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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.02.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120220011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912022001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912022001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-20
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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Bezvgs-Vrei» für Lavita u»d <<«i,rl« vorch miI«, I,Sa«r »nd So«d»,«r, Lwal ltillch In» vau» xdrvchi « Pl. »oaatt. LIV ««. vt«tt«YSH»t. B«> «»>«r» »«Volk» ». An» »»-»«Kellen «k»rd«l« 1» M. »»aarl^ LL Vtt. »»«tteliaha. L«ch »t« V»ftr knerhald Drvnchlond» »i»o d«r deutl-en -l-lontkn «,«««„»„kl. ».«> ««.. monatl. 1.2V Mk ou»>»k. P»ltd«I>rUg«ld »«kn«r t» Velgiki^ Danemail »«» ^»nauiiooi««, Italien. Luremdnin. ^iedeilano». «^>en r«jl,i,«ia U»»on> -ludlond. Ech«»d»n^v>dw»U n trvanlen. .1» allen ildullin ktaalen n»> vi,»n dl« S»lcha»t»ll,U« »«» Blatt«» «tzallllch. Da« U«t»,l«»i Taaedlan «,,»«,,! »mal ti,l«ch. Sonn» » »«i««a«» »», «»rara». Ldonnem,n«,.«nnadme A,da,,i»«,N» 8. dat»,i«,«n t»»«»r» /lilwl,». vi>»vit«»ie» »»» A»»aH»«k,u,» >„,« Pastümtee» «n» Bnestraaer». u» PL Nr. 92. Morgen-Audaabe. Nip)igcr TagMalt - - . . s "8S2 l«ach«»^bchr —s l4«S2 t««cht.„ql»»» rel.-Anlchl >4ms «NÜNVelAKetkUNg. «rl.-Anschl. l 14 KS3 Ämlsösalt des Nates und des Nolizeiaurtes der Ltadt Leipzig. Dienstag, üen 20. /edrusr 1912. Anzeigrn-Pres» für Inserat« au» U««»«,, an» Umgebung die,toaltt„P«tt,»«ile ÄP,,d,»«eNom«. I«tl« l Mt »an au»watt» Z>> Ps. «eklamen 1Ä ML Inlekat« oon B«d»id«n im amt» l,ch«a Dell dl« tz-tttt«,l« so Ps S«Ichäft,anie»g«n ml« Platz»«kl<hrtft«a »m Prell« «kdödt. Skabatt nach Tatts Veiloaeuedad, <b«,a»t. autlag« L Md p Taul«nd «ikl. Poftgedühr. relldellog« hüa«r. Iseffert.ilt« Autlraa« könn«n nlckt ,urü<l. a«j»g«n merdrn. »ür da» «rlchelnen an beftimmlen lag«n und Pla»r» wird tein« ibakanlle übernommen. ülnt«lgrn . Bnnadm«^ Iadanni.gass« b, del lamilichkn Filialen u. allen rlnnoncen» Trpedittonen de» In» and «»»lande». Druck «i» «„la, »«, gtzlch«, L Xürlt« 2ndad«r. Vaa« ««»ft»». «Kd,««», ,n» ««ktzHUefteftar 2adannl»ga!1« U »aus«»»Mal« Ik«»d»ai ««eftrab» < 1 lleleptzan 106. Jahrgang. UM- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegende Morgennuminer 16 Seiten, zusammen 24 Teiterr. Das Wichtigste. * Während der Fortsetzung der EiatsLeratuna im Reichstag wies der N e i ch S k a n z l e r die gegen ihn von verschiedenen Etatsrednern er hobenen Vorwürse zurück. (S. des. Art. S. 1 uud Bericht S. 9.) * Der Entwurf eines Schutztruppen gesetzes ist dem Reichstage zugegangen. (S. Deutsches Reich S. 9.) * Die Zweite sächsische Kammer be schäftigte sich am Montag mit Eisenbahn- Petitionen. (S. Bericht S. 11.) * DaS preußische Abgeordneten haus begann am Montag die Beratung des Wassergesetzes. (S. Bericht S. 11.) * Der Bund der Landwirte ist am Montag in Berlin zu seiner diesjährigen Gene ralversammlung zusaiumcugetretcn. (S. Leitart. S. 1 und Bericht S. 2 und 3.) * Das neue norwegischeMinisterium hat sich gebildet. (S. Ausl. S. 9.) * Theateranzeigen siehe Seite 14 Setzierhut und Wsrnungstakel. —u. Die Tagungen des Bund es der Land wirte geben ebenso wie die Generalverjamm- lungen Deutscher Katholiken Anhalt dajiir, wie der Wind in weiten Volksschichten weht. „Der Staat hat Kanonen und Steuerzcttel", so klang es einmal auf einem