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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.03.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191203038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19120303
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19120303
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-03
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Monat
1912-03
-
Jahr
1912
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(148S2 kNacht-Ichlu») s"«S2 iN.cht.nIchl.» Tel.-AMl.U4M3 «NlINveTyKkIktDIAch Eel.-Anschl^i4M3 Ämlsvlatt -es Rates ««- des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Mnzelaeu-Preis sftr Inferat» au» L«ip»ia und Umgebung dl« lipaltig« Petittetl» LP> die Nellame- »«u« > Ml.' »on aurwärl» »>Pf, Neklamen 1UV Mk. Inierat« von Behörden im amt lichen Teil »t« Petitreile du P, S«fchäjt»an»eigen mit PlaftvoUtzigr«, im Preii« «rhöht. Rabatt nach Taris. Beiiagegrdübr lbeiamr» auslag« 5 Mk. p. Tauiend erkl. Postgebühr. Teilbeilage Höher. Festert«ilt« Aastraae können nicht zurück- aezogen werden. Für da» Erscheinen an »«stimmten Tagen und Plagen wird keine Garantie übernommen. Anjeigen-Annahme: 2»donni»gass« bel iämtlichen Filialen u. ollen Annoncen» E»pedttion»n de» 2n- und Ausland«». Dru« all» Verlag »»» Fische« L Kürst«» Inhaber: Paul Nitriten. -lrdaktiou und E,schäst»st«ll«r Johannisgajs« 8. Haupt-Filial« Dresden: Seestraü« l lTrlephon 4621t Nr. ns Sonittsg, gen 3. MSN ISI2. 106. Jahrgang. 48 Seiten IBSk- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 10 Seiten, die vorliegende Morgennummer 38 Seiten, zusammen Das Wichtigste. * Der Reichstag setzte am Sonnabend die zweite Beratung des Etats des Innern fort. (S. des. Art. u. Bericht S. 10.) * Im ungarischen Abgeordnetenhaus kam es am Sonnabend zu stürmischcn Szenen. (S. Ausl. S. 10.) * In Marokko hat ein Kampf zwischen auf rührerischen Stämmen und Franzosen stattgesunden. (S. Ausl. S. 10.) * Im Wilajet B e i ru t ist der B e l a g e r u n g s - zu st and erklärt worden. (2. Letzte Dep. S. 3.) * In Leipzig wurde am Sonnabend der Neu bau der Universitäts-Klinik und Poli klinik für Ohren-, Hals- und Nasen krankheiten in Anwesenheit des Kultusministers Exz. Dr. Beck feierlich eingeweiht. (Siehe des. Artikel 2. 14.) * Theateranzeigen siehe Seite 20 und 30. Der Triumph ües engMchen Sozialismus. rh Es nxrr eine Zeit, und sie isr noch nicht lange Vorüber, da sahen die Festlandsbemohner mit ihren, lii'sennlüjzig anschweuenden sozialistischen Par- leien voll Neid nach dem glücklichen Albion hin über, das saft spielend mit der großen „sozialen Krage" sich abzufinden schien, freilich harte es vor bald einem Jahrhunderte eine sozialistisch angehauchte „Ehartisten"-Bewegung gegeben; einen Llommunistenspuk in Cromwells zäsarischer Republik und mittelalterliche Kleinleute-Putsche, wie sie in Shakespeares Königsdramen geschildert sind, nicht zu erwähnen. Auch hatten die Lrade Unions eine bedenkliche Macht erlangt und diese gelegentlich auch in der beliebten Korin der Mas- senarbcitsniederleguna gebraucht. Aber eben diese Bollentfesselung des Koalitionsrechtes wurde uns als das Allheilmittel sür die internationale So zialismuskrankheit ausgegeben und mit Stolz von den Liebhabern des modernen Lvhnkampfes auf die Sozialistenreinheit des Unterhauses Hin geiviesen. Die vier „Arbeiterparteiler", welche zuerst 1892 Sitze erlangten, bei den Wahlen von 1895 und 1900 sogar noch wieder vermindert wurden, erschienen ziemlich unbeachtlich. Aber seit 1905 hat sich das Bild geändert, und rund -40 Vertreter der Labour Party haben einen Einfluß