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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.02.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120228023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912022802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912022802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-28
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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B^vq-Prel» Mr Lefp,t, und durch milrr, Iriarr und Svrdtteur« rm«> «ö,lich in» vau»,edrachi du VI. monatl . L7d Otl. otrnrliädil. Be» untern stilrole» «. Ln- »«hmeftellen adg>d»ll 7S PI. moaalt, LB Ml. oretteljähkl. »und »te Pultr innerhalb Deuiiqland» und der denNchen Xdtdnlen „erreliadrl. S.vu Mi., monatl. IM MI. au,,chr. PoudelieUaeld Hern« in Belgien, Dänemark, den Donauilaalen, Italien, Luxemburg, üliederlond« -kor- wegen c"«Il»rreiM'Ungarn, Ausland, Echweden Schwell u kpanlen. In allen üdrlgen Slaalen .nur direkt durch die kbeichoiidlleU« de» Blalie» «rbäülich. Da» Leipliger Tagedlan »rlcheinr Lmai täglich. Sonn« u. i^rieriag» nur morgen». Adonnem,nl»>Annadm« 2od»nni»gast« 8. der»nirren Tragern, «jllialen. tzoediiruren und lklnnahmegellen. lowi» Poiiamlen» und Äriesiragern. «t»«al»»,kauf»vr,t, w P». Abend-Ausgabe. Mip)igcrTagthtalt rel.-Anschl. s 14 992 lRachta.Ichlu») ! 14 «93 (14 «94 Handelszeitung. (14 992 M-cht.uIchlr.» 14 «93 i 14 894 NmtsVkalt -es Rates «nd -es Vokizelamtes -er Stadt Leipzig. Nr. 108 Mittwoch, üen 28. /ebrusr ISIS. AMeiqe« Preis Mr Inserat» au» uerpim »»d Umgebmm Ke IIpalttgePei'iretl« SP» d,e«eN«w» ,»ri« I Äk. »an au»wäet» »> Pt. Slekla»«« 1Ä «t Anterar» oen «edörde» im «t» llchea Teil d„ PeNtuetl» 80 P> <r«>chäti»an»»>,»» mit Plaboerschrttte« N» Preri» «rbäht. Rabatt nach Tnrtl. Be'Iau.u.dbdr kb.lamt. auslag, LVN ff Taaien» «rkt Paikgedühr. r,lid»iloa» »öder. Selteriettt, «uftrane rannen «», „ML. -et»««» werde». tz«' «»» «rlchetne» « beitimmien 1a«e» ,»d VM»»» wird t«» »arantt, «derndwme». der iämillche» Filiale» «. all.» «nnence» Erv«dlti»n»n de» I» »»d Auelande». Dr»a »»» rteela, »»» gych« ch Richt« Äntzader^ Pani Rffcht«. R-datti», »,d ch»IchNt»«,9ar 2»danni»gols» L -L»di. Filiale Lee»»«: . Seeslrake t, l lr»l«pi,en «11 los. Zshrgsng. Dle vorliegende Angabe umfaßt 10 Leuen. Das Mchtiglle. * Der Senio.enkanveilt dcS Reichstags hat heule beschlossen, die W ah l d e s N e i chs t. a g s -- Präsidiums am Freitag, den 8. März, statt finden zu lassen. * In Saarbrücken und in Moers wurden zwei Personen unter Spionageverdacht verhaftet. (S. Dtsch. R.j * In Chesterfield kam cs zu Ausschrei tungen streikender Kohle narbeiter gegen Arbeitswillige.' (S. des. Art.) Die Ecurem run des LrUlMtzkiM-stzes. A Es war so still geworden von Tripolis, das; man zuweilen sich erst auf das Bestehen eines Kriegs zustandes in der Europa unmittelbar berührenden Mittelmecrwelt bepnnen mutzte. Die Scharmützel von Ainzara wüstenwärts begegneten kaum noch einem fluchtigen Interesse. Biel bedeutsamer als der bemühe eingeschlummerte italienijchüürkrsaie Krieg erschien der „unterschwärige Krieg", um ein Thucydiües-Wort zu gebrauchen, den die Beschlag nahmen jranzösischer Passagicrdampfer durch die auf Konterbande