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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.02.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120222016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912022201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912022201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-22
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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Sette 2. Nr. 96. 106. Istzrgan-. Entfernungen da, Feuer zu beginnen. Di« artil leristische Armierung steht noch, trotz Vervollkomm nung des Torvedo» — Reichweite bis IO 000 Meter — an erster Stell«. Di« Flotte, die sich in d«r Schlacht die Feuerüberlegenheit sichert, wird auch den end lichen Lrfola an ihr« Flagge heften. Bet Tsushima laa di« Hauptaefechtsentfernung auf 4—5000 Meter. Heut ist ste auf 8—10 000 Meier hinaufgeschraubt. Ls darf für den neuen Torpedo mit Treffchancen bis auf 7000 Meter gerechnet wer- den. Austerhalb dieser Gefahrzone muh sich somit der artilleristische Enkscheidunaskampf abioreten. Die Er öffnung des Feu«r» wird oei 12 000 Meter stattfinden. Vornehmlich infolge der Verbesserung der Torpedo waff« war man aezwungen, mit dem Geschützkaliber hinaufzugehen. Di« Vorzüge des schweren valider» sind in erster Linie die vermehrte Sprengwir kung des Geschosses, die grosse Treffsicherheit auch auf weiteste Entfernungen und die erhöhte Durchschlagskraft. Zuweilen hört man, die Abnahme der Feuergeschwindigkeit leim größeren Kaliber sei so bedeutend, daß dieser Nachteil ein Festhalten am niederen Kaliber fordere. Das trifft nicht zu. Das 28-, das 80,5- und das 34,3-Geschütz feu«rn sämtlich in der Minute zwei Schüsse, wie aus jeder Schuhtafel ersichtlich ist. Für Erläuterung sei bemerkt, Last unter Feuergeschwindigkeit „Lade schnelligkeit" zu verstehen ist. Das Heranschaffen der Munition, das Oeffnen des Verschlusses, Las Reini gen des Rohres, da» Einbringen des neuen Geschosses und der Kartusche ins Rohr und das Schlichen Les Verschlusses erfordern also 80 Sekunden. Das Fielen und Abfeuern liegen austerhalb dieser Zeit. Neuer dings spielt di« Feuera«schwindigrett eine geringere Rolle, weil die beschränkte Lebensdauer derNohr« Bsdachtsanikeit beim Feuern vorschreibt. Unter den Nachteilen Lee grösteren Geschützes steht die geringe Schusnahl, die dre Rohre nur aushalten, obenan. Die Angaben über die Lebensdauer der in den verschiedenen Marin«« eingefühnen Rohre weichen stark voneinander ab. Mittelt man die amt lichen Angaben Englands, Nordamerikas und Deutsch lands, so kommt man zu folgendem Resultat: dem 84.3- dürfen 80—100, dem 30.5- 100—120 und dem 28-Zentimetcr Geschütz 120—180 Schuf; zugebilligt werden. An werteren Nachteilen sind zu nennen: das vermehrte Gewicht und die Raumbeanspruchung des Geschützes sowohl wie des zugehörigen Turmes, der Munitionsförderwerke und der Munition selbst, und endlich die gesteigerten Kästen. Das Gewicht des 28-Zcntimetcr l/45-Rohres — des Geschützes auf der Nassau — beträgt 30,0 Tonnen, das des 30 5-1/45 — Helgoland und Kaiser 47,7 Tonnen. Sobald die Lärme des Rohres wächst erhöbt sich das Gewicht beträchtlich. So wiegt Lao englische 30H-Zentimeter- 7/45, das auf den ersten Dreadnoughts zu finden ist, 58 Tonnen, das 7/50, mit dem die neueren Linien schiffe arnnert sind, «>'.» Tonnen. Das neueste englische 