Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.07.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120702025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912070202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912070202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
- Img 9-10 Seiten vertauscht
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-02
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sette 2. Nr. S3S. los. Iahrgrms. daß d«r höchste Punkt der Maschinen so tief unter der Wasserlinie liege, daß di« g «sa m t e M a sch i n e». an lag« al, unverletzlich gelten könne. Wei ter sagte der österreichische Marinekom. Mandant in einer Reoe, die er vor den Delega tionen zur Begründung seines Schiffbauplan» hielt: „Der jetzt herrschende Zustand unseres hastenden und drängenden Zeitalters des Fortschritte läßt den über stürzten Bau von Schiffen nicht empfehlenswert er scheinen. Balo wird der Uedcrgang von den Tur binenmaschinen zu den Schwcrölmotoren erfolgen. Die Marine, die sich als erste den neuen Antrieb nutz bar macht, gewinnt einen gewaltigen Vorsprung, >o das; das durch den beschleunigten Bau von Dread noughts erzielte llebergewicht dann leicht verloren gehen kann/' Schließlich seien noch die Ausführun gen des Chefingenieurs der amerikani schen Marine wiedergegeben. Er befürwortet energisch einen weitgehenden Ersatz oer Kohlen durch Oelseucrung. Äusser grösserer Hcizkrast, bequemer Brennstossübernahme und leichterem Dampsl)alten führt er u. a. folgende Vorteile auf: 1. Die Durchbrechungen des Schiffskörpers für Kohlcnschüttcn und Aschejektoren fallen fort; 2. die Rauchentwicklung ist leicht zu regeln; 3. bei längeren forcierten Fahrten tritt kein Gcschwinoigkcitsaöfatt ein; 4. Gewicht und Platzbedarf der Kessel werden geringer, da für gleiche Leistung eine kleiner« Heiz fläche genügt und die Räume zur Bedienung der Feuer verkleinert werden könnten; 5. die Reinhal tung de, Schiffes wird bedeutend erleichtert und da durch Zeit für militärisck)en Dienst gewonnen; 6. die mechanische Zuführung des Heizmaterials zu den Kesseln gestattet eine schnelle und gute Regelung der Dampserzeugung, die sich einem plötzlichen Wechsel der Dampferzeugung leichter anpassen lässt, wodurch ein taktischer Vorteil erzielt wird; 7. das Heizer personal kann erheblich verringert werden. Die Münchener Ltuüentenlchsft getzen öle Nullen. Milden, 1. Juli. An einer von einigen tausend Studenten besuch ten Protestversammlung nahm die Münchner Stu dentenschaft Stellung gegen das rücksichtslose Vor gehen ausländisckxr, besonders russischer Studenten und gegen die Bevorzugung derselben an den deut schen Universitäten, insbesondere in der medizinischen Fakultät. Rach einer lebhaften Diskussion wurde einstimmig eine Resolution angenommen, in der gegen das anmassende und unkollegiale Verhalten der Russen, sowie gegen deren teilweise nicht unbedenk liche Handlungen gegen das Eigentum und die sitt liche Ordnung energisch protestiert wird. Es wird gefordert, dass die Zahl der studierenden Russen nicht nur allgemein für die Universität, sondern speziell für die medizinisck)e Fakultät auf 3 Prozent beschränkt wird. Die fernere Aufnahme von Russen soll von einem amtlich beglaubigten Reifezeugnis abhängig gemacht werden, das mindestens den für Reichs deutsche gestellten Aufforderungen entspricht. Die Aufnahme an der Universität und die Zulagung zur Doktorprüfung ist von der Ablegung einer Prüfung in der deutschen Sprache abhängig zu machen. 