelte, ob es nicht besser gewesen wäre, w«nn er, wie ein Arzt, der schonend eine Diagnose verschweigt, dem alten Fräulein nicht jod« Hoffnung genommen hätte. Er sann auch dar über nach, warum die Juristen sich nicht entschließen können, «inen solchen auf einem offenbaren Veriähen beruhenden Formfehler mit dem Mantel christlicher Liebe zu bedecken, obwohl der Wortlaut der betref fenden Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch die Möglichkeit dazu offen ließ, wenn man ihn in diesem Sinne preßte. Da hörte er auf dem Korridor ein undeutliclzes Gewirr von Stimmen und ein Hin- und Herlausen, wie von dem Zusammenrennen vieler Menschen. Er öffnet« die Tür und sah zwei Gerichts diener eilig vorbeikommen. „Was ist denn geschehen?" rief er ihnen zu. „Eine Dame hat sich soeben aus dem Treppenfenster in den Hof gestürzt", erwidert« einer der Gerichtsdicner, indem er an das bezeich nete Fenster eilte, da, bereit» zahlreiche Leute um standen. Von einer seltsamen Ahnuirg ergriffen, be gab sich auch Arbogast dorthin uns blickte, da ihm einige Beamte Platz machten, über die Fenster brüstung hinunter. Auf dem asphaltierten schmalen Hof lag in einer Blutlache ein« in schwarze Trauer gekleidete Frauengestalt. Der Gerichtsassistenzarzt, der aus der gegenüberliegenden Gefangenanstalt eilig herbeigeholt war, beugt« sich über di« Zerschmet terte und machte eine achselzuckende Bewegung, um den überall an den Fenstern sichtbaren Personen an zudeuten, daß jede Huf« vergeblich sei. Dann winkt« er einem Gerichtsdicner, der den Leichnam mit einem Tucke bedeckte. Ein Iormfcchler, den die Rechtswissenschaft als unheilbar ansohen muß, hatte ein Menschenleben ver nichtet. . . Theoüor Gaeüertz -j-. Berlin, 8. Juli. Der Reuter-Forscher Professor Theodor Gaedertz ist in der letzten Nacht im Alter von 87 Jahren hier gestorben. Alle Reuterverehrer wird diese Trauerkunde mit Wehmut erfüllen, denn der eifrigste und berufenste, zugleich der uneigennützigste Reuterforicher ist in der Blüte seiner Jahre und auf der Höhe seines Schaffens jäh dahingegangen. Seine alljährlichen köstlichen und jo gehaltreichen Reuterkalender haben den Na men des gelehrten und doch so volkstümlichen Lübeckers Theodor Gaedertz in jedes gute deutsche Haus und Herz getragen und die Liebe zu dem ursprünglichsten deutschen Dichter im Vaterlande ge hegt und ausgcbreitet, als gelte es eine köstliche Mission. In Lübeck ist Theodor Gaedertz am 8. Januar 1855 als Sohn des bekannten Kunsthistorikers Dr. jur. Gaedertz geboren, ein Sproß hochangesehener Aeltesten der Lübecker Kaufleute-Kompagnre. Sein Urgroßvater war der Mitreorganisator des deutschen Handelsrechts und wurde von Friedrich dem Großen durch den Eroßkanzler Eoccögi, den Vater des Allgemeinen Landrechts, eigenhändig mit der goldenen Medaille ausgezeichnet. Dieser Gaedertz war nachher auch einer von den Abgesandten Lübecks zum Kaiser Napoleon. Der Großvater, Senator in der freien Reichs- und Handelsstadt, genoß großes Ansehen als Besitzer einer der bedeutendsten Privat- Gemäldegalerien Deutschlands, und ein Großoheim mütterlicherseits, der Freiherr Ferdinand von Leeien war der Verfectuer der Interessen des Vaters unserer I Kaiserin, des Herzogs von Holstein-Augustenburg. Der junge Patrizier Theodor Gaedertz besuchte oas Katharineum in Lübeck und ging in frühen Jahren als Student nach Leipzig. In Berlin hat er seine historischen und literarhistorischen Studien beendet und ist 1880Assistent ander königl. Bibliothek dort geworden. 