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Sächsische Volkszeitung : 06.09.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193209063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19320906
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19320906
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-09
- Tag 1932-09-06
-
Monat
1932-09
-
Jahr
1932
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 06.09.1932
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Alls Jahrhunderten lastet die Schuld, das; die Menschen die Grenzen nicht mehr kennen zwischen Gott und Welt, zwischen Ewigkeit und Zeit, zwischen Gut und Böse, zwischen Gesetz und Freiheit. Wo irgendwo Mann oder Frau, Jüngling oder Märchen durch das ganze Sein, durch das kleinste Tun, auch durch dos Nichttun, durch Entsagen diese heilige Ordnung der Eoiteswelt kündet, da müssen die Mensck-en der nächsten Um welt mit der dem Guten innewohnenden Zengungskraft von dieser Ordnung berührt werden. Wo das chr'st- liche Gewist.n In der Eh« wach ist, da sormt es sich von selbst die unlösbare Gemcinschast, die Irrationale Welt der christlichen Familie. Schon künden sich die ersten Umrisse einer christlichen Kultur an: Die n e u ch r i st l i ih e E he und Familie ist bereits hier und dort leuchtende Wirklichkeit. Aus katholischem Geiste bauen sich zeitgemäsze Sch n l g« m e i n d e n auf. Sieg, hast bricht sich gerade in Eisen eine starke katholische Erwachsenenbildung ihre Bahn. Schon steht die I u - gendburg groszen Stils wie die „Stadt aus dem Berge". Trotz aller Hemmungen entfaltet sich die katholische Laien spiel bewegung. Hier und da müht sich eine töpfere Schau um ein christliches Theater. Wir behaupten unseren Plast im Rundfunk. Wir kämpfen durch die Tat um ein hochwertiges Kino. Christliche Künstler tragen mit beispiellosem Mut das neue Lebensgesllhl in die Raum kunst unserer Kirchen, schenken uns den aus edler Sach- lichkeit geformten sakralen Gegenstand. Katholische Dichter sprechen bereits die Sprache des kommenden katholi schen Geschlechts. Katholische Gelehrte künden an den Hochschulen das lebendige Eotteswort. Es gilt diese zarten Keime wie unser Liebstes zu hüten, diese snnge Saat zu pfle gen, dies« Ansätze christlicher Kultur mit demütigem Stolze zu «kennen und zu besahen. k. Ludwig Esch, Köln: „Iss Mysterium Als zweiter Redner sprach in der Halle l der bekannte Kanzelprediger L. L u d m i g E s ch 8. ch, Köln, Uber das Thema „Das Mysterium in der Eroszstadt". Der Redner sührte sol- qendes aus: Das Einwohnen Gottes In unseren Tabernakel». K a p h a r n a u m, die Handelsstadt am Galiläischen Meere, nennt die Schrift „Sivitss 8ua — Seine Stadt". Beobachten wir, der Herr wählt eine Groszstadt zu dem Hauptorte seiner Wirksamkeit, sein Erlösungswerk vollendet er im Angesicht einer Großstadt, die er so liebt, daß er Uber ihre Not weinen kann, obwohl sie ihn zum Tode sührte. Und von Kaplmrnaum und Jerusalem zog der Herr nach Nom und Ephesus, zog nach Alexandrien. Korinth und Athen. Er liebte die Großstädte trotz, nein, wegen all ihres Elends, all ihrer Schuld. Er wollte in rhncn wohnen, wenn man ihm auch nur die enge Kammer einer Katakombe gönnte. Und heute? Sollen wir in dieser Feierstunde denken an Länder, in denen man die Kirchen mit Dynamit zerstörte, wo man sie in sinnloser Wut nicderbrannte? Mr sind sicher, Nutz land wird seine Kirchen wieder ausbaucn, wird sie wieder aus- bauen m ii s se n ; d e n n Städte ohne Kirchen sind Städte des