34.3- Zenttmeter-7/45 Rohr hat ein Gewicht von 80 Tonnen, während das von Krupp neu konstruierte 35,5-Z«ntimet«r-I/45 nur 75,2 Tonnen wiegt. Man sieht zugleich, dast die deutschen Rohre le ich- 1er sind als die englischen. Dast ihre Wider standsfähigkeit trotzdem ein« besiere ist, als die der englischen, wird fast allgemein ein geräumt. Es ist selbstverständlich, dast ferner auch die Geschosse und Kartuschen d«r grasten Geschütze erheb lich schwerer sind. D.'s Kruppsche 28-Zcntimcter 7/45- Geschütz verfeuert ein« Granate von 300 Kilogramm Leipziger Tageblatt. Donnerstag, 22. Februar 1912. Gewicht. Di« Ladung ist NO Kilogramm schwer. Das Gaschos; des 30,5-1/45 wiegt 390, da» de» 35,5-Zenti- meter-l/45 020 und die zugehörigen Ladungen wiegen 14? und 224 Kilogramm. Neuerding» taucht der Drillingsturm auf, d. h. es werde na» Stelle d«r bisher üblichen zwei Geschütze der Gewichtsersparnis Halver dr«i Kanonen j» einem Turm installkrt. Im übrigen sind die Gründ« für Einführung L«s Triple turms auch noch andere, jo die Erzielung besserer Feuerwirkung. Da» Gewicht d«s Drtllingturme» be trügt nach „Engineering" zwischen 4/3 und 5/4 des Doppelturm«». E» lassen sich also an Stelle von acht bis zehn Geschützen im Doppelturm neun bis zwölf im Drillingsturm untcrbringen. Gemäh der „Rrvista Marittima" wiegt ein Tripleturm mit 30,5-Zenti- meter-Geschützcn 1010 Tonnen, ein Doppelturm mit dem gleichen Kaliber nur 775 Tonnen. Nach eng lischen Quellen beläuft sich das ltzewicht des letzteren auf 900 Tonnen und Las eines Turmes mit zwei 34.3- Z«ntimeter'Kano»en auf 1200 Tonnen. Endlich lommen noch die Kosten in Betracht. Sie betragen für die schwere Armierung, z. B. der Vertreter oer Nassau-Klasse — zwölf 28-Zentimeter-I,45 — 13,5 Millionen, für die der Helgoland-Klasse — zwölf 30.5- I./45 — 19 Millionen. Ein 30,5-Zentimeter- Rohr inkl. Verschluss kostet 235 000 <«, und der Preis des neuen nordamerikanisch«.» 35,0-Rohres wird sich auf 374 000 .<t stellen. Pis vor kurzer Zeit war das 30,5-Zentimeter- Geschütz das schwerste, das in der Front vertreten war. Jahrzehntelang behauptete es sich als stärkstes Kaliber. Alle Seemächte bestückten ihr« Schlacht schiffe mit ihm. Nur Deutschland begnügte sich mit dem 28-Zentimct«r, weil cs dieses Geschütz als den fremden :!0,5-Zentimeter-Kanonrn ebenbürtig er achtete. Als jedoch vor einigen Jahren die Resul tate des englischen 30,ü-Zcntimeter-I/50 ergaben, dast das 28-Zentimeter nichi mit ihm zu rivalrsieren im stande fei. ging auch unsere Marineverwaltunq zum :!0,5-Zentimetcr-I/45 über, das die Armierung der im vergangenen Jahre zur Flott« gestoßenen Linien schiffe der Helgoland-Klasse und der in diesem und dem kommenden Herbst in Dienst stellenden Vertreter der Kaiser-Klasse bildet. Kaum war die neue Be stückung bei uns cingkfübrt, da trat England mit dem 34.3- Zentimcter-I/45 hervor, mit dem das am 3. Januar in Dienst gestellte Linienschiff „Orion" und der jetzt seine Probefahrten absolvierende Linien- schifsskreuzer „Lion" armiert sind. Von nun an er halten sämtliche Schlachtschiffe, soweit sie sich im Bau befinden, das 34,3-Zentimeter-Geschütz. In den Ver einigten Staaten ging man vom 30,5-1/50 zu einem 35.6- Z«ntimeter-l/45 über. Letzteres wird die Be stückung der vier neuen noch auf Stapel liegend:n Linienichiffe der beiden letzten Etatsjahre — Nerv Port, Texas, Nevaoa und Oklahoma — bilden. Ein ll>,ii-Zentim«tcr-G«schütz soll sich bereits in der Vor bereitung befinden. In Frankreich har man sich noch nicht fest zu einer Kalibersteigerunq entschlossen. Bis- I>er erhielten alle Linienschiff« das 30,5-Zentimeter. Nun verlautet, dast die Neubauten dieses Jahres mit einer 34,8-Zentimeter-Kanone bestückt werden sollen. Das gleiche Kaliber erhalten die beiden auf den Hellingen liegenden italienischen Liuien'chisfe Andrea Doria uns Duilio. Envlicb werden auch auf den im Pau befindlickp.'