Katholikentag. Damals war man politisch in oppositioneller Stimmung, später hörte man das lauste Säuseln der Loyalität. Das Dasein des Hansabundes hat einer Tagung des Bundes der Landwirte säst den Inhalt gegeben. Diesmal war es haupt sächlich das Zusammengehen des Libera lismus mit der Coziald emolratie. Durch die Hauptredner wurde der Tagung die Richtung gegeoen: Gegen Sozialdemokratie und Libera lismus, für die Monarchie. Der Bund hat auch früher behauptet, außer den materiellen Inter essen ideale Güter zu vertreten, wie die Treue zu Kaiser und Reich und die nationale Opfer willigkeit. Diesmal glaubt er mit besonderer Betonung darauf Hinweisen zu können, daß die genannten Güter bei anderen Parteien nicht genügend gesichert seien. So führte auch diese Tagung zu den Haupt fragen der Gegenwart: Dem Verhalten der Liberalen zu den Sozialdemokraten und zur Monarchie. Der Bund hatte für die Links liberalen weniger Interesse, als für das Bor gehen der Nationalliberalen. Ihr Handeln ist rn der Tat geeignet, als Paradigma politischer Entwicklung zu dienen. Wer die Geschichte, das Programm und die in der nationallibe ralen Partei wirkenden Eedankenkräste kennt, könnte über die Entwicklung ein dickes Buch schreiben. Auf das Titelblatt könnte man setzen: „Das alre Spiel von Jedermann." Es ist „Jedermanns Schicksal", das sich hier abspielt, das Schicksal nämlich dessen, der ursprünglich auf dem vaterländischen Wege, durch Recht haberei, Selbstgefälligkeit und Parteieinseitig keit von dem Gedanken an das Vaterland ab getrieben wird. Das Schicksal hat sich ganz besonders an der parlamentarischen Spitze der Partei, der Fraktion des Reichstags, erfüllt und daher war es begreiflich, wenn auf der Bundestagung ein wesentlicher Unterschied zwischen den Nationalliberalen im Lande und der parlamentarischen Führung gemacht wurde. Wie war es doch zugegangcn? Der Kampf ging um die Erban fall steuer, der ebenfalls die lebhafte Aufmerksamkeit der Bundestagung galt. Die Nationalliberalen wollten die Reichs finanzreform ohne die Lrbansallsteuer nicht machen aus sozialem Empfinden heraus. Gut; das kann man als einen Standpunkt gelten lassen. Man wollte national sein bis in die Knochen, Kaiser und Reich hochhalten und dazu ein waches soziales Empfinden für die minder- bemitttelten Volksgenossen betätigen. Auf der anderen Seite, so schien es vielen, stand der wirtschaftliche oder Parteiegoismus. Außerdem machte sich die Gegenseite der Förderung des Zentrums und des Zusammengehens mit dieser Partei schuldig. Immer noch gut. Aber nun blieb die nationalliberale Partei nicht auf ihrem Standpunkte stehen, sie glitt immer weiter nach links. Zwar wurden Beschwichtigungscr- klärungen nicht ohne Erfolg erlaßen: Großblock sei Unsinn, niemand denke daran; dann aber kam bei den Stichwahlen von 1912 ein Zu sammengehen mit der Sozialdemokratie in recht weitem Umfange. Schließlich fielen bei der Präsidentenwahl des neugewählten Reichstags etwa 10 nationalliberale Stimmen auf Bebel, fast alle auf Scheidcmann, obwohl dieser die monarchischen Verpflichtungen nicht in ge nügender Weise übernommen hatte. Es folgte die erste offizielle Fraktionsrede. Auch hierin war der Zug der Gedanken nach links unverkennbar. Sie enthielt die feierliche Erklärung, die unseres Wissens noch niemals von der nationalliberalen Partei abgegeben ist, für Zwecke des Heeres und der Flotte würden indirekte Steuern nicht mehr bewilligt werden. Graf Posadowsky, dem niemand ein warmes Gefühl für die handarbeitende und die verbrauchende Bevölkerung abstreiten kann, denkt darüber anders. Er hält es für unmög lich, bei gegebener Gelegenheit auf eine Ver mehrung der indirekten Steuern zu verzichten. 