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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.05.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120531025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912053102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912053102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-05
- Tag 1912-05-31
-
Monat
1912-05
-
Jahr
1912
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sind die Fälle, in denen die Almosenempfänger in offenen Geschästslokalen abgefertigt werden oder «ruf Treppenflurcn kauern müssen, «he sie ihr Geld aus gezahlt erhalten. Und wie sie es mitunter aus gehändigt bekommen! Es ist wahrlich nicht not wendig, mit jedem Armen ein minutenlanges Ge spräch beim Auszahlen zu fü'.ren, aber «in freund liches Wort dürste wohl jeder Pfleger für seine Pfleglinge übrig haben. Eine freundliche Frage nach dem Ergehen usw. findet fast stets freudigen Wider hall in den Herzen unserer Armen, di« nun die aus gezahlte Untersuchung doppelt so hoch einschätzen. Aber so viel Takt besitzt leider ein großer Teil unserer Armenpfleger nicht. Unwirsch nehmen sic Gesuche und dergleichen entgegen, anstatt liebevoll auf die Leiden der Unglücklichen cinzugchen, sie mit Geduld und Ruhe anzuhörcn und ihnen dann mit Rat und Tat beizustehcn. Nicht selten sind die Fälle, in denen Vorsteher tatsächlich mit einem gewissen Angstgefühl aufgesucbl werde», das einer Berechtigung leider nicht entbehrt. Solche Herren taugen absolut nicht zu dem schweren, aber, mit dem Herzen ausgeübt, hohe Befriedigung gewährenden Amt. Es wäre Pflicht der Stadtcxrordnctenversammtnng. die Ein spräche, die jemand gegen seine Wahl zum Armen und Waijenpslegcr macht, möglichst zu öeiuckicchiigen; denn solche Leute, die nicht mit Liebe lei der Sache sind, taugen dazu absolut nicht. Man wird mir ent gegenhaltcn: Ja, woher nehmen wir dann bloss! unsere Armenpflcger, wenn wir so wählerisch lein wollen'.' Auch diese Frage ist leicht beantworte«. Es gibt in dieser Beziehung noch einen grossen Schau, zu heben, und das ist die stärkere Heranziehung der Fran zu der Armenpflege. Die Frau ist die geborene Armen- und Waijenpslegerin. Leider wird ron ihrer Mirwirkung noch verhältnisinäsiig wenig oxbrauch gemacht, und sie scheitert meist an der Nücisiändig'eit der Ansichten mancher Kommissionsmitglieder. Man kann die Argumente, die gegen die Mitarlxit der Fran in der Armen- und Waisenpflege vorgebracht wurden, beute wohl als abgetan bezeichnen. Auch auf die Mitwirkung von Arbeitern in den Armenloinmissionen wird wohl noch zu wenig Wert gelegt. Dabei ist es eine bekannte Tatsache, dasz sie die ileisziglten und willigsten Mitarbeiter sind und nicht selten durch ihre Kenntnisse der sozialen Verhältnisse ihren Kollegen eine richtige Beurteilung mancher Fälle er möglichen. Man sieht also, dasi es wirklich nicht so schwer ist, die nötige Zahl von Pflegern und Pflegerinnen zu finden, und es wäre nur dringend zu wünschen, solchen Herren, über die berechtigte Beschwerden laut ge worden sind, nahezuleacn. geeigneteren Kräften Platz zu machen. Mit der Zeit wird cs dann vielleicht ge lingen, das Mißtrauen zu beseitigen, das jetzt noch gegen die Armenpflegeorqane herrscht, und das; die Armen in den Pflegern das sehen, was sic wirklich sein sollten: ihre Helfer und Berater. Es ist keines-! wegs ausgeschlossen, dasz ein Unglücklicher, der sich vielleicht schon mit einem grauenvollen Plane trägt, noch zuletzt den Weg zu einem Armcnfreunde findet und dort nicht nur wirtschaftliclze Unterstützung, sondern auch Rat und Ausrichtung findet und dadurch von übereilten