erlangt, der weit über das Verhältnis von 40 : 630 hinausreicht. Der Grund sür diese Erscheinung ist, daß in England der Fall ist, was bei uns ein Teil der bürgerlichen Linken trotz ganz andersartiger historischer Entwicklung als erstrebenswert betrachtet: daß dort die Brücken zwischen diesen beiden Gruppen niemals so ab gebrochen gewesen sind, wie in Deutschland nach dem hitzigen Äufeinanderprallen von Schulze- Delitzsch und Lassalle. Vielleicht die Hälfte von Englands seit 1886 bestehender neuliberaler Par tei denkt sozialliberal, um die treffendste Be zeichnung zu gebrauchen, und die Labour Party steht dort, wo manche deutsche „Revisionisten" gern stehen möchten, nämlich mitten in einer sehr erfolgreichen, gegen gewisse deutscl)e Kin derkrankheiten, wie antimonarchisches Protzentum, immunisierten Bewegung. Für den Weg zum so zialistischen Endziele ist diese Taktik gewiß die verständigere. Ob aber diese ganz« Richtung sonderlich zum Heile Englands ausschlagen wird, ist eine andere Frage. Es scheint ja setzt der große Augen blick deS Entscheidungskampfes zwischen der individualistischen und der sozialistischen An- sclzauungsweise gekommen zu sein. Das heißt, wenn man die einlaufenden Nachrichten vom Bergarbeiterausstande einsieht, so muß man annehmen, daß die Sache des Individualis mus schon vor dem ersten Kampftage verloren war. Verloren durch Schuld der Regierung und dessen, was man öffentliche Meinung zu nennen liebt. ES läßt sich wohl nicht bestreiten, daß die Feststellung eines Minimallohnes, um die der Streit sich dreht, an sich eine Versündigung gegen den rechtlich und volkspädagogisch einzig gesunden Grundsatz darstellt, daß die Arbeit nach ihrem Produkte und dessen Werte bezahlt wer den muß; wenn auch nicht rein nach dem gegen ständlichen Werte, der von den Schwankungen des Handels beeinflußt sein kann, aber doch nach dem subjektiven, nach der Leistung des Arbeiters. Den Preis der Arbeit für fleißige und langsame, für kräftige und schwache, junge und alte Arbeiter gleich machen wollen, ist eben sozialistische Denk art. Und wenn man auch gerade kein Doktrinär sein will und Verständnis für das Wünschens werte eines Zustandes hat, bei dem ein Existenzminimum dem guten Willen auch in schlechteren Zeiten gewährleistet ist, so wird man doch die Forderung der englischen Kohlen häuer, ihnen einen Minimallohn von 7V» Schilling täglich zuzusichcrn, schreiend hoch finden — also 195 Schilling für den 26tügigen Arbcitsmonat! Und für diesen Anspruch ergreift die Presse Partei, setzt sich die Regierung ein, und hat sich bereits die Zustimmung von 6o Prozent der Gru benbesitzer gewonnen! Gewiß, ein Ausstand von Monatsdauer oder gar darüber könnte der eng lischen Kohlenindustrie schier unheilbare Wunden schlagen, ihre auswärtigen Absatzmärkte unwie derbringlich verloren gehen machen und, was noch viel schwerer wöge, auch die Fertig- und Veredlungs-Industrie von ihrer ebenso noch ge waltigen wie doch längst nicht mehr unbestrittenen Höhe hcrabziehen. Aber gab es denn, diese Ge fahr zu vermeiden, wirklich keine andere mögliche Entscl-eidung der Maßgebenden, die voch auch die Zukunft, auch die regelmäßigen Folgen schlaf fer Nachgiebigkeit gegen unberechtigte Ansprüche beherzigen müssen? Wird nicht das einmal, ge gebene Beispiel verhängnisvoll einwirken auf die Gemüter der ihrer Macht bewußt gewordenen Lohnarbeiter? Werden sie nicht nach kurzer An standspause neue Forderungen von gesteigerter Unbescheidenheit erheben! Und nun kommt das Aergste: der Widerstand der 35 noch standhaft gebliebenen Prozente der Grubenbesitzer soll dadurch beseitigt werden, daß