20. Bunüestsy üeutlcher Gastwirte. Im Beisein des Oberbürgermeisters Geheimrat Dr. v. Schuh und zahlreicher anderer behördlicher Vertreter wurde in Nürnberg der diesjährige Bundestag der mittel- und süddeutschen Gastwirte leipziger Tageblatt ftd«n-ou»gad« eröffnet. Dr. v. schuh begrübt« die Tagung und sprach über die wenig erfreuliche Lage des Gastwirts gewerbe». Die zwingende Notwendigkeit, sich zu or- ganisieren. um al» geschlossenes Ganzes für die Inter essen des Standes zu kämpfen, mache sich besonders bei den Gastwirten fühlbar, denn diese haben außer den allen andern Gewerbetreibenden gemeinsamen Abgaben noch besondere Lasten zu tragen. Nachdem Herr v. Schuh noch der sozialen Fürsorge des Bundes mit anerkennenden Worten gedacht hatte, schloß er mit den aufrichtigen Wünschen für den gedeihlichen Erfolg der Tagung. Das Abkommen der Deutschen Tonsetzer-Genossen schaft führte zu einer sehr lebhaften Aussprache. Der Bundesvorstand stimmt mit dem Deutschen Gast wirteoerband überein und emvfichlt allen Mit gliedern den Beitritt zum sogenannten Empfehlungs vertrag. Die vergleichende Zusammenstellung der Gc- sck.äffsergebniste der D. T. G. seit ihrer im Jahre 1904 erfolgten Gründung spricht für sich selbst. 1904 be trug die Gcsamteinnabme 03143 1911 dagegen 397 978 .tt. Hiervon wurden 315 537 an die Autoren verteilt. Was die Organisation anlangt, so bedeutet der mitgeteilte Beschlust des Bundes nichts weniger als die geplante Verschmelzung der beiden grosten Kor porationen zu einem einheitlich geleiteten Verbände. Der Dundesoorsitzende Rudolf Kämpf sLeipzigs und der Vorsitzende des Deutschen Eastwirteverbandes A. Ringel (Berlins gaben ihrer beiderseitigen per sönlichen Zustimmung und der Hoffnung Ausdruck, dast der im Jahre 1913 in Berlin stattfindende All gemeine Deutsche Gastwirte-Kongrest den Gedanken zur Tat verwandeln werde. Die Errichtung von Gastwirtckainmern wurde vom Bunde ebenfalls als zeitgemäss und dringend be zeichnet. Sllk- unü perillnalvschrichten. Ter Kaiser mit dem b "n ' l I 9 <- r t und der Prinzessin Viktoria Luise trafen heute früh 7,4V Uhr mittels Sonderzuges auf dem Danziger Hauptbahnhofe ein. Zum Empfange erschien die Kronprinzessin in der Uniform ihres Dragoner-Regiments. Die Allerhöchsten Herrschaften begaben sich mit Gefolge nach dem grosten Exerzier platz bei Langfuhr. Im ersten Automobil nahmen der Kaiser, Prinz Adalbert, die Kronprinzessin und Prinzessin Viktoria Luise Platz, die die Uniform ihres Leibhusaren-Regiments angelegt hatte. * Der Kaiser hat durch den Gesandten von Bülow dem in den Ruhestand getretenen Bürgermeister von Hamburg O'Swald sein Bildnis mit eigenhändiger Unterschrift über reichen lassen. — Der Reichskanzler sandte folgendes Telegramm: An dem Tage, an dem Eure Magni fizenz von Ihren Aemtern, die Ihnen das Vertrauen Ihrer Mitbürger übertragen, mit Rücksicht auf die zunehmende Altcrsbürde zurücktreten wollen, drängt es mich, der hohen Verdienste zu gedenken, die sich Eure Magnifizenz um das