Todes. Spaniens Volk wird sich seinen Heiland nicht rauben lassen, für den es Jahrhunderte in heroischem Kamps gestritten, geblutet und gestorben ist. Doch denken wir an unsere Städte im deutschen Lande. Gott Dank, Kirche auf Kirche ersteht. Wo ein neuer Stadtteil erwächst zieht Gott hin. Aber eine Sorge erfüllt uns. Sie kennen alle den Kölner Dom. In ma;estätischer, aber einsamer Grütze ragt er empor. Weite Plätze Hirt man um ihn gelegt. Früher mär es nicht so. Die Häuser schmiegten sich an. und aus dem Leid der Menschen stieg er zum Himmel empor. Heute steht er allein, und drüben wohnen die Menschen auch einsam. Zwischen dem Grotzstadtmenschen und dem Gotlmenichen liegt etwas Un gewisses. Trennendes, das das rechte Leben mit Gott, die rechte Freude in ihm nicht auskommen läßt. In den letzten Jahren haben wir begonnen umzulerncn. Die Sprache unserer religiösen Kunst. Aus dem Lebcnsgcsühl unserer Zeit entstand «in neuer Baustil unserer Kirchen und Altäre, ging man in Plastik, in Malerei und Kirchenmusik neue Wege. Es ist Tatsache, das; heute viele unserer tiessten, modernen Menschen sich nicht wohl fühlen in unseren neuen Kirchen, die aber innig beten in dem Halbdunkel unserer Dome und im Sonnenglanz unserer Prunk kirchen. Aber freuen wir uns, wenn so manche unserer besten Künstler sich mühen, immer klarer auch im Heiligtum dem Sehnen unserer Zeit künstlerische Gestalt zu geben. Die Sprache unseres Betens. Ist es von un gefähr, datz eine Diözese nach der andern ein neues Diözesan gebetbuch den Gläubigen schenkt? Ist es von ungejähr datz gleichsam von selbst ganz neue Gebete ans der Rot unserer Großstädte entstehen? Denken wir an die Litanei, die unsere Werkiugend in Dortmund betete, an das Weihegebct, das ein Arbeitsloser in Köln aus tiesstcm Herzen schrieb, und das Zehntausende ihm nachgcbelet haben! Ist es von ungefähr, datz man heute nach neuen Formen unserer Prozessionen jucht? Di« Sprache unserer Predigt. Gott Dank, datz heute auf unseren Kanzeln so viele Priester stehen, die den rechten Ton treffen, den die Erotzstadt versteht. Und eigenartig ist der Ton der Verkündigung des Evangeliums in urchristiichen Zeiten: Grundakkord tst „Frohbotschaft". Inhalt aller Moral ist die Liebe Das ist das erste Gebot, darin liegt die Er füllung des Geistes Christi. Ziel der Seelsorge und darum unserer Predigt darf nicht nur Bewahrung, mutz Festigung lein, damit in den tausendfachen Erfahren der Jetztzeit die Men- Den stark stehen können auch wenn sie aus allen gewohnten Verhältnissen herausgerisscn werden. Und Geist der Predigt unserer priesterlichen Erotzstadtapostel ist Hcilandsgcist. Ja. w'r Priester müssen verstehen oder doch ahnen diese» Leben mit all seinen Verwicklungen, mit der Schicksalslast, feiner Rot und seiner Schuld, die so groß erscheint, ost aber in Wirtlichkeit nicht grob ist. Wenn bergehoch di« Not, mutz himmelhoch unsere Lieb« se>n. Weiterhin, rin Bewußtsein darf heule weniger als je den Priester verlassen: nicht sein Wort, seine Predigt ist die Hauptsache. Er wirkt nur. wenn Gott seine Gnade gibt Darum muß der Priester sein Wort fruchtbar machen durch sein Bei spiel. sein Opfern und Kreuztragen, es mutz getragen sein von einer heiligen Persönlichkeit. Und endlich das Wichtigste: Die Sprache unserer religiösen Haltung. Die Kirche hat den Gang der Einsiedler in die Wüste gesegnet hat Andachten der verschiedensten Art. hat Brüdcrs<l>astcn und reli giöse Verein« ohne Zahl begrüßt und unterstützt. Wer wollte den Seelen wehren, zu