2n dem allen handelte dienationalliberale Fraktion oon sich aus. Es ist einfach nicht wahr, daß die Anhänger im Lande eine solche Erklärung über die indirekten Steuern oder ein solches Verhalten bei der Präsidenten wahl verlangt hätten. Sie hätten jene Er klärung nicht vermißt, wenn sie gefehlt hätte. Es mag freilich sein, daß die Nationalliberalen in Laden das Zusammengehen mit der äußersten Linken — so ähnlich heißt es in einem Telegramm der badischen national liberalen Fraktion — nicht ungern sehen» aber auch sie Hütten sich zufriedengegeben, wenn die Fraktion schlicht und offen betont hätte, sie vermöchte es nicht über sich, einem Gegner von Kaiser und Reich eins der höchsten Ehrenämter zu übertragen. Es war wirklich und allein die Führung. Wir meinen, die Fraktion, die den neuen Weg beschritten, sie trügt die Verantwortung, wie sie auch für die Ueberspannung des Parteibegriffes haft bar zu machen ist. Wenn man die Notwendigkeit hätte beweisen wollen, daß es Parteien rechts von den National liberalen geben muß, hätte man es nicht besser machen können als die nationalliberale Frak tion. Betrachtete man vordem das Zusammen gehen der Konservativen mit dem Zentrum als einen dunklen Punkt, so ward es durch das Einvernehmen der Liberalen mit der Sozial demokratie wettgemacht. Der Bruch des Bülow- blocks erfuhr nachträglich durch das Verhalten der Liberalen so etwas wie eine Rechtfertigung. Man konnte sich sagen: Wenn die Liberalen solche Leute waren, dann war es vielleicht nicht ganz unberechtigt, daß die Konservativen sich aus der Verbindung mit ihnen zu lösen juchten. Und in diese Tagessituation hinein fiel die Hauptversammlung des Bundes der Landwirte. Da konnte aus vollem Halse die Melodie angestimmt werden: Wenn andere un treu werden, so bleiben wir treu, nämlich den Idealen der monarchischen und nationalen Ge sinnung. Leider hat der Bund gleichzeitig in deut licher Weise sich gegen die Erbanfallsteuer erklärt. Die Frage ist, ob die Konservativen dieser Losung folgen werden. Im Jahre 1909 haben sie es getan. Die Generalversammlung, damals noch im Zirkus Busch, machte gegen die Steuer Front und der größere Teil der konser- vativen Fraktion stimmte nachher dagegen. Der ehemalige Abgeordnete von Oldenburg er klärte auf der diesjährigen Tagung: es solle der Eeßlerhut der Erbanfallsteuer auf gepflanzt werden, der Bund werde aber davor nicht Reverenzen machen, soviel seien die augenblicklichen Führer der Nationalliberalen dem deutschen Volke nicht wert. Staatssekre- tär Wermuth sagte vor wenigen Tagen im Reichstage umgekehrt: Die Gegner der Erb anfallsteuer stellen eine Warnungstafel hin und schreiben darauf: „Brüskierung, strengstens ver boten!" Eine Verständigung erscheint fast ausgeschlossen, wie man denn über- Haupt im Berliner Sportpalast mit der Regie rung und dem Reichskanzler von Bethmann Hollweg nicht immer freundlich umsprang. Vielleicht hätten die Bündler sich nicht so ent schieden gegen die Erweiterung der Erbschafts steuer ausgesprochen, wenn sie nicht schon ge nügend anderes Material gehabt hätten, das sie ihren Anhängern bieten können. Wären die Nationallibcralen treu auf ihrem alten Standpunkt verblieben, so