Wohl nicht allein Ham burgs, sondern des gesamten deutschen Vaterlandes erworben haben. Mit lebhaftem Bedauern, i-ie nunmehr aus Ihrer bisl-erigen Wirksamkeit aus dem Amte scheiden zu sehen, verbinde ich den auf richtigen Wunsch, dast Ihnen nach langer erfolg reicher Arbeit reiche Jahre glücklicher, ungetrübte: Muß»' chiffchieLen sein mögen. ' . Verliehen wurde dem OLerrrgierungsrat Günther von Tzirn-Terpit in Merse burg der Rote Adlerorden 2. Klaff« mit Eichen laub, dem Generalmajor Aul er, Inspekteur der 1. Ingenieurinspektion, der Stern zum Kronenorden 2. Klaffe, Oberst von Voigts-Rhetz, Kom mandeur des S. Earderegrments, der Kronenorden 2. Klaffe. Deutsches Keich. Ter neue Landcs-Gewrrbcinspektor. Tre»drn, 2. Juli. Tie mit Zustimmung der Ständckammer errichtete Stelle eines LandeS-Ge« werbcinspekrors, der seinen Tienstsitz im Ministerium des Innern hat, ist dem Rcgicrungs- und Gewerbe-, rat Friedrich August Krantz in Frank» furt a. O. übertragen worden. Ter Genannte, im Jahre 1803 als Sohn des VrandversicherungSober- in'pektors August Arantz in Annaberg geboren, bc- zog nach dem Besuche der damaligen Realschule 1. Ordnung seiner Vaterstadt die Bergakademie Frei- berg, legte 188V nach vollendetem Studium die Ab schlussprüfung als Hütteningenieur ab und war dann kurze Zeit in der staatlichen Halsbrückner Hütte, lster» auf im Stahl- und Walzwerke der Gutehosfnnngs- hüttc zu Oberhausen im Rheinland als Betriebs chemiker, im Hochofenwerke zu Wissen a. d. Sieg als Chemiker und Betriebsassistent und endlich auf dem Hochosenwerk der Gutchofsnungshütte als Betriebs assistent praktisch tätig. Im Jahre 1894 trat er in den preussischen Gcwcrbeaussichtsdienst, war zu- nächst Assistent bei der Gewerbeinfpcktion Hagen, dann Gewerbcinspektor in Kattomitz in Oberschlescen, hieraus gcwerbctechnifcher Hifsarbeiter bei der Ne- gicrnna in Oppeln lind zuletzt Rcgierungs- und Ge- werbcrat bei der Regierung in Frankfurt a. O. Krantz wird zu den hervorragendsten deutschen Ge» werbcaussichtsbcamten gezählt und hat sich auch literarisch betätigt. Er veröffentlichte Aufsätze über das Kinderschutzgesetz, über das Zündholz, über die Bundesratsverordnung den Betrieb der Anlagen der Grosteisenindustrie betreffend und deren Durch- führung sowie über die galizische Erdölindustrie, und eine wertvolle größere Schrift: „Die Entwickelung der oberschlesischen Zinkindustrie in technischer, wirt schaftlicher und gesundheitlicher Hinsicht". Ter neue Landcs-Gewerbeinspektor ist zugleich Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern mit dem Titel und Rang eines OberrcgicrungSrates. Ein neuer Spionagefall? Kiel, 1. Juli. Die Polizei verhaftete heute in einem hiesigen Hotel eine Person, die im Verdacht steht, Spionage getrieben zu haben. Worin die Straftat besteht und wer die verhaftete Person ist, wird von der Polizei geheimgehalten.