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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.06.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120627025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912062702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912062702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-27
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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Sette 2. Nr. 324. los. Jahrgang. Reichskanzler» ein« Klag» <u»f Schadensersatz wegen Benutzung oo«r Verletzung eines fremden Pa- tente» durch die Militärbehörden gegeben ist. Es haiioelte sich in dem einen stalle um die Be nutzung einer besonderen Kesselkonstruktion für Schisssinaschicncn, welche di« Marineverwaltuna bei Kriegsschiff«': verwendete. In dem anderen Falle war durch allerhöchste Kabinettsorder für die Armee das vom Kläger erfunden« Karabinerfutteral für Armeesättel eingesührt worden. Die Klagen der bei den Erfinder gegen den Retchsfiskus auf Schadens ersatz sind vom Kammergericht zu Berlin wegen Unzulässigkeit dos Rechstweges adgewiesen worden. Has Reichs gericht lnrt aber den Rechtsweg für zulässig erklärt und beide Urteile des Kammergerichis aufgehoben. Hierzu bat das Reichsgericht folgende Entschcidungsgründe gegeben: ist durchaus richtig, das; gegenüber einem Akte der Staatsgewalt eine Nachprüfung der Ge richte nicht stattflnüen kann. Durch die Preukiiche Kabinettsordec vom 4. Dezember 1831 ist aber kei neswegs jeder Rechtsanspruch auvge. schlossen, der sich aus einem Akt der Staats hoheit ergiot. Selbstverständlich müssen die Kläger einen ganz speziellen Rechtsgcund nach- weisen können. Das ist aber hier der Fall, indem sic sich auf 8 5 oes Patengesebcs berufen. Mit dieser gesetzlichen Bestimmung ist für das (siebiet des Preu Nischen Rechts zum Ausdruck gebracht, das, der große Grundsatz des Enleignungsrechts zur Anwendung ge langen soll. Eine Klage gegen den Reichskanzler, er solle die im Patcntgesetz vorgesehen« Verfügung treffen, ist nicht zulässig. Es kommt aber darauf nicht an. Die Tatsache, daß die Patente von der Staatsverwaltung in Benutzung genommen sind, ge nügen, um den Fiskus entschädigungspflichtig zu machen. Der Grundsatz: daß niemand ein Recht auf zugeben braucht, ohne dafür entschädigt zu werden, ist' für das Preußische Recht in 8 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht anerkannt. Dieser Grundsatz kommt hier zur Anwendung. Dies wird im vorliegenden Falle ebenfalls zum Ziele führen. Sind dir Patente vom Staate in Benutzung genom men, so mutz Entschädigung geleistet werden. Es fragt sich nur, ob wirklich die von der Marinsver- waltuna und von der Armee benutzten Erfindungen identisch sind mit den Patenten der Klüger. Das wird das Kammergericht, an welches die Sachen deshalb zurilckverwiösen sind, noch zu entscheiden haben. Der Wilhelmshavener Spianayeprazetz. « Leipzig, 27. Juni. Unter der Anklage des Verrats militärischer Ge heimnisse hatte sich heute der Odersignalmaat Albert Ehlers, geboren am 10. Februar 1883 in Saarbrücken, vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenate des Reichsgerichts zu verantworten. Den Vorsitz in der Verhandlung hat Eenatspräsident Dr. Menge, als Vertreter der Anklagebehörde fungiert Oberlanoesgerichtsrat Dr. Sti tzer, die Verteidigung des Angeklagten hat der Rechtsanwalt beim Reichs- gericht Professor Dr. Ganz übernommen. Zu der Verhandlung sind neun