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Sette 2. Nr. I2S. ISS. Isticgrmg .II Aus Mannheim meldet uns ein Privat telegramm r Der Streik der englischen Kohlenarbeiter macht sich auch hier bemerkbar. Täglich gehen große Kohlentransporte zu Schiff nach Holland. Die Kohlen sind für die deutschen Dampfer in Amsterdam und Antwerpen be- stimmt. Spanien verhandelt mit dem Rhein.-WestfäUschen Syndikat. Aus Madrid meldet die „Frkf. Ztg.": Da sich in Spanien infolge des englischen KohlenstreikS starker Mangel an Kohlen bemerkbar macht, hat sich die spanische Regierung an das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat mit der Bitte um Ueberlassung von Kohle gewendet. eine Steigerung erfahren, die in einer Bersam lnng der Bäcker nicht nur mit den» Kohlenman - sondern auch mit den erhöhten Getreidep- begründet wurde. / , Der Gtraßenbahnverkehr Vororten London- soll bei Fortdauer/ kes von Montag an vollständi/^ "Nter- krochen werden. , Die Direktion der North ''^rn Railway l>at erklärt, daß sie von Mons.^^ zehn Prozent der sonst verke,'^^^^ ,n den Verkehr bringen w> werden von Montag ab Einschränkung erfahren. - uitter beabsichtigen, ihre " t - automobilen bes^^^" Innen. Die Bauuntern./rhE erklären, infolge der mangelhaften 2-7) nnsportmüglichkeften, bis auf weiteres nicht "'-hr annehmen zu können. Die Ge^iamt za hl der bis gestern infolge des Kohlen/'^"^ arbeitslosen Industriearbeiter b-,<>o»v°0- In No r t h u m b e r l a n d nnd Derby shire sind diejenigen Bergarbeiter, die gegen den Generalstreik gestimmt hatten, im ganzen 110 000, nunmehr bereit, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Kindersterblichkeit hat in den letzten Tagen in erschreckendem Maße zugenommen. Wenn die Kohlenkrise noch 14 Tage andauert, werden allein in der Gegend von Stoke 80000 Kinder ohne Nahrung sein. Täglich sterben 100 bis 150 Kinder. Lemiiyer Lssrblan. Sannoveno, s. Msr, isiL Die spanische Kamme« befaßte sich ebenfalls mit der Kohlenfrage, die in Spanien nachgerade zur Kalamität wird. Mehrere Fabriken mußten bereits schließen, und wettere Betriebseinstellungen stehen unmittelbar bevor. Die größten Schwierigkeiten liegen im Mangel an Waggons zur Beförderung einer eventuellen einheimischen Mehrproduktion. vom Sterbelager üer italienischen Sostalüemokrstie. Aus No in. 6. März, wird uns geschrieben: Die Diagnose lautet: Jede Hoffnung ausge schlossen! Die Politiker bereiten sich vor, die irdischen Neste der in Tobcszuckungen sich windenden Partei der italienischen Sozialdemokraten demnächst beizu sehen. Man geht an diese Erfüllung einer letzten Pflicht mit dem Ernst heran, der sich bei Leichen- bestattungsfeierlichksiten gezieml. Gestern allerdings erfuhr der Ernst eine Unterbrechung durch einen Zwischenfall in der Deputierten kammer, bei dem kein Auge trocken blieb. Es waren nicht Tränen der Rührung, sondern ungetrüb tester Heiterkeit, in die selbst die Leichenbitter der Partei einstimmen mußten dis auf einen, der die Kosten der Heiterkeit zu tragen hatte. Dieser eine nennt sich Chiesa, zu Deutsch: Kirche. Diesem Deputierten streng sozialistischer Observanz hielt der Abgeordnete Cameron! vor, daß er einer Kirche seines Wahlbezirkes Massa K i r ch e n g l 0 ck e n g e s ch e n k t habe, um durch dies