wäre die Kost etwas schmal gewesen, die die Bündlerführer darreichen konnten, dann hätte man eher das Bedürfnis empfunden, zu zeigen, daß man zu Opfern bereit war. Durch das Verhalten der National liberalen ist den Ultras Wasser auf die Mühle getragen, die ein Nachgeben nicht wollen. Sie halten es für unnötig, eine Sühnetat zu vollführen, sie fühlen sich als die Hüter einer guten Sache, die von anderen verlassen ist, also doppelt der Hüter bedarf. Sie haben das beste Gewissen von der Welt. So hat das Verhalten der Liberalen das Zustandekommen der Erbanfallsteuer zum mindesten nicht erleichtert. Hoffentlich läßt die konservative Fraktion — trotz der gleich zeitigen Erklärung des Abgeordneten von Putlitz — sich durch die Stimmung, die beim Bund der Landwirte zum Ausdruck kam, ihre letzten Entscheidungen nicht diktieren. Es gibt genug parteipolitische Gründe, die es rätlich erscheinen lassen, den Schein des Anstoßes zu beseitigen. Geschickten Führern kann es nicht schwer sein, das den Anhängern, auch den bündlerischen, klar zu machen. Sie würden die eigenen Freunde nicht verlieren und würden neue hinzubringen. Das ist von dem Standpunkte derer gesagt, die jede Sache danach beurteilen, was sie der Partei bringt. Davon abgesehen, wäre es zum Besten des Vaterlands wünschenswert, daß der Zankapfel, der das Bürgertum un einig macht, aus der Welt geschafft wird. Er hat die üble Eigenschaft gezeigt, neue Streit fragen, eine immer schlimmer als die andere, anzusetzen. * Wir fügen hier eine Meldung der „Deutschen Tagesztg." über die Ausdehnung der Erbschaftssteuer an. Das agrarische Blatt schreibt: Aus der Rede des Staatssekretärs des Reichsschatzamts wird viel,ach der Schluß ge zogen, dag die Ausdehnung der Erbschafts steuer aus Kinder und Ehegatten zur Deckung der Kosten der neuen Wehrvorlage so gut wie beschlossene Sache iei. Dem ist nicht so. Der Bundesrat hat sich mit der Angelegenheit noch nicht befaßt und es ist noch völlig ungewiß, ob ihm diese Steuer überhaupt vorge.chlagen werde. Trotzdem wird man gut daran tun, mit der Möglichkeit zu rechnen. Vie Fortsetzung üer Ltstsderstuny (Stimmungsbild aus dem Reichstage.» Berlin, 19. Februar. Ein Fliederstrauß auf dem Platze des Präsidenten, so gratuliert das Haus dem 70jähr»gen Abgeordneten Kämpf. Auch der Reichskanzler har. wie wir hören, Gelegenheit genommen, den schriftlich über mittelten Glückwunsch in herzlicher Weise mündlich zu vervollständigen. Das Haus nimmt zunächst drei Reden zweiter Garnitur entgegen: Die Komervatioen schicken als zweiten Etatsredner Gans Edlen zu Putlitz vor, die Nationalliberalen Paaschs, die Fortschrittler Goth ein. Abgeordneter Putlitz letzt namens der Konservativen der Erweiterung der Erbschaftssteuer ein entschiedenes Nein entgegen. Herr Paasche redet dann den Konservativen freund lich zu. Man ist in Verlegenheit, ob man ihn als besonders geeignet oder als besonders ungeeignet zur Propaganda für die Erbanfallsteuer bezeichnen soll. Zu dem Schärfsten, was je gegen die Eroanfall- struer gesagt wurde, gehört das, was derselbe Herr Paasche in der Reichsfinanzkommission ausgeführt hat. Er ist dann auf den bekannten Standpunkt, den die Fraktion eingenommen hat, hinübergegangen. Wir wollen ihn alio spaßeshalber heute einmal als geeigneten Lockrufer zu besserer Erkenntnis gelten rasten. 