« japanischen Linienschiffskreuzern 34.3- Zent.meter-Geicbiitze installiert. Aus dem Gesagten geht hervor, dast die Tendenz zur Steigerung des Gejchüttkalibers weiter vorherrscht. Niemand kann sich vom Wettstreit ausschlichen, will er nicht bedenklich ins Hintertreffen geraten. Es bleibt zu hoffen, dast sich unser« Marineverwaltung möglichst rasch zur Annahme eines dem englischen 34,3-Zentimeter überlegenen Kaliber entschließt. Ole Lanüwirtlrhsltswoche. Hg. Berlin, 21. Februar. Unter den zahllosen Veranstaltungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft erfreut sich seit einer Neihe von Jahren und auch in diesem Jahre besonderer Beachtung und eines auheroroentlich starken Be suches die Versammlung der Kolonialabteilung, die heute vormittag im Kaisersaale des „Rheingold" adgehalten wurde, an der auch der Staatssekretär im Reichskolonialan.r Dr. Solf, sowie der frühere Staatssetretär Dornburg teilnahmen. An erster Stelle berichtete Geh Negierungsrat Professor Dr. Ostertag-Verlin über Tierseuchenbekämpsung in den Kolonien, besonders in Deutsch-Siidrvestafrika. Er schilderte zunächst die aus Anlaß der Schaf pockenseuche von ihm unternommenen Studienreisen nach Siidwestasrita und Südafrika und be,prach im einzelnen ine Wirkungen des Texasfiebers und des Osttüstenfiebcrs. Die Umstünde iür die Viehzucht in Deutich-Südwestafrika sind durchaus günstig. Es herrscht dort nicht das Texasfieber, nicht Tuberkulose, keine Maul- und Klauenseuche. Die Lungenseuche ist ausgetilgt, Notz ist wenig verbreitet. Be» Schweinen kommen weder Rotlauf, noch Schweineseuche, noch Schweinepest vor. Die Schafpocken sind erloschen. Wenn alio vorsichtig weitergeardeitet wird, so kann dem Landwirr und der Kolonie Las Vieh erhalten werden. Redner ist überzeugt, dast das Rückgrat von Dentsch-Südweslafrika die Viehzucht bilden wird und dast die heutigen grohen Einnahmen aus Mmerastchätzen nur vorübergehend sein werden. Die Viehzucht werde aber eine stabile bleiben. Noch seien die Viehbestände nicht übermästig groß, jedoch sei schon bemerkenswert die von Jahr zu Jahr steigende Zunahme. Wichtiger noch als die Vieh zucht ist die Forcierung der Wollschafzucht, der Angoraziege und der Straußenzucyt. Mtt Genug tuung könne er konstatieren, dast das Kolonialamt über die Schwierigkeit, geeignete gute Kräfte zu finden, hinaus sei und dast eine große Zahl Anmel dungen von Tierärzten vorliege. Dann sind von Bedeutung die Einrichtung eines wissenschaftlichen Instituts zur Erforschung von Tierkrankheiten. Not wendig wird auch vre Einrichtung einer bakteriolo gischen Landesanstalt sein, die den Verbreitungs- bezirk der Kranlheiten feststem und Impfstoffe her stellt. Redner versichert zum Schluß, das; er in Transvaal reichlich Gelegenheit getzabt habe, sich zu überzeugen, welchen Nutzen für die Kolonien ein geordnetes Neterrnärwesen habe. (Lebh. Beifall.) Hierauf