wahrhaft hochherzig.' GFck^nk sich die Stimmen des klerikalen Anhanges zu erkaufen. Herr Chiesa protestierte zwar aber sein Gegner wies ihm unter der schallenden Heiterkeit des Hauses nach, daß er nicht nur mit seinem Namen, sondern auch mit üer Tat in engster Beziehung zu der Kirche steht, die seine Parteigenossen auss schärfste bekämpfen. Freunde des Genossen Chiesa sollen unter Bezug nahme auf den von Eameroni heraufbeschworenen Zwischenfall folgende Inschrift für die sozialdemo kratischen Kirchenglocken von Massa vorgeschlagen haben: „L. tDinpo-ürrft-, a fnlirnri^vu?, a Oa Mo roni kn s Irbora nos, Domino!" Im übrigen aber geht es am Totenbett der Partei ernst zu. Man kann nicht einmal sagen, daß die Schadenfreude, wenn man von klerikalen Aeußerun- gen crbfieht. bei den Parteiacgnern der Sozialdemo kratie stark durchbricht. Mit gebührendem Spott glossierte man di« Meldung, dag die intransigente Gruppe der Turatianer Über den nominellen Führer der Partei, Professor Enrico Ferri, den großen Bannfluch ausgesprochen habe. Der tripokisbegeisterte Ferri soll sich vor einem Konzil — pardon Kongreß — einem hochnotpeinlichen Inguisitorium unterziehen. Das Parteiorgan hatte die irrtümliche Meldung ver breitet. daß der Führer der Reformsozialisten Bisso- Iati seinen formellen Austritt aus d«r Partei voll zogen habe. Bijsolati aber erklärt unter scharfen An griffen auf das Parteiorgan, daß «r gar nicht daran denke, aus der Partei auszutreten. Er wolle nur nichts mehr mit der Gruppe der Turatianer zu tun haben. Den gleichen Standpunkt wie Bissolatj ver treten die Genossen Bonomi, Cabrini und Casalini. Der sozialistische Deputierte für Alessandria, Zer- boglio, ein Anhänger der Bissolutischen Richtunaund eifriger Freund des Tripolissclüzuges. hat sein Man dat niedergelegt, weil ein kriegsfeindlicher Teil seiner Wähler ihn hierzu uufgeiordert hatte. Seinem Bei spiel folgte auch der sozialistische Deputierte für Venedig, der millionenreiche Musatti, der sich im Gegensaß zu seinen Wählern als geschworener Feind des Kriegsuntcrnehmens erklärte. De Felice, der sozialistisch« Deputierte für Catania, soll sich wegen seiner Königstoaste vor dem Partei Inguisitorium verantwortcn. Es ist feftgestcllt, daß sämtlich« sozia listischen Deputierten aus Süditalien und Sizilien — von Neapel abwärts üis Girgcnti — Anhänger der Bissolatiichen Richtung sind. Ihre Zahl beträgt 1-1, die Zahl der iie scharf bekämpfenden Turatianer 16. Vier Mandate sind vakant. Oer Krieg um Tripolis. England interveniert? Aus Mailand wird gemeldet: Nachdem am Donnerstag die italienische Regie rung in einer offiziellen Note abgestritten hatte, das; irgend eine Macht einen Schritt getan hab«, um Italien zu raten, von einer Ausdehnung des Kriegsschauplatzes abzusrhen, muß jetzt di« offi ziös« Presse zugestehen, Laß England einen der artigen Wunsch hegt und auch hat verlauten lassen. Dazu liegt noch folgendes Telegramm aus Nom vor: In informiert«!: Kreisen erklärt man, daß der hartnäckig« Widerstand der Türkei jede Vermittelung der Mächte erfolglos machen werde. Italien verspreche sich von einer solchen Vermitte lung nichts Wesentliches und denke ernstlich daran, entscheidend« Schritte zur See zu tun. Großmächte und Sperrung der Dardanellen. Die von der