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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.07.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120709016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912070901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912070901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-09
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
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LZezuqA-Prn- tAr «nd d»rch »al»l« TrSarr »»d Soebttem« 2»»l tialich t»»vau»««drachr' «VI. monatl., 2.70 Ml. «iineyirhkt Bet unleni stiltatt» ». >„ nahmesrellen adaetzsu: 7» Pl. »omrtU, llü Ml. oieNeyühiU D,o» »I, V»!t: mnerhald Deur>chtand» und der deutichei, Kolonien vierteljühkl. 3.«» Ml., monall. ILtMl. au»jch: Posrbeltellaeld Kerner in Belgien Dunemarl, den Donauftaaten. Italien, Uuiemduia, Niederlande. Nor wegen, Oellerrrich. Ungarn Nutziand. Schweden und Schweij. 2n allen übrigen Staaten nur otrekr durch die ibelchäfto- stell, de, Blatt«» «rdültlich. La» i!rip,tg«r Lagedlan «rlcheint 2mal täglich. Sonn- u. Feiertag» nur morgen». Lbonn«mrnt»-<lnnal>m« 2»hanni»,all« 8, Setunjeren Tragern, Filialen, Spediteuren >u»d llnnabmeftellen, >owt« Poltämtern und Briefträgern. Et»i«l»«rla»t»»r,»» lv M- Morgen Ausgabe. Handelszeitung. j Dep.-Kalle «riinin. Steinweg K. AW-r Ämtsölatt des Nates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Aazetgr».Preis fil» Inlerar« au» t!«»vpa und Umgeb»« di« Ilpaltig« Betit.eil« 2SPf., dt« Neklame» »eil« l Ml. von ««»wärt, Z0 Pf, Nellamen U20 Ml. Inserat» oon Behörden im amt- ltchen Teil die Petitzeil« so Pf. tb»>chatt»ani«ig«n mit Platzoorfchriften im Prell« erhöht. Nadan nach Tarif. Beilagegebüdr Selaint» outlag« 5 Ml. p Taufend erki. Postgebühr. Tetldeilag« höher. Feltertetlt, iluitrage können ni^r zurück gezogen werden Für da» Erscheinen an veinmmten Tagen und Plagen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen» Ännadm«: 2»danni»gaff« 8. bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Erveditionen de» In» und Au»lande». Druck und Verlag »»» Fischer L Kürste» Inhabern Paul Nitrit«». Nedaktiou und G«schttft»I1«0»: Johannrsgass« 8. -aupt-Filiale Dr«»deu: Seearaße i, l lTelephon tk21>. Nr. 345 Virnsisg, Len S. Hu» >SI2. 106. Zshrysng. Unsere gestrige Abenvausgabe umfaßt 1V Seiten, die vorliegende Morgennummer 16 Seiten, zusammen ÄS Seiten. Vas Mcktlgtte. * Die portugiesische Regierung hat 8000 Mann nach den bedrohten Nordprovinzen ent sandt. (S. Ausl. S. 3.) * Die Streikbewegung in L« Havre ist im Abnehmen begriffen. * Der Reuterforscher Theodor Gaedertz ist in Berlin gestorben. (/.. Feuill. S. 2.) * Der Reinertrag des Kornblumen tages Leipzig-Land wird nach vorläu figer Schätzung auf reichlich 40 000 geschätzt. (S. Leipz. u. Umg. S 6.) * Theateranzeigen siehe Seite 16. Vie Plärrer- Prozelle. In den Fällen Iatho und Traub mochte man mehr die Opportunität der cingeleite- ten Verfahren anfechten als das moralische Recht der Kirchenbehörde zu ihrer Einleitung. Nach dem Jatho jahrzehntelang in seiner Gemeinde gewirkt und inzwischen sein sechzigstes Lebens jahr überschritten halte, mochte man den von der Mehrheit seiner Pfarrkinder nicht Beanstandeten die wenigen Jahre noch fortamten lassen, die an der normalen Altersgrenze zur Pensionierung ihm no'ch fehlten, und dann schiedlich friedlich das Band lösen; wie es in einem Leipziger Falle, dort nicht wegen Irrlehre, sondern wegen normwidriger Predigtweise, geschehen ist. Die Hauptsache war dann, bei der Bestätigung des