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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.02.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120222023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912022202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912022202
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-22
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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I» !»«Ig Be-u-S-Preiö Er Lelptta und 1!,k»N« durch mrlr« LrSgrr »»» Sprd-teur« 7» al tüallch 1»» ha»,-«bracht « PI. monatl . L7U «t. »terteUährl. B«r »nl«ra Mial«n u. «n. nahmestellen Karbol« 7b VI- moaatt, L»»L oi«rl«lIdhrL Dunb »t« Pad: tmrerhalb D«a«><aland» und d«r deutschen K»lonl«n otrneliadrl. IM Mk., monatl. isÄiMk. aurschi, Po!tb«kt«lla»ld sterner in Velgtra, Danemarl. d«n Doiraultaalrn, 2talt«n. Lurrmbura. IXtrderland«. lior- »ea«n O«n»rr«>ch-Uuaorn. Siuilond, Lchweden. Sch««U u Span««». In allen idnaen S«aal«n nur direkt durch di« cheichott.sirU« »«» Llatre» »rhälmch. Da» Le«».,,«» Tagedlan erlcheinr 2 mal ti-lrch. Eonn» a. iSrienag» nur warnen». >donnem«n«».«nuabme I«b«»i,»»»N, d«, unteren Träaern. Silial«n. Soevtieur«» rmd «ilunadmefteUen, sawie P»,lom«ern und Lrtestragern. at,t«Io«rkaut»p,,i» 10 Pt. Abend-Ausgabe. UcWlgcr Tagtblaü - sKMr sUachkanschd») LL l N E Macht..,chlu» Lel.-Änschl.1E3 HttNoeiSZetkUNg. Tel.-Änschl 14^3 Ämtsbkatt des Rates und des Nokizeiamtes der Ltadt Leipzig. An^eiqn, Preis für Inserat« au» Leraira und Um,«buna di« llpoltia« Pettttelle LPt, or» «»Nam*» ,«tl» I Ltt »an au.warr» Z» Ps. ««Nam«» j.ün Mk. 2ns«>at« oua «,borden im amt lichen Teil or» V«itli«ti» «> P» <belchal«»ani«taen mit Piaaoarlchrtst«« ,m Prett» erddvu «adatr nach lartk. BeiIaueu«dSH, Seiamt» auslag« 8 M7p Toutend erkl Äastgedubr. Leitdeilaa» »ober. rielteneilr» «iultrda, können n«»t rurüil. ne.ogen werdrn. Fü> da» itrlcheinen an beiitmmien Tagen «nd Vio.en wird kera« Laranki« übernommen. Änjeigen. «»navmei I»a»an>»««ss» bei tamiitche» »Filialen ». olle« «nnancen» iriuedirlonen de» 2» and Ou»laad—. Druck in» 2e,l«, »»» gtscher ck Kürst«» Jutta»«,. Paul Kür»«». Rrdaliia, „nd Keschtll»ß«üat 2ohan»>»gals« ü. Haupt >F,l,«le D««,»«»: keetirafte < i tirlephon 46A1 llr. S7. Vonnerslsg, len 22. Februar lSie. ISS. Zshrgsns. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 1V Seilen. Oss Mchtiglie. * Der Landesaus schütz der National- liberalen Partei für das Koni-reich Sachsen wird am 10. März in Leipzig zirsammentreten. lS. Dtsch. R.) * Die Bergarbeiter im Ruhrgebiet haben ihre Forderungen formuliert. (S. den bes. Art.) * Der Prinzregent von Braunschweig mit Gemahlin ist in Moskau eingetroffen. Zum Erlich eines Dützuungsgeletzes. —* Es ist im Reichstag mehrfach durch Anträge und Resolutionen das Ersuchen an die Reichsregie rung gerichtet worden, für das Wohnungswesen im ganzen Reich ge etzliche Normen zu schaffen. Bisher hat di^ Reichsregierung allen diesen Anregungen grund,utzlich ablehnend gogenubergestünden, weil nach ihrer Ansicht die Regelung des Wohnungswesens eine der Aufgaben ist, deren Lösung den Landes regierungen Vorbehalten bleiben mutz. Die'cr grundsätzlich ablehnende Slanüpunkt scheint nun aber neuerdings doch aufgegeben zu lein, denn es wird zugegeben, dah über die Frage Les Er lasses eines Reichswohnungsgesetzes Erwägungen schweben. Diese ausfallende Tatsache dürfte wohl mit dem Gang der Verhandlungen in einem gewissen Zusammenhang stehen, den die preuhischen Ministe rin über ein Wohnungsgesetz zu nehmen scheinen. In Preutzen haben seit Beginn des Winters V.'rhand- lunZen zwischen den beteiligten Ministerien über die Ausstellung