Zeugen geladen, darunter der ehemalige Schutzmann Glautz, der aus dem Zuchthause oorgefiihrt worden ist, wo es, wie schon berichtet, wegen einer Reihe von Ein. bruchsoiebstählen sechs Jahre abzusitzen hat, während sich sein Komplice, der ehemalige Schutzmann Jänicke, ( Leipziger^Tageblatt im Irrenhaus« befindet, ferner der Untersuchung», führende Landgerichtsrat aus Aurich, ein Marine» kriegsaerichtsrat aus Wilhelmshaven, ein Polizei« komnnisar, «in Marinrmaat, ein Gastwirt, ein Schutzmann und zwei Frauen. Al» militärische Sach verständige sind anwesend Korvettenkapitän Mock und Oberleutnant von Trier. Zunächst - teilte der Re. ferent den Grund mit, au» dem der Angeklagte, obwohl er aktiver Militär ist und eigentlich vor das Militärgericht gehörte, dem Reichsgericht zur Ab urteilung überwiesen worden ist. Weil er das Ver brechen der Spionage gemeinschaftlich mit den bei den Schutzleuten Glauß und Jänicke begangen hat, Io hat der Gerichtsherr der zweiten Marineinspek- tion verfügt, daß der Angeklagte dem zuständigen bürgerlichen Gerichte übergeben werde, nachdem die Reichsanwaltschast ecncn dahingehenden Antrag gestellt hatte. Der Beschluß ist am 5. Dezember vergangenen Jahreo gefaßt worden. Der Angeklagte befindet sich in Aurich cn Untersuchungshaft. Der Angeklagte Ehlers gehört der 8. Kompanie der 2. Matrosendivision an: er ist bis jetzt noch nicht bestraft. Der Eröfsnungsbeschlutz legt ihm zur Last, datz er im Jahre 1911 in Gemeinschaft mit den Schutzleuten Glauß und Jänicke Teile des geheimen Stgnalbuchs der Kaiserlichen Marine in den Besitz einer auswärtigen Macht gebrach: hat. Die Ueberweiiung der Anklageiachcn an das Reichsgericht ist auf Grund des Para graphen 4 dec Militärstrafprozehordnung erfolgt. Rach der Verlesung des Eroffnungsbeschlusfes beantragte der Reichsanwalt, die Oefseutlich- lichkeit für die ganze Dauer der Verhandlung aus- zuschließcn; er begründete diesen Antrag in geheimer Sitzung. Der Gerichishof gab dem Anträge im Interesse der Staatssicherheit Folge: der Saal wurdc geräumt. Das Verbrechen, das dem Angeklagten zur Last gelegt wird, soll in Wilhelmshaven und rn verschiedenen Orten des Auslandes begangen worden sein. Oie Unruhen in Mtzamrn. Nach den neuesten Nachrichten aus Sü salbe nien ist dort abermals ein M i l: t ü r t r a n s- Port von den aufständischen Albanesen überfal len worden. Bei dem sich cntspinueiiden Kampf fielen zehn türkische Soldaten. Der Nest dee Transportes flüchtete sich nach Attssion zurück. Fast alle Telegraphenlinien in Südalbanien sind unterbrochen. Auch in Rordalbanien ist die Lage äußerst ernst. Dort sind bei Veletschtrin in der Nähe von Uestiih vier türkische Bataillon« von den Aufständischen vollständig e i n g« s ch I off e n. Die Zahl der Deserteure. Konstantinopel, 27. Juni. Wie jetzt hier bekannt wird, beläuft sich die Zahl der bei Monastir fahnen flüchtig gewordenen Soldaten auf 22ü Mann. Bei ihnen befinden sich Ist Offiziere. Entgegen oer offt- ziös aueaedrückten Erwartung ist bisher noch keiner der Offiziere zurückgekehrt. Bei den flüchtig gewordenen Truppen befindet sich auch «ine Maschinengewehr-Abteilung. Mahmud Schefket Pascha über di« Meutertet in Albanien. Men, 27. Juni. In «iner Unterredung mit dem Korrespondenten sei „Neuen Freien Presse" in Kon stantinopel, äußerte M,. K;ieg«minister Mahn, u ü Schefket Pascha über di« Meuterei in Al ban ien und über die Friedensfrage. Der Minister sagte u. a.: „Im ganzen haben in Albanien