beten, wie Gottes Geist die einzelnen führt? Das katholisch« Deutschland mutz es den Söhnen des hl Benedikt danken, datz sie gerade diese Tatsache so lebendig zum Bewußtsein brachten. Ich brauclse hier diese religiöse Grundhaltung nicht zu schildern: Leben in Christo, in seiner Kraft zum Vater gehen, in die Kirche als den fortleben den Christus wunderbar elngegltedrrt sein, die einzigartige Stellung der Gottesmutter im Reich« der Gnade das hl Meß opfer. als das große Zentralopfer, Mittelpunkt all unseres Gottesdienstes, ivescntlichste Tat in den Morgenstunden der Großstadt. Diese Grundhaltung umfaßt alles, hat nach keiner Richtung hin Einseitigkeiten. Da» Eiuwohnen Gottes in den Seelen von Millionen Grotzstadtmenschen. Das christliche Kulturproblem der Großstadt ist zugleich , ' «ln Fiihrerproblem. Lassen Sie mich, wie schon mehr- f ! mals, ein Zukunftsbild vor Sie hinstellen: Führer, die aus dem ! großstädtischen Christusgcist leben, wie ich ihn zeichnen durste, i reichen sich Uber Stand. Alter und Geschlecht hinaus die Hände. Cie bilden eine heilige Phalanx — oder besser gesagt, eine G r a l g e m e i n d e. Es gibt keine dringlichere Bildungsauf- aabe, als Menschen vor der Verzweiflung zu schützen, vor dem Zerfall ihrer Substanz, vor dein Hinnbgleitcn in die Region des llntcrmenfchiichcn. Einsicht ausdämmern lassen, datz das Dasein an sich schon ein Gut ist Gott auch den Aermsten nicht ohne Sinn in die Schöpsung gestellt hat. datz wir noch viele Uberslüssige Dinge und Gewohnheiten von uns abschiitteln können und doch dabei Pollmensch sein können, datz Christus am liebsten in denen wohnt, die schlicht und anspruchs los sind wie die Kinder. Ob wir nicht heut« oder morgen bc. greisen lernen, warum der Gottmcnsch sich mitten in die Armut gestellt hat, warum er die 'Armut so königlich adelte? Viel leicht sind wir alle noch nicht reis sür diese Wesenhastigteit des Christentums — aber sollten sich nicht gerade unsere Führer dasllr cinfetzen, das; Bildung mehr ist als Zivilisation, datz sie vielleicht in der Armut ani reinsten zutage treten kann? Aus tiefster Uebcrzeugung unterschreibe ich die Worte eines seherischen Menschen, des Nutzen Berdiajew, und mit diesen Worten möchte ich schließen: „Die Kultur ist banal geworden. Die besten werden von der Sehnsucht nach Ewig keit geguält. In der gottlosen Zivilisation wird das Antlitz des Menschen und die Freiheit des Geistes unlergehen, das Schöpfertum wird versiegen, und schon hat die Barbariiicrung begonnen. Noch einmal mutz die Kirche die geistige Kultur, die geistige Freiheit des Menschen retten. Dieses nenne ich den Anbruch des neuen Mittelalters." in der Srotzstadl" Nun lasten Sie mich von einem zweiten Mysterium in der Großstadt sprechen, dem Ein wohnen Gottes in den Seelen der G r o ß st a d t m e n s ch c n. In der Oesjentlich- keit der Straßen, der Theater, der Kinos, der Plakatsäulen spricht uns ost nur die Sünde an, bald schmeichelnd bald schreiend. Aber dies mit „Großstadt" gleichsetzcn, hieße unend lich Wertvolles nicht sehen, nämlich das Mysterium gottbegna deter Heiligkeit und Größe, das ebenso wirklich ist wie das Mysterium der Sünde. Alan rüst nach dem Heiligen unserer Tage Wer Ist es? Ist sein Bild das des sein erzogenen, anem Wertvollen ausgeschlossenen Edelchristen, in dem unsere ganze Kultur und Geistigkeit gleichsam den Heiligens<l>ein erhalten Hal? Möglich! — Wir wissen es nicht. Gottes Gnade schallt Heilige. Aber w«nn Gott einer Zeit Heilige gab, waren sie immer