—Die „Braun schweigische Landeszeitung" meldet: Zuverlässigem Vernehmen nach ist von dem verhafteten russischen Spion Nikolski ein teilweises Geständ nis abgelegt worden unter Preisgabe der Namen deutscher Mitschuldiger. (?) Bevorstehende Entscheidung über die Versicherung», pflicht der städtischen Lehrerinnen. Berlin, 2. Juni. Obwohl die neuen Bestimmungen der Reichsversicherungsord- nung überi die Invaliden- und Hinte» bliobencnversicherung bereits mit dem 1. Ja nuar d. I. in Kraft getreten sind besteht noch immer eine Meinungsverschiedenheit über die Bersichernngspflicht ch^r,im Kommunaldienst angestellten Lehrerinnen. Das Gesetz bestimmt, dast -ic in.einem Gcinekndcverbanb Beschäftigten versicherungsfrei sind, wenn ihnen Anwartschaft auf Ruhegeld im Mindestbctrage der Jnvaliden- vtensta-, L. 3uU 1912. rente nach den Sätzen der ersten LohnNasse so wie aus Witwenrente und aus Waisenrente gewährleistet ist. Nack diesem Wortlaut ist es KveifelloS, datz weibliche Angestellte, die nur aut Ruhegeld, aber nicht auf Waisenrente Anspruch haben, nicht von der Versicherung befreit wer den können. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dast Lehrerinnen fast niemals Kinder hinter lassen, welche auf die Waisenrente der Hinter bliebenenversicherung Anspruch haben. Deswegen würde die Versicherungspslicht für die Lehre rinnen Aufivendungen verursachen, die zu dem Nutzen in keinem Verhältnis stehen. Eine Reichs versicherungsanstalt hat aus diesem Grunde be reits grundsätzlich die Lehrerinnen mit solchen kommunalen AnstellungSverträgen für vcrsiche- rungssrei erklärt und sich dabei auf die Begrün dung der Reichsversicherungsordnung berufen, in der an einer Stelle ausgeführt wird, dast es eine zwecklose Belastung wäre, jemanden wegen einer entfernten Möglichkeit der Verheiratung zur Beitragsleistuna heranzuziehen. Die Un sicherheit in dieser Frage hat schon Gemeinden veranlaßt, durch Ortsstatut den Lehrerinnen die Hinterbliebcnenfürsorge zuzusichern. Auch auf den Konferenzen des Neichsamts des Innern mit den Ministerjalreferen- ten der Bundesregierungen ist die Frage erörtert worden. Eine Entscheidung dürfte nunmehr bcvorstehen. Ausland. Oesterreich-Ungarn. Vom Abgeordnetenhaus. Wien, 2. Juli. Im Abgeordnetenhaus«: haben ver Alldeutsche und der Deutschnationale Verband Interpellationen über die letzten Vor gänge in Prag eingebracht. — Das Haus trat in die Spezialdebatte über das Budgetprovisorium ein. Im Laufe der Debatte erklärte der Minister des Innern, Freiherr von Heinold, hinsichtlich eines so zialdemokratischen Antrages über die weitere Er höhung der Bezüge der Bediensteten und Arbeiter bei den Staatsbahnen sowie anderer Staatsarbeiter, für das laufende Jahr 17 Millionen Kronen aufzu wenden. Die Regierung müsse offen und loyal er klären, daß sie im Falle der Annahme des Antrages nicht in der Lage sei, das Budgetprovisorium zur Sanktion zu unterbreiten. Die Regierung würdigte die Momente, die für einen stufenmäßigen Ausbau der Maßnahmen zugunsten der Bediensteten sprächen. Der Umfang und Zeitpunkt für derartige Maß nahmen sei jedoch von der weiteren Gestaltung der Finanzlage abhängig. Gegen den vom Ausschuß in das Budgetprovisorium aufgenommenen Para graphen, durch den die Regierung ermächtigt wird, in Jahren einer notorischen Mißernte von Kar toffeln und Mais die Kontingentierung des Brannt weins zu suspendieren oder die Spiritusfabrikation aus Nahrungsmitteln gänzlich zu untersagen, könne die Negierung ernste Bedenken nicht unterdrücken. Eine Suspendierung der Branntweinkontingentie rung wäre mit den Ausgleichsverpflichtungen gegen über Ungarn unvereinbar, weshalb die