zwölf Offiziere und 71 Mann gemeutert. Dir Offiziere Hatzen offenbar unter dem Einfluß der nordakbane. sischen Propaganda die Soldaten durch hie Behauptung verführt, daß die Regierung die e u r o- päische Türkei an «ine fremde Macht verkauft habe. Das Gerücht über die Meuterei bei der D a r d a n e l l e n s l o t t e bezeichnete der Kriegsminister als vollstänoig unbegründet. Der Gedanke des „Tanin", die von den Italienern be setzten Küftenorte von Tripolis und der Lqrenaika den Italienern zu überlassen, sei eine Privat meinung dieses Blatte«. Die türkisch« Nr- gierung könne sie Souveränität von Tri polis niemals preisgeben, weil dies eine Revolution Hervorrufen würoe, die für den Frieden Europas noch schrecklichere Folgen hätte als der bis herigc Krieg." Verfolgung der Deserteure. Konstantinopel, 27. Juni. In Negierungerreisen ist man wegen der Ereignisse in Monastir ernstlich besorgt. Der Platzkammondant von Konstantinopel ist gestern abend mit 150 Soldaten nach Monastir abgereift, um, wie verlautet, gegen die Deserteure vorzugehen. Der Ministcrrat beschäf tigte sich gestern mit den Vorgängen in Monastir und sen Maßnahmen, die die Regierung ergreifen soll. — Der Deputierte Seyid Bei ist wieder zum Füh re: der jungtiirkischen Partei ernannt worden; er verfolgt gemäßigt« Tendenzen. Schwerer Unfall in üer frsnMMen Marine. Toulon, 27. Juni. Während Schießübungen bei Salins d'Hyere» ereignete sich an Bord de» Panzerkreuzers „Jules Michelet" eine Geschütz» explosion, wobei gegen 20 Mann verwundet wurden. Auch an Bord des Panzerkreuzer» „Victor Hugo" wurde gestern, nach einer Meldung de» „Excelfior" au» Toulon, durch den Rückschlag «ine» schwere« G«. schütze» ein Marinesoldat getötet. Toulon, 27. Juni. Die Schießübungen auf dem ..Jules Michelet" verliefen ausgezeichnet. Der Panzerkreuzer war 16 Meilen von Toulon entfernt, als ein Geschütz an Backbord des Achterschiffes zer sprang. Dreizehn Personen wurden verletzt nach St. Mandrie gebracht. Als darauf die Schießübung, der Admiral Sourrieu beiwohnt«, wieder auf. genommen wurde, ereignete sich ein neu«, Unglück, indem eine Flamme zurückschlug, ähnlich wie auf der „Gloire" im September 1911. Hierdurch wurden weitere zehn Mann verletzt, darunter «in Schiff». ' leutnant ünd Ptxi andere Marineoffiziere. Sie er litten schreckliche Brandwunden an den Händen unv im Gesicht. . Einem wurde rin.Arm weggertssen. Das Befinden de» Schiffsleutnants ist sehr ernst. Donnerstag. 27. Juni 1Sl2. Der ministeriell« Bericht lautet: Pari», 27. Juni. Nach einem vom Martnemint» sterrum veröffentlichten Bericht ist die Explosion auf dem Panzerkreuzer „Jules Michelet" in einem Ge schützturm durch die Entzündung einer Kartusche, die in ein Geschützrohr eingeführt werden sollte, ver ursacht worden. Zwanzig Personen wurden ver wundet, fünf davon schwer: einer der Verletzten ist bei der Einlieferung ins Krankenhau, gestorben. Die Ursache de» Unglück». Paris, 27. Juni. Nach anscheinend aus dem Marineministerium stammenden Mttetlungen dürfte das Unglück auf dem Panzerkreuzer „Jules Michelet" ebenso wie Las auf der „Gloire" durch vorzeitiges Entzünden zurückzuführen sein. Ueber Einzelheiten de« Unfall» des Panzer, kreuzers „Jules Michelet" wird folgendes g«m«ldet: Seit einigen Monaten werden auf dem „Jules Michelet", einem der modernsten Panzerkreuzer der französischen Marine fl905 vom Stapel gelaufen), vor Toulon in der Nähe der Hyercs-Jnseln Schieß übungen abgehalten, um die