die Negierung die Sache der Arbeiter zur ihrigen macht und den Minimallohn auf dem Wege des Gesetzes cinführt! Geschieht das, so ist einfach der große Sprung in den sozialistischen Staat hinein getan, ist dessen Hauptstück, die Regelung der Arbeit durch die Gemeinschaft statt durch freien Vertrag, in das Stadium seiner Ver wirklichung eingetreten. Man sagt, daß selbst den noch trotzig sich gebärdenden Herren Süd wallisern diese gewaltsame Lösung nicht sonder lich unwillkommen sei, weil sie sie der Behaup tung ihrer erkünstelten Standhaftigkeitspose über hebe. Ja, sie rechnen angeblich damit, daß schließlich der Staat ihnen ihr Eigentum zu einem guten Preise abnehmen müsse. Dieser zweite Schritt wäre, grundsätzlich betrachtet, noch lange nicht der revolutionärere. Der ganze Geist der modernen Gesetzgebung und auch eine natürliche Betrachtungsweise sprechen dafür, daß die herr schende öffentlich-rechtliche Auffassung das Eigen tum an den mineralischen Bodenschätzen als ein übertragenes ansieht. Mit der Vorbildlichkeit von Englands arbei terparteilicher Entwicklung soll man aber allen noch nicht in die sozialistische Denkungsart Ein gelebten vom Halse bleiben! S Der Führer der englischen Arbeiterpartei über den Streik. Einer der Hauptführer der englischen Arbeiter partei, natnens Hawey, äußerte sich einigen Pressevertretern gegenüber etwa dahin: Wir sind keineswegs um den Ausgang des Kampfes besorgt und sehen demselben mit Ruhe entgegen. Während die Eisenbahner, die damals sehr überstürzt oorgingen, das Zwecklose ihres Vorgehens bald einsehen mutzten, sind wir im Gegenteil gut vorbereitet und gerüstet. Ich glaube, daß der Streik sehr lange dauern wird und di« Verhandlungen sich sehr schwierig gestalten werden, aber sie werden mit einem Sieg der Arbeiter enden. Die Bergarbeiter werden, wo sie einmal die Arbeit eingestellt haben, fest bleiben und nicht eher die Arbeit wieder aus nehmen, als bis ihre Wünsche befriedigt sind. Keine ausländisch« Kohle für England. --- Brüssel, 2. März. (Tel.) Der Schatzmeister Eathery des englischen Verbandes der See leute ist gestern hier eingetroffen, um mit den bel gischen Transportarbeitern in Rotterdam und Ant werpen darüber zu verhandeln, wie sie den eng lischen K oh lenar be iterstreik unter stützen können. Der Transportarbeiterverband be schloß bekanntlich am Donnerstag voriger Woche in Manchester, die Arbeiter zu veranlassen, belgische, französisch« und deutsche Kohle nicht nach Eng land einzuschiffen. Der englische Schatzmeister reist noch heute nach Dünkirchen, nachdem er bier bereits «ine zustimmend« Erklärung seitens der Ar beiterführer erhalten hat. S0VVOO ^l sür den englischen Kohlenarbeiterstreik. Wie die „BrauNschw. Landesztg." aus bester Quelle erfährt, haben die sozialdemokratischen Gewerkschaften in Deutschland dem eng lischen Generalstreikkomitee als erste Unterstützung», gäbe 500 000 überwiesen. Ueberlpannter Lntlmlissmus. (Von unserem römischen Mitarbeiter.) Eine gewiss« (nicht ganz ungefährliche) Ueber- spannung des Nationalgefühls, das der der Beratung über das Annexionsdekret in dem Parlament seinen überwältigenden Ausdruck fand, hat jetzt nach dem so sympathisch berührenden großen patriotischen Festrausch der Bürgerschaft eine förm liche Verfolgungssucht gegen diejenigen Deputierten gezeitigt, die eine ablehnende Haltung angenommen hatten. In Dingen, wo die nationale Ehre in Frage steht, ist der Italiener äußerst emp findlich, und zum nationalen Point d'honneur ist ihm das Gesetz über die Souveränität über Tripolitanien geworden. Anders wäre es nichr zu begreifen, warum er nachträglich so