Schritten abgehaltcn wird. Also, verehrte Kollegen, mehr Mensch fein in eurem Amt! Erwerbt euch durch Güte und Freund lichkeit das Zutrauen eurer Armen, und die Armen pflege wird für euch eine Quelle des Glückes sein. Ocutimcr Lund Minenter Fraucn. Ortsgruppe Leipzig. Der Prozess Popert detr. das Alkoholkapital und die deutsche Presse hat ein eigenartiges Ende gefun den. Dr. Popen lfatte in Dresden auf der Hygiene ausstellung einen Vortrag über die Abhängigkeit der deutschen Presse vom Alkoholkapital gehalten. Das „Berliner Tageblatt" hatte die in dem Vortrag aus gestellten Behauptungen für eine Verleumdung er» klärt. Darauf hatte Popert Strafantrag gegen den Redakteur Arno Henig des „Berliner Tageblatts" wegen Beleidigung gestellt. Die Eröffnung des Hai ptverfahrens hatte sich aus formellen Gründen jo sehr verzögert, dasi die sechsmonatige Verjäh rungsirist jur Presivergehen überschritten war. Zu Bcgiiin der Verhandlung geschah nun das Uuerwar tcte. do» der Verteidiger des Beklagten erklärte, dieier sei sä. den betreffenden Anikel nicht veraur wörtlich. Damit hr der Prozeß hinfällig, weil ein anderer R.'daki.'nr wegen d:r inzwischen eingetrete uen Verjährung nicht mehr zu belangen ist. Der Verteidiger des Klägers. Rechtsanwalt Bartning, sagte darüber in seinem Plädoyer u. a.: Ein der artiges Ver h.ri ist zwar betrübend einfach, vor Hamburger Gerichten aber ganz unerhört, jo dasi uns der parlamentarische Ausdruck für ein solches Per hallen völlig fehlt. Wenn ra^ „Berliner Tageblatt" Grund zu der Annahme gehabt hätte, dasi die vielen B-'weieanträ.ze von Dr. Popert seine Behauptungen i, chl b s.ätigr hätten, dann Härte cs doch erst rech: keinen Giui.^i gehabt, einer sachlichen Erörterung aus decn Wege'.zu geyen. Eine anständige Zeitung gc> sieht enuveder ibr begangenes llnrechr ein. oder sie bleib: be: ihrer Behauptung neben »nd lägt es auf e'ne Beweisführung anlommen. Gerade in diesem Falle hätF die gesamte dvutzche Presse ein ungemein lebhaftes Fnlercsie daran, eine sachliche Erörterung der Frag' anzuschneiden." Ebenso bemertens-wcrt ist die Erwiderung von Fustizro. Masse, dem Verteidiger des „Berliner Tageblattes", „man l>aoc alles für den Angeklagten aufwendew inüjsen. damit kein Un schuldiger verurteilt werde". Das ist nichts anderes gls ein halbes Zugeständnis. Die ganze Sache er scheint in einem eigentümlichen Lichte, wenn man sich die Frage vorlegt, warn.,: eigentlich der Redal tenr des „'Berliner Tageblattes" erst nach Ablauf de: Verjäh.ungsfrist entdeckt hat. dasi er nicht ver antwortlich für den Artikel sei. sNach dem „Hamburger Fremdenblatt".) O Nl 1 j.! -Euarm. e! iili, tl F r,1 tt t ll! li ll Ortsgruppe Leipzig. Vorsitzende: Frau Elsa Beier-Lodde, L.-Kohlis, Richtcrstr. 12. Der 9. Generalversammlung des Deutsch-evangc lisctxn Frauenbundes hielt Herr Geh. Rat I). Jhmcls in der altehrwürdigen Psarrkirche zu VVeimar die Fcstprcdigt. lieber 300 Delegierte und viele Mitglieder und Freunde nahmen ans dieser stillen Abendstunde die tiefernsten Mahnungen als Leitwort für ihr fernere» Arbeiten mit. Aus der Fülle der Anträge und Vorträge ser zuerst über denjenigen von Dr. v. Mangold aus Frankfurt a. M.: „Wert und Wege der Woh- nungsreform" berichtet. Redner schilderte die Mangelhafttgkeit der gegenwärtigen Wohnungsver- hciltrusse, des Mietkasernensystems, die große Der» breitung der sehr nachteiligen Teilwohnunaen, den Druck der hohen Mieten und insbesondere die ganz ausierordcntlich« Ueberfüllung eines großen Teiles der Kleinwohnungen. Die nachteiligen Folgen dieser Verhältnisse für die Volksgesundheit, die Sittlich- teit, das Familienleben liegen auf der