1884 zog man ihn als Lektor und kommissarischen Bibliothekar in das preußische Kultusministerium und beurlaubte den strebsamen und hochbegabten jungen Gelehrten alsbald zu einer grogen Forschungsreise, die sich durch ganz Deutschland, England, Frankreich, Belgien, Holland und die skandinavischen Länder erstreckte und von der Gaedertz reiche literaturwissenschaftliche Funde heimbrachre. Nach keiner Rückkehr ernannte man ihn rum Oberbibliotqekar und Professor und berief ihn 1902 als stellvertretenden Direktor an die Universitätsbibliothek nach Greifswald. Jetzt erst trat Gaedertz in den Ehestand; Ende August jene« Jahres heiratete er die Tochter des Oberstleutnant» v. Vangerow. Seine Berufung nach Greifswald war hauptsächlich auf die grojzzügige Fritz-Reuter-Feier 1894 zurückzusühren, die er zusammen mit einer Aus stellung zu Ehren des nationalen Verfasser» der „Ollen Kamellen" dort veranstaltet hatte. Nach 25jährioer ehrenvoller Dienstzeit nahm Gaedertz seinen Abschied, um fortan ausschließlich seinen Forscherneigungen für Fritz Reuter zu leben. Er zog wieder nach Berlin, und seine schönste Tat war dort die großartige Fritz-Reuter-Hundert- jahrfeier zuerst im Künstler-, dann im Adaeord-' netenhause, von der, wie in der ganzen Presse seiner- zeit auch hier mit Bewunderung berichtet wurde. Die Zahl der literarhistorischen Schriften Gaedertz' füllt fast eine Seite. Seine Schriften über Reuter stehen an erster Stelle und haben ihm einen unver lierbaren Namen gemacht, auch Lübeck und seine alte Geschichte hat er oft mrt heimattreuer Forscherliebe geschildert und seinem Lübecker Landsmann Emanuel Geibel manche Forschung und Würdigung angedeihen lassen. Er hatte für alles Niederdeutsche eine natur gemäße heiße Liebe und sammelte insbesondere, was er auch nur über und von Fritz Reuter erlangen konnte, denn sein Sinn ging auf jenes höchste Zrel, die Schaffung eines Fritz-Reuter-National- museums. Darüber ist er nun hingestorben, und wir müssen seine Reuierkalender als ein, freilich nicht geringes Stück Reuter-Nationalmuseum hin nehmen. Neben vielen hohen Orden auch fremder Länder besaß Gaedertz auch die Südwestafrika-Denkmünze. Wie der Name des Freiherrn von Biedermann mit dem Andenken Goethes ist Theodor Gaedertz' Gedächtnis mit der Einnerung an den unverwüst lichen, unvergeßlichen Schöpfer der „Stromtid", des Onkel Bräsig für immer unverlierbar verbunden, s. Kunst UNÜ Willenschsst. Ferienkurse für Studierend« der Medizin und Zahnheilkunde an der Universität Leipzig in den Herbftferien 1912. Es sind folgende Kurse beabsichtigt: Prof. Dr. Birch- Hirsch felo: Repetitorium der gesamten Augen heilkunde mit Brillenbeftimmungen uno Aug«n- jpiegelübungen; Dauer 3 Wochen, Beginn 2. Sep tember in der Augenklinik. — Dr. Täppisch (rm Auftrage von Prof. Rille): Diagnose und Therapie der Haut« und Geschlechtstrankbeilen. Dauer zirka 3 Wochen, Beginn 3. September im Hörfaal der Dermatologischen Klinik. — Privatdozent Dr. Gro s: Repetitorische Hebungen der Pharmakologie. Dauer 3 Wochen. Beginn Anfang September im Hörsaal oes Pharmakologischen Instituts. — Privatdozent Dr. Knick: Klinik der Ohren-, Nasen- und Halskrank heiten mit Hebungen. Dauer 3 Wochen, Beginn 2. September im Hürsaal der Otolaryngologi^chen Klinik. — Privatdozent Dr. Lichtenstein: Repe- titorium o«r gesamten Geburtshilfe und Gynäkologie. Dauer 3 Wochen, Beginn 2. September in der Uni versitäts-Frauenklinik. — Zahnarzt Nauenburg und Zahnarzt Ionas: Kursus der Zcrhnersatzkunde und der Orchodontie einschl. Repetitorium d«r Kronen, und Brückenarbetten, chirurchischen Verbände und Prothesen. Dauer 4 Wochen, Beginn 29. Juli, Zahnärztlrches Institut, Nürnberger Straße 57. I. — Privatdozent Dr. Nießl von Mayendorf: Einleitung in die Lehre vom feineren Gohirnbau (mit Lichtbil!o«rn uno mikroskopischen Demon strationen. Dauer 4 Wochen, Beginn 