Nachfolgers größere Strenge tvalten zu lassen. Bei dem jüngeren Traub erregte keine Härte des Urteils Berdruß, sondern seine Unlogik: gerade vom Standpunkte strenger Positiver aus trifft die Strafe der Amtsverschung doch weniger den Versetzten als die Gemeinde, in welche er versetzt wird; womit haben deren fromme Schafe den nach Meinung seiner Gegner falschen Prophe ten und unzuverlässigen Hirten verdient? An der richtigen Stelle und in der richtigen Weise hatte man also diese Exempel nicht statuiert. Aber den Grund des oberkirchenrätlichen und konsistorialen Rechtes zum Einschreiten gegen die Jatho-Schule darf eigentlich, solange die Kirche in ihrer heutigen Form und Verfassung besteht, auch der Subjektivist nicht bestreiten. So ganz neu ist ja die Lehre nicht. Schon der im 17. Jahrhundert lebende, in den evangelischen Gesangbüchern trotz seines Konfessionswechscls reich vertretene Scheffler (Angelus Si- lesius) macht das Dasein Gottes vom mensch lichen Denken abhängig. Selbstverständlich ist menschliche Gottschöpfung dauernd unverträglich mit dem ersten Artikel des apostolischen Bekennt nisses, der die gemeinsame Wurzel aller drei großen monotheistischen Religionen enthält. Hat der Staat auch schließlich weder Befugnis noch Bedürfnis, etwa sich bildenden Jatho-Gcmein- den die Führung des Ehristennamens zu unter sagen, so darf man doch der bestehenden Kirche das Recht nicht wehren, jede Gemeinschaft mit An schauungen und Vorstellungen aufzuheben, die sie für Unchristentum und versteckten Atheismus ansieht. Aber neuerdings sind ein paar Prozesse ein geleitet, die die streitende preußische Kirche nicht in der Positur einer sich wacker und mit Fug ihrer Haut wehrenden zeigen, sondern: in einer Angriffslust, die von den Urhebern des Jrr- lehregesetzes gewiß nicht gewollt war. Gegen den Pfarrer Heyn an der Berliner Kaiser-Wil- Helms-Gedächtnis-Kirche schn-ebt wegen einer bibelkritischen Bemerkung eine Unter suchung. Auch diese Seite des „Modernismus" — wie man die Richtung in der katholischen Wissenschaft getauft hat — ist keineswegs ein rein modernes Gewächs. Luther hat mit seiner Verdammung des „strohernen" Jakobus-Bricses Bibelkritik sogar in einer heutzutage kriminell unzulässigen Form gewagt; und der Ueberliefe- rung über das Alte Testament ist wohl alS erster Spinozas theologisch-politischer Traktat, wenn auch mit unzureichender Methode, zu Leibe ge gangen. Im 19. Jahrhundert aber ist der fun damentale Theopneustie-Begriff des reformatori schen Dogmas, seit Lessing längst schwer erschüt tert, endgültig durch einen neuen Handschreiben fund auch in seiner textlichen Unterlage aufge löst; und es gibt wohl keinen wissenschaftlich durchgebildeten Theologen mehr, der trotzdem an ihm festhielte. Wenn also Pfarrer Heyn bekannt hat: „Es sei ihm fast zum Ueberdruß, immer wiederholen zu müssen, daß nicht der ganze Bibel inhalt irrtumsloses Gotteswort sei", so weiß, man wirklich nicht, was gegen Inhalt wie Form dieser sehr maßvollen Auslassung eingeivandt werden könne. Höchstens daß ganz überslüssigertvcise eine solche Wiederholung lvieder gemacht und mit ihr zum tausendundersten Male eine offene Tür ein gerannt ist. So schlechtweg darf auch nicht das Recht am tender Geistlicher bestritten werden, derartige Aenßerungen in der O e f f e n t l i ch k e i t zu tun. Die Erschütterung des überlieferten Glaubens in den breiten Massen ist ein sehr schlimmes Ding. Aber in unserer Periode der gehobenen Volks bildung war es unabwendbar, d§ß „Aufklärung und Ztveifel aus den Kreisen der