Negierung schwere Bedenken tragen müsse. Don dieser Ermäch tigung überhaupt Gebrauch zu machen und weshalb sie «ine so weitgehende Vollmacht ablehnen muffe. — Die nächste Sitzung findet morgen statt. — Die stuf üer Rehpirlch. Am besten pirscht es sich, wenn ein ausgiebiger Regen die ganze Natur ringsum gründlich durch feuchtet hat. Die Tropfen von allen Blättern und Zweigen im dichten Bestand« sind den Rehen un behaglich und die Kräuter am Rain und auf der Waldwiese erfrischt und doppelt würzig. Tage, die der ehrsame Spaziergänger verwünscht, an denen Platzregen uno greller Sonnenschein unaufhörlich wechseln, sind wie eigens für den Jäger bestellt. Ich Lenke eines solchen Junitages. Es war ge rade Fronleichnamsfest, und alle Zeitungen klagten ein paar Tage später, daß es so viele Prozessionen verregnet und weißgekleidete Mädchen gewaschen habe. Ich war natürlich mit dem grauen Morgen im Walde und suchte vorsichtig meine Schläge und Wiesen ab. Gegen S Uhr morgens hatte e» zum erstenmal gekracht und ein guter Bock lag eben auf gebrochen vor mir, der ich mich auf einem alten Stock behaglich zum Frühstück einrichtete. Da ging es über mir los, wo dre erbosten Engel alle Schleusen des Himmels zogen. Da» Brot aus der Hand fast schlug mir der Regen, und als ich das nächste halb- rvegs schützende Dickicht erreicht hatte, war es nicht mehr nötig, Unterstand zu suchen, e» war ohnehin kein trockener Faden mehr an meinem Leibe. Die Joppe ausgerungen, der Bock an sicherem Orte auf gehängt, und weiter ging es durchs tropfende Revier. Der ganze Wald war rege; ein Auerhahn saß vor mir im Grase; er ließ sich nicht stören, als ein Sprung Rehe hart an ihm vorüberwechselte; weiter weiter! All meine Rehe traf ich, der ganze Wildstand präsentierte sich. Da, der Wald ist hier im Zickzack von schmalen Wiesen durchzogen, eine Oase Staatswald inmitten großer Gemeinde waldungen, famose Pirschgeleacnheit — was ist das? Braun und groß wie ein Stück Wildbret, aber Stangen zwischen den Lusern, fast schußmäßia; ein Hirsch? Ein Sechser war in der Gegend als Wechsel wild gesehen worden. . . . Nein, aber ein ganz ka pitaler Bock, ganz dunkel am Leibe und mit hoch über die Lauscher ragendem Gehörn. Ucbcr die Wiese ins Kurzholz war er gezogen. Aber der Wald bildete hier eine spitze Zunge, und drüben setzte sich die Wiese fort, und im Frühjahr hatt' ich dort Klee gesät, der üppig aufgegangen war. Der fremde Streuner — bei mir wenigstens hatte ich ihn noch nicht gesehen — hatte sich bier ohne Zweifel schon einmal umgesohen, weil er so direkt auf den Klee lossteuette. Langsam pirschte ich ihm nach. Ich wollte ja eigentlich auf diesem heimlichsten Fleckchen des Reviers nicht schießen, aber solch ein Bock? Da stand er im Klee, vertraut äsend, aber spitz von hinten und kaum vierzig Schritte entfernt; jeden Atemzug konnte er vernehmen. Nach vorn ge bückt, den Kopf im Klee, eifrigst äsend, bot er mir nur die Scheibe für die Kugel. Nein! — Ein kleiner Ruck zur Seite, immer den Kops im Grase, noch einer . . . nun konnte die Kugel hart an der Keule vorbei auch das Blatt fallen — da geht sie hin, und krampfhaft mit den Läufen schnellend rutscht der Bock ein paar Meter in die Wiese hinein. Prompt besorgt! lacht' ich mir im stillen zu und