fahndenden italienischen Kreuzer ent zündet hatten. Darf man den Stimmungsbildern trauen — und die angeborene Erregbarkeit und fast frauenhafte Launenhaftigkeit des italienischen Cha- rakters gestattet es — jo scheint ja der durch den Ueberfall des 28. Oktobers auch bei nicht kreuzzüglich veranlagten Italienern erregte Mohammedanerhaß * wieder von der frisch entfachten Eifersucht gegen Frankreich erstickt zu sein. Aber mag man auch noch so geneigt zu einer Ver ständigung mit dem zeitigen erklärten Landesfernde sein: die Beule will man ,rch jetzt er>l recht nicht aus den Händen reitzen lassen! Noch lange nicht so sehr um ihrer selbst oder um der eigenen Wassenehre willen, -.ls weil zu sichtlich geworde« ist, wie unlieb dem romanischen Bruder Italiens Festsetzung in Afrika ist. Man hat die Empfindung, als wenn jeder gegen die Türken geführte Streich die Fran zosendoppelt treffe! Als am 5. November das Annexionsdekret verkündet wurde, merkte man nichts von sonderlicher Begeisterung; ja es wunde der Abstimmung in der Kammer mit einiger Bangigkeit entgegengesehen. Das staatsrechtlich zu lauter Ab surditäten führende Verfahren, nach Besetzung einiger Küstenpunkte ein ganzes Land für einverleidt zu er klären, erinnerte gar zu sehr an den Abenteurerzug des Cortez', der in Vcrakruz seine Schiffe hinter sich» verbrannte, um seine Mannslvaft vor die furchtbare Alternative von „alles oder nichts" zu stellen, und der oppositionellen Kritik war eine außerordentlich be rechtigte Unterlage gegeben. Aber in der letzten Februarwock>e war trotz der bescheidenen Erfolge auf dem Kriegsschauplätze jede Aschermittwochsstimmung verschwunden, und man schrie förmlich seinen un- krachten Sie üen kleinen Lokaianreiger auf Seite a. Sie finüen tlarin rich-r etwas, Har Sie intererrien. beugsamen Willen, Tripolis festzuhalten, gar nicht einmal so sehr nach Konstantinopel, als nach Paris hinüber. Um jo dringender erschien aber die Notwendigkeit, die Unterwerfung der Türkei unter ihre Notwendig keit so rasch als möglich zu erzwinaen. Ietzr sollte Ernst gemacht werden mit jener Ausbreitung des Kriegsschauplatzes in die Ostmittelmeer-Eewäffer und Küsten, die man sich im November von den Er mahnungen der Mächte batte ausredcn lassen. Auch wurde angenommen, Latz jetzt einer der möglichen Widersacher ausgeschaltet sei. In den Herbstmonaten war es noch nicht ganz klar, wie weit Oesterreich seinen Widerspruch erstrecke. Es hatte ja mit nicht mehr mihzuverstehender Deutlichkeit zu erkennen ge geben, Latz es die Küsten der Balkanländer als „tsbu" betrachtet wissen wolle. Es schien aber auch darüber hinaus jeden Angriff gegen die türkischen Kernländer ungern zu sehen, weil er die Gefahr in sich barg, Latz die gesamte orientalische Frage durch eine Erschütterung der türkischen Macht aufgcrollt werden könne. Aber die freundschaftliche Atmosphäre, di« seit einigen Wochen über den ita lienisch-österreichischen Beziehungen lagert, macht es wahrscheinlich, datz in Wien der Begriff der öster reichischen Interessen auf seinen engstmöglichen Kreis eingeschränkt wird. So wagt sich denn von neuem der Gedanke einer Unternehmung gegen die Dardanellen hervor, die, erfolgreich ausgeführt, allerdings durch Be drohung der