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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.06.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120605029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912060502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912060502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-05
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Seiten vss Wichtigste. * Die Wahlkrawal lc in Belgien dauern an. (S. Ausl.) * Der englische nationale Trans portarbeiter verband beschloß, den na tionalen Streik zu erklären, salls nicht ein gemeinsames Schied samt errichtet werde. (S. auch Ausl.) * Das portugiesisckle Ministerium beschloß, zurückzutreten. Die Demission wurde dem Präsidenten heute unterbreitet. (S. auch Ausl.) * Das Luftschiff „2. Hl" ist in Hamburg zu einer Nordseesahrt aufgestiegen. (Siehe Sport.) Fabrik unü Ssnümerk. Im Reichsamte des Innern sand am 3. Juni d. I. eine Besprechung statt, an der Vertreter des Bundes der Industriellen, des Zen tralverbandes Deutscher Industriel ler, des Deutschen Handelstagcs sowie Vertreter des Zentral-Ausschusses der ver einigten Jnnungsverbände Deutsch lands, der Deutschen Mittel st andsvcr- einigung und des Deutschen Handwerks und Gewerbe kammertages tcilnalMen. Den erstell Gegenstand bildete die Beratung über die Frage der Abgrenzung von Fabrik und Handwerk. Es l-errscht Uebereinstimmung darüber, daß die Schaffung einer einheitlichen Instanz zur Entscheidung dieser Frage wünschenswert ser. Da bei wurde der Frage nähergetreten, ob hierbei die Mitrvirkung oder doch gutachtliche Anhörung von fachkultüigeu Vertretern des Handwerks und der Industrie vorzuschreiben fei und ob die End- sclMdungen grundsätzlicher Bedeutung, die von dieser Instanz gefällt wurden, zu veröfsentliäjen seien, um als Unterlage für die Entscheidung ähnlicher Fälle dienen zu können. Ferner sand eine Aussprache über die Frage der Einrich tung von gemeinschaftlichen Prü fungsausschüssen für Fabrik- und Handwerkslehrlinge statt. Der zweite Punkt der Tagesordnung betraf die Frage der Heranziehung der In dustrie zu den Ko st en der Ausbildung derHandwerkslehrlingc. Es wurde zu nächst die Hül)e der Aufwendungen, die von den .Handwerksorganisationen zum Zweck der Ausbil dung der Lehrlinge zurzeit gemacht werden, be sprochen. Dabei kam die Ueberzeugung zum Aus druck, daß es zweckmäßig sei, die Frage der Beitragsleistung der Industrie zu den Aufwen dungen des Handwerks für die von ihm zu erfül lenden Aufgaben weniger in den Vordergrund zu stellen, dagegen das Zusammenwirken der In dustrie und des Handwerks auf den beiden Inter essengruppen g e mc i n s ch a f t l i cb e n Betäti- gungsgcbieten in erster Linie zu betonen. In dieser Hinsicht wurde es als wünschenswert an erkannt, daß die vertretenen Korporationen bei den ihnen angeschlossenen Einzelorganisationen, insbesondere den Handels- und Handwerkskam mern, auf eine häufigere, periodisch wieder kehrende gemeinsame Beratung dieser Punkte hin wirken möchten. Die Beratung des 8 100 g der Gewerbeordnung wurde einer späteren Verhand lung Vorbehalten. Nach üer Abstimmung im ungarischen Nb gemünetenhsule Um den ans Anlaß der gestrigen Vorgänge im un garischen Abgeordnetenhaus in Pest drohenden Kra wallen wirksam zu begegnen, hat der Pester Ober stadthauptmann bekanntgegeben, daß die Polizei und die übrige bewaffnete Macht, salls Demonstranten Verwüstungen anrichten sollten, mit größter Energie austreten werden. Die bewaffnete Macht werde, falls sie dem geringsten Angriff aus gesetzt sei, nach einem warnenden Trompetensignal sofort mit der Schußwaffe die öffentliche Ord nung rviederherstellen. Ein« weitere Meldung besagt: Pest, 5. Juni. In den Straßen der Stadt pa trouillierten bis in die