eines neuen Wohnungsgesetzentwurss stattgesunden, di« aber dem Vernehmen nach zu keinem Ergebnis führen sollen. Unter diesen Umständen wäre es allerdings be greiflich, wenn die Reichsgesetzgebung die Aufgabe der Landesgefetzgebung auf einem Gebiet übernehmen würde, dessen Reformbedürstigkeit unbedingt aner kannt wird. In Preutzen war bereits im Jahre 1S01 ein Dorentwurf zu einem Wohnungsgeseh der öf ent- liehen Kritik unterbreitet, die jedoch so ungünstig aussielen. datz man die ganze Frage 7 Jahre lang ruhen lietz. Zu einer Klärung scheint sie allerdings auch in dieser langen Zeit nicht gekommen zu sein. Man warf dem preutzischen Vorentwurf vor allem ein« zu weitgehende soziale Fürsorge der ärmeren Volksklassen auf Kosten der Gemeinden und der H'us- besitzer vor. Inwieweit dieser Vorwurf berechtigt war, mag hier unerörtert bleiben. Das eine aber darf man als sicher annehmen: Kommt es zu einer reichsgesetzlichen Regelung, dann werden die sozialpolitischen Forderungen des Gesetzes so weitgehende sein, datz sich die Inter essen der Hausbesitzer und der Gemeinden kaum damit werden vereinen lasten. Denn in sozialpolitischer Be ziehung marschiert die Reichsgesetzaebung derjen gen der Bundesstaaten — und vor allem Preußens — weit voran. Ob also die Kritiker des preußischen Entwurfs, die an seiner zu weitgehenden sozialen Fürsorge Anstoß nahmen, bei einem Reichsgesetz auf Keachtrn Sie ürn seinen LMlsmeiger auf Seite 4. Sie kmüen üsrin sicher etwas :: Har Sie inrerrrrmt. ihre Rechnung kommen würden, ist mindestens zweifelhaft. lieber das Wohnungswesen in Deutschland sind Lurch die Reichsregierung und durch die Bundes regierungen wiederholt eingehende statisti'ch« Er hebungen angestellt, nach denen nicht bezweifelt wer den kann, Latz in dem Wohnungswesen weiter Be- völkerungskrcise, ganz besonders in den Großstädten und Industriebezirken, erhebliche Mißstände herrschen. Wenn auch im allgemeinen ein absoluter Wohnungs mangel nur vereinzelt und vorübergehend in die Erscheinung getreten rst. so liegen doch erhebliche Miß stände in vielen Gemeinden vor. wo die Mietpreise der Kleinwohnungen zu dem Einkommen der lohn arbeitenden Klassen außer Verhältnis stehen und sich ein erheblicher Teil der Bevölkerung mit völlig un- zureichenden Wohnräumen begnügen mutz. Auch in bezug auf die Lage und Beschaffenheit der Woh nung:« herrschen vielfach unzulängliche Zustände. Die angcstellten Ermittlungen haben ergeben, datz die Zahl der Wohnungen mit nur einem Zimmer immer noch annähernd ein Drittel über die Hälfte aller Wohnungen ausmacht. Dabei wohnie in diesen Wohnungen ein weit größerer Bruchteil der Bevölkerung, als er bei einigermaßen normal n Wohnunasverhältnissen in ihnen hätte untergebracht sein mästen. Damit im engen Zusammenhang steht die an vielen Orten beobachtete weitgehende Unterbringung frem der, nicht zur Familie gekörigrr Personen in den Haushaltungen. In «inz:lnen Gemeinden war ein Fünftel aller Wohnungen mit Zimmermietcrn oder Schlafleuten belegt. Diese Mißstände lasten sich im wesentlichen darauf zurllikführen. daß fast allgemein in größeren und mittleren Städten die Herstellung kleiner gesunder Wohnungen dauernd hinter d:m Be dürfnis zurückbleibt. An ihre Stelle treten viel stöckige Wohnböu'er, in denen ein w-ch'ender Teil der ärmeren Bevölkerung auf unerwünscht hochgelegene Wohnungen verwiesen wird. Daß diese Bauweise, besonders wenn sie mit Ouergebäuden und Seiten- flügeln verbunden ist, auch eine ungünstige Rückwir kung auf die Steigerung der Bodenpreise hat, ist selbstrerständlich. Alle diele Erscheinungen machen bei der Bedeu tung der Wohnungsfrage für das leibliche und sitt lich; Wohl der