neu «ingetretenen Rekruten im Schießen auszubilden. Gestern morgen waren nun auf dem Panzerturm 5 10 Matrosen mit Schießübungen an einem schweren 16-Zenttmeter- Geschütz beschäftigt. Es waren bereits eine große Anzahl von Schüssen hintereinander abgefcuert worden. Plötzlich explodierte ein Geschoß, als neu geladen werden sollte, vor der Einführung in das Geschütz. Wie verlautet, ist die Explosion des Geschosses auf die Verwendung schlechten Pul vers zurückzusühren. Das Geschoß platzte mit donnerähnlichcin Krach auseinander und hüllte das ganze Schiff in Rau/) ein. All« Umstehenden wurden zu Boden geschleudert. Wie durch ein Wunder wurde aber niemand getötet, während sämtliche auf dem Schiff befindlichen Matrosen zum Teil schwer, zum Teil leicht verletzt wurden. Unter den Verletzten befinden sich auch 3 Offiziere. Eine zweite Explosion. Wie sich jetzt herausstellt, hat sich auf dem Panzer» kreuzer „Jules Michelet noch eine zweite Zu Johann Meürich Jenckes los. Geburtstag am 27. Juni 1912. Neben dem ersten großen deutschen Taubstummen lehrer Samuel Heinicke, Lessen Bild durch die frü here Arbeit Stötzners und die neueren Veröffent lichungen Paul und Georg Schumanns lebendig erhalten worden ist, steht, in anderem Bezug« zur Idee der Taubstummenbtldung allerdings und in mehr lokaler Bedeutung für sachsen Johann Fried, rich Jencke. Heinickes Bedeutung ist weitgehender. Als Erster, der praktisch und thoretisch für die An- bildung der Worffprache im Taubstumm«nuntcrricht eintrat, hat er nicht bloß für Deutschland, sondern für alle Welt gewirkt. Wie sehr uns auch der Geist seiner Zeit bezüglich der praktischen Unterrichtsbetäti gung rn vielem fremd geworden ist und wie mangel- hast von unserem Begreifen aus sein« Darstellung und denkertfch« Rechtfertigung des Begriffes und der Methode des Taubstummenunterrichts erscheint: al» Unvergängliches erkennen und verehren wir an ihm, daß er sogleich das Inner« de, Problem, der Taub- stumm«nbilduna ergriff und mit allen ihm «ig«n«n Kräften um Lösungen der s» vielfältigen Fragen rang. Wie al» Ausgleich zu dieser Erscheinung im begrenzten Gebiete der Erziehung Viersinniger wirkt Leben und Werk Johann Friedrich Jencke», dessen zu gedenken an seinem 100. Geburtstag Anlaß ist. Jenckes Bedeutung liegt auf dem Gebiet, äußerer organisatorischer Fragen im Tanbstummenbildung». wesen. Und, die Rangordnung der Geister wohl er- kennend und Hetnicke in höherer Bahn wissend, in bezug auf die Lösung der rein praktischen Fragen d«r Fürsorge für die Taubstummen gebührt Jencke der Vorrang. Persönliche Begabung für Erziehung». Politik, gültigere Zeiten und Umstände, darunter nicht zuletzt sein lange», mit Gesundheit gesegnetes Leben ermöglichten, daß Jencke verhältnismäßig schnell and sicher zur Erreichung seiner Ziele im Für- sorgewerk« der Taubstummen Sachsen« gelangt«. In napoleonischer Kriegszait, am 27. Juni 1812, wurde Johann Friedrich Jencke in Diessa :n der Oberlausitz geboren. In Uhyst an der Spree verlebte er sein« Jugeiidzett. Seiner guten Begabung entsprechend wurde er zum Lehrerbervf« bestimmt. Di« Vorberei. tung dazu erhielt er von 1827 bi, 1880 auf dem 1825 gegründeten Freiherrlich von Fletcherschvn Lehrer- seminar zu Dresden. Dadurch, daß der erste Direktor diese» Seminar, Franz Ludwig Zahn sich durch Zu. fall und cm» Neigung mit dem Unterricht taubstum mer Kinder beschäftigte, kam auch Jencke in die Bahn dieser Erziehungstätrgkeit. Und was sein Seminar, direktor 