späten Abendstunden Mi litär, Gendarmen und Polizisten. Die wichtigsten Plätze waren von Truppen besetzt, doch wurden keinerlei Menschenansammlungen ge» meldet. Um ^8 Uhr abends meldete der Ober stadthauptmann dem Ministerpräsidenten, daß die Ruhe nirgends gestört worden sei. Es ist überhaupt auffallend, mit welcher Teilnahm- losigkeit das Publikum di« Nachrichten von den Vorgängen im Abgeordnetenhaus-: ausgenommen hat. Da «s in der letzten Zeit zu Angriffen auf Polizei und Militär gekommen war, und auch mehrfache Plünderungen vorgenommen worden waren, ließen di« Polizeibehörden verkünden, daft alle Haustore, Restaurants und TafLs auf An ordnung der Polizisten bei Tag oder Nacht sofort zu schließen seien. Das Tragen von Schußwaffen wurde auf das strengste verboten. Das Verhalten der Opposition. Der Abgeordnete GLza Polonyi hat nach dem „B. T." namens der Opposition Strafantrag gegen den Ministerpräsidenten und den Grafen Tisza wegen Urkundenfälschung und Verletzung der persönlichen Freiheit der Abgeordneten gestellt. Bei seinem Vorgehen gegen die Opposition stützt sich der Präsident Graf Stephan Tisza formell auf einen Paragraphen der Geschäftsordnung aus dem Jahre 1848. Nach dieser Bestimmung hat der Prä sident Les Hauses dafür Sorge zu tragen, daß dem Haus Ordnung und Ruhe gesichert werden. Mit welchen Mitteln dies geschehen soll, ist im einzelnen nicht gesagt, hingegen heißt es, daß er sich auch der Nationalgarde bedienen kann. Da die Garde seit 1848 nicht mehr besteht, bedient sich Graf Stephan Tisza der Polizei. Der verhaftete Ab geordnete Tzuhaj ist w»ch einem Verhör auf L«r Stadthauptmannschaft wieder freigelasfen worden, doch wurde der Fäll der Staatsanwaltschaft über geben. Ein weiteres Telegramm meldet: Pest, 5. Juni. Der Abgeordnete Czuhaj, einer der von der Polizei aus dem Saale geschassten Ruhe störer, der vor Erregung ohnmächtig wurde, hatte sich vor der Polizei unter der Beschuldigung zu ver antworten, daß er im Sitzungssaale dem Polizei- Oberinspektor einen Kopfhieb versetzt und ihm die Mütze vom Kopfe geschlagen habe. Bei seiner Vernehmung erklärte der Abgeordnete unter Berufung auf seine Immunität als Abgeord neter, er verweigere jede Aussage, werde aber im Abgeordnetenhause von der Verletzung der Im munität Mitteilung machen und gegen die Polizei strafan,zeige wegen Mißbrauchs ihrer Amtsgewalt erstatten. Der klerikale Wshlerlalg in Belgien. An die eben vollendeten allgemeinen Wahlen für die belgische Kammer hatten die koalierten Oppo sitionsparteien, vor allem aber die Liberalen starke Hoffnungen geknüpft. In einem Optimismus, der sich auf die im Oktober siegreich gegen die Klerikalen durchgeführten Kommunalwahlen stützte, erwartet« der Liberalismus nichts weniger als eine vollkom mene Beseitigung der klerikalen Herrschaft und «ine neue liberale Periode. Theoretisch hatte er zu dieser Zukunftsauffassung auch berechtigten Anlaß. Seit im vergangenen Jahre Schollaerts Schulreforment wurf die gesamte Opposition zu gemeinsamem Wider stand auf den Plan «rufen hatte, war die Notwen digkeit eines Wahlrprtells zwischen Liberalen und Sozialisten bewiesene Sache und der Glaube an seine Wirksamkeit bei allen Antiklerikalen festgewurzelt. Und der Glaube allein sott ja Berge versetzen können. Doch die Wahlergebnisse beweisen das Gegenteil. Die klerikale Partei hat einen glänzenden Wahlsieg er fochten. Nach dem offiziellen Ergebnis verlieren die Katholiken einen Sitz nnd gewinne« 16. die Liberalen gewinnen 8 «nd verlieren 5 Eitze, die Sozialisten gewinnen einen und verlieren 4 Sitze. Im ganzen «nrdeu gewählt: 1V1 Katholiken, 44 Liberale, 30 Sozialisten und 2 christliche Demokraten. Div Zahl der Kammerfitze ist, wie hier nochmals betont sei, von 166 auf 186 erhöht worden. Aus dieser Vermehrung