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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.06.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120613027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912061302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912061302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-13
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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Nr. 2S8 Vonnersmg, ücn l?. Juni >slL. ISS. Jahrgang. Die vorliegenve Anvqade umsapt 10 Leuen. Vas Diürtigste. * Lor dem Reichsgericht begann heute die Verhandlung gegen den Buchhalter Barbier wegen vollendeten Landesverrats. (S. Gerichts?.) * Der Finanzausschuß der serbischen Skup- schtina hat die Regierungsvorlage über einen ausserordentlichen Kredit von 2500000 Dinar genehmigt. * In Sarreu lDep. Haute Marne) wurden drei Land leute, die sich während eines Ge witters unter einen Baum geflüchtet hatten, vom Blitz getötet. Die Feltigung ües preutzilch- üeuttttren Grun-belitzes. In beiden Häusern des preußischen Landtages hat die Beratung der Besiybefestigungsvorlagc einen raschen Verlauf genommen und, wie auch erwartet werden mußte, zur Billigung der Vorlage geführt. Zwei Momente sind bei den Erörterungen im Par lament und in der Presse in den Vordergrund ge treten; sie seien daher an dieser Stell« noch einmal im Zusammenhänge behandelt. Die Vorlage ist von verschiedenen Seiten als eine untaugliche Waffe bezeichnet worden. Nun steht aber außer Zweifel, daß durch die Festigung des deut schen Besitzes in Len Provinzen Posen und Westpreu ßen der so beklagenswerten Mobilisierung des Grund und Bodens erfolgreich entgegengeatbeitet worden ist. Daher darf mit Bestimmtheit erwartet werden, daß auch in dem Geltungsbereich der neuen Vorlage eine Bekämpfung der Eüterspekulation ge lingen wird. Was dadurch aber für di« Förderung der dcutsä-en Sache im Osten gewonnen wird, braucht nicht mehr nachgewiesen zu werden. Die Polen stre ben, wie uns die Tatsachen lehren, dahin, einmäl die Brücke von Posen nach Oberschlesien zu erwei tern, zum andern das Ermeland und Masuren in einen unmittelbaren örtlichen Zusammenhang mit ihrem „Stammlande" zu bringen und auch die an die Provinz Posen grenzenden Teile von Schlesien und der Mark Brandenburg so stark mit ihren Volksgenoffen zu durchsetzen, daß dies« Gebiete schließ lich zu gemischtsprachigen werden. Sie haben es ja auch bereits erreicht, daß manche bis vor kurzem rein oder fast rein deutsche Kreise einen ziemlich starken polnischen Einschlag aufweisen. Zweifellos ist nun die Befestigung des deutschen Besitzes in jenen be drohten Gegenden ein Mittel, das die erfolgreiche und raschwirkende Abwehr der polnischen Vorstöße ermöglicht, wenn die dortigen Landwirte von den Bestimmungen des neuen Gesetzes Gebrauch machen. Daß die Staatsregierung damit ihre Aufgabe noch nicht für gelöst hält, beweist der Hinweis des Land wirtschaftsministers im Herrenhause auf die Wichtig keit, die auch er der inneren Kolonisation beilegt. Freiherr v. Schorlemer hat auch in Ueber- cinstimmung mit den deutschen Kreisen erklärt, daß niemand das Vorhandensein loyal gesinnter Ele mente unter den Polen bestreitet. Rur sind diese Elemente politisch vollständig einflußlos, sie de finden sich in einer geradezu hoffnungslosen Min derheit. Das beweist di« innere Geschichte Les preußischen Polentums der letzten Jahr« doch hin reichend deutlich. Und ein« lange und sorgsame Be obachtung der Vorgänge im polnischen Lager zwingt zu der Erkenntnis, daß das peußische Polentum bis auf jene Ausnahmen je länger desto mehr sich von einem