Bevölkerung sowie für die Entwick lung sozial befriedigender Zustände ein nachbaltiv's Eingreifen zur Verbesserung der Wohnunasverhält- niste dringend geboten. Ob indessen dieses Ziel a-"f dem Wege eines Neichsgesetzes zu erreichen ist, Las allen in den verschiedenen Landesteilen vorhan denen Verschiedenheiten N^nuns traAen mutz, er scheint murdestens zweifelhaft. Die Vergsrdeiteriiewegrmg. Die Situation in der englischen Bergarbeiter-- bewegung ist noch völlig unklar. Den neuesten Stand der Dinge haben unsere Leser bereits aus den Meldungen in unserer heutigen Morgenausgabe erfahren: Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Asquith heute nochmals zu Einigungsoerhandlungen zu- scunmcntreten, und auch die in London tagende inter nationale Bergarbeiterkonferenz ist sich über ihre Stellungnahme zu der englischen Bewegung noch nicht schlüssig. Der Spruch des Schiedsgerichts im Glasgower Dockarbeiterstreik, der für die Arbeit geber günstig ausgefallen ist, hat angesichts der schwierigen Läge nicht vollen Wert, falls es zum Bergarbeiterstreik kommen sollte, werden die Glas gower Dockarbeiter den günstigen Moment wohl nicht vorübergehen lassen, um ihre Forderungen er neut zu stellen. — Zu der Lage verzeichnen wir nach stehende Meldungen: Maßnahmen der englische« Admiralität. Aus London wird telegraphiert: Die Admiralität hat große Abschlüße über den Ankauf amerikanischer Kohlen gemacht, die an die auswärtigen Kohlenstationen zu liefern sind. Ferner hat die Admiralität von den Kohlen gruben in Wales, mit denen sie in Geschäfts verbindung steht, Glle Kohlen gekauft, die zu haben waren, und Dampfer zu deren sofortiger Beförderung gechartert. Die Haltung der belgische« Bergleute. Aus Brüssel wird gemeldet: In bezug aus den bevorstehenden englischen Kohlenarbeiterstreik ist zu bemerken, daß in Belgien in den Kreisen der Grubenarbeiter wenig Neigung besteht, in einen Streik cinzutretcn. Die Vertreter der belgischen Grubenarbeiter haben am Sonntag erklärt, daß es zwar wohl angezeigt wäre, für eine Erhöhung der Löhne einzutreten, daß aber davon im gegenwärtigen Augenblick keine Rede sein könne, was jedenfalls damit zusammenhängt. daß ihre Streikkassen durch den jetzt zu Ende gegangenen Erubenarbeiterstreik im Kohlenbecken von Mons fast vollständig geleert sind. H- Die Forderungen der Bergarbeiter des Ruhrgebiets. Nachdem der Zechenverband für das Ruhrgebiet die Lohneingabe der Bergarbeitcrorganisationcn mit dem Bemerken abgelehnt hat, daß er aus wiederholt dargclegten Gründen in Lohnfragen nicht zuständig sei, sind die Organisationsleitungen erneut zusammen getreten und haben, wie aus Bochum gemeldet wird, nachstehende Forderungen aufgestellt.: 1) Erhöhung der Durchschnitislöhne für alle Arbeiter um 1b Prozent und Beseitigung der großen Lohnuntcrschiede für gleichartige Arbeiter. 2) Die Abschlagszahlung hat spätestens am 2ö. des laufenden, die Restlohnzahlung spätestens am 10. des folgenden Monats zu erfolgen. 3) Achtstündige Schichtzeit, siebcnstündige Schichtzeit bei -s- 22 Grad Celsius, sechsstündige Schichtzeil bei -I- 28 Grad Celsius. Vorstehende Schichtzeilen verstehen sich inklusive Ein- und Aus fahrt. 4) Ueber- und Nebenschichten dürfen nur bei Unfällen, Betriebsstörungen oder zur Rettung von Menschenleben und Pferden verfahren werden. ö) In den Koloniewohnungen ist die sonst übliche einmonacliche Kündigung emzufiihren, den Mietern volle Bewegungsfreiheit in bezug auf Organisalionszugchörigkeit, Wareneinkauf usw. zu gcnaniicrcn. Ferner darf kein Zwang zur Haltung von Kostgängern ausgeäbt werden. l,j Dafür einzutreten, daß Ausrechnungen der reichsgefttzlichcn Leistungen für Knappschaftsinva- lidcn, Witwen und Waisen seitens des Knapp-' s ch a f t s v e r e i n s auf die Knappschaftsleistungen nicht mehr stattsinden. 