2. September, Universität. — Prof. Dr. Schröter: Augenspiegel kursus. Beginn Anfang September, Nonnenmuhl gasse 8. — Hilfslehrer Zahnarzt Schuster: 1) Zahn ärztliche Poliklinik mit Uebungen im Extrahieren der Zähne in lokaler Anästhesie. Dauer 4 Wochen, Beginn 23. September; 2) Kursus der konservieren den Zahnbeilkunde. Dauer 4 Wochen, Beginn 23. Sep tember: beides im Zahnärztlichen Institut, Nürn- bergrr Straße 87, II. Hochschulnarhrichleri. * Privatdozent Dr. Wo. Ostwaldin Leipzig wurde von der Amer. Soc. for Medical Research und der Amer. Lhem. Sect. Cincinnati einaeladen. im Herbste des Jahres einen Kursus von Vorlesungen über Kolloidchemie zu halten; desgleichen von der Ge- sellschaft der Naturforscher und Aerzte, auf der dies jährigen Versammlung in Münster (September) zu einem vereinigten Sektionsvortrag über „Die neuere Entwicklung der Kolloidchemie"; ferner von der „Urania" in Wien zu einem populärwissenschaftlichen Vortrag ebenfalls über Kolloidchemie. b. Professor Dr. Phil. Rassow-Leipzig ist vom Kultusministerium vom 2. August bis 25. Ok tober d. Z. zur Teilnahme am 8. Internationalen Kongreß für angewandte Chemie in Washington und zu Studienreisen in Nordamerika beurlaubt worden. Der bisherige Lektor der französischen Sprache an der Universität Leipzig, Gaston Mono d, scheidet mit Schluß dieses Semesters von feinem Posten. Seine Stelle wird vom kommenden Wintersemester ab durch Adolphe Georges Favre in Lyon besetzt, der ebenso ivie sein Vorgänger gleichzeitig Assistent am Romanischen Seminar der Universität sein wird. Der frühere UniversitätEentmeister Hosrat Carl Riemer ist im 67. Lebensjahre am 6. Juli d. I. in Klotzsche bei Dresden gestorben, wo er seit 1. Ok- 1911 im Ruhestände lebte. 8b. Der 6. Znternational« Kongreß für Geburts hilfe und Gynäkologie wird vom 9. bis 23. Sep tember in Berlin abgehalten werden. — An der Berliner juristischen Fakultät werden jetzt auch, wie bereits schon seit längerer Zeit an der Universitär Hall«, von d«r juristischen Fakultät Repeti torien abgehalten wevden. Die beiden amerika nischen Professoren William M. Sloane (Roose- oeltprof«ssor) und Professor Charles I. Monit (Austaujchprofessor) werden di« Vorlesungen halten. — Der ordentliche Honorarprofessor für praktische Theologie an der evangelisch-theologischen Fakultät in Breslau Dr. theol. et phil. Oberkonsistorialrat Karl o. Hase vollendet am 12. Juli sein siebzigstes Lebensjahr. — Der außerordentliche Professor der Oekonomie an der Universität in Wien Dr. Karl Grünberg ist zum ordentlichen Professor der neuen Wirtschaftsgeschichte ernannt worden. Dr. Hans von der Gabelentz-Linsingen, der Direktor der staatlichen Museen in Weimar, hat seine Entlassung genommen, um einem Ruf« al» Nachfolger des Professors Brockhaus an das Deutsche Kunsthistorische Museum in Florenz Folg« zu leisten. Er war der Nachfolger Kötschaus und vorher Privatdozent in München. Sein Amt al» Kabinetts sekretär des Grokherzogs hatte Gabelentz schon vor längerer Zeit nieoevgel«gt. * * Stadtgeschichtlich«» Museum. Heut« mittag A12 Uhr veranstaltet der Direktor des Museums, Prof. Dr. Kurzwelly, fern« zweit« Führung durch die PorträtauHtelümg. Er wird sich diesmal in der Hauptsache auf die Meister de» IS. Jahrhundert» und auf di« Miniaturen besHränkrn. Die Führung be ginnt im Hauptgeschoß heim Eingang zum Großen Saale. , 8t Der 17jährige Komponist Heinrich Vienstock aus Mülhausen im Elsaß, von dem eine einaktige Oper „Zuleima" zur Uraufführung im Karlsruher Hoftheater erworben wurde, ist, wie au» Karlsruhe gemeldet wird, jetzt al» dritter Kapellmeister an die Hosbühne in Karlsruhe berufen worden.
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