türkischen Hauptstadt die Aussicht auf eine endgültige Liquidation der Pforte eröffnen würde. Einstweilen aber versucht man, durch ein Vorgehen in der Peripherie die Neutralen daran zu gewöhnen, datz Italien sich der ihm ihrerseits auf erlegten Fesseln seiner Tatkraft zu entledigen willens ist. Mit wachsender Lebhaftigkeit hat man in der jüngsten Zeit den Küstenland desRotenMaeres zuni Schauplätze kriegerischer Ereignisse gemocht. Und nun ist ein Schlag gegen Beirut geführt, einen der wichtigsten Häfen Syriens. Gerade aber aus der Wahl dieses Punktes springt wiederum die Absicht hervor, ein« Aeuherung von Italiens üblem Willen an die französische Adresse gelangen zu lassen. Zn der syrischen Stadt hat Frankreich hervorragende Handelsinter essen. Es hat ja auch inzwischen schon die italienische Kühnheit mit der Entsendung von Kriegsschiffen an die bedrohte Stelle auittiert. Die schon halb ein geschlummerte Teilnahme an den kriegerischen Vor gängen erwacht wieder, und man darf gespannt der weiteren Entwicklung lauschen. Der Krieg um Tripalis. Aus Konstantinopel wird gemeldet: Am Dienstag wurde ein außerordentlicher Mi nisterrat einberufen, der über die mit der Ausweisung der Italiener zusammenhängenden Fragen beriet und u. a. be schloß. die Ausweisung auch auf die am Libanon ansässigen Italiener auszuöehnen. Die „Frkf. Ztg." meldet aus Konstantinopel: Die Zahl der durch das Ausweisungsdekret für Syrien und Palästina betroffenen Italiener be trägt 11000. Das Ministerium des Innern veröffentlicht die Namen der Opfer von Beirut. Ein Offizier und zwanzig Matrosen vom Torpedo boot „Aoiiiüah" wurden getötet, acht Offiziere und vierzehn Matrosen verwundet. Ein Offizier und zwanzig Matrosen werden noch vermißt. Von der Bevölkerung wurden 56 Personen getötet und 58 verwundet. Zwei Personen, darunter ein russischer Jude, wurden durch Messerstiche getötet. Der Widerstand der Türkei. Konstantinopel, 28. Febr. (Wiener k. k. Tel.-Korr.- Bureau.) Wie es heißt, erklärte der Minister des Aeußern bei dem gestrigen diplomatischen Empfang, daß die Türkei jedem etwaigen Druck der Mächte, um die Einstellung der Feindseligkeiten herbeizuführen, Wider st and leisten werde. Der Minister meinte, ein solcher Druck könnte eine Volks erhebung Hervorrufen; er sollte vielmehr in R o m ausgeübt werden. Die englische LergsrbeiterkrMs Ueber die schwebenden Verhandlungen zur Bei legung der englischen Kohlenirijis wird von den be teiligten Kreisen das strengste Stillschweigen bewahrt. Daourch rauchen die wider, prechendjren Gerüchte und Mutmagunaen über den Ausgang der Krisis auf. Wie aus guter Quell« verlautet, soll eine Verständigung unmittelbar b-oorstehen. Sollte es hierzu im Laufe des heutigen Vormittags nicht kommen, so ist eins Einigung am Nachmittag oder morgen vormittag zu erwarten. Sollt« es aber wider Erwarten zu keiner Verständigung kommen, so soll im Unterhause eine Interpellation «ingebracht werden, in welcher die Regierung aufgeforüert wird, Mittel und Weg« zu finden, um Li« drohende Katastrophe von England abzuwenden. Die „Times" schreibt in ihrem Leitartikel, daß die Lage in der Kohlenkrisis eine Wendung, wenn auch keine entscheidende, genommen habe. Beiden Par- teien seien gewiße neue