7) Umwandlung des bestehenden Arbeits- Nachweises in einen paritätischen, Aufhebung des noch für Rachbarzechen bestehenden Sperrsystems. 8) Einschränkung des Strafwesens: Strafen von über eine Mark bedürfen der Zustimmung des Arbeiterausschusses. 0) Errichtung eines paritätisch zusammengesetzten Schiedsgerichts mit einem unparteiischen Vor sitzenden zur Schlichtung von Streitigkeiten. 10) Errichtung von A u s s ch a n k st ä t t e n für alkoholfreie Getränke auf den Zechenplätzen. Die Forderungen sind ain 20. Februar an die einzelnen Erubengesellschasten abgegangen. Unter zeichnet ist die Eingabe vom Verband der Berg arbeiter Deutschlands sdem sogenannten alten Ver band), von der Polnischen Berufsvereinigung und vom Ecwerkoerein der Bergarbeiter H.-D. Der Gewerkverein christlicher Bergleute steht der Be wegung immer noch fern. Zu der zweiten Forderung sei, weil sie nicht all gemein verständlich sein mag, folgendes bemerkt: Wenn ein Arbeiter am 1. eines Monats auf einer Zeche die Aroett auinimmt. erhält er erst am 10. des nächstfolgenden Monats eine Abschlagszahlütitz auf seinen verdienten Lohn, die die Hälfte des ver dienten Lohnes nicht übersteigt. Den noch Dtzrbleiben- den Rcstlohn erhält er dann am 2S. des Monats ausgezahlt. Ein Arbeiter muß also fast sechs Wochen arbeiten, ehe er etwas von seinem verdienten Geld erhält. Das wird allgemein als eine Härte emp- iunden, und darum wird um Abänderung dieses Zu standes ersucht. Bslüige Reorganisation üer Rmtsanmsitlchslt. Wie man uns schreibt, ist zu erwarten, daß die Reorganisation der Amtsanwaltschaft in Preußen bei den Landtagsverhandlungen wieder zur Sprache ge bracht werden wird. Der Frage wohnt insofern ein erhöhtes aktuelles Interesse inne, als der Wunsch der Ämtsai'.'wälte sahin geht, daß die von ihnen als notwendig erachteten Reformen vor Einbringung der großen Iustizvorl.«^) erledigt werden. Regierungs- W, Lremüe Erüe. Roman von Richard Nordmann. Unruhig schritt sie am Strande auf und ab. sie legte sich «n Gedanken eine Unterredung mit ihrem Vater zurecht, sie dachte darüber nach, wie sie zu Friedrich Gerhardos, dem mächtigen Kompagnon ihres Vaters, gehen, wie sie auch diesen wegen der Schule bitten würde - ^nd da, während dieser Ge dankenwanderung dachte sie plötzlich an Ingenio . . . Sie blieb fast betroffen stehen, als sein Bild so plötzlich vor ihr stand. All die Stunden her hatte sie feiner nicht gedacht, sich nicht nach ihm gesehnt! . . . Ein Heller Ruf, der hinter den Felsen hervorklang, verwandelte ihr ernstes Antlitz mit einem Zauber schlage zu einem hellstrahlenden, lächelnden. In einem kleinen Segelboot, nicht weit vom Strande, erblickte sie eine Gestalt in einem weihen Ruderanzuge mit gestreiftem Hemd und nackten Armen — Tonio. „Signorina Elena, fahren Sie mit mir?" rief er vom Wasser her. „Ja, nehmen Sie mich mit!" rief Elena zurück, und es währte nicht lange, so stieß das Boot an den kleinen Landungssteg, und Elena sprang in den Kahn. Doch kaum hatte sie Antonio, der auf Anraten Alexanders fast seine ganze Zeit auf dem Meere ver brachte, begrüßt, als dieser erschrocken ausrief: „Sie weinen? Ist Ihnen etwas geschehen?" Elena fuhr sich an die Augen. »Ja, ich weine, Antonio, denn mein Herz ist schwer, weil ich sehen muß, daß ich klein und feig bin! So lange wir in Träumen und Wünschen leven, wissen wir nicht, wie wir sind, wir lernen uns erst dann kennen, wenn wir der brutalen Wirklichkeit geaen- überstehen, und da müssen wir dann zumeist einseyen, daß wir uns überschätzt haben." Er senkte den Kopf. Was