anders, als sie erwartet wurden. Eie waren eigentlich nie modern, lind doch fühlte gerade der Modernste sich bei ihnen geborgen. Wir wissen daß im Urchristentum gerade in einer Umgebung von Sünden tausendfaches starkes, jubelndes, leidendes Leben in Christo wuchs Und heute sagen uns Men schen, die es missen können, daß in den Großstädten neben aller Sünde der Verirrten und Entgleisten Scelcngrötze in einem Ausmaß sich finde, wie es seit Jahrhunderten nicht mehr war. Wir wollen wahrhaftig die Not nicht seligpreisen: denn ungeheuer viel zerstört sie im Menschenleben. Aber sie ist es auch, in der Gott heut« wieder wahre Größe ! ch afft. Das Einwohnen Gottes km tatbcrelten Eroberungswlllen der Katholischen Aktion: Es ist eine notrvendige Folgerung des neu ausgebrochenen Strebens nach echtem katholischen Leben, daß es zur Tat drängt. Wahre Innerlichkeit will ja die Tal, Liebe zu Christus drängt zum Apostolat. Wir verwehren es keinem, an seine Schwäche zu glauben. Aber wir verlangen, datz man uns auch an unsere Sache glauben läßt. Wir haben die festeste Uebcrzeugung, datz im katholischen Wesen die tiessten Quellen sür die Gesundung der Welt enthalten sind. Co segnet uns die Kirche, da sie uns ausrust zur Katholischen Aktion: — Alles, beachten Sie das Wort, alles zu erneuern in Christo — zur Aufrichtung des Königtums Christi nicht nur in der Kirche sondern überall, aus datz Politik und Kultur, Kunst und Wissenschaft, Familie und Staat erfüllt werden vom Geiste Christi. Ich sagte mit Bewußtsein, die christliche Ge- mcinschajt in ihrer Gesamtheit solle sür all das sorgen. Ich iagte nicht: „Die Kirche". Nicht ein schwächliches Uebersich- 'rgchcnlajsen soll des Katholiken Art sein. Gewiß, auch das kann Größe bedeuten. Aber nur dann, wenn es ein Fiat ist nicht der müden Resignation, sondern des beherrscht gesetzten Ja, wenn Gottes Vaterwill« uns leiden läßt Und auch heute schlafen noch zu viele. Es ist wahrlich nicht der Schlaf der Ge rechten, sondern der Schlas der Trägen und Satten. Aber da neben sehen wir das Mysterium Gottes, sehen wir Gottes Wir ken im neuen 'Aufbruch heiligen Eroberungswillens! Wahrhaftig nicht aus Streben nach Macht, nein, aus Liebe ;u den Menschen, daß sic wieder glücklich werden, aus Liebe zu unserem Volke, daß wieder ein Deutschland erwachse, wahrhaft hoch in Ehren, aus Lieb« zur Welt; den» cs gibt für die Welt lein andere» Fundament, aus dem sic seine segrnerjüllte Zukunft bauen kann, als Christus und Sein Geist. Arau Or. Schlüke«>Herm?es, Vsrlin: „WW kreuz m Ser SroWadl" Die erste Rede in der Halle V hielt Frau Dr.Schliiter- Her mkes, Berlin. Sie sprach Uber das Thema „Christi Kreuz in der Großstadt" und sührte aus: Das erste Kreuz unserer großen Städte ist die G o t t j e r n e. Seitdem Golt Mensch wurde, hat cs keine Epoche in der Geschichte des Christentums gegeben, die in einem solchen Ausmaß und so selbstverständlich goltsern war, wie diese Zeit, die mir die unsrigc nennen, und sür die wir die Dcrant- nrortung tragen. An den Straßenecken, in den Bahnhöscn, in den Warenhäusern, aus den Spielplätzen steht kein Bildstock, kein Kruzifix, dem Kinder Blumen bringen, in den Hausnischen und Eingängen brennen vor keiner Madonna Kerzen. Der durch schnittliche Europäer lehnt das Christentum nicht ausdrücklich ab, er setzt sich nicht mit seinen Geboten und Lehre» auseinander, er bekämpft es nicht wie in den Zeiten der Religionskriege und der verschiedenen Kulturkämpfe. Was schlimmer ist: Er übersieht es, weiß nichts