1828 mit viel Geschick und Edelsinn begon nen: ein kleines mit dem Seminar verbundenes Taubftummentnstitut, das führt« Jencke mit nicht we niger Umsicht, Zielbewußtheit, Beharrlichkeit und Treue weiter. Nach zehn Jahren voller Hingabe an seinen ihm in tiefster Seel« gemäßen Lsbensberuf«, durch Zeiten schwerer Sorg« und Not, pbor auch treuer Mithilfe edler Menschenfreunde, helfender Fürsorge des sächsischen Königshauses und bereit williger Unterstützung der Behörden hatte Jencke die Freude, 1838 mit seinen Zöglingen in «in eigene» Anstaltsgebäude einziehen zu können. Nur aller kürzest andeutend sei erwähnt, was von dieser Zeit an bi, zu seinem Rücktritt in den Ruhestand Jenckes rastlbser und tätig«! Sinn zum Wohle der Taubstum me geschaffen. 1839 errichtete er das Asyl für er wachsene taubstumm« Mädchen. Aus kleinsten An fängen entwickelte sich diese Beschäftigung»- und Vcrsorgungsanstalt durch Jenckes Bemühungen zu einem in hübschem eigenen Hause befindlichen Heim. 1854 gründete er den Unterstützungsfonds für bedürf, tige Taubstumme. Durch literarische Unternehmun- g«n, durch Geschenke und Vermächtnisse wuchs dies« Kasse bis weit über 10 000 -tz an. Und manches Un glück, manch« Not konnten aus ihren Mitteln gelin dert werden. 1872 wurde durch die Einrichtung der Vorschule in Dresden-Plauen das Anstaltsgebäude entlastet und den kleinen Taubstummen die Möglich keit einer der Familien«rzivhung nahekommeuden Fürsorge zuteil. 1880 erreichte Jencke mit der Ge- brauchnahm« der durch Anbau bedeutend erweiterten Anstalt ein weiteres Ziel bezüglich der Beschulung von Sachsens Taubstummen. Mit der im selben Jahre «rsolgten Fertigstellung und Einweihung der Kapelle erfüllte sich «in Herzenswunsch Jenckes: sei. n«n Taubstummen einen würdigen Raum für ihre Erbcrungestunden zu beschaffen. Wie denn auch aus der in der Dresdner Anstalt gepflogenen Sitte sonn täglicher religiöser Unterweisung der Zögliirge sich die kirchliche Versorgung der Taubstummen im gan zen Land« im Verlaufe der Jahr« weiter entwickelt hat. Mit einem Schüler und einem Lehrer war die Anstalt 1828 gegründet worden. Bia 1878, dem Jahr« der Feier des 50jährigen Bestehen, der An stalt. waren 619 Zöglinge gebildet worden, und am Festtag«, dem 14. Oktober 1878, waren gegen 200 Zögling« in der Anstalt, und gegen 20 Lehrer unter richteten unter Jenckes Leitung. Bei Jenckes Ab. gang, am 31. Oktober 1890, waren diese Zahlen bis auf 240 Schüler und 24 L«hr«r angewachsen. Der Er. folg dieser reichen Tätigkeit von über 60 Jahren fand auch bei den Behörden gebührende Beachtung und Anerkennung. Und Ordens, und Titelvauszeichnun. oen sind dem verdienten Manne zuteil geworden. Seinen Abschied vom Amte überlebte er nur drei Jahre. Er starb im Alter von 81 Jahren am 4. Au gust 1893. Jenckes praktischer und geistia lebendiger Sinn er. möglichte es, daß in seiner Anstalt «in Unterricht», betrieb Billigung und Förderung fand, der mit den Errungenschaften der Zeit Schritt hielt. Vereinseiti. gung lag Jencke fern. Wenn unter ihm in der deut- schen Methode umterrichtet worden ist, so ist dies doch niemal, in dem Sinn« geschehen, daß im Lebcns- prozeß des Verstehens, insbesondere bet ü«r Anbil. düng der Wortsprache, die Gebärde rm Unterricht ausgeschlossen worden wäre. Tine solch« Negation lag dem gefunden Wirklichkeitesinn Jencke» und sei nem nicht nur um die Anstaltszögltnze, sondern auch um di« erwachsenen Taubstummen sich mühenden Tun völlig fern. Genügende