Vorschläge gemacht worden, über die gestern abend ausführlich verhandelt wurde. Die Vorschläge nahmen ohne Zweifel auf die Festsetzung von Minimatlöhnen Bezug. Da das Geheimnis sehr streng bewahrt werde, könne man nichr beurteilen, ob dl« Aussicht für eine Einigung gut oder schlecht sei. Jedenfalls sei die Fortsetzung der Verhandlungen kein ungünstiges Zeichen, auch wenn heute noch keine Einigung erzielt würde. Selbst wenn der Streik wirtlich beginnen sollte, würde doch die Perspelnoe durch die Tatsache geändert werden, daß Verhandlungen begonnen seien. Die Verhand lungen könnten auch während des Streikes fortge etzt werten, een» die Wirkung eines Kohlcnstreiies würde sich im Gegensatz zu einem Eisenbahnerstreik nicht jo rort fühlbar machen. Der Pariser ..Figaro" veröff nllicht dagegen eine Deutsche seines Londoner Korrespondenten, datiert vom 28. Februar. 1,1 Uhr morgens, nach der der Korrespondent aus sicherster Quelle erfahren haben will, daß die augenblickliche Situation wettern st er ist, als es in den offiziellen Lommuiquös zugegeben wird. Bergarbeiter und Grubenbesitzer haben nicht, wie von allen Seiten gemeldet, gemeinsam «ine Kon ferenz mit Asquith gehabt, Asquith habe vielmehr getrennt mit beiten Parteien verhandelt. Von den abends 9 Uhr im Westminster-Palast Hotel ange kommenen Arbeitcrdelegierten wurde dem Korrespoa» denten erklärt, daß ein Streik als unvermeid» lich anzuiehen sei und wohl am Freitag früh im ganzen Lande ausbrechen werde; der Generalstreik dürfte ledoch nicht von längerer Dauer sein. Die ersten Ausschreitungen. i London, 28. Febr. (?.-O.-Tel.) In der Nähe von Chesterfield in der Grafschaft Derby kam' es gestern zu einem ernsten Zusammenstoß zwischen Streikenden und Bergleuten, die die Arbeit noch nicht nicdcrgelegt hatten. Als die letzteren sich mit der Bahn zu ihren Arbeitsstätten begeben woll ten, wurde der Zug von Ausständigen bombar diert, wobei sämtliche Fensterscheiben zertrümmert' wurden. Zu schwereren Verletzungen ist es bei dem Zusammenstoß glücklicherweise nicht gekommen. / Eine Lohnerhöhung im Luhrgrbiek. Herne, 28. Febr. (Prio.Tel.) Gestern wurde auf der Zeche Montvinis sämtlichen Schicht löhnern über- und untertags durch die Verwaltung bekanntgegeden, daß vom 1. März ab der Lohn unt 20 Pf. für die Schicht erhöht wird.- Avßett»' dem wird gemeldet, in den Ausschußsitzunae» eurer, Reihe Zechen sei ebenfalls eine Lohnerhöhung als nahe bevorstehend bezeichnet worden. . Die lpsnilch-lrsnr. Marokko» vechsnülunsen. Von den beteiligten Stellen wird in Madrid lebhaft gegen die Auslastung protestiert, daß Spanien den Versuch mache, die spanisch-französischen Marokkoverhandlungen in die Länge zu ziehen oder die Schwierigkeiten künstlich zu vergrößern. Für Liese Behauptung wird auf jpanstcher »eite auch der Be weis angctreten. So hat das Ministerium des Aeußern bereits über die Frage der Kompen- satlonendes Landgebietes diskutiert, ob wohl die Diskussion über diese Frage erst erösinet W, Lremüe Srüe. Roman von Richard Rordmann. „Empfangen muß ich ihn, allein ich will Ihnen versprechen, über das Duell zu schweigen." „Dann wird er davon reden, oas ist doch klar!" rief Alexander erregt. Er war völlig verzagt, und mit einem Male erschien