sprach Professor Dr. Warburg-Berlin über die internationale Kautfchukausstellung, die in London tut'Sommer 1911 stattgefunden hat, und die er als ein Ereignis ersten Ranges bezeichnet. Seit der ersten im Jahre 1908 in London abgehal tenen Kautschukausstellung sind neue Momente ein- getreien, welche bestimmend auf die zweite Ausstellung eingewirkt haben. Zunächst die schon 1009 erreichte hohe Rentabilität der älteren Kautschukkulturgejell- schaft auf der malayischen Halbinsel, von denen alle im Jahre 1910 über 10 Proz. Dividende verteilen konnten, fast die Hälfte sogar SO Proz. und mehr. 11 über 100 Proz., 5 über 200 Proz. und 2 sogar über 300 Proz., davon eine nicht weniger als 375 Pro,. Neben England hat unzweifelhaft Holland am besten «»»»gestellt. Die übrigen Erdteile mit zu sammen etwa 100000 Im spielen eine geringe Rolle. Hier stehen die deutschen Kolonien, speziell Deutsch- Östafrika mtt WOOO im an erster Stelle. Jin Anschluß an diesen Vortrag sprach Dr. Marck- wald-Berlin über die Frage: Sind unsere Kaut« lchukplantagen lebensfähig? Der Redner führte aus: Der Kautschukplantagenbau ist für die meisten unserer Kolonien, ganz besonders für Ost afrika, von groster Bedeutung. In Ojtafrika sind von 75l)00 >,» urbar gemachten Landes nicht weniger al» 28000 U r mit etwa 23 Millionen Kautschukbäumen bestanden. Die Bildung einer deutschen Interessen gemeinschaft und das Aufbringen von Mitteln zur »chleunigen Lösung einer ganzen Neihe von Fragen sei erforderlich. Es müsse auch die Frage der Ver wertung der bei den Pflanzungen sich ergebenden Nebenprodukten einer schnelleren Lösung zugeführt werden. Er wünscht auch die Errichtung einerKaut- schutlehranstalt in Deutschland, die jeder Pflanzer in den Kolonien durchgemacht haben müsse. (Leb hafter Beifall.) , In der Besprechung nahm als einziger Redner das Wort Staatssekretär a. D. Dr. Der n bürg: Dast in Ostasrika ziemlich viele Fehler gemacht wor den sind in der Kautschukplantagcnkultur wie auch in andern Kulturen, kommt ja jetzt nach und nach zutage. Vor allen Dingen liegt dre Schuld daran, dast alles darauf berechnet war, möglichst viele E r - tragswerte zu erzielen. Dr. Dernburg setzt dann auseinander, une es möglich sei»» werde, auch eine Verbilligung herbeizuführen. Das schwieligste Pro blem der Welt ist aber die Einigung, denn 25 oder 40 Deutsche unter einen Hut zu bringen freiwillig, so etwas gibt es in der ganzen Welt nicht (Heiterkeit'. Es wird das ohne einen sanften behördlichen Druck nicht gehen und deshalb habe ich mich zum Wort Lllf llkIII k08tkl> ist ckor (Zvscbsftsmann, ckvr rvxsimiiüix im WMWWIl inseriert unck sieb ckieses vortrekklicben Vermitt- lunxsorSsns recbt oft beckient. ' Oer I-essrlcreis ckvs „l.siprigor Tageblattes" bat sieb stets bsväbrt. ?reisstallunxen unck Vertreter-kvsucba vsrcken unverbincklicb rugesicbort. Tamsra Ssrisvins. Das Ballett hat sich am spätesten vom Rokoko losaesagt, weil es eben zum Rokoko gehört wie Meistner oder Nymphenburger Porzellanfigureu. Erst vor einigen Jahren hat mit den» Kampfe der Ameri kanerin Isadora Duncan gegen das Röckchen der Camargo, Trikotage uno Korsage das Zurücktanzen zur Antik«, der Klassizismus in der Tanzkunst ein gesetzt, der di« letzte Konsequenz die Nacktheit, irr tümlich nicht aus hellenisch klassischen Reigen, son dern aus oer schon durch bas Material keusch entsinn lichten Skulptur