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Leipziger Tsgedlstt. 2. SeNagr. Mttuwch, 14. Mruar 1S1L 6//rLeF/?LMFS-Ä7e/ü'e/' . «/F.-lo/L— sr. 9 - //- /4.- /9.^ Äo^/ckme. Ä/vFea «- /L- < p< ; - » L M 2^-5 Nr. 51. 10ö. liürlrgrra^ Ä/e/r/e/'T'OQ^e ^Z/z/e/'/'öc^e Vlt771/?^ o. »«,« -NA/ e/)qMen S7« Lt." 6/r^/ ^/e/o?L. . r^^N.^7L^eA§rz. 2kk. 9?^ /6.— 2«?.— «z<z.^. Ä^67^5«5e (?^el-/'o^'c7c^e/?. 2^. wahrt« ste am oberen Strandweg «in« Gestalt, fast Ubergroh, mit breiten Schultern und einem aufrechten, beinahe hochmütigen Gang. Dt« reichen schwarzen Haare hingen tief in di« Stirn, da« Gesicht war braun, harr und unbewegt, aber von einer klassischen Schön heit in den Linien. O, fi« «kannte bie.e Gestalt und dieses Gesicht, fi, erkannte sie auf den ersten Blick — es war ja alles unoerärrdert, nur der Gesicht sau sdruck, dieser harte, unbewegte Ausdruck, der war neu. Nein, so hatte «r nicht ausgesehen vor zehn Jahren, so nicht! — Fest und sick-er, nicht langsam und nicht schnell, schritt er den Strandun g entrang, hinunter gegen den Molo zu, wahrend das Boot vereus an den Piloren vorüberglitt und an die Stufen aniuhr, die zum Molo «mporiitheten. Mtt einem leichten Schwung war Elena heraus. Sie sah nur noch, wie Rafaels an ihr vorlrberstog, nm Autoicco und Alexander zu um armen, dann eilte sie durch die -urückweichendcn Reihen — und stand ihrem Vater gegenüber. Einige Schritte vor ihm blieb sie unwillkürlich stehen. Sie suchte seine Äugen — sichre in einem Zug seines Gesichtes zu lesen, ob er sich treue, des? sie gekommen. Nichts rührte sich in diesem braunen Antlitz mit dem verhüt beten Ausdruck und den düste ren Äugen, die streng und forschend auf ihr ruhten, sie von Hopf bis Fuh betrachteten und in denen ihr nicht das leiseste Zurren sagte: „Komm, ich will dich lieb haben!" Ihr Herz zog sich zusammen, sie fühlte einen eisigen Hauch durch ihre Glieder wehen, ihre ausgestreckten Arme wollten sinken — aber oa gewannen ihr Herz und ihr Verfvand die Oberhand, ein Blick aus den Mann, dem die Mutter ein so schweres Leid zugcfügr, di« blitzschnelle Erinnerung an jene Nacht, wo er sie, Sie kleine Elena, als sein letztes Gut auf seinen Armen hatte sorttragcn w'llen und wo auch sie sich ihm enr- rissen hatte — diese Erinnerung brachte sie zur B> s'mnang. Er hatte zu oie! gelitten, sie hatte sich ihm zu sehr entfremdet, als das; sie jetzt ein Recht gehabt hätte, von seiner Ruhe und Hält« verletzt zu sein, es lag vielmehr an ihr, ibn durch ihre Herzlichkeit wie- der zu gewinnen und ihm zu beweisen, des; sie gekom men sei, nm alles gut zu mcll^n. Nach diesem kurzen Augenblick des Zitzgerns eilte sie zu ihm, i.'re Arme umschlangen seinen Hals, ihre Lipvcn drückten si.I ihm auf seine Wangen, end dann flüsterte sie: „Sei gut, Vater — habe mich lieb!" Sie suchte die Antwort in seinen Augen, und cs war chr eine Stunde lang, als bräche ein wärmerer Strabl aus ihnen — aber sie mutzte sich doch getäuscht haben, denn unbewegt wie vorhin stand er da und sagte ruhig, können: ivnell: „Ich leiste dich willkom men, Elena! Die Gräfin Colcone hat sich mir heute früh vorgestellt und erzählte mir alles. Ich lmtte mich deinetwegen die Stunden her recht geängstigt, und es tut mir leid, Latz dir auf deiner Jährt nach Hause die Unbill mit dem Wetter widerfahren mutzte." „Das ist vergessen, Vater!" flüsterte sie, und mit einem behinderen Ausdruck fügte sie hinzu: „Ich will den gestrigen Sturm mit dein lstuiigen sonnenhellen Tag als ein Omen künftigen Friedens nehmen. Ist cs recht so?" Sie strich ihm dabei über den Arm, er sah sie an, schwieg ein.