nationalen Radikalismus beherrschen läßt, der auf die wirtschaftliche und nationale Wiedergeburt des polnischen Reiches hinsteuert, alles Deutsche mit grimmigem Hasse ver folgt. Ist doch auch das Zentrum in die Zahl der rücksichtslos zu bekämpfenden Feinde der Polen ein gereiht worden, obwohl es doch wahrlich bis auf den heutigen Tag kein anderes Streben kennt, als sich durch Eintreten für die „natürlichen Rechte" der Polen deren Dank zu verdienen. Daß jenen polnischen Bestrebungen oon der Staatsregierung mit allem Nachdruck entgegengctreten werden muß, haben auch schon gelegentlich Führer des Zentrums anerkennen müssen. Die ehemals polnischen Landcstcilc müssen eben fest und unzertrennlich mit der Krone Preußens vereinigt sein. Da das Polentum sich in der Offensive befindet, da es nach immer neuen Mitteln und Wegen sucht, seine Pläne und „Hoff nungen" der Verwirklichung näher zu bringen, wird cs für die Staatsregierung zur unabweisbaren Pflicht, durch gesetzgeberische Maßnahmen die deutsche Vorherrschaft im Osten auch gegen die veränderte Taktik und Strategie der Polen zu sichern. Den breitesten Raum in den Erörterungen dieser Tage hat die Behandlung der Frag« eingenommen, ob nicht das Verhalten der Ansiedlungskommifsion notwendig und absichtlich zur Protestantisicrung des Ostens führe. Wi« oft ist nicht schon in früheren Jahren nachgewiesen worden, daß diese Behauptungen unbegründet sind. Die Ansiedlungskommission würde mehr deutsch« Bauern katholischen Bekennt nisses ansetzen, wenn sie nicht befürchten müßte, daß schon das zweit« Geschlecht kaum noch gegen die Ver polungsgefahr geschützt werden kann. Bis zum Jahre 1910 hat, von 1885 ab gerechnet, die Zahl der Cevangelischen in Posen und Westpreußen anteil mäßig abgenommen. Zieht man weiterhin die Binnenwanderung in Betracht, die quf deutscher Seite sich als eine dauernde, auf polnischer Seite nur als eine zeitweilige Abwanderung aus dem Osten dar stellt sdie polnischen Industriearbeiter kehren ja über kurz oder lang in ihre östliche Heimat wieder Zurücks, so wird man zugestehen müssen, daß durch die Ergeb nisse der Volkszählungen sich die Behauptung von der Protestantisicrung des Ostens nicht stützen läßt. Richtig ist, daß die Ansiedlungskommifsion ver hältnismäßig wenig katholische Ansiedler ansctzen kann. Den Grund dafür haben wir schon genannt. Auch die katholischen deutschen Bauern selbst wollen die Sicherheit besitzen, daß sie im Osten deutsch pastoriert werden und daß ihren Kindern nicht die Gefahr droht, dem Polentum anheimzufallen. Die Erfahrungen mit den ersten katholischen Ansiedlern in Sokölnik bei Enesen, die wegen des mangelnden Entgegenkommens ihres Propstes schließlich auf anderen Stellen im Kreise Wreschen seßhaft gemacht werden mußten, beweisen die Not wendigkeit. daß die kirchlichen Verhältnisse endgültig geregelt sein müssen, bevor an die Besiedlung ge gangen wird. Daß ein Teil der polnischen Ortsgeist- iichkeit Parochianen deutscher Zunge nicht eben freundlich gegenübersteht, ist durch frühere Verhand lungen des Abg-ordnelenhauses erwiesen worden, und die Vereine deutscher Katholiken im Osten lVer- einigungcn von Männern, denen niemand eine gute katholische Gesinnung abzuslrcitcir vermag! haben nur zu oft begründete Klagen der Öffentlichkeit unter breiten müssen. Es sei ferner an die letzten Rerchs- ragswahlen erinnert nnd an das Material, das der Osten zu dieser Frage gesammelt hat. Unter den deutschen Katholiken der Ostmark ist das^ Gefühl sehr weit verbreitet, daß sie von polnischer Seite als minderwertige Katholiken betrachtet werden, da gegen wissen sic sehr wohl, daß die Staatsregierung von