davon, cs inter essiert ihn nicht Die 17 Bände des Kirch lichen Handbuchsfür das katholische Deutschland reden in nüchterne» Zahlen eine erschütternde Sprache über die sortschrci- tende Entlirchliibung. Weitaus am größten ist die Entlirch- lichung der großstädtischen Vevölkerung. Man muß in allem Ernst die Frage stellen: Gibt es überhaupt noch ein christlicher Proletariat? Noch vor 20 Jahren wäre das vielleicht eine sinnlose Frage ge wesen. Heute liegt in ihr eine der größten Wunden unserer Städte assen. Stach einer zuverlässigen Sch tzung sind 75 Prozent der organisierten Sozialisten und 93 bis 95 Pro zent der organisierten Kommunisten aus der Kirche, ent weder der katholischen oder der evangelischen, aucgclrclen. Den bMllOO christlichen Gcwerkschaitlern stehen 5 Millionen Freigewerkichaftlcr und 5!> Millionen Kommunisten gegenüber! Wirklichkeit ist, daß sür Millionen von Arbeitern in unseren Städten das Evangelium und die christliche Bruderliebe nichts und der Sozialismus und die Weltvcrbrüdcrung der proletari schen Matzen alles bedeutet. Es ist fast schon Mode geworden, von der Gottlosigkeit des Proletariats zn sprechen And doch ist diese Gottlosigkeit nur die in schärferen Konturen gefaßte Wider spiegelung der Gotlserne, der Gottlosigkeit des Bürgertums. Diele von uns sind katholisch lediglich durch die Schwerkraft der Tradition, der Gewohnheit, der Konvention. Auf dem Alphaft boden kann man aber nur katholisch bleiben und den katholischen Samen in die nächste Generation pslanzcn, wenn ma i den gan zen Menschen in Christus hincinpjlanzt, wenn das Familien leben, das Berufs- und Erwerbsleben. Erziehuna, Bildung und Bitte in der religio, in der Bindung an Gott fleht. Die Leistungen der Großstadt, wie die Berkehrsanlagen, die Versorgung mit Wasser, Gas und Elektrizität, die Kranken anstalten, Vibliotheten, dienen alle dc n Menschen als Masse. Eine nomadenhafte Gewichtlosigkeit des Gefühlslebens wird selbstverständlich. Gute Kenner des Lebens der jugendlichen Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinncn halten bei 90 Prozent sexu elle Früherlebnisse im 15 oder 10. Lebensjahr für gegeben. Das erschütterndste Zeichen der Entmenschlichung ist das Sterben des Willens zum Kind. In sechs deutschen Großstädten sterben mehr Menschen, als ge boren werden Unsere Ncichshauplstadt ist die unfrucht barste Stadt der We! t. Ein bekannter Gynäkologe schätzt, datz auf jede Lebendgeburt im Durchschnitt eine Fehlgeburt, d. h. fast immer eine Abtreibung kommt. In Berlin gibt es 10^0 Säuglinge und 200 000 Hunde Im Jahre 1929 fehlten in Deutsch- land im Vergleich zu 1910 8)4 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Seit 1921 sind wir ein sterbendes Volt, und das Sterbebett unseres Volkes ist die Großstadt. Ein hervorragender Sachkenner hat jüngst in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Sta tistik (Johannes Müller, 1.51. 139 Folge I, 125 ff) auseinanver- gesetzt, daß nicht, wie allgemein angenommen wild, wirtschaft liche und soziale Gründe ausschlaggebend für oen fehlenden Wil len zum Kind sind, sondern daß der eigentliche Grund eine seelische Erkrankung des Grotzstadtmenschen fei. Die Großstadt ist ein Kühlhaus für stark« Gefühl«, Hin- gab« und Begeisterungssähigkett, für die einmalige, dauernd« aewaltia« Lieb« zwischen Mann und Weib. Sie »st gleichzeitig ein Treibhaus zur Leide,,schalt Und Trieb haftigkeit. Zu den entmenschlichenden EinflUtzen der Natursernc, der Vermassung, der Mechanisierung, der Heimlosigkeit, der