Psort« angekündigte Sperrung der Dardanellen für Handelsschiffe ist zum erstenmal in der Nacht vom 6. zum 7. März durchgefiihrt worden. Wie wir hören, ist ein Einspruch der Großmächte gegen diese Maßnahme bisher nicht erfolgt. Während der Tageszeit können Handelsschiffe die Meerenge nach wie vor passieren. Oer Koller in Bremen. Bremen, 8. März. Der Kaiser traf in Begleitung deS Prinzen Heinrich mit Gefolge in Automobilen von Cux haven kommend um 12>/i Uhr vor dem Ver waltungsgebäude des „Norddeutschen Lloyd" ein, wo er vom präsidierenden Bürgermeister S tadt- länder, dem Präsidenten des Aufsichtsrates deö Norddeutschen Lloyd, Konsul Achalis, und Direktor Heineken empfangen wurde. Im Gefolge des Kaisers befanden sich der Hansmarschall Freiherr v. Lyncker, General adjutant Admiral v. Müller, Flügeladjutant Kapitän z. S. v. Bül 0 w, Flügeladjutant Major v. Domnes, Oberstabsarzt Dr. Ntedner, Admiral v. H 0 tlmann. Der Fürst zu Fürsten berg nnd der Chef des Zivilkabinetts v. Balentini sind von Cuxhaven direkt nach Berlin abge fahren. Dagegen sind zu dem Gefolge hinzuge- treten der Chef des Generalstabs Graf Moltre und der Chef des Militäckabinetts General Frei herr v. Lyncker. Im Vestibül des Verwaltungsgebäudes des Norddeutschen Lloyd hatten sich die Mitglieder des NufsichtsrateS nnd des Vorstandes sowie die oberen Beamten und Kapitäne des Norddeutschen Lloyd ausgestellt. Bei der Vorstellung der ein zelnen Herren meldete sich Hincker, Mitinhaber der Deutschen Nationalbank, beim Kaiser als preußischer Generalkonsul für Bremen, worauf der Kaiser ihn in ein kurzes Gespräch zog. Die übrigen Herren begrüßte der Kaiser durch Hand- schlag. Alsdann begab sich der Kaiser in Be gleitung des Gefolges und der Herren des Auf sichtsrates uno des Vorstandes über die imposante Freitreppe ins erste Stockwerk, wo in der Vor- Lus ilklll?08tkll ist cier Oesckästsmann, <1«r regelmäßig- im WriMlWUl inseriert uncl sieb clivso» vortrefflichen Vvrmitt- lungsorgovs reckt oft keäient. Oer Teserlcreis ries „Teipriger Tegvklatt«»" Kat sich stets bewährt. Preisstellungen uncl Vertreter- Besuche werclen unverbinckUck rugesickert. Oss neue Berliner Opernhaus. Im preußischen Abgeordnetenhaus« in der Prinz Albrecht-Straße zu Berlin sind die Entwürfe für den Opernyausneubau ausgestellt, der einmal den Königs platz im Westen auf dem Krollschen Gelände ab schließen soll. Man wünscht, daß die öffentliche Meinung sich mit den Entwürfen descyüstig«, weil man von einer zur rechten Zett und in rechtem Sstrne geübten Kritik einen günstigen Einfluß aus sie Gestaltung der Regierungsvorlage erwartet. Zu dieser gewünschten Mitarbeit aber wird sich die Kritik kaum verstehen können, da sie die ganze Vorlage über haupt adlehnen muß. Das Ergebnis jahreianger Erwägungen, mühevoller Arbeiten und erheblicher Kosten ist kläglich. Nicht nur Berlin, nicht nur Preußen, ganz Deutschland ist an diesem Opern haus« interessiert, weil mit ihm Gelegenheit geboten ist, vor aller Welt zu zeigen, wie gerade in der deut schen Baukunst ein kräftiger und besonnener Sttlwille zur monumentalen Gestaltung ganz anderer Anschau ungen und Bedürfnisse drängt, als sie etwa die Bauten des Klassizismus oder des Bievermeierturns bestimmten, das uns zeitlich zwar am nächsten, geistig aber