nichts weiter entfernt ist, als ihnen ein ge ringeres Nationalgcfühl zuzusprcchen. Die Ent wicklung Les Polentums hat es nut sich gebracht, daß deutsche Katholiken im Osten national überaus stark gefährdet sind, und die Erfahrungen der im Osten seßhaft gewordenen deutschen Katholiken haben mehr als anderes dazu beigctragen, daß ihre Ver wandten und Freund« in der alten Heimat die etwa vorhandene Neigung, sich auch eine neue Heimat zu suchen, aufgaben. Außerdem ist auch das Schicksal der Bamberger nicht unbekannt geblieben, weil man heute die Vorgänge in der Ostmark und die Geschichte dieser so heiß umstrittenen Landesteile allenthalben in Deutschland mit wachsender Teilnahme verfolgt. Der Ansiedlungskommission kann nur daran gelegen sein, daß es ihr ermöglicht wird, in der Nachbar schaft der schon bestehenden katholischen Ansiedlungen noch mehr deutsche Katholiken seßhaft zu machen; denn je größer eine derartige Gruppe von Ansied lungen ist, desto leichter wird cs sein, daß ihre Be wohner gute Katholiken, aber auch gute Deutsche bleiben. So ergibt sich denn, daß das Schlagwort von der Protestantisicrung des Ostens vor den Tatsachen nicht aufrecht zu erhalten ist. Je mehr man sich ohne Voreingenommenheit in die Prüfung dieser Dinge vertieft, desto deutlicher wird es, daß das, was das Zentrum als Verschulden der Staatsregierung hin stellen will, dem Polentum zur Last fällt. Wer die Polen näher kennen lernt, wird die gleiche Erfahrung machen, wie der in diesen Wochen so viel genannte ..westfälische Bauernkönig": er muß seine Ansichten über die Polen einer Revision unterziehen. Die Maßnahmen der Staatsregierung haben nur den einen Zweck und das eine Ziel: sie wollen das Deutschtum der Ostmark so stark machen, daß über alle Wechselfälle hinaus das Schicksal dieser Landest«ile unlösbar verbunden ist mit dem Schicksale des preußischen Staates. Ein historisch geschulter Sinn kommt zweifellos zu der Ueberzeugung, daß die Wiederherstellung des polni schen Reiches eine Utopie ist. Halten wir uns jedoch gegenwärtig, daß selbst gemäßigte Polen bei Behand lung dieser Frage ihre Ausführungen fast stets in dem Satze gipfeln lassen: Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher, so müssen wir uns doch sagen, das Polentum hält fest an der Hoffnung, daß ihm die Morgenröte nationaler Freiheit doch noch leuchten wird. Der Beifall und die rubelnde Zustimmung, die jede derartige Kundgebung in den polnischen Reiben findet, zwingen die Staatsregierung und das deutsche Volk, daß sie mit den Mitteln des Staates und der Politik unablässig an der Festigung und dem Ausbau der deutsckien Vormachtstellung im Osten arbeiten muffen! Der englische Docksrbeiterltrelk Tie Zahl der Tockarbeitcr, die in London die Arbeit wieder ausgenommen haben, hat beträchtlich zugenommen. Wie offiziell angegeben wird, tun lll Schiffe und 8530 Leute Dienst. In einem vom Transportarbeiterverband veröffentlichten Manifest wird erklärt, cs werde bereits eine internatio nale Aktion (?) erwogen. Einer der Führer des Dockarbeiterverbandes, Orbell, erklärte, die inter nationale Aktion würde in Arbeitsverweige rung auf den von England kommenden Schiffen bestehen. Orbell war der Meinung, daß 23 000 Dock arbciter außerhalb Londons streikten; dies machte mit den 22 000 Londons 45 000. Der Streikführer Tillett schätzte die Zahl der Transportarbeiter aller Klassen, die außerhalb Londons streikten, auf 50 000, und erklärte, die Zahl nehme täglich zu. Weiter wir?, gemeldet: London, 13. Juni. Die Lage des Streiks der Hafenarbeiter hat sich nicht wesentlich ge ändert. Die Gewerkschaften der Kesselschmiede und der Monteure haben