hätte er ihr darauf er widern können, er, der sich selbst klein und unvoll kommen fühlte und in ihr die Verkörperung alles Großen und Schönen erblickte? Er sagte nichts, und auch Elena sprach nichts mehr. Sachte glitt das Segelboot dahin, die Sonne brannte hernieder, aber es wehte doch ein sanfter Wind und trieb den Kahn vom Strande, hinaus in di« unbewegte Fläche, in die träumerisch« Schönheit und Lautlosigkeit der See. Di« Nähe des sanften, schweigsamen Jünglings wirkte so wohltätig, so fried ¬ lich auf Elena ein. und es überkam si« mit einem Male der seltsame Wunsch, mit ihm hinauszufahren ins Weite und nie wieder umzukehren, nie wieder... Und Ingenio? Sie erschrak. Was war das nur heute mit ihr? Warum wandle sich ihr Herz immer andern zu, wenn sie Ruhe suchte, und nicht ihm? Ihre Augen hingen an dem schönen Knabenantlitz ihr gegenüber, und eine tiefe Rührung, ein rätsel haftes Mitleid mit ihm überkam sie. „Warum sind Sie nicht mein Bruder?" stieß sie hervor, „ich fühle mich so einsam!" Antonios Augen leuchteten auf, und über sein Ge sicht glitt eine rosige Glut. Man sah, daß er sich nur mit Bangen zu dem aufraffte, was er jetzt sagte, und zögernd, leise sprach er es aus: „Man muß nicht von ein und derselben Mutter und vom selten Vater stammen, um Bruder und Schwester zu sein. Man muß sich auck nicht jahrelang kennen, um sick so lieb zu Haden. ... Ick ... ich habe Sie lieb gehabt wie ... . ach. vielleicht noch lieber als Rafaela, gleich am ersten Tag« . . ." Er bebte, er zitterte, als er geendet, er wurde bleich und verwirrt, aber Elena ergriff seine Hand, die ganz kalt war, und sagte: „So ging es mir mit Ihnen. Ich habe Sie lieb, Tonio." Er preßte die Hand, die die seinige hielt, an sein« Lippen, er wollte noch etwas saaen. aber die Stimm« versagte ihm vor Bewegung. Erst später, als Elena seine Hand schon losgelassen hatte, ihr Kopf seitwärts aeneigt war und sie. in tiefe Gedanken versunken, ins Wasser blickte, da börte sie ihn murmeln: „Sterben ... ich möchte für Sie stebben . . . sie wandte nicht den Kopf iu ihm hinüber, sie rührte sich nicht, aber ein heißes Gefühl von Dankbar keit für diese aus der tiefsten Seel« gestammelten Worte eines halben Kindes durckstrümte si«. Der Wind spielte mit den schwarzen Bänd«rn ihres weißen Kleides und webt« si« einen Augenblick lang empor bis an Tonios Wangen. Da sah sie von der Seite, wie er diese flatternden Bänder hastio erariff und an seine Liopen preßte, beiß, inbrünstig, mit einem verzückten Leuchten der Augen. Nnd sie läckelte im stillen zu dieser überschweng lichen Kundgebung brüderlich«! Liebe, wie man über die zu heftigen Gefühlsäußerungen eines Kind«s zu lächeln pflegt: wohlwollend, milde und voll innerer Freud«, daß man so sehr geliebt wird. Wie mit schlaftrunkenen, trüben Augen erwachte heute die Sonne: matte Schleier hingen von ihrem Antlitz, der Glanz, den sie zur Erde senden wollte, war wässerig und fahl, die Küste lag in Nebeln und das Meer wogt« in grauen, breiten Wellen träge auf und nieder. Obgleich es noch sehr früh am Tage war, wanderte Elena bereits durch den Park. Sie wußte nicht, was sie dort ruhelos suchte. War es die unbestimmte Hoff nung. ihrem Vater zu begegnen, wenn er, wie seit Tagen, auf seinem Maultiere das Haus verließ, um zur Jagd zu gehen — oder war cs das Gefühl der Einsamkeit, das sich gerade in den ehemaligen Zim mern ihrer Mutter mit immer stärker fühlbar wer dender Schwere auf ihre Brust legte? Es litt sie nicht mehr in dem Hause, wo der Vater ihr auswich und dabei stundenlang mit dem kleinen fremden Mäd chen im Garten wandelte, am Meere oder droben im großen Saale saß, um ihrem Klavierspiel zu lauschen, wie