Gebildeten", die sie zu Schlciermachers Zeit noch ziemlich monopolisierten, zu ihnen den Weg gefunden hat. Wie die Dinge gegenwärtig stehen, bedeutet nicht mehr die Wühlarbeit des Radikalismus daS schwerste Hindernis, die gewesenen Volksschulzög- linge der Kirche zu erhalten oder zurückzugewin nen, sondern das weitverbreitete Mißtrauen in die Aufrichtigkeit der Glaubensverteidiger. Wir meinen überhaupt, daß diese auf falschem Wege sind, wenn sie ihre Apologetik so stark auf die Arbeit an den weniger Gebildeten konzentrieren und die anderen liegen lassen, wenn sie nicht von selbst kommen. Das gibt den fatalen An schein, als gelte ne».h das frevle Wort eines griechischen Sophisten, die Religion ser eine Er findung der Politiker zur Beherrschung der Menge. Das alte Christentum, schon Paulus in seinem Areopagiticos, hat mit gleichem Eifer in beiden Sphären geworben und hätte ohne sein tüchtiges und gerade durch seine hohe Bildung opferfrohes Offizierkorps, das keineswegs bloß den Priesterrock trug, schwerlich dem auch wissen schaftlich gut gerüsteten Heidentums obgesiegt. Wenn man nun aber auch der Kirchenregic- rung nicht recht geben kann bei ihrem Prozesse gegen Heyn, und nun gar gegen Wegener, der kein schlimmeres Unrecht begangen hat, als bei Konfirmationen statt der brandenburgischen Agende die elsaß-lothringische zu gebrauchen, so darf man doch auch an die Opposition eine War nung vor unnötigem Zurschautragen ihrer abweichenden Meinungen richten. Ein Protzen mit der Negation erscheint gerade so häßlich wie gar zu oft wiederholtes Aufsagen des Bekenntnisses. In der hannoverschen Landeskirche gefällt auch positiven Ge meinde gliedern nicht, daß neuerdings nach dein preußischen Muster allsonntäglich das Apostoli kum verlesen rvird, nachdem es über hundert Jahre nicht mehr geschehen war. Da aber die preußischen Gemeinden Wert legen auf Beibe haltung der alten Gottcsdienstsorm, so ist der ewige Sturmlauf gegen sie bloß eine Quelle vermeidbarer Reibereien. Die Heiligkeit der For mel gewänne eher bei Beschränkung ihres Ge brauches auf Konfirmation, Ordination und Amtseinweisung; die jetzige Anwendung sieht aus nach Besorgnis, daß bei Pfarrer und Ge meinde von einen: Sonntage zum andern die Glaubenssicherheit ins Schwanken geraten könne. Aber Unterwerfungen nnter die Sitte sind noch lange keine Heucheleien. General superin-- t e n d e n t L a h n s e n hat ausdrücklich anerkannt, daß sie keine Verpflichtung aus den strengen Wort laut der ehrtvürdigen Formulierung bedingen. Die englM-lrniyöMH-rullMe UünsperlMe Latin. Bon Arnold N. Rennebarth-London. Das Studienkomitee der englych-französisch- rujsiichen lranspersijchen Lahn hat sich konstituiert, uno öas Projett — ein von russischer Sette recht altes Projekt, das aber bisher immer am englischen Widerstand scheiterte — scheint ernst zu werden. Wenn es ernst wird, regt sich starker Widerstano da gegen in England, gerade wie seinerzeit gegen die Bagdadbahn. Sir Edward Grey, der Staatssekretär des Auswärtigen, stellte sich letzthin wieder auf den Standpunkt, daß die Bahn doch gebaut würde, nut oder ohne England, und daß es deshalb besser sei, England rede ein Wort dabei mit, um seine be rechtigten Interessen zu wahren. Der Widerstand gegen die Bahn kommt haupt sächlich von liberaler Seite, wie man überhaupt jeder Zusammenarbeit mit Rußland abgeneigt ist und der französischen Finanz nicht traut. Der Wider stand ist strategisch-militärischer und wirtschaftlicher Natur. Strategisch-militärisch fürchtet man für Indien; man fürchtet ein