denkerisch« Bewältigung, deren Anbeginn wir ja heute erst erleben, oder auf dem Gebiet« der inneren Fragen des Taubstummen, billmngmoesen» in di« Zukunft weisend« Ideen fin den wir bet Jencke allerdings nicht. Al, Kind seiner Zett hat er jedoch auch hierin geleistet, wa, er leisten konnte. Bor allem aber steht der Seelenstnn diese« ganzen reichen Leben« für im» in seiner Rein, heit verehnrng»würdig da. Das Andenken dies«, Manne, im wesentlichen lebendig zu «rhalten, bemüht sich «ine auf Anregung des Direktor, und des Lehrerkollegiums der Dresdner Anstalt h«rausgegSbene und vom König!. Minist«. rium de, Kultu» und öffentlichen Unterricht« ftnan- ziell ermöglicht« Festgabe: Johann Friedrich Jencke» Lebenswerk, die Dresdner Taubstummenanstalt von 1828 bis 1890. Darin ist anschaulich gemacht und in vielem ergänzt, was im vorstehenden nur kurz anzu deuten war. Das Dpmplmn. Ein Apparat, der ein unberechenbarer Segen für den des Augenlichts beraubten Teil der Menich. heit werden kann, ist von dem Physiker Fournier d'Albc erfunden und der Optischen Bereinigung in London zum ersten Male vorgeführt worden. Er soll einen völlig Blinden tnstandsetzen, Lichtstrahlen durch Vermittlung des Ohrs zu erkennen, örtlich festzu stellen und sogar zu messen. Die Grundlage für die Erfindung ist die bv- kannte Eigenschaft des Elements Selen, den elek trischen Widerstand unter dem Einfluß des LichtS zu ändern. DaS Instrument besteht aus zwei Teilen, einem Paar Telephonen von hohen: Widerstand, wie sie bet der drahtlosen Telegraphie benutzt werden, und einen: langen Kasten, der die Selenbrücke, die Batterie, die Widerstände und einen Uhrwerk unterbrecher enthält. Der letzte dient zur Unter- brechung des Stromes, da ein Gleichstrom im Tele phon nicht hörbar ist. Der Blinde befestigt die Telephone am Kopf und bedient den Kasten des Optophons, das durch biegsame Drähte mit den Telephonen verbunden ist, mit der rechten Hand. Wenn der Strom angedreht unb das Uhrwerk an gelassen worden ist, ist ein tickender oder raspeln- Ton in den Telephonen hörbar, der aber durch Ein schaltung eines Kohlenwiderstandes zum Bersckswin- den gebracht oder beliebig abgestellt werden kann. Der Zustand bleibt erhalten, solange sich das auf das Lptvphnn scheinende Licht nicht verändert. Sclwn eine schwache Vermehrung öder Verringerung der Belichtung genügt, um den Ton im Telephon zu verändern unk zu erneuern, und nach seiner Stärke läßt sich auch die Stärke des LichtS beurtei len. ES hat sich als sehr vorteilhaft ergeben, daS stärkste mögliche Licht als geräuschlos einzustellen, so daß die Grade der Berdunkelung an den Tönen erkannt werden können. Wenn ein Blinder mit dem Ovtophan an ein Fenster gesetzt wird, so kann er mit dessen Hilfe die Einschiebung jedes beliebigen Gegenstands zwi schen ben Apparat und da» Fenster Höven und auch dessen Richtung feststellcn. Sogar wenn der Körper, beispielsweise eine Hand, schnell wieder weggezogen wird, ist die Bewegung im Telephon bemerkbar. Je Heller die Belichtung entweder durch die Lonne ober durch di« elektrische Lampe ist, desto merklicher wirkt der Apparat. Stellt man kür Dunkelheit auf Stille ein, so wird jede Verstärkung des Lichts merkbar. Ein Blinder kann auf diese Weise den Mond hören, unb auch ein plötzliches Einwirken des Sonnenlicht» kündet sich ihm mit einem wahren Brausen an. ES sind bereits Vorschriften ouSgearbeitet wor den, wie das Optophon am besten einem Blinden zum praktischen