gezogen hat. Man sprach von Offen barungen der Duncan, die doch nur spät ausgeführt hat, was schönheitsdurstige Acstheten schon vor ihr gepredigt hatten. In Heinjes Ardinghello findet sich ein Dithyrambus auf den dionysischen Tanz, und in fein«« 1850 erschienenen „Römische»» Studien" hat August Kellner, der Sohn von Goethes Lotte, alles gegen die Herkömmlich« Art des Balletts vorgebracht, was die Duncan und ihre Jünger der Welt als neu« Botschaft verkündigt haben. Wohl, das Beispiel hat gewirkt: das nackte Bein, das lose, lange Gewand sind anerkannt: Last es die völlige Nacktheit, die auf «inen edl«n Reiz, das Aus klingen der Bewegung in dem Linienspiele wehend« Kleidung verzichtet, nicht allgemein wird, braucht man ganz allein aus ästhetischen Gründen nicht zu bedauern. Und was die Hauptsache ist: der Tanz wurde soweit Ausdruck, dast in ihm nach Herder d«r Mensch wieder die ausdrucksvollste Allegorie gewor den ist, die wir kennen. Aber das kann er uns. die wir in der anmutigen Tändelei der Gestalten Wat- teaus und Laueret» noch immer einheitliche, feinste Kultur sehnsüchtig wirken sehen, auch im Reifrock und Korsett, auch im kurzen Röckchen der Camargo sein. Vollendete Kunst gibt uns auch di« Grazie, wenn unter einaeschnürter Taille sich di« Gaze bauscht, und der Fuß leichteste Rhythmen stuoeato trippelt. Auch so kann der Mensch zur ausdrucks vollsten Allegorie werden als Blumenelse, als Mond- scheinsve und weiche Schneeflocke. Das russische Ballett mustte zu uns kom men, um eine verfemt« Tradition wieder zu Ehren zu bring«»». Man wehrt sich mit Duncanscher Würde gegen licht«, romantische „Sylphiden", die um eine Th«at«rruine wie Mondschein weben, aber die Gaze röckchen bleiben nicht Gazeröckchen, sie werden der Silbernebel eines Sommernachtstraums. Und wir nehmen die Duncan-Brille ab und genießen mit un befangenen Augen «in« eigenartige Schönheit, sanft gestimmt airf Paolo Veronese« silbriges Grungrau. Und wenn die Wily». jene Mädchen, die al» Bräute gestorben find und al» ruhelose Seelen um Mitter nacht sich im Tange wiegen, im Walde wie ein« Wolke austauchen und sich dann in langer Kett« ausein- anderziehen, an der der Verrirrte in den Tod hin- glettrt, dann drückt sich da» gespenstisch Umstrickende eine» nächtlichen Sput» klassisch rein in schöner Linie au», zu der die Einzeldewegungen zusammenfließen. In den malerisch beleuchteten, wilden Polowctzer Tänzen", dem märchenhaft farbigen Hochzeitrreigen de» „Schwanensee»", und dem bacchantischen Taumel der „Scheherazade" bricht da» slawisch-asiatisch« Ele ment, das sich auch sonst in manchen Gesten nicht ver leugnet, frei durch, und man wird sich bewustt, daß hier sich ein« Kunst aus dem Rationalen heraus ent wickelt hat, dast sich volkstümlich« und künstlerische Tradition. das überall Konventionelle und da» Rassig« zu einem Stile oerbunden haben, wie man ihn ander»wo nicht finden kann. Aus den Ensemble», tn denen Bolk»anlage durch erstaunliche Schulung p» in ihrer Art vollendeter Kunst verfeinert. erscheint, tritt jetzt nicht die Die Handschrift wird in dem für Supplemente be stimmten 13. Band der von der Berliner Akademie der Wissenschaften herausgegebenen gesammelten Schriften Wilhelm von Humboldt» erscheinen. trag des 5. Gesangs der Odyssee in deutscher Sprache will Tuerschmann diese Wirkung noch läutern und steigern. Auf einfacher antiker Szene in griechischem