schoo die neue Patrone in den Lauf. Dann stieg ich langsam hiruch und bestellt» in Gedanken ein be sonders schönes Schildchen für dieses Prachtgehörn. Ja, prost die Mahlzeit! Ein Bock lag da, ein braver Bock, aber „mein" Bock nicht. Wo hatt' ich auch nur meine Augen! Ein so alter Bock, ein Bock wie dieser ist nicht so ununterbrochen vertraut, ohne ein ein ziges Mal dazwischen aufzuwerfen und zu sichern. Ich brach ihn recht ärgerlich auf und trug ihn dann zu Nummer eins. Selber sucht ich mir dann eine Ge legenheit, wo man einen Guten schenkt. Ein frischer Trunk nach fünfstündiger Morgen pirsch« mit kurzer Rast, und mit frischer Kraft geht es wieder vorwärts. Unterdes hatte e§ wieder ge- chüttet, als wollten die Wolken mit einmal auf die Lrdc herunterfallen. So ein letzter Nachgruß des euchten Elements erwischte mich gerade noch und orgte dafür, daß ich mich heute nicht lange eines rockencn Wamses erfreuen sollte. Was liegt daran! Ich sah nach den jungen Enten in den Fischteichen im Grunde, auch Rehe wechselten gern auf Len Dämmen. Und dann kam die dritte Sintflut des Tages. Aerger als die zwei vorhergegangenen. Im Städtchen drüben war die Prozession eben ausgegangen und der Herr Pfarrer las das erste Evangelium, da rauschten die Wasser hernieder, löschten die Lichter vor dein Sanktissimum, schwemm ten die Girlanden und Blumen von dem improvisier ten Altar und erstickten den Weihrauch der Mini stranten. Die erschreckten Beter stoben auseinander wie Küchlein, auf die der Habicht stößt. Draußen stand ich, an eine Föhre gedrückt, die Arme vom Leibe haltend, und aus den Aermeln rannten zwei Gießbäche. Dreimal an einem Morgen bis auf die Haut naß, das genügt. Die Regentropfen wurden dünner, da wechselte schon ein Schmalreh über den Damm unter mir. Das Reh sehen — da sah ich in Gedanken auch schon wieder das Mordsgehörn von vorhin, und was ich konnte, lief ich wieder zurück und pirschte ein zweites Mal den Weg der Frühpirsche entlang. Und wenn der Mensch Glück haben soll, dann tappt er mit verbundenen Augen darauf los und stolpert darüber, daß er cs greife: Da stand mein Bock, voll und breit, mitten auf der Wiese, und ich mit dem besten Winde vor ihm, auf einem sorgfältig imstande gehaltenen Pirschpfädcbcn. Ich wollte es recht sicher haben und rückte sachte vorwärts bis zu einer Buchenstange. Nun aber, es mögen an 80 Gänge sein, der schönst« Kugelschuß, nun aber los. Da fröstelte es mich in den nassen Gewändern, dem Regenschauer war ein derber Wind gefolgt, ich streiche mit dem Büchsen lauf an da» Däumchen und lasse fahren der Vock hebt den Grind empor und flüchtet mit ein paar langsamen Sätzen ins Dickicht zurück; er be eilt sich gar nicht sonderlich. Um Gottes willen! Gefehlt? Ich suche im nassen Grase mir die Augen heraus nach einem Pirschzeichen; umsonst! KeinHär- lein, kein winziger Tropfen Schweiß! Es war nicht anders; das Anstrcichen der Büchse an die schwache Buche hatte mir den Schuß verdorben. Wie ich jetzt dem Rückweg antrat! Den Bock sah ick nicht wieder. Hatt' er doch was abbctommcn? Ich hatte tagelang nack ihm ge sucht; war er zurückgewcchsett, von wannen er ge kommen war? Soviel ich danach fragte — in der ganzen Gegend wußte man nichts vom ihm. Nur mir war das Glück, solch einen Staatskerl zu schießen, nahe, und ich hab «s leichtsinnig verscherzt. 