fürchterliche Musterung unter den Dissentierenden hält und ne öffentlich Spießruten laufen läßt. Pardon wird nur denjenigen Sozialisten gegeben, di« sich bei ihrem ablehnenden Votum hinter ihren Partei grundsätzen verschanzen konnten. Es wird aber auch hier nicht geduldet, daß dieser abweichenden Meinung auch außerhalb des Parlaments freier Ausdruck ge geben wird! Das haben verschicdentliche Zusammen stöße zwischen Nationalisten und Sozialisten in Rom, Mailand und Genua gelehrt. In Livorno kam es aus demselben Grunde zu den beklagenswerten blutigen Exzessen. Die Position des als antinational hingestellten Teiles der Sozialdemokratie — wie er innerlich nehmen die Reformsozialisten unter Bisio- latis Führung eine abweichende Haltung ein — ist allerdings di« denkbar unglücklichste. Die Turatianer — die wenigen Anhänger des intransigenten Ge nossen Turan — haben sich in ihrer Rat- und Hufs losigkeit selber dem allgemeinen Gespött preisgegebcn. Bei der ersten namentlichen Abstimmung über das Gesetzbetrug die Zahl der dissentierenden Sozialisten und Republikaner einschließlich Meier bürgerlicher Deputierter 38. In der fünf Minuten spater er- folgenden zweiten geheimen Abstimmung, die das Gesetz vorsieht, aber ging diese Zahl auf neun her ab! Die beiden Bürgerlichen und die Republikaner erklären, daß sie auch bet der zweiten Abstimmung Neue Männer aus Süüwelt unü Norüolt. (Stimmungsbild aus dem Reichstage.) Hf Berlin, 2. März. In die heutige Fortsetzung der sozial- und wirt schaftspolitischen Debatte im still daliegenden Reichs- bau,e drangen die letzten Wellen der großen eng- lisä)en Arbeiterbewegung hinein. Abg. schmidt- Berlin (Soz.) empfahl der deutschen Regierung, das Vorgehen der englischen Minister nachzuahmen. Die besondere Bezugnahme auf den Werstarbeiterstreck in Schichau lag nahe, doch ist nach früheren Erfah rungen kaum anzunehmen, daß im Ansangsftadium Vermittlungsversuche Erfolg hätten. Gras C a r- mer-Zieserwitz (Kons.) empfahl, Wanderiagcr nur bei Bedürfnis zuzulassen, für di« Festsetzung des Be- dürsnlsses aber die Handels- und Handwerkskammer zu hören. Der konservative Rödner sucht« auch sonst seine Wünsche zu präzisieren und keinen Zweifel daran zu lassen, daß auch seine Partei sich in die Zeit schicken wolle. Das Koalitionsrecht erklärte er für unentbehrlich. Nicht dieses Recht selbst, sondern nur seine Auswüchse wollte er beseitigen, namentlich die Vergewaltigung der Nichtkoalierten, der Arbeits willigen. Er konnte sich dabei aus Anregungen aus dem Königreich Sacktzen und aus der freien Stadt Hamburg berufen. Der weitere Verlauf der Sitzung brachte zwei neue Männer zu Wort. Abg. Thoma (Natl), der durch eine Nachwahl schon in den vorigen Reichstag gelangt war, sprach unseres Wissens zum erstenmal in der Gcnrealdebatte zum Reichsamt des Innern. Er verrät trotz seiner Jugend parlamentarische Gewandt heit, die er wohl im bayrischen Landtag erworben hat. Er kam auch auf bayrisch« Ding« zu sprechen und verteidigte das Koalitionsrecht der Eisenbahn arbeiter, das in der Geschichte des Ministeriums Pode- wils eine Rolle gespielt hat. Auch die Präsidenten frage berührte er, die das Zentrum in der bayrischen Kammer spielend gelöst habe, und meinte: Wenn es nach ihm ginge, wäre man auch im Reichstag bald damit fertig. Wie er sich die Lösung dachte, sagte er wohlweislich nicht. Vielleicht darf man glauben in Richtung des Eroßblocks. Gegen Schluß befür wortet« er die sorgfältig« Forschung nach Mitteln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche und — wie es schien bedingungsweise — die Einfuhr aus der Schweiz, die seinem Wahlkreis