Hand. Welch verheerende Wirkungen hier unsere Wohnungsver- bältuisse oft haben müssen, dafür führte er als Beispiel u. a. an, dasi die Ortskrankenkasse für Kauf- leute usw. in Berlin in den Jahren 1901—1910 an nähernd 0000 bei ihr versicherte Kranke festgestellt habe, die mit mehr als fünf Personen den Schlaf- caum teilten. Im Jahre 1911 allein wurden 1141 Lungculrante bei der Kasse fcstgestellt, die mit 2311 anderen Menschen ihren Schlasraum teilten; 116 dieser Lungcntrankcn hatten sogar nicht einmal ein Belt allein. Durch diese Misistände, die Frau und Kinder am meisten bedrücken, seien Zustände er wachsen, die geradezu das Staatswohl gefährdeten. Mil den großen Schwierigkeiten, die unsere Woh- uungsverhäitnissc gerade kinderreichen Familien bereiteten, müsse man auch das Sinken der Geburts- zi'fcr bei uns in Verbindung bringen. Abhilfe gegen über unseren Wohnungsmisiständen sei möglich, aber cs bedürfe eines nmiassenden, schnellen und ent- schlossenen Eingreifens. Die gegenwärtige Situation sei besonders wichtig, da sich endlich die Gesetzgebung ,m Reiche, in Preußen und in anderen Einzelstaaten zu einer größeren Aktion anschicke, die unbedingt ii einem glücklichen Ende gebracht werden müsse. Auch die Frauen seien in dieser großen Sache zur Mithilse berufen und verpflichtet. Fräulein v. Feldmann lBersinghausen) sprach über die „Mitarbeit der Frau in der W o h n n n g s r csor in". Sie bezeichnete die Woh- niingsanfsicht als die Grundlage zur Beseitigung der Misistände. Hier eröffnet sich den Frauen als Woh- iiilngsinspcktorinncn im Verein mit den männlichen Kollegen ein reiches Arbeitsfeld. Wo es gilt, Heim, Haus, Familie zu erhalten, darf die Frau nicht fehlen. Lripnger Fröbel-Verein. In de. kürzlich von Leipziger Fröbel Verein ver anstalteten Generalversammlung erstattete Frl. An gelika Hartmann Bericht über die wichtigsten Ereig- nige oes verflossenen Bcreinsjahres und die Entwick lung der dem Verein gehörenden Anstalten: dem Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen-Seminar. den lxiden Kindergärten und der Anstalt zur Ausbildung weiblicher Dienstboten. Frl. Hartmann erwähnte u. a. die genußreichen Veranstaltungen, bei Lenen sich die Vorstandsmitglieder in zwanglos heiterer Weise ver sammelten, und die ihren Höhepunkt fanden in der Feier von Frl. Hartmanns 82. Geburtstag, bei der ihr in würdiger Weise ihre von Herrn Stuckenbrucks Meisterhand geschaffene Marmorbüste überreicht wurde. — Ausführlicher verbreitet« sich Frl. Hart man» über die Arbeit, welche im Seminar bei der Ausbildung der angehenden Lehrerinnen und Kinder- «irtnerinnen vollzogen wird. Sie entwickelt« di- Prinzipien, di« Labei maßgebend find, und betonte, daß neben einer Ausbildung der Verstandeskräft*. neben dem Bemühen, di« Schülerinnen überhaupt geistig selbständig und urteilsfähig zu machen, beson ders auch auf die Entwicklung der Gemütsseite Wert gelegt, und vor allem auch auf ihre Gesundheit die größte Rücksicht genommen würde. Hand in Hand damit geht die Anleitung zu praktischem Tun. Da bei kommt namentlich die Aneignung eines metho Lifchen Geschicks für den Unterricht, sowie di« päda gogische Arbeit im Kindergarten und schließlich die Anfertigung kunstgewerblicher Arbeiten in Frage. Da die Anstalt unter staatlicher Aufsicht steht, >o wohnte Herr Oberschulrat Prof. v. Dr. Müller als König!. Vrüfungskommissar der Ostern stattgehabten Prüfung oei und die Schülerinnen erhielten dann die von dem selben unterzeichneten Zeugnisse, von denen 3 das Prädikat I aufwiesen. — Ferner berichtete Frl. Hart mann über die beiden vom Fröbcl-Verein unicrhal tenen Kindergärten. Zunächst sprach