0. H. öagrlzsuder. F Zu keiner Zeit hegt der Landmann um seine Feldfrucht eine solche Besorgnis, als gerade im Sommersanfang, wenn das Getreide die ersten Körner angesetzt hat. Ein einziger Hagelschlag kann die ganze Ernte vernichten. Wenn heute Hagelversicherungen und Gelehrte die Ursachen und die Verbreitung des Hagelwetters auf naturwissen schaftlichem Wege zu erforschen suchen, so glaubt der Bauer doch vielfach noch, daß übernatürliche Mächte hier mit im Spiele seien. Wie so viele Erscheinungen in der Natur wird auch das Wetter nach weit verbreitetem Glauben von einem oder mehreren höheren Wesen „gemacht". Böse Geister, Hexen, Teufel und Dämonen sind es, die schlechtes Wetter, Hagel und Blitz schicken, und sie muß man daher ent weder durch Gaben abfinden, durch gute Worte ver söhnen, täuschen oder aber durch Zauber unschädlich machen. So sind denn Zaubersprüche und -Hand lungen bei unserem Landvolk noch sehr verbreitet. Viele davon gehen auf antike Vorschriften zurück, und nach ihnen haben sich neue in analoger Weise gebildet. Bei vielen antiken Schriftstellern lesen wir An gaben, wie man sich gegen Len Hagel sichere. Pausanias berichtet, daß die Bewohner von Methana, einer Lurgfestung in Argolis, den Hagel durch Opfer und Zauberformeln abwenden. In Kleonai, das in der Nähe lag, waren Wächter angestellt mit der Ver pflichtung acht zu geben, wenn ein Hagelwetter drohte. Vermuteten sie Gefahr, dann machten sie Len Bauern Meldung. Diese opferten ein Lamm oder Geflügel. Hatten sie keines von beiden, so ritzten sie sich am Körper, bis Blut kam. Das griechische Sammelwerk über Landwirtschaft — die „Geo- ponica" —, das eine Auslese aus zum Teil ver loren gegangenen antiken Werken über Landbau ent hält und aus Veranlassung des byzantiniscksen Kaisers Konstantinos Vll. Porphyrogennetos im 10. Jahr hundert entstand, enthält in einem Kapitel, als dessen Autor Julius Africanus genannt wird, eine ganze Reihe von Vorschriften über Hagelzauoer. „Wenn von der Haut eines Seehundes", so schreibt er, „ein Riemen aufgehängt wird an einem besonders sicht baren Weinstock, wird kein Schaden entstehen durch den Hagel." Seehunde, deren es in der ältesten Zeit in Griechenland sehr viele gab, waren den späteren Griechen ebenfalls wohlbekannt, blieben ihnen jedoch rätselhafte Tiere, denen man übernatürliche Eigen schaften beimaß. Gar häufig wird der Seehund im Zauber verwendet. Ein Zelt aus seinem Fell schützt gegen den Blitz, und Sueton berichtet vom Kaiser Augustus, daß er immer ein Seehundsfell bei sich ge tragen habe. Am Fell des rätselhaften Tieres haftete also etwas Dämonisches, vor dem sich ihrerseits die Hagcldämonen fürchteten und deshalb nicht in den Weinberg kamen. Di« gleiche Zauberkraft wie das Seehundsfell haben die vor der Haustür auf gehängten Felle «iner Hyäne oder eine» Krokodil«, die beide ebenfalls als dämonische Wesen palten. Ferner soll nach Africanus der „Hagel Vorbeigehen, wenn man der drohenden Wolke einen Spiegel zeigt". Wahrscheinlich soll der in den Wolken sitzende Dämon über sein eigenes Spiegelbild erschrecken, in Angst geraten und sich verziehen. Dämonen kann man von einem Raum auf di« gleiche Weise aus sperren