sein Gebaren Elena ganz rätselhaft, allein sie jagte nichts, sondern bat: „Wollen Sie mich nun zu Ihrem Onkel führen. Herr Doktor?" Alexanoer nickte und schritt voraus. Sie stiegen eine kleine, teppichbelegte Holztreppe empor, die mit Pflanzen und Bildern geschmückt war, und vor einer der weißen Türen auf dem Korridor blieb ter Doktor stehen. „Ich werde Sie vorerst anmelden." „Ja — aber Sie bleiben da, während —" bat sie hastig. „Wenn Sie es wünschen, gewiß." Alexander verschwand, und als er nach einer Weile wiederkehrte, sagte er: „Mein Ontel erwartet Sie, aber es scheint mir, als ob er mich nicht dabei haben wollte —" „Mein Gott .... Bleiben Sie wenigstens im Gauen, ja?" „Haben Sie denn Furcht vor ihm?" fragte der junge Mann erstaunt. „Ja — ein wenig", erwiderte Elena beklommen, dann öffnete sie die weiße Tür und trat ein. Das Gemach war leer. Es war ein vierfenstriger, länglicher Saal mit weißen Wänden, die mit alten Kupferstichen über und über bedeckt waren. Die Möbel aus blauem Damast mit weiß-goldenen Rahmen waren im Empirestil ge halten, und die hellgelb polierten Schränk«, in denen sich zum größten Teile Bücher und kostbares Porzellan befanden, hatten Glastüren, was dem ganzen Raum, der in seiner Gesamtheit ungemein schlicht wirkte, etwa» Durchsichtiges, Klares verlieh. Durch die von feinen, seidenen Vorhängen halb verhüllten Fenster floß das Licht gedämpft herein, mächtig und breit lag das blaue Meer davor, und so oft der leise Früh- linqswind drunten im Garten durch die hohen Zy pressen fuhr, glitten kleine, tanzende Schalten über den hellglänzenden Parkettboden und über den weißen Plafond. Elena überkam eine wunderliche Stimmung in diesem stillen, schlichten und doch so vornehmen Raum. Es war ihr, als hätte sie das alles schon einmal ge sehen. — War es auf einem Bilde — oder irgend einem d«r deutschen Schlösser — oder — war nicht di« Mutter in solch einem Raume auf und abge- gangen? — Sie jah da» blonde Haupt — sie sah das liebe, süß«, schwermutsooll« Antlitz — sah es so deut ¬ lich, als ob es sich über sie neigte. — Ein Schauer der Ergriffenheit durchrieselte ihren Körper, sie schloß die Augen, um diese wundervolle Vision festzuhalten — sie mußte sich an oi« Wand lehn«n, denn es wurde ihr so weh, so wundersam weh. Da hörte sie ein Geräusch, sie fuhr empor, und als sie aufsah, erblickte sie einen Greis mit gelockten urei gen Haaren, der aufrecht in einem Rollstuhle sah und von seinem Diener durch die Flügeltür in den Salon gefahren wurde. Als er sich in der Mitte desselben befand, winkte er; der Diener entfernte sich, und Elena trat mit einer Verbeugung näher. Dann blieb sie stehen, und während sie auf >eine Ansprache war tete — denn sie selbst war von ihrer früheren Vor stellung noch zu sehr ergriffen, um reden zu können, — Pährenü Lieser Zeit betrachtet« sie jeden Zug des feinen, geistvollen und, wie sie sich mit ein«m gewissen Befremden zugestand, gütigen Gesichtes. Aber auch Gerhardos sprach nichts. Wie Elena ihn, so betrachtete er sie, und es schien, als hätten di« beiden in der lauschigen, unbewegten Still« dieses Zimmers das Reden vergessen, oder als fürchtete jedes von ihnen, Laß einer oder der andere diese Minute und die Empfindungen, die sie