ihren Mitgliedern, die von der Londoner Hafeirbehörbe beschäftigt werben, die Auf forderung zugehen lassen, in den Streik einzutreten. Die Laflv in Frankreich. Havre, 13. Juni. Die Lage ist unver ändert. Die Postdampfer „Basse-Terre" und „Quebec" wurden an der Ausfahrt verhindert. Marseille, 13. Juni. Tic organisierten Seeleute hielten eine Versammlung ab, in der sie sich bereit erklärten, sich mit ihren Kameraden in Havre solidarisch zu erklären. Sie nahmen eine Tages ordnung an, in der sie eine Lohnerhöhung ver langen. Paris, 13. Juni. Tie Needervcreinigung hat eine Vermittlung in dem Streik der einge» schriebenen Seeleute abgelehnt mit der Begrün dung, daß die Reeder über die ihren Mannschaften bereits gemachten Zugeständnisse nicht hinauSgehen könnten. — Wie aus Cherbourg gemeldet wird, haben die Agenturleiter der Schiffahrtsgesellschaften betreffs der von den eingeschriebenen Seeleuten er hobenen Forderungen beschlossen- bei ihren Gesell schaften eine Lohnerhöhung für die Leichtermannschas- ten zu beantragen. Dle Lage tn Msrvktm. Die Untersuchung des Llebrrfalls »us die Firma Rrnschhausrn. Die „Köln. Ztg." meldet aus Tanger: Auf Grund der Vereinbarungen zwischen der französischen und der deutschen Gesandtschaft tritt in Larasch eine Kommission zusammen, um die An- gclcgenheit des Ueberfalls auf die Renschhausensche Farrn und die Gefangennahme des Deutschen Semsar nach ß 9 des deutsch-französischen Abkommens zu regeln. Ein spanisch-franzöfischer Zwischenfall. Paris, 13. Juni. Nach einer Blättermeldung aus Mogador überfiel der spanische Konsul Sostoa, der zugleich das Amt eines portugiesischen Konsulats beamten versieht, einen Franzosen namens Leroux, der die im Auftrag des Wachsen ausgeführte Wasser leitung beaufsichtigte, warf ihn zu Boden und ließ ihn durch eine mit Knütteln und Revolvern bewaff nete Bande spanischer Schützlinge durchprügeln. Erst einer Abteilung des Polizeitabors gelang es, den Franzosen vor weiteren Mißhandlungen zu schützen. Sostoa behauptet, daß die Wasserleitungsarbeiten s. Der bitt üu? Roman oon Marie Diers. Viertes Kapitel. Die spärlichen Nachrichten, die von dem ältesten Sohn nach Holzhagen kamen, lauteten immer gut. Wolf hatte in seiner Karriere mindestens ebensoviel Glück als Verdienst, er besaß eins jener Tempera mente. die sich die Verhältnisse untertan machen. Nach seinem zweiten Examen arbeitete er in einer bekannten Klinik. Wenn er sich Mühe gab, ging alles gut. Er hatte eine sichere Hand, ein scharfes Auge und einen Hellen Kopf. Trotzdem waren seine Vorgesetzten nicht immer zufrieden mit ihm, seine Leistungen waren ungleich und von Stimmungen ab hängig. Sein Chef, ein älterer Professor, konnte ihn überhaupt nicht gut leiden. „Zu einem tüch tigen Arzt fehlen Ihnen die Hauptbedingungen, sagte er ihm ins Gesicht. „Gleichmaß und Geduld. Wolf mußte innerlich lachen. Er war noch knabenhaft genug, sich aus einem Tadel blutwenig zu machen. Aber er mußte plötzlich daran denken, daß vor mehr als einem halben Dutzend Jahren Ulrich ihm im Pfcrdestall ungefähr das gleiche gesagt hatte. Dann mußte es doch wohl wahr sein! Dabei dachte er aber doch nicht daran, seine Be rufswahl zu bereuen. Er bereute überhaupt selten etwas, halb aus Prinzip, halb aus Anlage. Er hatte auch hierbei das leichtherzige Gefühl: ich werde schon fertig werden mit dem Leven und mit meinen Patienten. Vorläufig schien sich das auch zu erfüllen. Denn außer bei seinem strengen Professor war er überall beliebt, bei den Kranken, bei den Kollegen, und er hätte «s auch sein können, wenn er wollte, bei den Frauen. Aber er war doch nicht so, wie Ulrich in Zorn und Schmerz es