Verschieben der russischen Grenze an die indische heran — wenn Rußland üen Norden und England-Indien den Südosten Persiens in die Tasche gesteckt haben — und neue Militär- und vielleicht Marineforderungen — in Indien. Wirtschaftlich fürchtet man den Verlust des nord- persisck>en Marktes: es ist bezeichnend, daß der schärfste Widerspruch oon Manchester, der Baumwollindustrie, kommt. Beide Einsprüche scheinen nicht stichhaltig. Was den Einbruch Rußlanos nach Indien anbetrifft, so sieht der vorläufige Plan eine Aenderung der Spur weite am Ende der russischen und am Anfang der englisch-indischen Strecke vor; ferner laust der Haupt teil der englisch-indischen Strecke — mehr als zwei Drittel, nämlich von Bender-Abbas nach Karachi — unmittelbar am Meere, unter den Geschützen der englischen Flotte. Was den wirtschaftlichen Einspruch anbetrifft, so hat der englische Handel nicht mehr viel in Nordpersien zu verlieren: die russischen Baumwollwaren haben die englischen fast vollständig verdrängt. Außerdem — und das ist wohl ausschlag, gebend — behält sich England vor, in Süd- und Nordwestpersien — der berühmten neutralen Zone des anglo-rufsischen Vertrages von 1907 — die Bahnen zu bauen, für die die Pläne lange bereit- ' liegen. Nämlich die direkte Bahn oon Bender-Abbas nach Jezd — Teil der jetzigen transpersischen Bahn — und die weit wichtigeren Linien oon Bushiri über Schiras nach Jspahan und über Akwar und Schurftar nach Lhoramabad. Die letztere, wichtigste Linie geht durch die persische Petroleumgegend und würde, über Khermcrschah, leicht Anschluß an die Bagdadbahn finden. Mit dieser Bahn — von Bushiri — könnte England selbst dem russischen Handel in Nordpersien äußerst gefährlich werden und seine Monopolstellung Em Formfehler im Testament eigener Sankt. Skizze oon Paul Schmidt. Peter Arbogast war nach glücklich bestandenem Assessorexamen an das Amtsgericht einer großen In dustrie- und Handelsstadt Westdeutschlands verletzt worden und wurde als Hilfsrichter in d«r Abteilung für Nachlaßsachen beschäftigt. Als er im ganzen Ge fühl seiner neuen Würde kurz vor 9 Uhr vormittags, auf welchen Termin er als eine seiner ersten Amts handlungen eine Testamentseröffnung angesetzt hatte, die schmal« Treppe zum dritten Stockwerk des alten, düsteren Eerichtsgobäudes hinaufstieg, fand er die zum Termine geladenen Personen auf dem Korridor schon wartend. Eine älter«, tief verschleierte Dame in anständiger Trauerkleidung stand abseits von zwei Herren, die sie mit feindseligen Blicken musterten, oon denen der «ine Offizier, der andere nach dem Ein druck, den seine trotz hohen Alters straffen, sonnge- bräunten Züge machten, Landwirt war. Nachdem P«ter Arbogast in seinem Bureauzimmer Hut und Mantel abgelegt hatte, schellte er sogleich dem Ge richtsdiener, der den Termin aufrief, worauf alle drei Personen vor dem mit grünem Tuch bekleideten Tische Platz nahmen, die Herren, indem sie offensichtlich von der Dame etwas abrückten. Arbogast stellte die Personalien der Effchienenen fest und eröffnete ihnen, daß es sich um die Verkün dung des Testament, de» Justizrats und Rechtsan walt» Johann Ferdinand Jänichen handele, und zwar um ein eigenhändiges Testament, das die mit erschienene langjährig« Hausdame des Verstorbenen Fräulein Anna Möbius auf dem Schreibpult in einem verschlossenen Briefumschlag vorgefunden und gemäß der gesetzlichen Vorschrift an da, Nachlaß, gericht abgeliefert habe. Geladen waren neben der Hausdame, die sich als mutmaßliche Testamentserbin bezeichnet hatte, dl« gesetzlichen Erben