schuf, Lurch ein Wort zerstören könnte. Gerhardos klare, blaue Augen ruhten aus dem jungen Mädchen, ohne daß sich in seinem Gesicht auch nur «in« Muskel regte. Dieses wachsbleich« Antlitz mit dem scharfen Profil und dem feinen, blauen Ge äder an d«r Stirn blieb unbewegt, wie aus Elfenbein geschnitzt, aber in seinen Augen stand so viel Unaus gesprochenes, für Elena Rätselhaftes, daß es über sie kam wie eine Fortsetzung dessen, was st« vor wenigen Minuten empfunden. Zn diesem Hellen, durchsichtigen Zimmer hatte sie schon einmal gestanden — diele klaren, machtvollen Augen hatten sie schon einmal so angeblickt — nein, nicht sie — jemand anderen — jemand anderen. — Und plötzlich wußte sie's! Da» war dort d«r Mann, den ihre Mutter geliebt hatte, und nicht Malten! Drr dort war es, um desjentwillen Magda Pallestrazzi verlernt hatte, den Gatten zu lieben, er war es, der ste bis an ihr Lebensende ruhelos durch di« Welt ge tagt hatte. Ein wütender Schmerz zerriß Elenas Brust, ein ohnmächtiger Zorn gegen diesen Mann stieg in ihr auf, zugleich aber wieder die unendlich« Lreke für den Vater, dessen Teuerstes dieser da zerstört hatte. Ein leichter Schwindel ergriff sie, ihr« Hand faßte nach einer Stuhllehne, an die sie sich klammerte, und da hört« sie wie in einem Traum« Gerhardos leise, bewegte Stimme: „Ich heiße Sie Willkomm«», teuerstes Fräulein, und danke Ihnen, daß Cie gekommen find. Wollen Sie mir nicht Ihre Hand reich« Er streckte seine beiden Hände nach Elena aus. doch sie war nicht imstande, «inzuschlagen. Waren es die Aufregungen der letzten Tage, deren Folgen sie geschickt beherrscht hatte, war es die Gegenwart dieses Mannes und alles, was sich mit ihm vertnüpfte, das ihr Blut jetzt Io zum Wallen, ihre Nerven so zum Vibrieren brachte — sie wußte es nicht. Sie fühlte nur «inen glühenden Haß gegen ihn in ihrer Brust aufstergen. pe empfand es wie eine Schmach, wie eine furchtbare Pein, gegen ihn, den Zerstörer ihres Heims, den Mörder des Glücks ihrer Eltern, den Bedrücker der Arbeiter, gegen diesen grausamen, egoistischen, habgierigen Menschen freundlich sein zu müssen, und gerrieben von einem Impuls, der mäch tiger war als ihre Uederlegung und Beherrschungs kraft, sagte sie: „Herr Gerhardos — als ich zu Ihnen ging, wußte ich noch nicht, was ich jetzt weiß. Ich wollt« in Ihnen Ingenios Onkel ehr^n, und ihm zuliebe kam ich yier- yer. Als ich aber vorhin allein in diesem Zimmer stand, La erinnerte ich mich plötzlich, daß ich schon einmal hier gewesen bin — ich habe Sie schon ein mal hier in diesem Zimmer gesehen —" Zn Gerhardos bleichem Antlitz bewegte sich kein Muskel, er blickte Elena lange schweigend an, dann sagte er langsam: ,Ha. Sie zählten damals vier Jahre." Dann nach einer Pause: „Mein Fräulein, es lag niemals in meiner Absicht. Ihnen Lies zu verschweigen." Elena fühlte seine leuchtenden, durchdringenden Augen aus sich ruhen, — sie versuchte es, ihn anzu sehen, fest und gerade, ohne mit der Wimper zu zucken, aber es gelang ihr nicht. Unter der Macht dieses selt samen Augenpaares mußte sie ihre Blicke senken, all mählich kam es ihr zum Bewußtsein, daß sie sich nicht so hinreißen lassen durfte, und wie beschämt sagte sie: » „Zch wollte auch gar nicht sagen, daß — ich dachte nicht, datz Sie es mir verschweigen wollten —" „O doch, mein Fräulein", erwiderte Gerhardos, und seine Stimme hatte «inen merkwürdigen Klang. „Oder glauben Sie, Ihr mißtrauischer Blick, Ihre Erregung od«r die Tatsache, daß Sie meine freund lich dargereichten Hände nicht berührt haben, wären mir entgangen?" „Verzeihen Sie —" murmeUe Elena verwirrt, und sie fühlte sich immer tiefer beschämt, ihrer Auf wallung so sehr nachgegeben zu haben. Elena hatte zum ersten Male im Leben das peinigende Gefühl, sich taktlos und ungeschickt be nommen zu Haven, denn jetzt, wo sie die Augen dieses Mannes mit so seltsamem Ausdruck auf sich gelichtet fühlte, kam es ihr klar zum Bewußtsein, Latz st: unter keinen Umständen das Recht hatte, all diese längst vergangenen und begrabenen Dinge wieder aufzu wühlen und ans Tageslicht zu ziehen. Ihre Geistesgegenwart, ihre ganze lleberlegen- Leit ließen sie ihm gegenüber im Stich, und sie sagte leise: „Ich wußte nicht recht, was ich sagte und tat. Bitt«, reichen Sie mir Ihre Hand, Herr Gerhardos, und vergeßen Sie meine Ungeschicklichkeit." Sie streckte ihm die Hand hin, er aber zog die seinige zurück und sagte: „Nein, mein Fräulein. Ihre Worte und Ihr Be nehmen gegen mich entsprangen keiner Ungeschicklich keit. Dahinter liegt mehr — unendlich mehr. Sie zittern, Sie stehen vor mir wie eine Schuldbewußte — aber das sieht nur so aus. Sie fühlen sich frei von jeder Schuld und sind es auch. Es ergeht uns mitunter so, daß wir wie Schuldige aussehen, wenn wir nicht den Mut baden, unserem Gegenüber rund weg zu sagen: „Ich halte dich für einen Schurken!" „Herr Gerhardos —!" Elena wich erschrocken zu rück, er aber fuhr mit einem undefinierbaren Lächeln auf den blaffen Lippen fort: „So, mein wertes Fräulein, als ob Sie ungefähr dies oder ähnliches hätten sagen wollen, standen Sw vor wenigen Minuten vor mir. Oder — er lächelte wieder fein und überlegen, ,,nennen Sie auch das eine Ungeschicklichkeit, wenn jemand im vollen Ge fühle eines jäh auffteigenden Zornes und einer tiefen Verachtung, wie ich sie in Ihrem Gesichte so unver- kennbar ausgeprägt las, die Aeußerung tut: „Ich wollte in Ihnen Ingenios Onkel ehren —' Sie ehren mich also nicht und haben sich zu dem Besuch« bei mir zwingen mühen. Allein nicht genug daran. Als Sie sich diesen ungeheuren Zwang bereits auserlegt, als sie sich überwunden hatten, da wußten Sie noch nicht einmal das Furchtbarst« über mich. Erft hier, in diesem Zimmer wurde es Ihnen >o ganz klar, wie? Antworten Sie mir gütigst darauf, mein ver ehrtes Fräulein, ich glaube ein Recht zu besitzen, Ihnen zu sagen, Lasf ich darauf bestehe." „Ja — das haben Sie!" erwidert« Elena noch immer fassungslos. „Nun denn, Fräulein Pallestrazzi, so sprechen Cie. Zch verlange, alles zu wissen, was Sie gegen mich auf dem Herzen haben. Vielleicht würde ich auf die rasch gesprochenen Wort« einer jungen Dame nicht so besonderen Wert legen, wenn diese junge Dame nicht di« — Tochter Aristides Pallestrazzi» wäre." „Wie meinen Sie das?" fragte Elena zögernd und unruhia. »Ich mein« — wenn dies« ju»H« Dam« nicht die Tochter meines Todfeindes wäre. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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