Ano nymität, der Verlassenheit des einzelnen — das einsame Krank sein, das einsame Sterben in der Großstadt! — kommt die be- linnungslose Hetzc des Vcrkehrslebcns, der Akkordarbeit, eines täglichen Daseinskampfes. Nicht Glieder eines Volkes leben in unseren Städten, nein, zwei Völker Hausen nebenein ander. Die Einsicht bricht sich immer mehr Bahn, üatz der Gcsähr düng des Menschcnwesens, daß den Erschöpfung--- und Alters erscheinungen der großstädtischen Masse nicht mit Wohlfahrts pflege und Sozialhygiene, mit Generalbebauungsplan und Grüngürteln und Siedlungen, so notwendig all dies ist. nicht allein Herr zu werden ist. Die Katholiken gehören nicht zu denjenigen, die wegen der überaus ernsten Lage die Zeit für gekommen halten, resigniert den unvermeidlichen Untergang des Abendlandes zu verkünden und sich müde in Katakomben in Sicherheit zu bringen. Wir sind davon überzeugt, das; vie Großstadt eine Stuse, eine steile Stufe beim Ausstieg der Menschen zu Gott ist. Nicht aus Wandlung und Bekehrung der anderen sollen wir zuerst bedacht sein, wndern aus die eigene. Wenn wir unsere Masle oblegen und mit unseren von Natur aus christlichen Augen in die Welt sehen, in unsere großstädtische Welt, dann werden wir im Nachbarn, in jedem unserer Mit bürger Gott finden, dann werden wir den Nächsten wahrhaft lieben, und zwar aus den Gründen, die der Aguinate als die Fundamaente der Nächstenliebe bezeichnet, weil nämlich im Nächsten Gott ist oder damit in ihm Gott fei. Nicht abstrakte Gedankcngänge, nicht apogetische Beweis führungen, nicht fromme Melodien wirken in Fabriken und Bergwerken. Grundsätze allein tun es nicht, Kartothekarbeit genügt nicht. Wie an den Massenbewegungen d's Bolschewismus, des Faschismus, des Nationalsozialismus leicht zu erkennen ist. wirkt nur die Aeberzeugungskraft eines sich mit allen Kräften rinfetzenden, lebendigen Menschen. Nur ein ganz durchglühter Mensch hat bewegende Gemalt. Nur der Autorität eines ln einer Richtung gelebten Lebens ist man bereit, sich anzu- fchlietzen. Die Tage des Individualistischen Kapitalismus sind ge zählt. Wenn wir im nächsten Jahrzehnt nicht Ernst machen mit dem Glauben an die organische Gemein schaft aller Menschen im Gekreuzigten, dann wird der stärkere Glauben derer, die an das Kollektiv, an die Erde, an die bloße Natur, an den Leib glauben, unseren schwachen Glauben an Gemeinschaft, an Christo, an den Himmel, an die Uebernatur. an die Seele besiegen. Ka'holikenlag unö Siedlung Zum ersten Male wurde in diesem Jahre «in« groß« Sieülcrlagung in das Programm des Katholikentages ausge nommen. um den durch die fortschreitende Arbeitslosigkeit immer drängender werdenden Problemen der Siedlung gerecht zu werden. Staatsminister a. D. Hirtsieser konnte in sei ner Eröffnungsansprache an dem überaus zahlreichen Besuch der Veranstaltung seststellen, datz der Versuch das Wohnungs und Siedlungsproblem in den Katholikentag einzuglicdcrn, voll geglückt sei. Welche Bedeutung der deutsche Katholizis mus de» Problemen der Siedlung zuwende, erhellt aus der Tatsache, daß auk der Tagung allein zwei Bischöfe zu diesen überaus brennenden Fragen Stellung nähmen. Bischof Kaller von Ermland sprach zu dem Ciedlungsproblem vom religiösen Standpunkt aus. '' * Bischof Dr. Berntng von Osnabrück sprach zu der Frage der Auslandssiedlung. Dir Inlandsiedlung könne nicht alle Siedler aufnehmen, deshalb verdien« di« FraOD der Auslandsiedlung befonderer Beachtung.
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