des Justizrats, der als alt«r Junggeselle kinderlos gestorben war, nämlich sein Bruder, der Landwirt, und sein Neffe, de» Oberleutnant, al» einziger Sohn eines verstorbe nen Bruders. Auf ein erneute, Klingelzeichen brachte der Testa, mentenoerwahrer, ein beleibter Aktuar, das verhäng nisvolle Schriftstück, da, unterdes in den feuer, und diebessicheren eisernen Schränken des Amtsgerichts aufbewahrt worden war, und überreichte es dem Assessor, der es den Erschienenen vorlegte, damit sie sich oon der Unverletztheit der Umhüllung über zeugten. Nachdem Arbogast mit der großen Amtsschere, die auf seinem Pulte lag, den Umschlag eröffnet und das Schriftstück entfaltet hatte, konnte er einen leisen Ausruf der Ueberraschung nicht unterdrücken. Er be merkte auf den ersten Blick, daß das Testament wegen eines Formmangels ungültig war. bei seiner eigen händigen Abfassung durch einen Justizrat und Rechts anwalt ein immerhin sonderbarer Fall. Bekanntlich hat das Bürgerliche Gesetzbuch neben dem gerichtlich und notariell errichteten Testament auch das soge nannte eigenhändige oder holographe Testament zu gelassen, als dessen einfache, oon jodem ungewandten Laien zu erfüllende Form es nur verlangt, daß es „eine oon dem Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und unterschrie bene Erklärung" enthalt«. In unbegreiflicher Gedan kenlosigkeit, vielleicht infolge oon Krankheit und Schwäche, da das Testament wenige Tage vor seinem Tode abgefaßt war, hatte der Justizrat einen Brief bogen aus seiner Kanzlei benutzt, der oben als Vor druck die Worte «Leipzig, den . . ." trug, und hatte diesen Vordruck emfach mit dem Datum „5. Mai 1912" ausgefüllt. Dadurch war das Testament, das sonst allen Erfordernissen entsprach, ungültig geworden, da das OrtSdatum „Leipzig" nicht eigenhändig vom Testator geschrieben, sondern eben als Vordruck stehen geblieben war. Arbogast beherrschte seine Ueberraschung, in der Annahme, vielleicht bei der Unterschrift den Form fehler geheilt zu sehen, und lag das Testament den Erschienenen vor. Es hatte folgenden Wortlaut: „(Leipzig, den) 5. Mai 1912. Mein letzter Wille. Zur alleinigen Erbin meines gesamten Der- mögens, das neben meinem Mobiliar im wesent lichen aus einem Bankdepot bei der ... . Bank in Wertpapieren oon nom. 87 000 « besteht, setze ich meine langjährige treue Hausdame und Wirt schafterin Fräulein Anna Möbius ein, die mir seit Jahrzehnten ohne hinreichenden Entgelt gewissen haft zur Sette gestanden hat, und der ich auch sonst zu innigstem Danke verpflichtet bin. Möge sie ihren Lebensabend in Erinnerung an m:ch sorglos genießen! Meinem Bruder Adolf und mei nem Neffen Raoul, die sich niemals um mich geküm mert haben, vermache ich als Zeichen, daß ich ihnen nicht grolle, diejenigen Bücher aus meiner Bibliothek und diejenigen Gemälde in meinem Speisezimmer, die sie sich selbst als Andenken auswählen werden. Johann Ferdinand Jänichen." Peter Arbogast hatte die Verlesung des Testa ments noch nicht beendigt, als der Oberleutnant, der seine Erregung nich: beineistern konnte, zwischen den Zähnen ein« Redewendung wie „Das hatte ich mir gedacht! Unerhört! . . ." murmelte. Der Lanüwirt vlieb unbeweglich und schien durch den Inhalt des Testaments ebensowenig überrascht zu sein wie Fräu lein Möbius, die in aufrichtiger Rührung mit dem spitzenbesetzten Taschentuch ihre Tränen trocknete. „Zu meinem Bedauern muß ich Ihnen eröffnen", fuhr Peter Arbogast fort, indem er dl« Verlesung be endigt hatte, „daß das Testament infolge eines un faßlichen Versehens des Verstorbenen