der Sitze erklären sich die hohen Ziffern der Gewinne. Die Wahlkrawalle. Brüssel, 5. Juni. In Brüssel zertrümmerten Teilnehmer an der regierungsfeindlichen Kund gebung mehrere Straßenbahnwagen sowie die Fenster einer Kirche in der Hauptstraße Rue de Neuve. In Lüttich sprach der Sozialistenführer van de Velde, forderte die Arbeiter zur Ruhe auf und erklärte, er werd« sich beim Bürgermeister verwenden, daß die Truppen zurückgezogen werden. In Verviers ist einer der gestern von Schüßen der Gendarmerie ver letzten Arbeiter im Spital gestorben. Ein weiteres Telegramm meldet: Brüssel, 5. Juni. Infolge der bedrohlichen Nach richten, welche namentlich aus den Jndustricbezirken entlausen, hat die Regierung weitere 5 Res-rvejahr- gänge unter die Fahne gerufen, so daß jetzt im ganzen 8 Jahrgänge einberusen sind. Die Lage in Marokko. Der Erfolg Eourauds hat di« Lage um Fez wieder gebessert. Dem „Matin" wird gemeldet, daß eine Harka etwa 20 Kilometer nordöstlich von Fez sich selbst gebildet habe, die zumeist aus Djeb Uleds uno den Trümmern der in die Flucht ge schlagenen Harka bestehe. Mehrere Stämme, die an dem Kampfe am 1. Juni teilgenommen haben, sandten ihre Kaids ab, um Pardon zu erbitten. Nach einer Meldung aus Fez hat Muley Hafid dem Obersten Gouraud persönlich seine Glückwünsche ausgesprochen und ihm einen reich mit Gold und Edelsteinen verzierten Säbel zum Geschenk gemacht. Der Sultan und der Ge sandt« Regnault werden am Donnerstag ab reisen. Die militärische Eskorte besteht aus zwei Bataillonen und einer Eskadron. Die Ankunft des Sultans in Rabat ist am 11. Juni in Aussicht ge- nommen. Regnault verläßt den Sultan in Sid» Geddar und begibt sich nach Larrasch. * Erne spanische Trupprnabkeilung von Lisleuten überfallen? Nach einer Meldung der „Action* aus Algier hat der Kundschafterdienst de« Oberste» Siraudot i» Gercif am linken Mulujauser die Nachricht er halten, daß die Rifleute etwa 20 Kilometer von Taurir entfernt einen spanischen Posten über rumpelt und teils »iSdergemacht, teils gefangen genommen haben. 12 Offiziere und 80 Manu sollen getötet wordeu sein oder vermißt werden. O- Die deutsch-franlösrsche Lonrrogren rr. Pari», 5. Juni. Wie offiziös verlautet, wird di« Regierung demnächst eine Krsditvorlage zur Be streitung der Kosten für die Bestimmung der neuen französisch-deutschen Kongogrenze einbringen. Die mit dieser Arbeit betraute Mission, di« ein« etwa fünftausend Kilometer lange Grenze festsetzen soll, wird aus elf Offizieren, sechs Unteroffizieren, zwei Aerzten und zwei Funkentelegraphisten bestehen. An Ort und Stelle angslangt, wird sich die Mission in zwei Gruppen teilen, von denen die eine die Ab grenzungsarbeiten zwischen dem Atlantischen Ozean und der Vereinigung des Likwala- und des Mosiaka- Flußes mit dem Kongo, die andere die Arbeiten zwischen dem letzteren Punkte und dem Tschadsee durchführen soll. Deutscher Dentilten-Kongretz. Danzig, 4. Juni. Der Kongreß ist von Delegierten fast sämtlicher 37 deutscher Landes- und Provinzialvereine der Den tisten besucht. Nach einer eingehenden Sitzung des A, SeimiiAe Liede. Roman von Konrad Remling. (Nachdruck verboten.) Zwölftes Kapitel. Wochenlang hatte Georg gezögert, und dann hatte er sich doch entschloßen: er mußte Hanna wiedersehen. Mit seiner Mutter wagle er .nicht darüber zu sprechen: er hatte damals die Vermittlung abgelehnt, und sie selbst war nicht mehr darauf zurückgekommen. Aber vorbereiten wollte er sie wenigstens. „Ich fahre in den nächsten Tagen einmal nach Berlin" — bemerkte er eines Morgens beim Früh stück — „du hast doch di« Adresse von Hanna Warnow? Vielleicht suche ich sie bei dieser Gelegenheit auf und höre einmal, wie sic über einen Besuch bei uns denkt." Frau von Helldorf war einverstanden damit. „Ich habe absichtlich