einst dem Spiele ihrer Mutter: das Haus war ihr verleidet, wo die Diener stumm und teilnahms los ihre Befehle vollzogen, und wo eine so dumpfe Stille brütete, wie vor schwerem Unwetter. Losbrechen sollte es, das Unwetter, das in der Luft ag! Sturm! Donner und Blitz und Haqelschlaz ollten kommen, uno sie wollte sich nickt mehr fürchten, andern zu Ende führen, was geschehen mußte, aber nur nickt diese Schwüle, nicht dieses entnervende Warten! In den letzten Tagen war wieder eine Wandlung in ihr vorgeganaen. Auf ihre bange Furcht, auf den Zwiespalt ihrer Gefühl« war eine wilde Verzweiflung gefolgt, die sic beinahe dazu hingerissen hätte, In genio alles zu sagen. Ihr Vater beleidigte sie, wenn er anwesend war. er beleidigte sie durch seine Ab wesenheit, durch das Verlaßen seines Hauses im Morgengrauen und seine Wiederkehr am späten Abend, er beleidigte sie mit jedem Tage aufs neue, und es war nicht mehr die Tochter, es war das be leidigte Weib, das sich in ihr empörte, die Dame, der Aristides Pallestrazzi die Achtung versagte, die man seinem Gaste schuldig ist. Er hatte bereits die Mutter von hier fortgetrieben, er wollte auch die Tochter verjagen. Gut? Sic wollte gehen, aber nickt aus Furcht, nickt kleinmütig und verzagt. Sie wollte aehen, aber vorher sollte er erst kennen lernen, wes Blutes und wes Geistes sie sei, vorher sollte er sehen, was für ein Kind er hatte. Und die Empfindung, die ehedem nur ganz dunkel, halb unbewußt in ihrer Brust geschlummert hatte, daß sie diesem geistig Un kultivierten, diesem Instinktmenschen durch ihre Bil dung, durch die Kultur überlegen sei, die ihr Geist nicht nur theoretisch, sondern empirisch durch die großen Eindrücke von Welt und Leben empfangen, di« hochmütige Empfindung: „Ich bin ihm überlegen!" brach immer stärker aus ihrer bisherigen Verhüllung und verlieh ihr das Bewußtsein einer Macht, die den letzten Rest von kindlicher Furcht verbannte. Der feine Regen, der mit leisem Geplätscher auf das Blattwerk niedergerieselt war, stoo unter einem sich neu erhebenden, kühlen Winde nach allen Seiten, und Elena in ihrem dünnen, weißen Morgenkleid« erschauerte. Sic dachte daran, daß cs bald Zeit sein würde, ihre Morgenpromenade uns ihr Grübeln einzustellen, denn um 7 Uhr morgens sollte das Leichenbegängnis der armen Trude stattfmden. Ingenio hatte cs unter einem — wie Elena sofort empfand — nichtigen Vorwande abgelchnt. sie dahin zu begleiten, aoer sein Bruder Alerander, dem sie gestern begegnet war, hatte ihr versprochen, zu erscheinen. Ebenso hatte sie Hermann Malten gebeten, zu kommen und eine deutsche Grabrede zu halten, und dann war sie mit ihm nach San Eiorgis zu einem Steinmetz gegangen, hatte dort ein großes, weißes Marmorkreuz gekauft, einen Eedcnkspruch verfaßt, der mit goldenen Lettern in Len weißen Grund gegraben wurde. Nun begab sie sich nach ihrem Zimmer, legte ein einfache» schwarzes Kleid an und fuhr mit Fräulein Amalie nach dem Friedhof droben am Berge, wo dicht neben der kleinen protestantischen Kirche, die Frau Magda Vallestrazzi errichtet hatte, die Protestanten be graben wurden. Dor der kleinen Totenkammer, in der das alte Weiblein aufgebahrt lag. standen Frauen und flüsterten: abseits lehnten Männer, manche mit fin steren. andere mit apathischen Mienen, und drin beim Sarge kauerte Klaas am Fuße eines Betschemel». Er hielt ein« Strähn« eisgrauen Haares in seinen Händen: die hatte er der Toten abgeschnitten, und seine Augen hafteten ausdruckslos und wie blöde auf den silbernen Fäden, die er mechanisch durch seine Finger auf und nieder zog. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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