Gewand will er unter dem Klang einer antiken Harfenmusik, die ihin der feinsinnige Leipziger Musiker Professor Schreck geschrieben hat, auftreten, und wird des Vortrag des homerischen Lieds mimisch unter stützen mit Gesten, die er nach Bildwerken des Praxiteles studiert hat. Don seinem eminenten Ge dächtnis unterstützt, würde es ihm leicht sein, auch einen Bruchteil des Gesanges gricchiscl» noch vorzu tragen, und gerade dies wär« zur höchsten Voll kommenheit des lebendig-künstlerischen Eindrucks antiker Sangeskunst noch zu wünschen. Und die Sonne Homer», siehe, sie lächelt auch uns! : . - . L. 1'. 8. Sunll unü Diffenlchskt. Wilhelm von Humboldts Vibliorhek gefunden. 2m Besitz des Herrn von der Lancken-Wakenitz auf Günthersdorf bei Neusalz in Schlesien ist jetzt die Bibliothek Wilhelm von Humboldts aufgefunden worden, die Humboldt ursprünglich auf seinen Sohn Hermann vererbt hatte. Dabei wurde n. a. ein bisher verloren geglaubtes Werk Humboldt» zu tage gefördert und zwar die bis zur Widmung völlig druckferttge Schilderung der baskischen Reis^. die Humboldt im Jahr« 1801 unternommen hat.>chH> hagere, ganz Temperament und Rhythmus ge wordene Gestatt der Pawlowa hervor, sondern Li« weichere, anmutigere Karsaoina. Auch sie ist in Pantomime, die die Sage von den Wilys behandelt, als Gisella aufgetreten, auch sie steigt von der leich ten, schwebende»» Anmut des Tanzes empor zur höch sten Höl)« mimischer Darstellungskunst und erfüllt die alte, dürftige Musik von Ad. Adams' aus ihrem Innern heraus mit seelischem Gehalt. Di« Steige rung des Ausdrucks von der Erkenntnis, vom Lieb sten betrogen zu sein, bis zum Wahnsinn und das jähe Verlöschen des Lebens gibt sie mit einer Meisterscl)aft wieder, dt« schwerlich zu übertreffen sei»» wird, auch von der Pawlowa nicht. Mag deren fast dämonische Art stärker auf die Nerven gewirkt haben, die Karjavnra bleibt menschlicher, mädchen hafter ii» ihrer Anmut und ergreift mehr das Herz. Man hat die Pawlowa di« Düse der Tanzkunst ge nannt, sie Karsaoina darf man mindeftens die Sorma der Tanzkunst nennen. Jede hat besondere Pcrsönlichleiiswerte zu bieten, und darum ist jede Meisterin in ihrer Art. Aber welch einen Partner hat die Karsaoina auch an Nijinsky! Sein« federnd« Kraft bleibt in höchster Anmut immer männlich, so daß auch ii» diesem Künstierpaare Starkes und Mildes einen guten Klang geben. Die dunkle Glut seines Tem- peruineiits gibt der vollendeten Form noch einen persönlichen Gehalt, der den höchsten Reiz seiner Leistungen ausmacht. Das Paar in dem lyrischen zarte»» Tanzpoem der Geist der Rose sehen und — reiäfer sei»» uni ein Schönheitserlebiris. Das Idyll ist aus einem Gedichte von Gautier entstanden und wird deutsch beseelt ooi» Carl Maria von Weber» romantischer Musik. Durch die Flügeltüren eine» Balkons wehe»» Hauch und Duft der weichen Sommernacht ine Zimmer und bewegen leise die weißen Muilgardinen. Ein« junge Dame ruht in einen» Sess«l und «ntschlummert. Da fliegt falter gleich der Geist der Rose herein, Ntjtnsky in einem entzückenden, phantastische»» Blumengewandc. Al» umschlänge «r weich Li« Schläferin schwebt um sie der Elf, wiegt sich und biegt sich, als küss« er mtt einem Hauch. Da erwacht die Dame; nun tanzen beide Sommernacht, Blütendust, linde» Wehen der Lüfte, Schnsuchi. Liebe, Schelmerei, bis der Rosengeist wie ein Hauch dacongehuscht ist, und die