wie Menschen: man verschließt ihnen die Zugänge. Daher gibt Africanus den Rat, „viele Schlüffe! von verschiedenen Zimmern rings um den Ort herum an Stricken aufzuhängen, da dadurch der Hagel Vorbeigehen wird". Der Hageldämon sieht nämlich an den Schlüsseln, daß alle Räume ihm ver schlossen sind. Vor dem Stier mit seinen gefährlichen Hörnern haben die Dämonen Angst; deshalb „stelle man hölzerne Stiere auf den Häusern auf". Wie hier mit den Stierhörnern, droht« man auch sonst den Hageldämonen mit gefährlichen Waffen. Nach Paladius erhob man bei Hagelgefahr „drohend blutige Beile zum Himmel". „Eine Schildkröte von der Art, die man im Sumpfe findet, lege rücklings auf die rechte Hand und trage sie dann auf dem ganzen LVeinberge herum. Wenn du aber herum gegangen bist, dann gehe in die Mitte des Wein berges, lege sie lebend auf den Rücken, häufe etwas Erde an und um sie herum, damit sie sich nicht wenden und weggehen kann, und auf Las Land und di« ganze Gegend wird lein Hagel fallen, wenn dies geschieht." So lautet eine andere Hageloorschrift des Afri canus, die sich auch bei Plinius und Paladius vor- finndt. Die Schildkröte, die schon in den homerischen Hymnen als Schutz gegen Zauber genannt wird, soll hier als magisches Tier die Zauberdämonen ver treiben. Heutzutage regieren statt der bösen Dämonen der Teufel mit seinen Gesellen und die Hexen. Aber es gibt auch noch einen lieben Gott und einen Petrus, die man durch Bitten gewinnen kann, gutes Wetter zu machen! Als ein Dauer des badischen Oberlandes, so berichtet Fehrle, im vergangenen Jahre in die Hagelversicherung eintrat, machte ihm sein gottes fürchtiger Nachbar den Vorwurf: „Hesch (hast) du so wenig Gottvertraue und gosch (gehst) in d' Hagel- oersichering!" Nukrk. Sommerkonzert des „Concordia". Dies ¬ mal hatte Freund Pkuvius ein Einsehen, und so konnte Frau Musika ungehindert unter freiem Himmel lhre Weisen ertönen lassen. Am Anfang ihrer Auftretens verrichteten die Concordianer einen Akt der Pietät, indem sie zu Ehren ihres kürzlich Heimgegangenen Gründers und ersten Dirigenten Os kar Seidel Mendelssohns „Beati mortui" sangen. Alle sonst vorgetragenen Chöre waren dem Nürn berger Plan entnommen. Neu war für hier „Das deutsche Lied" von dem begabten Bremer Dirigenten Ernst Wendel, ein gut aufgebautes, durchgreifendes Werk, das an die Sänger große Anforderungen stellt. Bei dem lebhaften Tempo, das Herr Kantor Häußel durchweg anschlägt, hatten die Sänger keinen leickten Stand, bewältigten aber ihre Auf gabe, soweit sich's eben im Garten macken läßt, durch aus zufriedenstellend. In der Lisztschen Bearbeitung der „Allmacht" von Schubert sang Frl. Else Siegel mit ihrer tragfähigen Stimme das Sopran solo. Hier wie auch im Pilgerchor aus „Tannhäuser" entfaltete der Thor sein bestes Können. Lobend muß vor allem die Tertaussprach« hervorgchobcn werden. Nach dem Pilgerchor sang Herr Max Weck die An sprache des Landgrafen aus „Tannhäuser". Er brachte hiermit einen neuen Beweis, daß sich seine Stimme fortgesetzt zum Besten weiterzucntwickeln verspricht. Die Begleitungen, sowie einige selbständige Vorträge führt« da» Philharmonische Orchester (Herklotzj im allgemeinen gut au». ^r-tur Sellogel.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)