glaubte; die Sache mit der kleinen Dorfelfe saß ihm tiefer im Herzen als er dachte. Er war überhaupt nicht der Mensch, dem die Augen blickssiege mehr als den alleroberflächlicWen Spaß bedeuteten. Wie Else im Grund ihres Wesens eigentlich war. was er von ihr erwartete und was er von sich für sie erwartete — das freilich lag ihm alles noch im Nebel. Er hatte an sonnenheißen Sommertagen «ine süße, frische Wiesenblume mit seines Herzens begeisterten Augen gesqaut und geliebkost — nur mit de« Augen gcliebkost — und als er wieder fortging in seine» Daseins Strudel hinein, hatte er geglaubt, nun werd« er sie vergeßen — und hatte sie doch nicht vergessen können. Unterdessen ging seinem Vater das Geld aus. Die tausendmal gefürchtete zweite Hvpothek mußt« wieder ausgenommen werden. Aber als das Schreck liche geschehen war, da schienen plötzlich dem alten Eggers all seine stählernen Kräfte zurückzukommen. Ohne mit seiner Frau Rücksprache zu nehmen, schrieb er an seinen Sohn: „Komm zu Weihnachten her, ich habe mit dir zu reden." Daß diese Unterredung keine allzu beglückenden Ueberraschungen enthielt, darauf hätte Wolf von vornherein schwören können. Den seltenen direkten Befehlen des Vaters gegen über waren die Eggersschen Söhne an strikten Ge horsam gcwöhnt. Er sagte also allerhand Verab redungen für das Fest ab und kam unter Schnee- gewirbel im schellenklingelnden Schlitten auf den Hof. Es waren jetzt anderthalb Jahre seit ferner letz ten Anwesenheit verflossen. Als er den Eindruck der kleinen Else auf sein Herz erkannte, hatte er Nicht gleich zurückkehren wollen. Es war ihm eine Ahnung gekommen, daß man mit solchen Dingen nicht spielen kann, und daß es Mächte gibt, denen man deffer aus dem Wege geht, ehe sie einen überrumpeln. Aber mehr als heiß wurde es ihm ums Herz, als er am Christabend in der eiskalten Kirche, in der der Hauch in weißen Wolken vom Mund flog, s in blondes Sommerkind wiedersah. Lichterschein erfüllte den ganzen Raum. Jeder Be sucher hatte nach Urväter >-itte sein Lichtchen :n t- gebracht und es in den blechernen Halter vor seinen Platz gesteckt. Helle Kinderstimmen, von leiser Orgel begleitung gestützt, flogen in jubelndem Weihnrchts- gesang vom Chor hernieder. O du fröhlich«, o du selige, Enadenbringende Weihnachtszeit! tönt« es in Wolfs jungem, glückbereiten Herzen nach. Else hatte eine dunkelrote Kaprrze um den Kopf. Wi« weich ihr kleines Gesichtchen daraus hervorjah, wie ihre Wangen glühten unter den niedergeschla genen Augen! Zwischen ihr und der Mutter, wie eingcfügt in sicherer Hut, saßen alle die kleinen Geschwister, wi« Orgelpfeifen anzuschauen. In der Ecke lehnte itchend ein langer, ernster, junger Mann, Walter, der Theo loge ihr ältester Bruder, auf den sic stolz war, wie Wolf wußte. O du fröhliche, o du selige — Warum quälen wir uns eigentlich? Noch in diesen Ferien werden wir uns küssen! dachte er stürmisch. Was ging ihn der Vater mit seiner plötzlich er wachten Knauserigkeit an! Er war in der Stim mung. jetzt über alles zu lachen. Er konnte doch auch schon ohne Zuschüsse auskommcn! Was ging ihn die Mutter an und Ulrich, der Pedant! Was ging ihn die robuste, argusäugige Mama Bärcnwender drüben an und die ganze Welt! Nur er und seine kleine Else waren jetzt auf Erden. Sie hatte sich den dicken Wollhandel'»!) abgezogen, um ihrer kleinsten Schwester das Käppchen fester zu binden. So bekam er nach Schluß des Gottes dienstes die kalte kleine Hand unbekleidet in die seine. Sie standen schon draußen auf dem dunklen, schneeverwehten Kirchhof. Eisig kam der Wind um die Mauerecke, »nd Flocken trieben ihnen ins Gesicht. Den Steig entlang und rings auf der