sie im allge meinen ihre Ansicht über die Kindergartenfrage aus und meinte, daß diese erst zur vollen Anerkennung gelangen könne, wenn die Familie, Vater und Mut ter, ein Verständnis über den Wert oer Kinkcrgirten erziehung, so wie Fröbel sie gehandhabt wissen will, hätte. Der Fröbel Verein bemüht sich, die Fröbel schon Prinzipien voll und ganz zu verwirklichen, und will in seinen Kindergärten Anstalten schaffe», in denen die jungen Kinder in naturgemäßer Weise, ihren Kräften und Anlagen entsprechend, mit vollem Verständnis für deren Individualität und mit müt tcrlicher Liebe behandelt und entwickelt werden. — Schließlich verbreitete sich die Berichterstatterin über die vom Fröbcl-Verein gegründete und l>is dahin unterhaltene Anstalt zur Ausbildung weiblicher Dienstboten, sprach von den Kämpfen, die der Vor stano und die unterrichtenden Lehrer bei der Füh rung derselben zu bestehen Hütten, und legte dabei dar, dasi dieselbe in jedem Jahr eine größere Anzahl von Schülerinnen aufzuweisen hab«, so dasi die Zahl derselben in den letzten Jahren bis auf 60 gestieg n sei. — Al>o arbeitet oer Fröbel-Vcrein seit 40 Iah ren durch dl« Führung einer solchen Anstalt, in der junge Mädchen aus dem einfachen Bürgcrstandc silt lich erzogen und zu einem dienenden Berufe heran gebildet weroen, im sozialen Interesse und entspricht damit den Anforderungen, die heute an einen WohU tätigkeitsverein gestellt werden. Leipriyer Lelirerinnenvereiu. Die Städtische Carolaschule. Wie alljährlich,, zu Ostern haben sich auch in diesem Jahre für" erwartungsfrohe Leutchen die Türen einer Schule aufgetan, die, wenn man sie von außen betrachtet, den übrigen städtischen Schulen wenig gleicht. Sie liegt an der Ecke der Beethoven- und Harkortstrasic; von ihren Fenstern ieht man direkt in das Reichsgericht Hinern. In großen Buchstaben steht daran zu lesen „Carolaschule". und hier und da hört man, wenn man mit der elektrischen Bahn daran vorbeifährt, wie eine Mutter zu ihrem noch im Flügelkleide dasitzenden Töchterlein agt: „Hier kannst du später einmal Nähen und Schneidern lernen." Und die Augen des Würmchens leuchten auf, und es kann sich nichts Schöneres denken, TklyeschrMK. Der Mlwhvllrvieg von Freiburg. Die schöne Schwarzwaldstadt Freiburg, die die Zentrale des badischen Weinl^andcls bildet, und ihre Umgebung waren an diesen Pfingsten in Heller Er regung. Zn den Rebenlnigcln de» Schwarzwalds und des kaiscrsnihls, an dessen Abhängen der beste Wein Badens wächst, war das kaum glaubhafte Ger lickst gedrungen, da» die Abstinenten einen Einbruch be absichtigten. Und als sich das Gerücht als wahr hcransstellte, da bemächtigte sieh aller Liebhaber eines guten Tropfens und nicht zuletzt der wirt schaftlich interessierten kreise, der Rebleute, Küfer, Kellermeister und Wirte eine tiefe Entrüstung. Da« ist nickst verwunderlich, wenn inan bedenkt, das; nm Freiburg herum Wein im Werte von jährlüN I > Mil lionen Mark gekeltert wird. In erster Linie rührten sich die am Weinbau nnd Wcinbandel interessierten Organisationen: der Oberbadisclie Wcinbanverein, der Ratnrweinbnnverein, die Bereinigung bodisckxr Wein Händler und die knservercinignng Freiburg. Aber auch der Branereivcrband nnd der Wirteverein taten mit. An die Spitze stellte sich der Schntzverband gegen die Abstincinbcuvegnng. Es wurde in die Weinbangemeinden ein vertraulicher Ausruf gesandt mit der Mitteilung, das: die Abstinenten zu Pfingsten eine Versammlung in Freiburg abhallen wollten, ans der sie jeden anständigen Menschen, der noch ein Glas Wein, Bier oder ein Gläschen Branntwein irinke, als Säufer hinstellen würden. Es wurde daran die