Gebrauch übergeben werden kann, und das Instrument ist auch schon so gebaut worden, datz es leicht, tragbar und mit sehr geringem Strom, wie ihn ein Taschenelement liefert, zu betreiben ist. Außerdem rechnet man aber auf weitere Berbens- rungen, die noch weit feinere Unterschiede von Licht und Farbe den Blind«: zu vermitteln im Stande sind. Kleine Glnlslle üer Maüe. Z Sie sind längst „verschwunden uns dahin", die alten großen und praktischen Taschen aus der Großmutterzeit, in die so unendlich viel hinein ging. Seit Jahren schon »veiß die modern gekleidete Dame nicht, wo sie ein noch so winziges Taschentuch unterbrtngen soll. Daß über kurz oder lang einen, derartigen Uebelstande abgeholfen werden mußte, da- lag auf der Hand. Nun gibt es aber trotz vielfacher Behauptungen bei der Mode keine gründ lichen Revolutionen. Wie überall, so lassen sich aucb hier zuerst nur Anfänge und Uebergänge fest stellen. Taschen also gibt eS jetzt; aber sie dienen nicht dazu, um in sie etwas zu „versenken", sondern sie sind gerade groß genug, um den kleinsten Teil eines klemen Taschentucks aufnehmen zu können, so daß seine Soitzen niedlich und anmutig hervor lugen. Diese kleinen Taschen, die bisher nur bei den Jacketts der Schneiderkleider üblich waren, sind setzt auch auf den Hemdenblusen zu finden. Auf der linken Seite der — sei es aus Leinen, aus geköperter Seide, au» dickem Lrtzp« de chin«, oder sei eS auS den so beliebten Baumwollstoffen wie Krepon und Pikse verfertigten — Hemdenblusen ist eine kleine Tasche aufgesetzt, die aber etwas größer ist als die Taschen der Schneiderkleider- jacketts, so daß sie nicht allein ein Taschentuch, sondern selbst eine klein« Uhr und — wenn eS da ist! — auch einiges Kleingeld beherbergen kann. Da im letzten Falle ein sicherer Verschluß nicht un- entbehrlich ist, so bringt die Mode gleichzeitig als Taschenverschluß reizvoll gearbeitete, die verschieden- sten Formen zeigende Patten. Wer es gibt noch hübschere Stellen, wo Taschen angebracht werden können, und zwar so, daß sie nickt direkt „in die Augen springen". Hemdenblusen mit halblangen Aer- mein werden mit Manschetten getragen, und auf der Manschette des sinken AermelS ist eine, ebenfalls durch eine Patte verschließbare kleine Tasche auf gesetzt. Das sind bislang die beiden ersten Stellen für Taschen, die die Modeschöpfer an Blusen aus gesonnen haben. Wievtele mögen aber noch folgen! Wenn schon bei der letzten Winter- und auch Frühjcchrsmode die Knöpfe sich zu ganz absonder lichen Dimensionen aufgeschwungen hatten, so waren st» doch nock reine Waisenknaben gegen die Knüpke bie jetzt auf den Markt kommen. Man sieht Holz kugeln, Holzschiffchen, riesige geschnitzte Pcrimut- und Hornknöpfe, die alle» andere vorstellen könnm nur nicht normale Knöpfe! Di« Knopflückrr stt> natürlich dementsprechend; man trägt sie gc» schräg «ingefchürzt und sorgfältig umstickt. Neuerdings sicht man in England, insbesondre bei Sportkostumen, Gürtel aus einem nenen Soff, nämlick Bast, sogenannte Raffiaarbeit, Geflechte ccker Art. Manche davon sinb natnrfarbig, wie der richtge Bast der Gärtner. Daneben aber 'stellt man auch solche Gürtel au» buntgefärbten Palmfaserfl'cktrn her, z. B. malvenfarbige, grüne und nelkrnrot:, und außerdem verwendet man schließlich bunten mit nakurfarbigem zusammen. Meistens wird die Farbe so gewählt, daß sie mit der des Sonnenschirms, der Hutgarnierung «sw. übereinstimmt.
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