Dorfstraße blitzten die Laternchen der heimgehenden Bauern. Als er das Händchen in seiner fühlte, sprang ihm vor Jubel beinah das Herz entzwei. In langem Druck hielt er es fest. „Welch ein Weihnachtswettcr!" sagte ihre junge, glücklich« Stimme. Wie ein Kind am Weihnachtsabend war sie, noch im Dunkeln, ehe die Tür aufgeht — halb selig, halb bang und scheu — „2a — «in Weihnachtswettcr —" wiederholte er nur. Dann mußte er seinen Eltern nach, die durch den in einer halben Stunde fast verschneiten Weg zu dem wartenden Wagen stapften. — „Wolf", sagte Frau Eggers am andern Morgen, „willst du denn heute schon wieder zur Kirche?" „Ja, Mama." Zwischen den Fenstern stand der Weihnachtsbaum, Ulrich war mit am Kaffeetisch, er sagte kern Wort dazu, bemühte sich sogar, Wolf nicht anzuschen. Aber er hatte ein Stechen im Herzen. Anderthalb Jahre war der Leichtfuß nicht hier gewesen, und nun, da ein Zufall ihn hierher wehte, ging gleich das ge wissenlose Spiel wieder an. Wi« hatte gestern Elsens Gesicht unter der Kappe dunkclrot geglüht! Hatte das arme Kind wohl jetzt nur einen einzigen Gedanken in Kopf und Herz, der nicht diesem schlimmen Burschen galt? Unterdes sagte Frau Eggers sehr kläglich: „Ich finde es gar nicht schön oon dir. Wolf, daß du fort fährst. So selten, wie ich dich jetzt sehe." „Sei lieb, Mama, ich bin ja nachher den ganzen , Tag bei dir." Er hatte sich neben sie gesetzt, sie umschlungen und küßte ihre weiße, immer müßige Hand. Sie ließ sich oon seinen spielenden Liebkosungen auch besänftigen. „Tu bist «in ganz schrecklicher Junge, Wolf." Ulrich stand auf und ging hinaus, um das An spannen zu bestellen. Ein heißer Neid saß ihm im Herzen. So leicht, so leicht hatte es fein Bruder auf der Welt! Ueberall, wo er hinkam, brauchte er nur wie aus dem Handgelenk ein paar Brocken seine» glücklichen Naturells auszustrcuen, und die Menschen öffneten ihm ihre Herzen, ja warfen ihm ihr Schick sal hin, damit zu schalten nach Belieben. Ihm, der dock) nur damit spielt«. Eine sonderbar« Gerechtigkeit! Neid macht den Häßlichen noch häßlicher, und der arme Ulrich bot in dem Kirchstuhl zu Klähnen kein Bild, zu dem sich das Auge mit Wohlgefallen richtete. Es sah auch niemand nach ihm hin. Aber Wolf saß nicht umsonst da, und auch die Bauernmädchen lug ten verstohlen unter ihren von der Mode schon ge streiften Federhüten nach dem jungen Doktor hin. Der junge Docktor war heute ein arger Konkurrent für den Pastor auf der Kanzel! Selbst die Frau Pastorin kam nicht zur Ruhe und Andacht. Si« rückte ordentlich kribbelig hin und her und versuchte, durch plötzliche wie durch zufällige Seitenblick« ihre Else crbzufaffen, ob sie etwa mit dem Windhund da drüben Blicke lausche. Gott sei Dank, sie konnte nichts Derartige» feststellen. Frau Pastor Bärenwender hatte nicht viel übrig für Wolf Eggers. Gerade daß sie sich im Sommer vorigen Jahres beinah durch sein liebenswürdige» Wesen hatte fangen lassen, erboste sie erst recht gegen ihn. Daß damals fein «wiges Gelaufe ihrer lNs« galt, das sagte ihr schon ihr gesunder Menschenver- stand. Sein Fortbleiben darauf aber sagte ebenso deutlich, daß er sich nur einen Zeitvertreib für di« Ferien gemacht hab«. Und nun sollte ihre Tochter wohl wieder von neuem für feinen Zeitvertreib her halten? Gestern nach der Bescherung hatte sie sich, di« Peinlichkeit der Situation überwindend, Else vorge nommen. „Wie du siebst, ist der Windhund au» Holz hagen wieder einmal da. Ich kann wohl von unserer Tochter voraussetzen, daß sie sich nicht durch freund- lrches Entgegenkommen an ihn wegvrirft." lFortsetzung in der Morgenausgabe.)
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