Lindau-Jmmenstadt benachbart ist. Dem Abgeordneten aus der Südwestecke des Reichs folgte einer aus dem Nordosten, der im Landkreise Zischhausen und dem Landkreise Königsberg gewählte Klempnermeister Barts chat (Dpt ), der im Hansa- bund für die Interessen des Mittelstandes tätig ist. Er sprach «inen Gedanken aus, den schwerlich jede Berechtigung abgestritten werden kann: Wo aus schließlich ländliche Großbetriebe zu finden seien, leide das Handwerk, große Dörfer dagegen ließen einen gut rentierenden Handwerksstand auzkommen. Die Ver kaufsstellen des Bundes der Landwirte griff er an, weil sie auch mit Badewannen und Champagner handelten. In anderen Fragen nahm er eine Hal tung ein. die auch der Zustimmung des konservativen Mittelstandsmannes Pauli-Hagenow gewiß sein kann: Regelung des Submissionswesens, Schutz gegen den Bauschwindel und Beseitigung der Gefängnis arbeit, das sind Forderungen, die auch von der Rech ten vertreten zu werden pflegen. Noch ein polnischer Abgeordneter, der in Kattowitz gewählte 2 osinski, dann vertagte sich das Haus auf Montag. Voraussichtlich wird man sich bemühen, die General debatte bis zur neuen Präsidentenwahl, die aus Freitag nächster Woche angesetzt ist, zu beendigen. mit Nein gestimmt haben. Aber dreizehn Tura- tiancr haben innerhalb von 5 Minuten ihr Damaskus gefunden! Turati blieb allein auf weiter Flur! Sehr übel wird dem Fürsten Leone Caetani di Teano mitgespielt, der gleich einem zweiten bürgerlichen Abgeordneten (Pinchia) gegen das Gesetz gestimmt hatte. Der Fürst ist radital- demokratischer Abgeordneter von scharf antilleri' kaler Richtung. Er ist Italiens bester Orientalist, der auf Grund seiner 25 ^Iahre langen Reisen durch Marokko, Nordafrika, Kleinasien, Persien und Indien jedes Jahr vielbeachtete Neisewerke veröffentlicht. Man kann wohl sagen, daß Italien in ihm den gründlichsten Kenner orientalischer Verhältnisse er blickt. In Rom, wo er seinen Wahlsitz und wo er auf eigenen Mitteln Volkshochschulen nach dein Muster der Humboldt-Akademien gegründet hat, ver ehrt nian ihn als Philanthropen ebensosehr, wie ihn die kirchlichen Kreise wegen seiner Aufrtärnngs- orbeit fürchten. Dieser Fürst, der, ein Bewunderer deutscher Kultur, der in stundenlangen Unterredungen als sein Ideal die Hebung des Volkes nach deutschem Vorbild bezeichnet hat, hat zum Vater den Herzog vcn 2ermoneta-Caetani, einen hochbetagtcn Herrn, der in seiner Eigenschaft als Senatsmitglied eine feierliche öffentliche Kundgebung für das Annerions-- gesetzt veranstaltet hat, gegen das sein Sohn in der Kammer gestimmt hatte. (Nebenbei sei noch erwähnt, daß dieser antiklerikale Fürst der Schwiegersohn des kürzlich verstorbenen Fürsten Colonna ist, der als erster päpstlicher Thronassistent am Hofe Pius X. eine Rolle spielte!) Seine wütendsten Gegner sind naturgemäß die Klerikalen, die nicht müde werden, durch ihre Organe den Pöbel auf den „Freund der Türken'' zu Hetzen. So ist es denn gekommen, das; er auf offener Straße insultiert wurde, als wäre er ein gemeiner Verbrecher! Höhnisch wird gemeldet, daß der Fürst infolge der gegen ihn ausgesprochenen Drohungen an dem einen Abend sich aus dem Paria- ment nicht ohne Deckung hinaus auf die Straße wagte, daß er an dem anderen Tage seinen Palazzo nichr verlassen konnte, daß er aus diversen politischen und gesellschaftlichen Klubs wegen seiner „antinationaiei. Haltung" ausgestoßen worden ist. Vergeblich such: er durch Erklärungen seine Stimmabgabe zu recht- fertigen. Er sagt, er habe schon am 7. Juni v. I. vor dem Tripolisabenteuer gewarnt, er habe auf seinen Forschungsreisen gefunden, daß, abgesehen von