Dam« allein steht, noch besangen von Duft und Traum. Man müßte schon der zarteste Lyriker sein, um tn V«rsen, in den«»» es klingt wie Nachtigallenschlag, Park rauschen und Plätschern eines Springbrunnens, den holden Zauber Nijtnskys und der Karsaoina, dieser tanzende»» Schmetterlinge, nachzudichtcn. Sie ist unbeschreiblich und unvergeßlich diese schier „bodenlose" Anmut, die zu bewundern reinster Genuß ist. Sie verstehen nicht nur zu hüpsen, zu springen, zu trippeln die Russen, sie können mehr, sie können auch gehen, schön gehen. Sie kann die Duncan nichts lehren. bva. * Bom Leipziger Stadttheater. „Dorothys Rettung", Schauspiel in 4 Akten von A. Sutro, die nächste Novität im Schauspiel, gelangt Donners tag, den 29. Februar, iin Neuen Theater zum ersten Male zur Aufführung. Das Werk ging in dieser Spielzeit bereit» an einer Anzahl groster Bühnen, wie Breslau, Hamburg. Bremen, Wien (Burgtheater), Graz, Köln mit lebhaftem Erfolg in Szene. * Philharmonischer Chor. Die am Montag, den 28. d. M., abends ",8 Uhr tn der Alberthalle des Kristallpalastes im Rahmen der Winderstern-Konzerte stattfindende Aufführung des Oratoriums „Iephth a" von G. F. Händel ist die überhaupt vierte dieses Werkes tn Deutschland. Ls ist die letzte Schöpfung des Meisters — über der Aufzeichnung »st er er blindet — und den besten seiner Werke gleichzustellen. Es birgt eine erstaunliche Fülle packender dramatischer Momente sowie Chöre. d»e in bezug auf Tiefinner lichkeit und Ausdrucksgewalt ihresgleichen suchen. Die Leipziger Erstausführung erfolgt durch den Philharmonischen Chor unter keinem musikalischen Letter, dem Braunschweiger Hofkapeümeister Richard Hagel. * Lilli Lehmann, die ein großes Vermögen besitzt, will, wie die „Deutsche Musiker-Zeitung" erfährt, ein Heim für arme Gesangslehrerinnen und verunglückte Sängerinnen schaffen und auch eine bedeutende Summe für eine Gesangsakademie stiften, wo arme, doch ent schieden begabte Mädchen und Jünglinge ihre musi kalische Ausbildung empfangen können, die sie de- fähigt, würdig den Kampf um die Existenz zu bestehen. * Auktion Weber. Das glanzvolle Bild, das die Auktion Weber bei Lepke in Berlin am ersten Tage bot, hat sich nicht verändert: Neue Gesichter tauchten gestern auf: die Liebhaber der spanischen und flämischen Kunst, die den zweiten Teil der Samm lung Weber bildet. Aber zu Beginn des zweiten Aultionstages — am ersten Tage wurden für 117 Nummern rund 1'/« Millionen erzielt — kam noch «ine Serie italienischer Meister, unter denen sich die beiden Tiepolo» befinden, zum Ausgebot, und den Italienern schlossen sich dann die Spanier Velasque», Murillo, Goya an, die Flamen Ruben», van Dyck. 3». -ochschulnachrichten. Dr. H. Kolaczek habili tierte sich in Tübingen für Chirurgie. — Der außer- ordentliche Professor der anorganischen Chemie an der Universität Berlin und etatmäßige Professor und Vorsteher de» organisch-chemischen Laboratorium» an der Technischen Hochschule in Berlin Dr. Karl Liedermann begeht am 23. Februar seinen 70. Ge burtstag. — Professor Dr. Karl Bonhoeffer in Breslau hat den Ruf als Nachfolger des ordentlichen Professor« Ziehen an die Universität Berlin an genommen. — Die Architekturabteilung der Technischen Hochschule in Berlin hat ihren ältesten im Lehrfach tätigen Professor, den Vertreter der antiken Baukunst und Ornamentik Heinrich Strack durch den Tod verwren. „Und