am allerfernsten steht. Von diesem Willen aber spürt man in den vier Entwürfen von Grube, Littmann, Ihne, Sceliug keinen Hauch. Mau sieht nur bet einem Vergleich« mit den 7 Plänen, aus denen die Auslese getrosten wurde, die ausgleichende Wirkung eine» bestimmten, im Ministerium der öffentlichen Arbeiten auf den Vorschlag des Regicrungsbaumcisters Grube hin aus gearbeiteten Programms. Ain aufsälligsten tritt sie zutage in den Arbeiten Littmanns und Grubes, der dank seiner amtlichen Funktion im Ministerium ohne vorhergcgauaene Konkurrenzbeteiligung noch mit zu dem leisten Wettbewerbe aufgefordert werden konnte. Beide Entwürfe glcicixn sich in ihrer Außcnarchi- lektur wie ein Ei dem anderen Ei. Grubes Plan aber hat den Vorzug «tner praktischeren Raumgrupoierung im Innern, genügt noch mehr den bülmentechnifchen Anforderungen und den Geboten der Sicherheit. All« Achtung vor dem Bautechniker, ein Baukunstler ist er noch lange nicht. Das Bauwerk, da» in seinem Aeußern „das" Opernhaus darstellt, ist uns Grube schuldig geblieben, also auch Littmann, der übrigens von seinem ersten Entwürfe gar nicht erheblich avqu- weichen brauchte, uni d«m von Grube vorgeschlagenen Programme für den Entscheidungskampf zu genügen. Grube hat gesiegt: ei» Blättchen aus seinem Kranz« aber fällt aus den so wunderbar ähnlich schaffenden Littmann, den das Ministerium der öffentlichen Ar beiten und das Ministerium de» Königlichen Hauses mit der eigentlich überflüssigen Verfügung trösten, daß reizvoll« architektonische Motto« aus feinem Ent wurf« mit dem Grubeschen verwoben werden sollen. Wenn nun der Entscheidung der Ministerien der Kaiser zustimmt und das Abgeordnetenhaus, das in Kunstsachen genau so zuständig ist wie unser Reichsparlament, ja sagr und bewilligt, dann iverden wir ein neues Königliche« Opernhaus be kommen, mit dessen Architektur die Baukunst unserer Zeit sich für alle Zeiten zu einem akademischen Epi- lonentum und phantasielosem Eklektizismus bekennt, -chinkels herrliches Schauspielhaus und Stülers Rationalgalerie, von der schon in der Zeit ihres Em porwachsens gesagt wurde, daß sie ein neues Geschlecht noch einmal mehr, als es zu wünschen wäre, mit der Kunstrichtung unter Friedrich Wilhelm IV. in Be ziehung setze, das sind die Muster, über die wir als Enkel von Enkeln nicht hinaus zukommen scheinen. Scheinen! Denn in Wirk lichkeit steht unsere Baukunst dieser Tradition so selbständig gegenüber, daß auch in ihrem Geiste Bau künstler «twas ganz andere», Freieres schaffen können, al» der Bautechniker Grube. Es ist an der Zeit, daß >«m Techntker. der sich heute mit seinem nüchternen Verstaube so anmaßend oordrängt, einmal mit Nach druck klar gemacht wirb, wie weit er trotz feiner Hoch schulbildung und seiner Examina, die er eben nötig hat, hinter dem Künstler zurückstoht. Mag man dem Techniker zuweisen, was des Technikers ist; zu einem künstlerischen Schaffen, wie ein Baumonument von der Bestimmung eines Opernhauses es bedingt, ge- ^nügen iein Verstand und seine Kenntnisse nicht; daM gehört stuch noch unv vor allem die Phantasie des Künstlers, die man nicht ohne empfindlichsten Verlust an höchsten Kulturwerten ausscheidet. Man hat seinerzeit einen allgemeinen Wettbewerb abgelehnt, weil man meinte, zur Lösung einer so