2m übrigen versuchte Aba. Paasche das Verhalten der Nationalliberalen zu rechtfertigen. Aus die Be rechnung, welche Partei den Sozialdemokraten am meisten Mandate zugeschanzt hat, braucht heute nicht eingegnngen zu werden. Zu dem Grundsätzlichen erklärte der nationallidsrale Redner, republikanische Bestrebungen würden durch seine Partei nicht unter stützt. Aber Konzessionen werden gemacht! Die monar chische Staatsform wird nicht mit der Entschiedenheit, die man für die Vertretung anderer Programm punkte proklamiert, verteidigt. Von der neuen Taktik gab der Redner selbst eine Probe, indem er die Kritik an der Wahl des sozialdemokratischen Vize präsidenten ungefähr mit den Worten adwies: Bis her sei es nicht üblich gewesen, an der Person eines oon einer «roßen Partei präsentierten Kandidaten Kritik zu üben. Also das ist die Form — in Baden ist es ähnlich — wie sich das nat»onalliberal-jozia- listische Einverständnis äußert. Scheidcmann ist unantastbar, man darf über ibn nicht reden. Dann kann ja die Sozialdemokratie nächstens noch einen Blutigeren präsentieren. Die Nationallibe ralen werden, so sche.nr es, sich auch den gefallen lassen. Wenn auch zuzugeben ist, daß ein häufiges Hineinreden einer Regierungsstelle in die Geschäfts führung der Volksvertretung nicht zu empfehlen wäre, jo war doch die Abwehr gegen die Kritik allzu „bureaukratisch". Von den Imponderabilien, deren Nichtbeachtung von liberaler Seite gern den Re gierungsmännern vorgeworfen wird, scheint Abg. Paasche keine Ahnung zu haben. Welche Verwirrung in einfachen Gemütern — und es wäre nur „demo' kralisch". auch an die einfachen Gemüter zu denken, nicht nur an die politischen Berufsschachspieler — durch das Verhalten der Liberalen angerichtet wird, scheint noch immer nicht bedacht zu wc den. Gegen Schluß der Sitzung ergriff der Reichs kanzler von Bethmann Hollweg das Wort, um sich das Recht zu wahren, auch künftig über Dinge zu sprechen, die das Land bewegen. Auch >eme Be hauptung über die Linksentwicklung der National liberalen hielt er aufrecht, doch wollte er ein künf tiges gemein'ames Arbeiten der Liberalen und Kon servativen nicht verschwören. In der Form einer persönlichen Bemerlunz gab Bebel lSoz.j die Dar stellung von den Vorgängen bei der P>äsidialwahl wieder, die der „Vorwärts" veröffentlicht hat. Die Abgabe einer Erklärung über das zukünftige Verhalten Scheidemanns, wie es von national liberalen Parlamentarien behauptet worden ist» wurde rundweg abgestritten. Die prsliüemenwahl in üer oertrauensmsnnerverlsmmlung ües NötionaMberrU-n Vereins zu Leipzig. In einer gutbesuchten Vertrauensmännerver sammlung des Nationalliberalen Vereins für Leipzig und U m g., die am 19. Februar in „Schloß Ritterstein" stattfand, wurden die Vorgänge bei der Präsidentenwahl im Reichstage erörtert. Der Vorsitzende des Nationalliberalen Vereins, Universi täts-Professor Dr. Brandenburg, referierte ein» gehend über die Tatsachen, bedauerte, daß einzelne nationalliberale Stimmen auf Bebel gefallen seien, rechtfertigte aber das Eintreten der Fraktion für einen sozialdemokratischen Vizepräsidenten. Der Vor wurf unnationalen Handelns der Nationalliberalen sei aufs entschiedenste zurückzuweisen. Für die natio nale Gesinnung des Leipziger Abg. Dr. Junck sei besten Etatrede, aus der einzelne Stellen zur Verlesung kamen, der beste Beweis. Zum Schluß seines mit leb haftem Beifall ausgenommenen Referats verlas Prof. Brandenburg noch folgenden Vries Dr. Junrks, den dieser an ihn gerichtet hat: „Heber mein persönliches Verhalten Sei der Wahl