Aufforderung geknüpft, das; zu dieser Per- lammlnng ans jeder Gemeinde eine grössere An mist Männer, womöglich die .Herren Gemeindcrätc mit dem Bürgermeister an der Spitze, erscheinen möchten, um zu zeigen, dnss sie mit dem Treiben der Herren Abstinenten nicht einverstanden seien Dieser vertrauliche Ausruf siel durch einen Unglück- kchcii Zufall den Abstinenten in die Hände. Sie druckten ihn fein säuberlich ab nnd versahen ihn mit einer Randbemerkung, die sie „Zur Klarstellung" betitelten. Darin führten sie ans, dass der Ausruf einer bedauerlichen Verkennung tatsächlicher Ver hältnisse entsprungen sei und verteidigten ihr Pro granlin nnd ihre Agitation. Zum Schluss wurde der Wunsch ausgesprochen, dass die oberbadisclien Wirte nnd Landlente der Aufforderung des Scknitzvcrbandes folgen nnd zahlreich in der Versammlung ersclreinen möchten, um sich von dem grossen Wert der Be strebungen der Antialkolwlbewegnng zn überzeugen Der Verfasser dieser Klarstellung war oie Freiburger Loge deö Guttemplcr-Ordcns, die dos Flugblatt in der Umgebung der Stadt verteilen liess. Das tat auch seine Wirkung. Am Pfingsttage strömten Scharen von Weinbauern nach der alten Sckstvarzwaldsladt, nm sich die närrischen Menschen, die seinen Wein trinken, einmal aus der Ralfe auznseben. Als der Versammlungsleiter die Scharen Unten in, Saale erblickte, die wein frosten Gesichter, die die berechtigte Entrüstung noch röter färbte, da inockste er wvlst vorausalfnen: .Herr, die ich ries, die Geister, werd' ich nun nicht los! Dass er die Situation wenigstens von Anfang an richtig erfasste, geht daraus lzervor, dass er die Versammlung mit einem .Hinweis ans den .Hansfriedensbrncki-Parogrovlst-n eröffnete. Die ersten Redner der Abstinenten wurden noch verlmlt- nistnassig ruhig angehört. Sie kamen mit ihrem statistischen und anderen« Material angezogcn, woraus die Gegner Goethe nnd Bismarck als Kronzeugen ihrer Ueberzeugung lenclsten liessen. Allmählich bc- «nächtigte sich der beiden kricgsloger aber eine möckr- tige Erregung. Ein Winzer musste durch einen Schutz, mann hinausbesörden werden, ininntenlang war der Redner überhaupt nicht zu verstehen, höchstens seine Zwischenrufer, die ihre Ausdrücke nicht gerade aus kniggcS Umgang mit Meiisclx» wählten. Eine Partei suchte immer die andere nicderzubrüllen, und schliess- lich wurde das Getöse so stark, dass der Vorsitzende die Versammlung schliessen musste. Sind das deutsche Frauen? ll. Hamburg, 29. Mai. Im Tierpark herrscht seit einigen Tagen unter der tapferen Beduinenschar Un- Zufriedenheit, die bisweilen in temperamentvollen, schlagfertigen Meinungsäußerungen zum Ausdruck kommt. Sckuild daran tragen aber nicht die Be duinen, sondern die vielen Hamburger jung-n Frauen und Mäocl;«». die sich geradezu um die Gunst der Beduinen reißen. Wenn man di« flammenden Blicke dieses schönen Geschlechts und dabei di« Ausdauer — sie schleichen unermüdlich stundenlang um die Be- ouinenftätte herum — berücksichtigt, so wird man ver stehen können, dasi die heißblütigen Beduinen diesem reizvollen Spiel nicht länger nriderstehen können und die Gelegenheit, ein bißchen aus arabische Art zu flirt«n, wahrnehmcn. Leider bat dieses Spiel unan genehme Begleiterscheinungen im Gefolge gehabt. Am zweiten Pfingstffeiertag« ist es des schönen Ge schlechts wegen unter den Beduinen zu Tätlichkeiten gekommen, oie das sofortige Einschreiten der Polizei und der Wach- und Schließgescllschaft notwendig machten. Mehrere Beduinen hat man, wie wir hören, bereits nach ihrer Heimat zurückbcsördert. Ob schon die Firma Hagcnbcck in anerkennenswerter Weife Maßnahmen zur Verhütung von derartigen