komplizierten Bauaufgabe sei mehr die Erfahrung als die künst lerisch« Phantasie berufen. Dao ist eine durchaus nicht stichhaltige Begründung. Denn so gut man jetzt eine augenscheinliche Fusion Littmann—Grube billigen kann, hätte man schließlich dem monumen talen Schwünge einer Künstlerphantasie noch die Er fahrung eines Technikers an die Sette stellen können, falls sich jene dieser nicht schon von vornherein be dient hätte. Die technische Erfahrung aber als cwn-liti» --in,! gua non für die Ausführung eines der Kunst geweihten Monumentalbaues ersten Ranges hinzusieilcn. oas verrät eine künstlerische Anspruchs losigkeit oder eine Ueberschcitzung der Technik, die heute sogar bei Lerkehrsbauten unzulänglich wären, schließlich ist ein Opernhaus doch etwas anderes als ein Bahnhof. Es wird sich also wahrscheinlich einmal hinter dem Moltkevenkmal der ublickze Portikus mit acht korinthischen Säulen erheben, lieber seinem Giebel aber wirb als Anklang an die Ncftionalgalerte das Bühnenhaus in der Form eines Peristylos aufragen, so daß sich nach altem Schema das Giebelmotiv auf der gleichen Achse übereinander wiederholt. So will in einem Bauwerke, wie es so bald nicht wieder ge schaffen werden kann, ein lebloses Epigonentum Zeugnis ablegen von unserer Zeit. Das Zeugnis aber ist falsch. Auch an Stavtbaurat Ludwig Hoffmann mar seinerzeit der Ruf ergangen, als erprobter Baumeister einen Entwurf einzureichen. Er lehnt« cs ab, mit Männern zu konkurrieren, die man lediglich ihrer Er fahrung wegen aus der deutsclzen Architektenschaft ansgewählt hatte. Ob ihn feine angebliche Ueber- bürdung auch abgehalten hätte, sich an einem all gemeinen Wettbewerbe zu beteiligen? Bei der hohen Bedeutung der Ausgabe, die hier der deutschen Bau kunst wäre gestellt worden, hätte er wohl darauf rechnen können, mit den Besten unserer Zeit, mit Schmitz, Peter Behrens, Mar Dülfer, van dc Pekde, Fischer, Dilling. Pöltzig, und wie sie alle heißen, um den Preis zu ringen. Welcher echte Künstler möchte wohl seinen Namen dauernd verknüpft sehen mit der trockenen Ausführung eines nur nach technischer Er wägung amtlich sestgestellien Programms, vor der Berlin, Preußen, Deutschland, unsere um einen eigenen Stil ringende Zeit nur ein neuer, allgemeiner Wettbewerb bewahren Könnte? km. Kunst unü Dillenlchakt. Umundsrn — Entdecker des Südpols. Durch den Bruder Amundsens, der in Christiania lebt, ist dem „Dailn Lhronicle" folgendes (bereits im gestrigen Abendblatt mitgeteilte) Telegramm des norwegischen Südpolforschers aus Hobart zuge gangen. «Den Pol erreicht 14. bis 17. Dezember 1911. Alle» »ohl. Roald Amundsen." In einer Ausgabe des Blattes wird angekündigt, daß soeben die telegraphische Schilderung der Ent deckungsreise in der Redaktion einzulaufen beginnt und Sonnabend früh veröffentlicht wird. „Daily Chronicle" hatte in Gemeinschaft mit einer in Christiania erscheinenden Zeitung mit dem Forscher das Abkommen getroffen, daß jein Bericht in diesen Blättern zuerst veröffentlicht werden sollte. Indessen läuft von Christiania die Nachricht ein, daß ein d«m. König Hakon zugeganaener Bericht den dortigen Blattern schon heute zur Verfügung ge- stellt werden dürfte. Die von Wellington aus verbreiteten Depeschen, die den Ruhm, den Südpol erreicht zu haben, für den Engländer Scott in Anspruch nahmen, haben sich, wie der „Berl. Lok.