unseres Präsidiums gestatte ich mir, Ihnen folgendes mitzuteilen. Jede Verwendung dieses Schreibens, die Sie für richtig halten, ist auch mir recht. Daß einzelne Nationallibcrale in der Stichwahl zwischen Bebel und Spahn ihre Stimme für Bebel abgegeben haben, ist richtig. Wieviele, steht dahin. Die Fraktion als solche hat damit nichts zu tun. Es war die Geburt eines erregten Augenblicks, die Willensäußerung einzelner gegen ein Zen trumsprästdium, die bester unterblieben wäre. Die Wahl war geheim. Unter diesen Umständen ist es dem einzelnen durch ein natürliches Gefühl des Taktes und der Kameradschaft verwehrt, in der Oeffentlichkeit Erklärungen darüber abzugeben, wie gerade er gestimmt habe. Daß ick bei Ihnen und vielen anderen Verständnis hierfür finde, ist mir gewiß. Im übrigen habe ich unseren Standpunkt zur Präsidentenwahl und unsere Gründe am 15. Fe bruar 1912, als ich für meine politischen Freunde zum Haushaltplane des Reiches sprach, dargelegi. Ich bitte, auf den stenographischen Bericht, den ich Ihnen zusenden werde, verweisen zu dürfen. In den vergangenen fünf Jahren habe ich über die Arbeiten des Reichstages regelmäßig Bericht erstattet. Ich werde dies auch in Zukunft tun und mir die Ehre geben, Sie um Einberufung einer Versammlung zu bitten, wenn sachliche Ergebnisse vcrliegsn. Dann werde ich selbstverständlich jedem und über alles Rede stehen. Ich begrüße Sie, hochverehrter Herr Professor, mit der Bitte, mir Ihr Vertrauen zu bewahen." Nach eingehender Aussprache wurde einst im. mig folgende Entschließung angenommen: „Die Versammlung nationalliberaler Vertrauens männer erklärt sich einverstanden mit der vom Vor stände des Nationallibcralen Vereins veröffentlich ten Kundgebung und spricht dem Abgeordneten Leip zigs, Herrn Justizrat Dr. Junck, ihre Zustimmung mit seiner bisherigen Haltung im neuen Reichstage aus und namentlich seiner Rede zum Etat. Sie hält den von manchen Seiten ausgesprochenen Zweifel an seiner nationalen Gesinnung für gänzlich unbe gründet. Sie ist der Ueberzeugung, daß ein Zusam- mcnarbeiten mit Sozialdemokraten in den parlamen- tarischen Geschäften und im Präsidium eine politische Notwendigkeit ist: die grundsätzliche Bekämpfung des sozialdemokratischen Programms und seiner For derungen. die für jeden Natronalliberalen selbstver ständlich ist, wird dadurch in keiner Weise gehindert." ZUM Taüe ües Grasen Aehrenthal. Eine offiziöse deutsche Stimme. Tie „Norddeutsck>e Allgemeine Zeitung" schreibt: Mit tiefem Bedauern wird in Deutschland die Kunde vom Ableben des Grasen Aehrenthal aus genommen. Bis zur letzten Stunde auf das un» erschütterliche Vertrauen des ehrwürdigen Herrschers der habsburgiscl)cn Monarckfie gestützt, konnte Graf Aehrenthal in fünfjähriger Wirksamkeit als Leiter der auSlvärtigcn Politik Oesterreich-Ungarns eine be deutsame Tätigkeit entfalten und die Er- Wartung vollauf rechtfertigen, die an seine Berufung nach Wien geknüpft wurde. Jetzt liegt der unbestrett- bare geschichtlick>e Beweis vor, daß die ihn» schon da- malS nacl>gesagten hervorragenden staatsmännischen Eigenschaften in hohem Matze eigen waren. Seine Tätigkeit in leitender Stellung hat al er darüber hin aus gezeigt, daß Graf Aehrenthal bei dec Berfolaung klar erkannter und bestimmt inS Auge gefaßter Ziele auch über Entschlußkraft, Festigkeit uitd Zähiakeit verfügte, Der Standpunkt, von dem aus er die öfter«
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