dieSvnneHmners, siehe, ste lächelt such uns." Ein Heldenschickial, ein Eötterschicksal waltet über der unsterblichen Dichtung Homers. Sein riesiges Heldenlied der Kämpfe um Troja, der Irrfahrten des Odysseus, ist seit den Zeiten seiner Entstehung eii» Lebensbestandteil aller Kulturen, die auf dem Erdkreis aufblühten und wellten, und man kann sagen, daß Evochen, denen Homers Lied nicht lebt uno Erlebnis tst, dieses Kunstwerk von Zehntausenden klingender Verse, prunkender Bilder, rasselnder Kämpfe und seliger Idyllen, heldischer Leiden und lachenden Menschenglücks, rings Überstrahlt vom Licht gipfel des GötterheimsOlympos, daß alle diejeEpochen der Menschheitsgeschichte kulturarm und dunkel waren. Wie nun redet dos Riesenwerk der Dichtung Homers, das so unendlich oielartig anregend die Menschheitsgeschichte vom Grau der Vergangenheit bis herauf »n unsere Tage erfüllt, wie redet dieses Epos der reichtönenden Legionen von Verse»» selbst zu uns? Gestehen wir es uns nur ein — es scheint uns kalt und tot. Das Lesen und Lernen des grie chischen Urtextes wie der deutschen Vers« und Prosa übersetzungen macht uns »nüde und stumpf, die Quellen seines innersten Lebens scheinen uns verschüttet. Ist es die Fülle der Assoziationen, die uns bedrängt, sind wir zu nervös gespannt, als daß wir noch die feierliche Ruhe der antiken dichterischen Rede und Bilderfreude ertrügen, ist unser Sprachgefühl zu erregt, als dast es sich fesseln ließe in den ewigen Gleichklang des festlich schreitenden Hexameterverses, leidet der durch die hohe Schule Gelaufene noch unter den Erinnerungen an die „Strafoerse", die er auf dem Gymnasium lernen mußte, an die „grammatisch richtigen" Ueberietzungen, die ein pädagogisches System oder ein Lehrjanatismus von ihm verlangte? Es mag all dies Zusammenkommen; und der Mei nungsaustausch in diesen Dingen lockte auch noch die aus dem Banne Lee Wunderwerks, die vielleicht mit kindlich froher Empfänglichkeit ihm nahten. Ist es dann denn überhaupt noch möglich und zu hoffen, daß das Werk Homers uns künstlerftch Erlebnis uno Schönheitsgenust werde? Wir hätten es bezwei felt, wenn nicht vor kurzem, von derLeipztger Studenten schaft angeregt, der Versuch gemacht worden wäre, den fünften Gesang der Odyssee, das heffft 500 Verse, deutsch und griechisch in vollendeter Sprechkunst so darzustellen, wie er an» Ohr der Griechen drang und ihre Seelen erhob. Dieser Versuch wurde damals im Rahmen eines akademischen Vortrags im Hörsaal durch Len Rezi tator Bruno Tuerschmann unter dem jubelnden Beifall der akademischen Zuhörer zum unvergeßlichen Erlebnis auch sür den Zweifler und Skeptiker modernen Geiste». Wohl gerade dadurch, daß Tuerschmann mtt allen Mitteln feinster modern- imoressionistischer Sprechkunst sein« Darstellung ästhetisch abgeklärt hat, greift er mit den ur alten Worten des Sängers uns unmittelbar an» Herz, anderseits hat er den lebendigen Geist des antiken Kunstwerk» so rein und tief er- faßt, daß er über seiner Darstellung den Schein an tiker Ruhe — heiterer Einfalt und stiller Größe — harmonisch breitet. Diese Homerrezitation und Klinger» Homerbild in der Universttätsaula find in künstlerischen Mitteln, künstlerischer Absicht und Wirkung geradezu Ge- schwister, denn beide werden zum unmittelbaren Genuß antiker Schönheit aus Mitteln modernster Kunst von Lebenden.
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