- Anz." feststellt, als absolut falsch erwiesen. Es ist vielmehr anzunehmen, daß Scott nicht der Entdecker des Südpols ist. Sir Ernest Lhactlet 0 n, der be- kanntlich vor einigen Jahren bis auf weniger als IW geographische Meilen dem Südpol nahe gekom men war, meint, daß Amundsen unter sehr günstigen Bedingungen eine «ehr schnelle Fahrt zurückgelegt habe. Wäbrsckzeinlich sei er im Oktober 1!)11 von der Prinz of Wales Bay unter dem 78.44 Grad südlicher Breire abgegangcn, wo ihn nur 676 geographische Meilen von dem Südpol trennten. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß Amundsen «inen neuen günstigeren Paß als den dem Shackleton bekannten über di« von 9000 bis 11000 Fuß hohen Beardmore Berge gefunden habe, die dem Südpol vorlagern. Die Worte „14. bis 17. D«zembe r" bedeuten offenbar, meint Shackleton, daß Amundsen diese Zeit am Südpol zubrachte, um Beobachtungen zu machen, so daß jeder Irrtum ausgeschlossen sein sollte. Wenn Amundsen den Pol am 17. Dezember verließ, so konnte er bei günstigem Winde sein Winterquartier in der Prinz of Wales Bay nach etwa 45 Tagen, also Ende Januar, erreichen. Zwei bis drei Tage wird er gebraucht haben, um die „Fr a m" reisefertig zu machen. Um Hobart zu erreichen, muß das Schiff, das nur etwa fünf Knoten pro Tag macht, einen Monat gebraucht haben. Während Kapitän Scott mit Ponies und Motor- schlitten ausgerüstet war. hatte Amundsen nun aller dings vorzügliche Hundeschlitten zur Verfügung. Er war viel leichter ausgerüstet, als dec Engländer, der schweres Gepäck mit sich schleppte. Shackleton hält es nicht für ausgeschlossen, daß Scott schon vor Amundsen den Pol erreicht«, aber wenn dem so wäre, würde der Norweger wohl etwas davon in seinem Telegramm erwähnt haben. Auch hätte Scott mit der schnelleren „Nova Terra" eine Telegrapbenstation viel früher als Amundsen er reichen müssen. Amundsen» Pliine. Amundsens erstes Telegramm aus Hobart, der Hauptstadt Tasmaniens, war an den König Hakon adressiert. In Christiania verlautet, da» Amundsen das innere antarktische Kontinent durch forscht und wichtige geographische Entdeckungen ge macht habe. Auch wird über seine weiteren Pläne noch mitgeteilt, daß er zunächst die Ergebnisse seiner Fahrt in einem Reise werk niederlegen und durch Vorträge verbreiten werde. Dann würde er im nächsten Jahre seinen ursprünglichen Vorsatz, auch den Nordpol zu erreichen, in Angriff nehmen. Uebrigens ist die Erregung über di« Doppelmel dung von der Erreichung des Südpol» in der eng lischen Hauptstadt ungeheuer. Der „Standard" er, klärt, daß kein Zweifel an Scotts Erfolg möglich sei. „Wir sind es", so schreibt das Blatt, „di< den Südpol erobert haben. Die englische Nation kann stolz sein auf diesen Sieg. Wir sind erstaunt und verwundert über den Bericht von Amund sen. Denn nur Scott ist der Sieger. Wir Engländer -V "MW»»»,! . I, »M»I »WWW >' «I" I sind die Sieger auf einem der wichtigsten Gebiete der Geschichte." Die amerikanische Presse stellt sich in dem Südpolstreit ganz auf die Seite Scotts. Mit Stolz wird das Verdienst der angelsächsischen Rasse um die großen Entdeckungen gefeiert. Mit Genug tuung wird betont, daß ein Amerikaner und ein Engländer es waren, die