- Beeile, dann legte er ihren Arm in den sernigcn und sagte: „Komm!" — In demselben Augenblick kam Alexander heran, die Arbeiter und Fischer, die Frauen umdrängten ihn, streckten ihm ihre Hände entgegen, er ergriff und drückte sie, und die dunklen Gesichter der Männer und Frauen strahlten in Freude. Als er an Elena vor beikam, flüsterte sie ihm hssti-g zur „Woist 'Iugeniv?",' und «r erwiderte halblaut: „Man sagte mir eben, das; er halb besinnungslos vor Anast mit den Lenken hinausgefahren sei. um Sie zu suchen — gleich nach dein ihm Kontesfa Rafacla alles erzählt hatte." Etwa, erleichtert atmet« Elena auf und schritt <nn Arme ihre« Dator« durch die Meng« die, zurück tretend, eine Strotze bildet« und ihr st ich neugierig, halb bewundernd nachblickte. Die Gefeiten Elenas un>d Aristide« Pallestrozzis boten einen wunstrrbaren Anblick. Leide hatten sie dieselbe anfrecttr Haltung, denselben festen Schritt, die Itaftvollen Sä strern, den frei zurückMworscmm Kopf, den edlen Schnitt oes Profils, den Ucbcne.chtum per Haar«, bei ihm dunkel wie di« Nacht, ber ihr licht wie Sonnenschein. Als sie oben a« Strand ai,gelangt waren, ka- Elena die ltontesia am Arm NleznirLers rurd die Gräfin Coleon« mit Antonio, den sie -äriltch um schlungen hielt. Auch hier war eine grotz« Mensll^n- meng« versammelt, und al» der Doktor ourch ihre Nethen schritt, warfen sic die Fes -und Müfp-n und riefen ihm zu: und die Taoak- und Seidenarbeiter, die Olioenpresser mit ihren M..-.l*in, nnv Kindern kamen von unter herauf gsl ch: -, und f« hörte noch lange ihre Rufe und ihr jrc^.aes Gemurmel, das dem Doktor folgte, während er . it der Kontesta, der Gräfin und An-omio narb ' rnt,ea"nors«tzt«n Sette des Strandes hin verschw.r-.-d. Elma schritt allein, von niemand ."folgt al« von Fräulein v. Knörcke, mit ihnm Vat-.r de: weihen Billa zu. Als ihr der warme Mstt>..zsw:n) die letzten Laute zuwchte, die man Alexmdcr ö^-harcku» nach- rstf, dieses leise verhallende „lirviva D-md-rs!" der italienischen und dos letzte verhallende . Hach! Hoch!" der dentsck>en Arbeiter, da blieb sie löistich zuruck- blickend stehen, und es erfasst«! sie iä-lings ein« Er kenntnis, die ihr fast vis st ehle »v ' o i:,r. Er war ihr, als risse ein Schleier. Mrt u - . - Klarheit stand es vor ihr: bi« Jubolrusc, die Fmuoenstst-cie bei ihrer Ankunft h 'tten nicht ibr gegolten! 'De Arbeiter waren nicht deshalb in bellen Scharen herbestrströmt, um di« Tochter ihres Arbeitgebers zu begrüßen, sie waren gekommcir. nm dem Doktor ihre Freude an seiner glücklichen Wiederkehr nach dem Sturm zu be zeugen. Von den Türmen der Insel begannen die Mittags glocken zu lüuien, laut und klingend in San Marina, leiser in Kyru.-ko und vom Berg« San Giorgis her überhallend. Rosig mit blas«goldenen Ränoern zogen die schimiu.eriwen Wolken über dem blauenden, n.adr- wegten Li'eer ins Weite, gluckend plütsck!«rte ein über mütiger neugieriger Delphin auf, silberweiß« Segel schwebten in weirer Ferne wie die Flchgel einer Nie- senlaube, di« bun. n. sonne'l'eschi-eneaen Gestalte» der Arbeiter und Fischer zerstreu.en sich gegen das Städtchen und gegen Kyrialo, dann rerhallcen auch di« letzten Glockenkl. r.g« von den Türmen, und Elena trat ein in den loroeergrünen Sarian mit den träu menden Zypressen und plätschernde!: Kaskaden. Em war zu Hause! — Traumhafte Rachmittagsstille ringsumher. Dro ben an der Stadtmauer lehnen die braunen Burschen und necken die D-rnen mir den grellfarbigen Trillern und den großen gelben Ringen ln den Ohren. Aus der Schenke hörre man die zirpenden Klänge einer Kithara und einer Flöte und dazwischen, von einer anderen Seit« herkomirwud. die scknarrigcn, bc«chernen Töne einer Mündharnrvnrka, levhcrfte Stimmen und Lachen. Um die riesigen Platanen und levanriirllchen Eichen, die vor der Kirche mit den glänzenden Kup peln stehen, drehen sich spulend« Kinder und werfen mit den