einer ganz minimalen Zone in der Cyrenaika, Tripo litanien von einer europäischen Bevölkerung nichr kolcnifierbar istz daß die kultioierbare Obcrfläck>e des Landes autzer der schon kultivierten so gering ist, daß schon im Hinblick auf den Wassermangel die Kosten nicht gedeckt werden können; er sagt ferner, daß die muselmännische Bevölkerung eine Krisis durchmache und schwere Gefahren für die Zukunfr der Kolonie berge, und daß endlich „die Kosten einer militärischen Besetzung eine so enorme Ziffer erreichen würden, daß unser Staatshaushalt gefährdet und Folgen heraufbeschworen würden, die einen schmerz, lichen Rückschlag auf unser ganzes soziale Leben ausüben würden. Diese und andere Argumente Ns fürstlichen Demokraten vermögen das Volk in dem Glauben nicht zu erschüttern, daß die Eroberung von Tripolis eine absolute Notwendigkeit, und da» die Gegner des Unternehmens Feinde des Staates sind. Daß nun die Kriegsartion doch noch auf das Aegäische Meer ausgedehnt worden ist. war nach den Andeutungen des Ministerpräsidenten Giolitti in der Kammer oorauszusehen. Auf einen Einwurf, Voincarö hätte in der französischen Deputierten kammer erklärt, Italien wolle den Kriegsschauplatz nicht ausdehnen, hatte Giolitti in den Saal hinein gerufen: „Das stimmt nicht!" Diesem regulären Dementi gegenüber dem Pariser Ministerkollcgcn ließ Giolitti alsbald die Tat folgen. Sie hatte nichts Ueberraschendes für diejenigen, die auf der Consulta als Journalisten verkehren. Endlich ist von Giolitti wiederum angedeutet worden, daß, wenn Italien nicht zugegrifsen hätte, eine andere Macht (ich Tripolitaniens bemächtigt haben würde. Es hat sich ein Rätselraten entspannen, wer diese andere Macht sein konnte. Ich kann auf Grund authentischer Informationen mitteilen, daß Giolitti mit seinem Hinweis weder auf England noch auf Deutschland hinzielen wollte. Es war Frank reichs Ziel, seinen afrikanischen Besitz nach dem Osten zu arrondieren. Italien, so sagt man in den eingeweihten Kreisen, durfte auf. keinen Fall dulden, daß Sizilien ein gefährliches Visavis in einem gefährlichen Tripolis erhielte! Süümeltalriksnischer Mrtichritt Von Dr. Paul Rohrbach. Ueber anderthalb Jahre, vom Abschluß der so genannten Maiverträge mit der Kolonialgcselischaft ' durch den Staatssekretär Dernburg im Jahre 1910, bis zur Ernennung Dr. Solfs zum Staatssekretär, haben die beiden wichtigsten südwestafrikanischen Fragen, die Reform der Diamanten-Ab» gaben und der Kredit für die Farm wirt schaft, man kann wohl sagen gar keine Fortschritte gemacht. In der einen wie in der andern Beziehung wurde von amtlicher Seite den Interessenten zwar alles Wohlwollen versichert und die bekannten Er wägungen und Erhebungen waren andauernd im Gange, aber die Dinge kamen nicht einen Schritt weit voran. Die neue Aera im Kolonialamt scheint nun, zunächst wenigstens auf den beiden vorhin ge- nannten Gebieten, beides bringen zu wollen: grundsätzliches Wohlwollen der Kolonie gegenüber und zugleich die Entschlußkraft, aus guten Absichten auch praktische Wirklichkeit werden zu lassen. Staats sekretär Dr. Solf hat den Südwcstafrikanern mit- teilen lassen, daß ec mit Rücksicht auf die teilweise zu hohe und für die Entwicklung des Betriebes nicht günstig« Belastung der Diamantenproduktion zu einer Aenderung des Abgabensystems entschlossen sei und daß er weiter beabsichtige, staatliche Mittel für die Gewährung landwirtschaftlichen Kredits in den Etat für Siidwestafrika einzustellen. Damit sind zwei große : Beachten Sie bi« kleinen Inserat« im „kskal-Anzeiger" der Abend-Ausgab«. :
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