di« beiden End punkts Ker Erde, den Nordpol und den Südpol, er reicht haben. Aus der Geschichte der Südporlarforschung sei nachstehend das Wesentliche kurz zusammengefaßt: Der Brite Roß erreichte auf seiner Expedition 184«> bis 1843 78 Grad 10 Minuten, ein Erfolg, der erst 60 Jahre später von dem Norweger Carsten Borch- grevink (1899—1900) um nur 40 Minuten südlicher Breit« übertroffen wurde. Die sogenannten inter nationalen Polarjahre 1901—1904 belebten die Süd- polarforschuna in außerordentlichem Umfange, und das von den Deutschen Gauß und von Neumayer erweckte deutsche Interest« an dem internationalen Wettkampfe um die Erreichung des Südpoles zeitigte die schönsten Früchte. Erich v. Drygalski, der 1901 vom Deutschen Reich mit der ^Eauß" hinaus- gesandt wurde, ging vom Indischen Ozean aus nach Süden vor. Da das Festland bald erreicht wurde, endigte der Vorstoß zwar schon bei 67 Grad südlicher Breite, doch fand der Forscher dabei den neuen ant arktischen Festlandsrand („Kaiser-Wilhelms-II.- Land" mit dem „Laußberg") und lieferte so wich tigstes, in 15 großen Bänden und drei Atlanten niedergelegtes Material, daß er sich in der Polar forschung einen unvergänglichen Ehrenplatz erwor ben hat. Die englische antarktische Expedition unter Kapi tän Robert F. Scott (1901—1904) ging von einer günstigeren Stelle, dem Meridian von Neuseeland vor, und Scott gelangte auf den Spuren seines Lands mannes Roß im Süden des Süd-Viktorialandes bis 82 Grad 17 Minuten südlicher Breite. Der Schwede Otto Nordenskjüld, der Neffe des berühmten „Vega"-Fahrers, gelangte nach den abenteuerlichsten gefährlichsten Erlebnissen (1902—1904) nur bis auf 66 Grad, lieferte aber überaus wichtige geographische Resultate. Oestlich von ihm drang 1902 der Schott« W. Th. Bruce vor und erreichte 70 Grad 25 Min. Der französische Arzt und Naturforscher Charc 0 t, d«r bereits 1904 eine Htlfsexvedttion für Norden- skjöld geleitet hatte, unternahm 1908—1910 «in« eigene Expedition, die, ohne einen Südrekord aufzu stellen, gute wissenschaftliche Erfolg« hatte. Im gleichen Jahre brach der englische Leutnant Ernest Shackleton auf, und ihm Gelang es nun, diesen Südrekord mit 88 Grad 23 Min.' aufzustellen, wah rend eine Zweigexpedition unter Professor Davis unter 72 Grad 25 Min. südlicher Breite und 154 Grad östlicher Länge den magnetischen Südpol erreichte. Dieser beispiellose Erfolg veranlaßte seinen vorher genannten Landsmann Scott zu ein«r neuen Expedition, die ihn am 29. November 1910 auf d«r „Terra Nova" von Neuseeland nach Diktorialand und — wenn die Kunde nicht trügt — dann zum Südpol geführt hat. Zu seiner Ueberrafchung stieß Scott vor gerade Jahresfrist plötzlich unter 164 Grad westlicher Länge auf di« norwegische Expedition unter Kapitän A m u n d s e n auf der „Fram , die von Süd amerika gekommen war. Beide Forscher betrachteten von vornherein als ihr Hauptziel die Erreichung de, Südpols. Anders die deutsche Expedition des Oberleutnant» Dr. Wilhelm Filchner, die am 7. Mai d. Z. von Bremerhaven aufaebrochen ist. Ihr kommt es vor allem auf die Erforschung des ungeheuren Gebiete» im Innern der noch unbekannten Südpolreaion und auf die Untersuchung der Beziehungen zwischen den west- und ostantarktischen Landmassen an. rvlu^cei-kokki- dMIir Mvlkü mit».