nicht mehr davon gesprochen" — entgegnete sie —, „du hattest damals Bedenken, und ich glaubt« auch, es wäre dir nicht recht." ,La, Mutter — aber nun sind schon fast andert halb Jahre vergangen seit Rudolfs Tod — einmal muß auch sie ja vergeßen lernen." Er wunderte sich selbst darüber, wie ruhig er jetzt von Hanna und Warnow sprechen konnte. Dann war er abgereift, hatte sich in B .lin ein wenig umgesehen und war schließlich zu H^una ge gangen, ohne sich vorher anzumelden. Er traf sie nicht zu Hause; sie war ausgegangen, mußte aber jeden Augenblick zurückkommen, wie das kleine Bedienungsmädchen versicherte, das ihm ge öffnet hatte. Da das Mädchen trotzdem zögerte, ihn einzulaßen, nannte Georg seinen Namen und fügte hinzu, daß er ein alter Freund der gnädigen Frau sei. Noch immer unschlüssig, fragte sie mit der halb schlauen, halb naiven Ungeschicklichkeit des Großstadtkindes, woher er denn Frau von Warnow kenne. Und erst, als Georg nun den Namen Denzin nannte, den das Mädchen zu kennen schien, durfte er eintreten. Sie ließ ihn allein in einem Zimmer, dessen Tür sie jedoch nicht ganz geschloßen hatte, und Georg hörte, wie sie sich auf dem Korridor zu schaffen machte, vermutlich um ihn zu beobachten. Ein wenig verstimmt über diesen Empfang, be gann er im Zimmer umherzugehen und musterte di« Einrichtung: hier und da erkannte er eines der alten Möbel aus Denzin; das Ganze war sauber, wohnlich, aber auch sehr bescheiden. Die Tür zum Nebenraum stand halb offen, so daß er auch dahinein einen Blick werfen konnte; es schien das Wohnzimmer Hannas zu sein. Gern hätte er es betreten, aber — so lächerlich es war — er genierte sich vor dem Mädchen. Dann machte er eine sonderbare Entdeckung: Dor dem einen Fenster des Zimmers stand ein kleiner Arbeitstisch, und daraus lag ein großer, plumper Stickrahmen, wie er in großen Fabriken dieser Art gebraucht wird; daneben lagen Wolle, Garn und Seide in Rollen und in den verschiedensten Farben. Hanna arbeitete al>o — und vermutlich für Geld; das konnte man aus der ganzen Art, in der dieser Arbeitstisch hergerichtet war, erkennen. Georg erschrak fast, als er diese Entdeckung machte. Besaß sie denn nicht (Seid genug, nm auch ohne diese Arbeit leben zu können? Sie hatte doch das Gut leidlich günstig verkauft! Es war allerdings schon stark belastet gewesen. Aber sie hatte doch auch noch die Summe aus der Lebensversicherung Rudolfs! Während er noch mit diesen Gedanken beschäftigt war, hörte er den Schlüße! in der Korridortür knacken und gleich darauf ein letse und hastig geführtes Gespräch. Nun kam der Augenblick, vor dem er schon so lang« gebangt und den er doch auch wieder sehnsüchtig herbeigewünscht hatte. Dann trat Hanna ein, zögerte noch einen kurzen Augenblick und ging dann auf ihn zu, während sie ihm die Hand zum Gruß« entgegenstreckte. „Sind Sie es wirklich. Herr von Helldorf? Seien Sie willkommen und nehmen Sie, bitte. Platz." Sie war trotz der sreundlichen Worte reserviert und beherrschte sich so vollkommen, daß Georg weder aus ihren Kesichtszügen noch aus dem Ton ihrer Worte entnehmen konnte, was während dieser ersten Begegnung in ihrem Innern vorgehen mochte. „Ich könnte es mir nicht versagen" — entgegnete er deshalb gleichfalls ziemlich förmlich, ohne daß es ibm jedoch so gut gelang wie ihr — „Ihnen meine Aufwartung zu machen während meines ersten längeren Aufenthalts in Berlin." Auch jetzt ließ Hanna nicht merken, wie sehr ihr diese ungeschickte Einleitung auffiel. „Sie bleiben längere Zeit in Berlin — jetzt, zu Anfang des Sommers?" Nun merkte Georg erst, wie töricht seine Worte gewesen waren; unsicher fuhr er fort: „ Ich ... ja — nein, ich wollte damit nur sagen, daß ich bisher nur selten, auf wenige Tage und stets nur in geschäftlichen Angelegenheiten hier war." „In