Zwischenfällen getroffen und die Beamten streng an- gewiesen hatte, die den Beduinen sich in zu auffällig«» Weise nähernden Frauen und Mädchen ohne weiteres ans sein Part zu entfernen, haben sich in letzter Zeit solche unliebsamen Szenen, wie vorstehend geschildert, wiederholt. Es ist tief bedauerlich, dasi di« deutschen Frauen, die, was Charakter und Moral anbetrifft, anderen Leuten sonst zum Vorbild dienen, sich so weit herablafsen und ihr eigenes Ich in oen Schmutz ziehe». Noch bedauerlicher aber ist es, wenn Mutter und Tochter, wie es hier der Fall ge-wefen, ein gemein- ;ames Liebeswerben beginnen und sich dabei gegen seitig Konkurrenz macken. Pfui! Wir wollen hoffen und wünschen, daß diese Zeilen dazu beitragen, in gutem Sinne auf die Frauen einzuwirken. Sie mögen sich auf sich selbst besinnen und zur Einsicht gelangen, eh« es für sie und vielleicht auch für ihre Familie zu spät ist. * Fleischvergiftungen. Elbing. 31. Mat. In den Kreisen Elbing und Marienburg haben etwa 60 Erkrankungen infolge von Fleischvergiftung drei Todesfälle gezei tigt. Das verdorbene Rindfleisch war zuerst be anstandet. später aber freigegeben worden, so dasi es in den Handel gelangte. Bier Menschen ertrunken. Bielitz. 31. Mai. Vier Landarbeiter wollten bei der Ortschaft Porombka den durch die Regen güsse der letzten Woche hoch an geschwollen en Solaflusi in einem Nack-en üverqueren. Dieser schlug um und alle vier Arbeiter ertranken. Die Bodenrisse in Traunstein. Traunstein. 31. Mai. Durch den Regen der letzten Tage und die Sommerhitze des Vorjahres haben sich die Bodenrisse erweitert. Etwa 25 Morgen Wald sind durch eine losgelöste gewaltige Erdschicht teils vernichtet, teils gefährdet. In Dürnberg haben die Bewohner ihre bedrohten Häuser verlassen. Zugzusammenstoß. Barmen, 30. Mai. Auf dem Bahnhof Barmen- Rittershauscn stieß heute nachmittag ein von Essen abgelassener Etlzug auf einen zu weit nach der Weiche vorgeschobenen Personenzug. Die Maschine des Eilzuges entgleiste, während die Lokomotive des Person:nzüges schwer beschädigt wurde. Mehrere Insassen oes Eilzuges erlitten Verletzungen. Der Bahnayzt leistete ihnen die erste Hilfe. Der Ma terialschaden ist beträchtlich. Die Sühne. Hildesheim, 31. Mai. Heute früh fand di« Hin richtung des Stallschweizers Jakob Esser statt, der in der Nacht zum 5. Mai 1911 in der Feldmark Mar- tinsbüttel im Kreis« Gifhorn gemeinschaftlich mit zwei anderen Stallschroeizern den Oberstallschweizer Hermann Bullmann ermordet und beraubt hatte. 1000 Mark Belohnung. G Erlangen, 31. Mai. 1000 Belohnung sind ausgesetzt auf Ermittelung des 23 Jahre alten Studenten der Naturwissenschaft Heinrich Hüttenrauch, der am 30. April 1912 von Erlangen aus einen Aus flug nach Nürnberg unternehmen wollte und seitdem verschollen ist. Eine Photographie des H. kann auch in der Kriminal-Expedition des Leipziger Polizei amts eingesehen werden. H. ist ein gewandter Sports mann. 1,76 m groß, von schlanker, kräftiger Gestalt, hat braunes. kurzgejchnittenesHaar, auffallend sonnen verbrannte Gesichtsfarbe und war immer glatt rasiert. Es ist möglich, dasi ihm ein Unfall zugestoßen ist und er sich deshalb irgendwo in ärztlicher Behand lung befindet. Schwere Folgen einer Arzneiverwechslung. Prag. 31. Mai. Zur Vorbereitung der Magen wände für ein« Röntgenifierung erhielt di« Hote- tter»frau Flusser Bariums ulfat verordnet, von der Apotheke wurde ihr jedoch irrtümlich Barium kar- bonat verabfolgt Die Patientin starb, nachdem sie das Mittel genommen hatte. Eine ihr befreundete Frau, di«, ohne leideno zu sein, sich gleichfalls mit Röntgenstrahlen untersuchen lassen wollte und von densselben