abgewetzten Blüten nacheinander. Im Ort droben ist noch Leben, in den uxsttzan Häusern und bunten Dillen, deren Gärten ans Meer hinavreichen, ist es still, mau-hält Lickst». Di« Jalousien sind herab- gelosten, die weihen Laden zugelehnt, d:« Zimmer vorOä innart und tuhi. Eortsctzung in der M»end^sgabe.j poettgräßte Städtchen der Insel beiumnte, und « war auch der Begründer einer Dynastie von helden mütigen Vaterlandc-vertei-digern, von Seeleuten und Kaufherren geworden, deren Namen weit über di« Grenzen Griechenlands bekannt waren. Auf dar Insel selbst tummelte sich nebst den ein- geborenen Griechen «an zusammengewürfelte, Völk chen von eingewanderten Albanesen, Italienern, Dal matinern und Deutschen, die von den Griechen, die sich als Herren von San Marina fühlten, mehr gr- duldet als wohlaelitten waren. Wer vor den Ein- geborenen bestehen und in Frieden led-n wottce, «nutzt« di« Sprache der Insel, ihr« Religion und ihrs Sitten anneymen und sozusagen vergessen, daß er «irrst ein anderes Vaterland hatte. Wer dos nicht vermochte, stand in ewigen 'kleinen und großen Kon- fltkten mit seinen Vorgesetzten, mit dem Nachbar, mit den Behörden und nicht zuletzt sogar mit Len Glie dern seiner eigenen Familie, wenn sich unter ihnen solche befanden, deren Sinnesart sich geändert hatte, wenn Kinder ihren Eltern, deren Sprach« und dem Glauben ihrer Jugend entschlüpften und zu de: «reuen Fahne schworen. Elenas Herz klopfte heftig, als sie die immer deut- liclier hervortrctenben Spitzen und Umriss« der byzan- tinisthen Türme erkaunce, als die zahlreichen Histster, Villen und Gärten auftauchten und mit einem Male das rnchsze, weit ins Meer hinausgebaute Haus nut den korinthischen Säulenaäugen, dem großen, ter rassenförmig auffte:gend:n Garten und den vielen springenden Kaskaden vor ihren Augen lag. wo sie geboren worden und wo sie ihre gan'r Kindheit ver lebt hatte. Sie wagte es nicht, auch nur ein Wort zu reden, auch nur eine Gebärde -n tun; sie hielt den Atem an und glaubte, damit ihre tiefe Bewegung, ihre Tränen zurückdalten zu können, die sie knitz uno ihren Blick verdunkelnd aussteigen fühlte. Wie unter flimmernden roten Schleiern sah sie nunmehr in ganz geringer Entfernung den neuen großen Hafen licken, den ihr Vater hatte bauen lasten, sie sch die einge- laufenen stehenden Schilfe mit den wohlbek'nnten weißblaucn Flaggen, die großen braunen Gestalten der Häfenarveiler, der Echisfsleute und Fischer, der Naupeuziillster, Mein- und Olrvenvresser und ihrer Frauen, alle in der malerischen Landestracht: sie sah, wie droben am Strarrd immer wieder iwue Menschen herleieiltrn, wie ein Fragen und Antworten, eine jreudstge Erregung und Erwartung ste zu bewegen schien und nach dem Molo trieb. Jetzt wehten dort die Tücher, flogen Fes und Mützen, ein lautes Rufen aus hundert Kehlen drang über das Master dem rasch dahingloiteiwen Boot ent gehn, bunte Gestalten lösten sich aus der Menge und drängten sich durch die zurückweichendcn Reihen, und fetzt erkannt« Elena die kleine Kontesta Rafacla, die auf dem Molo wie ein Vogel aus und nieder flatterte, immer wieder das Opernglas an ihre Augen drückt« und mit der anderen Hand heftig winkte. Sie erkannte auch dis Gräfin und Fräulein v. Knörcke, und ihre Augen flogen suchend über die Menge hin. Aber die, die sie suchte, Iugenio und ihr Vater, waren nicht da. Ana Loch mutzten sie es schon wissen, daß sie kommen -würde, da die gräfliche Familie aus Korfu in San Minina schon eingetroffen war und sicher olles erzählt hatte; das bezeugten ja zur Genüge alle die Menschen, zu Lenen die Kund« von ihrer Ankunft wie ein Lauf- rsuer gedrungen war und die sich lo zahlreich einack'uv- den hatten um die heimkehrende Tochter ihres Arbeit gebers