ungültig ist; er hat das Ottsdatum, den Vordruck „Leipzig" auf dem Briefbogen stehen lassen, während «r dies Wort hätte eigenhändig schreiben müssen." Die Wirkung, die diese Worte des Assessors auf die Anwesenden ausübten, ist schwer zu beschreiben. Die Dame war sich augenscheinlich des Sinnes derselben nicht gleich bewußt, sie blickte den Assessor verständ nislos wie geistesabwesend an. „Wie ist die Rechtslage nun, wenn das Testament ungültig ist", brach zuerst der Oberleutnant das Schweigen. „Es tritt die gesetzliche Erbfolge ein", er widerte Arbogast, „d. h. der Nachlaß fallt zur Hälfte Ihnen und zur Hälfte dem Bruder des Erb lasser» zu." Tin unterdrückter Aufschrei ließ alle nach Fräu lein Möbius sich umblicken, die in ihren Sessel zurück gesunken war. „Das ist unmöglich, das kann nicht sein", rief sie, „so ungerecht kann das Schicksal nicht mit mir ver- fahren! Ueber dreißig Jahre lang bin ich Haushälte rin bei dem Verstorbenen gewesen, ich bin jetzt 58 Jahre alt; er hat mir niemals in meiner Tätia- keit entsprechendes Salär gegeben. Ersparnisse habe ich nicht machen können, in meinem Alter findet man kein« Stellung mehr! Der verstorbene Justizrat, der mich für meine Lebenszeit sicherstellen wollte, hat mich stets aus jein Testament hingewiesen, worin er mich zur Universalerbin einsetzen wollte. Was soll ich nun beginnen? Wie soll ich mir bei meinem lei denden Zustande einen Erwerb schaffen? Ich muß betteln gehen!" „Ich nehme an", wandte sich Arbogast zu den bei den perren, „daß Sie zu Ehren des letzten Willens ihres Oheims und Bruders Fräulein Möbius als Erbin anerkennen oder ihr doch wenigstens einen großen Teil der Hinterlassenschaft zuwenden werden. Sie können das ja gleich rn verpflichtender Form zu Protokoll erklären, um die Dame zu beruhigen." „Ich bin im Begriffe, mich zu verehelichen und eine Familie zu begründen", erwiderte der Oberleut nant; „ich brauche meine Mittel selbst sehr notwendig und habe nicht die geringste Veranlassung, der Dame etwas zuzuwenden, worauf sie gesetzlich keinen An spruch hat. Von mir erhält sie keinen Pfennig." „Fräulein Möbius ist schuld, daß ich mit meinem Bruder seit zwanzig Jahren verfeindet bin", sagte der Landwirt, dessen Gesichtszüge etwas Steinhartes er hielten; „sie hat mernen Neffen und mich geflissent lich oon dem Verblichenen ferngehalten, von mir be kommt sie kernen roten Heller." Peter Arbogast fühlt«, daß es «in aussichtsloses Bemühen wäre, diese beiden Leut« zu irgendeinem Entgeaenkommen gegen die ihnen verhaßte Haus- dame zu bewegen. „Sagen Sie mir. Herr Assessor", rief sie, indem fi« oergeblrch ihr« Tränen zurückzuhalten sucht«, „es Han. delt sich um ein Menschenleben, um mein« ganze Existenz . . . ist es nicht doch vielleicht möglich, daß die Gerichte, wenn ich «s auf einen Prozeß ankommen lasse, das Testament als gültig anerkennen und mir den Nachlaß zufpr«chen? Geben Sie mir wahrheits getreue Auskunft! Ich weiß nicht, was ich beginnen soll, wenn mir diese letzte Hoffnung zerstört wird." „Fräulein Möbius wird vielleicht in einer neuen Stellung mehr Glück haben", meinte der Oberleut, nant mit «in«m ironischen Seitenblick auf da» alternd« Fräulein. „Ich möchte dringend bitten, solche Bemerkungen lieber zu unterlassen . fiel ihm der Assessor scharf in» Wort, und wandte sich dann wieder an di« weinende Dame. „Ich bin zu sehr Jurist, um jemals mich in Prophezeiungen über den Ausgang eines Prozesse» Man beachte anch die Inserate in -er Abend-Ausgabe. "M»
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