Medikament nahm, ist schwer er krankt. vonlbenexplofionen. Lissabon, 31. Mai. Durch die Explosion einer Bombe jn der Gloriastraße wurde zwei Personen ver letzt; ein« andere Bombenexplosion in einem Haus am Dom-Pedro-Platz verursachte geringen Sach schaden. Die Polizei nahm einige Verhaftungen vor. Zn« Aellnerausstnnd. New York, 31. Mai. 2000 Kellner und Küchen bedienstete befinden sich im Ausstand, weil ihr« Ge werkschaft nicht anerkannt worden ist. Die großen Hotels und Restaurants find stark jn Mitleidenschaft gezogen. Kunst an- Mllensthsft. * Ei» Bund Deutscher Bühnenschriftsteller wurde in den Pfingsttagen neu gegründet, bemerkenswerter weise sofort mit etwa 80 Mitgliedern. Der Zweck der neuen Vereinigung ist vor allem die Aufsuchung und tatkräftige Förderung noch unbekannter drama tischer Talente: das Organ der Vereinigung ist die Monatsschrift „Der Büynenjchriftsteller". Zu Vor sitzenden wurden die Berliner Schriftsteller Carl Schüler und Dr. Artur Stichler gewählt. * Russisch-deutsches Literatur-Abkommen. Aus Petersburg meldet uns der Draht: Das Justiz ministerium hat einen besonderen Ausschuß eingesetzt, der sich mit der Frage einer Konvention mit Deutsch land zum Schutze der Erzeugnisse von Literatur und Kunst beschäftigen soll. * Münchener Jahresausstellung 1812 im König! Glaspalkst. Jn Anwesenheit Seiner Königlichen Hohert des Prinzen Ludwig von Bayern und der Mitglieder des Königlichen Hauses wird die Aus stellung Samstag, den 1. Juni, vormittags 9 Uhr. feierlich eröffnet. Se. K. H. Prinz Ludwig vertritt Lei der Eröffnung den augenblicklich in Berchtes gaden weilenden Prinzreaenten, den Protektor der Münchener Künstler-Genossenschaft. Um 11 Uhr vor mittags ist Besichtigung der Ausstellung durch die geladenen Gäste und um 2 Uhr nachmittags ist die Ausstellung dem Publikum geöffnet. * Oskar Straus hatte die Absicht, für die dies jährige Saison des Münchner Künstlcrtheaters sein« neue Oper „Dichterliebe", in der Heinrich Heine die Hauptfigur bildet, fertigzustellen. Der Komponist teilt brieflich mit, daß er die Oper in diesen« Jahre nicht mehr fertiastellen kann, so daß die Uraufführung, die für das Münchner Künstlertyeater gesichert ist, auf die nächste Saison verschoben werden muß. * Theaternachrichten. Jn Ilmenau, der alten Goethestadt ist dem Direktor des Luisenthcaters in Berlin, Herrn Hans Ritter, auch in diesem Jahre wieder die Leitung des Kurtyeaters übertragen worden. Mit dem Kurtheater sind die Thüringer Waldspiele — die im Ascherofengehölz stattfinden — verbunden. Direktor Hans Ritter beabsichtigt, im Kurtheater neben allen Novitäten einen besonderen Ibsen- und Hauptmann-Zyklus zu veranstalten. Außerdem kommt noch Wedekind mit „Frühlings erwachen" und Strtnvberg mit „Der Vater" zu Wort. In den Waldspielen gelangt u. o. der Sophokleiche „Oedipus" und „Der eiserne Heiland" von Axel Delmar zur Aufführung. GelüMsoerkeyr. : Georg Iaomatzi t Löhne, dir im Iahcv Ntll gegriindkt« Zigarettenfabrik in Dresden empfiehl» von ihren -Preislagen 1 bt» l0 Pf. pro Lttick als besondere Lpr,ialitäten ihre Marken N t h Blanche ,u 4 Pf. und H a n s o m , u S P s lLtehe Inserat.» v»eorg Iasmahi, tn der ZigarrettcnindcNrric kur, „der alte Iasmapi" genannt, coicrdc 1447 in Nonstanttnopel geboren: er steht, nachdem Deutschland sein »weites Paterland feit ncs« wurde, als deutscher Ltaatsbürger nunmehr feit n>t» mit seinen beide» Löhnen an der Lpihe der Zigarrensabrik Georg IaSmatzi L Löhne Dresden, in deren neu- zeitigem, twgiemsch musterhaftem Grokbetrieb die tcirki'che ;-Ztgar«ttensabrikation gepflegt wird. 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