geschäftlichen Angelegenheiten? So? Sie bewirtschaften doch aber Ihr Gut nach wie vor?" Es lag etwas Fremdes. Kühles, beinahe Abweh rendes in ihrer Stimme, obwohl sie scheinbar inter essiert fragte. „Ja gewiß . . . natürlich! Ich habe sogar" — und nun begann er aufzuatmen, da er endlich einen Gesprächsstoff gefunden hatte — „ich habe allerlei Neues geschaffen in Helldorf. Wenn es Sie inter essiert . . ." „Aber gewiß!" „Ich habe zwei neue Gcsindehäuser gebaut; dann haben wir jetzt ein Krankenhaus in Helldorf — klein und bescheiden natürlich nur. aber cs ist ständig eine geprüft« Krankenpflegerin da und zweimal in der Woche der Arzt zur Sprechstunde." Hanna neigte hin und wieder den Kopf als höf liches Zeichen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Inter esses. „Wie fürsorglich von Ihnen! Und mit den Ernte aussichten steht es hoffentlich gut?" „Ja — soweit sich das jetzt schon übersehen läßt." Er brach ab, versuchte aber sofort wieder ein neues Thema anzuschlaßen. „Ich vergaß übrigens ganz. Ihnen die herzlichsten Grüße von meiner Mutter auszurichten." „Sehr liebenswürdig! Es geht Ihrer Frau Mutter doch gut?" „Danke. Ja. recht gut." Er überlegte einen Augenblick und fuhr dann fort: „Ich komme übrigen« — gewissermaßen in ihrM Auftrage. Meine Mutter hat eine Bitte an Sie." „Es sollte mich freuen, ihr irgendwie gefällig sein zu können Darf ich hören?" „Ja. Es ist nämlich — vorausgesetzt, daß es Ihnen eine Freude machen sollte" — er sprach in abgerißenen Sätzen und senkt« immer wieder den Blick, sobald sich ihr« Augen begegneten — „Mutter würde sehr glücklich sein, wenn Sie einige Wochen in Helldorf verleben wollten. Sie spricht schon lange davon, und es ist eigentlich nur meine Schuld, wenn wir Sie nicht schon früher darum baten — insofern nämlich meine Schuld, als — es war diese ganze Zeit über etwas unruhig und — ungastlich bei uns. Sie verstehen ja. Die Bauarbeiten, die vielen fremden Menschen und alles, was dazu gehört. Jetzt sind wir jedoch damit fertig und — es würde wirk lich eine große Freude fü: uns sein." Er schwieg und schien mit einer gewißen ängst lichen Besorgtheit ihre Antwort zu erwarten. Hanna hatte den Kopf zur Seite gewandt und strich nachdenklich mit der Rechten über die Tischdecke, während eine kaum merkliche Falte zwischen ihre Brauen trat. „Sie wollen vermutlich bald Ihre Sommerreise antreten?" fragte sie mit deutlicher Betonung, daß sie ihn allein damit meinte. Georg begriff sofort den Zusammenhang und ent- gcgnete noch unsicherer als zuvor: „Ich wollte — nein, ich gedachte diesen Sommer auf dem Gute zu verleben. Unsere märkische Heimat ist ja so schön — gerade in den stillen, warmen, ver träumten Sommerwochen. Ich war im vergangenen Sommer — eigentlich schon im Frühling mehrere Monate auf Reisen." Wieder brach er ab. Das Unnatürliche dieser ganzen Unterhaltung wurde immer unerträglicher für ihn; er kühlte sich unfrei und geradezu unehrlich bei jedem Worte, das er sprach. Ein paarmal war es ihm, als müsse er aufspringen und diese lästige Maske vom Gesicht reißen, aber dann sah er die stolze, zurückhaltende Ruhe Hannas und bezwang sich wieder. Nun wartete er immer noch auf ihre Antwort; wenige Sekunden mochte sie nur gezögert haben, und doch kam es ihm unsagbar lange vor. „Es ist sehr freundlich von Ihnen", entgegnete sic endlich mit nicht ganz so klarer Stimme wie zuvor und noch immer die Decke glättend, „und ebenso von Ihrer Mutter — aber ich befürcht«, ich werde eine schlechte Gesellschafterin sein; ich bin sehr unge- sellig geworden in letzter Zeit." .Menn es das allein ist, Frau Hanna —" Georg machte einen schwachen Versuch. harmlo» zu lächeln und schwieg dann wieder. , sFortsetzrmg in der Morgenausgabe.)
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