zu begrüßen. Elena sprang in der Darbe in die Höhe. Ei« war totenbleich geworden, und ihr Atem ging schnell. Vom Molo schallt« aufs neue ein hundertstimmiger Jubel ruf, sie winkte mit den Händen, und ihre Augen durch drangen die Reihen und suchten, suchten... Da ge Fremde Erde. No INSA von Richartz Nordman«< prachdr-ck -erdoto.) „Das Hungerdors —", sagt« El«na gedankenvoll, und die kleinen weihen Häuser, dt« in ihrer Ver lassenheit und Leer« letzt, wo fi« von der Sonne be schienen waren und weithin leuchteten, einen noch be- kleminenderen und trostloseren Anblick boten, er schienen t-r wt« die leeren Augenhöhlen eines Gerippe». Hastig wandte st« sich ab, d«r warme Wind strich um ihre Wangen, und von einem tiefen- Gefühl ge drängt, sagt« ste: „Wenn ich jetzt heimkomme, soll e» mein« erste Bitte an meinen Vater sein, diese leeren Dörfer wieder zu bevölkern. Mein Vater ist reich und beschäftigt Hunderte von Menschen, ich will ihn bitten —" Si« sann ein« Weil« nach, dann rief sie mit strahlenden Augen: „Ich hab's! Hier — gerade hier — sott eine Kolonie für die alten und arbeitsunfähig gewordenen Arbeiter meines Vaters gegründet werden. Hier sollen ste ausruhen nach einem Leben der Mühen, und jeder einzelne fall hier den Namen meines Vaters preisen!" Sie sah, wie die Augen Alexanders mit seltsamem Ausdruck auf ihr ruhten und dann zu Gallo hinüber schweiften, der sich neugierig zn Elena vorbeugte und fragte: „Ihr Herr Vater? Der lebt hier und be- schäftigt so viele Menschen? Wer ist es denn. Düspinida?" „Aristides Pallcsrrazzi!" sagte Elena, und ein un bewußt stolzes Lächeln zog um ihre Lippen. „Aristides Palleftrazzi?" wiederholte der Fischer. Der Klcnm Lieser beiden Morte zitterte noch lange um Elenas Ohren. Sie konnte den Schiffer, der sie ausnestoßen hatte, nickt sehen, denn sie sag mit dem Rücken gegen ihn, aver cs war ihr, als hält« sie etwas nntklingen gehört, etwas, Las — war es eine Überraschung, in ihr di« Tollster eines der reichsten Männer der Küste zu sehen, war es die Ehrfurcht vor dem alten Namen, war es — ja. was war es nur. das sie so seltsam berührt hatte? Sie blickte auf Alexander — dann drehte sie sich mit einem jähen Ruck um und sah Gallo an, der sie förmlich anglotzte, dann seinen Kops zur S-eite wandte und mit un freundlicher Mien« die Ruder zog. Auch Abrande: hatte den Kopf seitwärts gewendet, und so rühren sie, ohne mehr eine Silbe zu sprechen, in die leuchende See hinaus. Ts war Sonntag mittag. Nichts unterbrach die träumerische Stille als der regelmäßige Ruderschlag und das Gezänk« der kleinen weißen Sretaubeu, di« einander verfolgten, sich jz-egenfcitig mit ihren spitzen rosigen Schnäbeln stießen und dann slügelsckla ?rnd in den Felsen verschwanden, di-r sich längs de: Küste hinzogen und mit ihren Risten kleine Buchten bildeten. Und dort drunten, wo -sich -mit rosig vernebelten Schleiern der Horizont über einen langen dunklen Strich senkte, lag San Marina, Li« wundervolle Insel mit den vier Ortschaften, die dort das Meer in zwei Straßen teilt«, und die zu umfahren man Tag und Nacht brauchte. Das erste und g"ötzte, an der Süd spitze gelegene Städtchen trug Len Namen der ganzen Insel: San Marina, die übrigen kleineren hießen Kyriako, San Giorgis und Olympia. Vor zwei Jahrhunderten waren es Italiener gs-- wesen, die die durch Erdbeben zerstörte Insel wieder urbar gemacht und bevölkert batten; aber das auf- blühende Eiland wurde ihnen bald wieder durch d«n Einfall der Türken entrissen, die einig« Jahrzehnte später nach heißen Kämpfen, Niederlagen und Siegen von den Griechen vertrieben werden sollten. Unter Len heldenhaften Eroberern von San Marina wurde Kyriako Pallestrazzi gefeiert, nach welchem man das L/nss/eä /cH 25<7me/7. LMe?