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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.02.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120206027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912020602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912020602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-06
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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Bezug-Preis sür Leipzig und Aororte durch »nler« Träger und Epebtreur« Lmal täglich in» vau» gedraipl SV Pi. monatig i.7u SIt. virrttliährl. P,i un>ern Filialen u. An» mrhmeftellen adgeholt 7» Pf. monatig LL Mt. oieNelfährU »uech »t. Pult: innerhalb Deutfchlanb» und der deutschen Kolonien vierteljädrl. S.M Mk., monatl. 1.2i> üllt. au»schl. Posldestellgeld Ferner in Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, l/uremdura. Niederlande, Nor wegen Oesterreich-Ungarn. Nutziand, Schweden Schweiz u. Spanien. 2n allen übrigen Staaten nur direkt durch di« lbeichästestell« de» Blatte» erhältlich. La, Lelpziger Tageblatt erscheint 2mal täglich. Sonn- u. Feiertags nur morgen». Adonnementr-Ännahme 2ohanni»g»sse 8, bei unlrren Tragern. Filialen. Spediteuren und Bnnahmeslellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Etat,io«rkauf»p,,t» 1V Pf. Abend-Ausgabe. Kip)igtr TllgMM L-l-ÄMl. > Handelszeitung. eu..z>,,chi j!»« Amtsblatt -es Rates und des Rolizeiamtes -er Aadt Leipzig. Anieigen-PreiS filr Inserat» au» »!«„„, ,nd Umgebnn, di« Ilpaltia« P«titz»N« SPf v,»Neklam«. z«,l« t Ntk. »»n au.wott, >u P, «eklam«, llv «k. Snterot« oan «ehgrde» im amt- li»«n T«ii d,« P«tit«e»l» !»> P> »«lchäst»anz«i,«n mit Plagoorlchttst«, ,» Pr«ls» «rbähi Rabatt nach Tarif Beiiageuedgh, «besamt, ausiag« b Btt P Tausend »rti P«I»,,dühr. Teildeilag« Höver. Felteruitt« Buftroa« kennen ntibt »urüch. gezogen a>«rd«n Fiii da» Erscheinen an beiiimmiea lagen und Platzen «,,d kein» lvaranti« Üd«rnomm«n. Lnzeigen-Rnnaym« S»d»»n>»,»Iie del samillchen Filialen «. allen illnnonc«» Erp«dit,on«n de» 2» and <lu»land«a. Den« und Verla, »»» gische« t chL«fta» Inhaber Paal Kiiritr». Nedattiin »,» G»fch<tt»It«I«r 2ohanni»gass« 8, »aupt-Fll„l, De«»»»«: e»est,afte i. l iTrlephon Et. vienslsg, den S. .fcbrnnr lSl?. lvS. Zahrgsng. schnelles Ende bereitete. Eine andere Demonstration ereignete sich vor dem Katholischen Gesell schaftsbaus, wo das Publikum eine be- drohliche Haltung annahm, so dass die dort postierten Schutzleute durch weitere 12 Beamte ver stärkt werden muhten. Im Gegensatz zu diesen Demonstrationen zogen Teilnehmer der Zentrumsver sammlung gegen 1 Uhr nachts vor die Residenz und das Wittelsbacher Palais und sangen dort die Königshymne. Die Einberufung des neuen bayri schen Landtags ist in allerkürzester Frist, und zwar um Mitte Februar zu erwarten. Die Entstelrunflsfteschichke der Uneinig keit im bayrischen GesanUministeriurn Podewils datiert bis auf den August des Vorjahrs, wo der Eisenbahnerlaß des Verkehrsministers erschien und Frauendorfer wie Pfaff „bis hierher und nicht weiter!" dem Zentrum entgegenkommen wollten und die übrigen Minister sich schließlich notgedrun gen damit einverstanden erklärten. Das Betragen des Zentrums im letzten bayrischen Landtag brachte es dann dahin, daß das Ministerium sich wieder einig war und den Landtag auflöste. Doch alsbald nach der Auflösung wußte das Zentrum, daß im Schoße der bayrischen Regierung wiederum Uneinigkeit sich breitmachte und verschiedene Minister den Schritt der Landtagsauflösung be reuten. Je näher der Tag der Wahl kam, um so un entschlossener wurde das Eesamtministerium Pode- wils. Es holte sich eine Schlappe nach der anderen, bis es am Montag, den 5. Januar, zwei Stunden vor Schluß der Wahlen, seine Entlassung gab. Die Zentrumspresse deutet bereits an, daß die Eesam t- demission nur ein Scheinmanöoer des Ministerpräsidenten und des Kultusministers sei, um sich dem Zentrum in wohlwollend« Empfehlung zu bringen und die beiden mißliebigen Minister fallen zu lassen. Als Kandidat für den Posten des Finanz Ministers werden genannt: Mark graf von Breunig, Ministerialdirektor von Mein « l vom Ministerium des Aeußern und Mim- sterialrat von Haenl« au» dem Minister»»« de» Innern. Als Kandidaten für den Verkehrs' m i n ist e rp o st e n werden genannt: Ministerialrat von Voe Icker, Eisenbahnpräsident von Seid lei n - Nürnberg und wiederum Ministerialdirektor von Meine!. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Neubildung des Kabinetts große Ueberraschungen bringt und vielleicht auch sämtliche Minister auf ihrer Demission beharren. Gin Schreiben des Prinrreyenien. Der Prinzregent hat noch gestern in später Abend stunde an den Ministerpräsidenten von Povewils fol gendes Schreiben gerichtet: »Ich habe das heute nachmittag eingereichte Schreiben des Eesamtstaatsministeriu'ms entgegen genommen, behalte Mir Meine Entschließungen zu nächst vor und ersuche das Eesamtstaatsministerium um vorläufige Fortführung der Geschäfte. Luitpold, Prinzregent von Bayern." Die üeuM-encUllhen öLMhunsen. London, 6. Febr. (Tel.) „Daily Chronicle" er örtert in einem Leitartikel die deutlch-englrchen Be ziehungen. Das Blatt hält die jetzige Lage für wesentlich hoffnungsreicher, als sie noch vor kurzer Zeit war. In der ganzen Frage gebe es zwei Hauptfaktoren. Erstens herriche m Deutschland der Glaube, daß England ent- schloßen »ei, Deutschland an der Verwrrtlrchung seiner kolonialen Wüniche zu hindern. Dieser Ver dacht müsse zunächst beseitigt werden, ^as Blatt erkennt an. dag es an Gründen zu diesen deutschen Klagen nicht fehle, erkennt aber auch die Not wendigkeit der deutschen Expansion an und lazt: „Wir werden ohne Eifersucht auf die territorialen Er werbungen Deutschlands blicken. Wenn Deutschland ein afrikanisches Kolonialreich von Meer zu Meer gründen will, wird es nicht auf eng lischen Widerstand stoßen. Der zweite Haupt faktor ist der englische Argwohn, daß Deutschland die englische Oberherrschaft zur See herausfordern wolle. Niemand kann etwas gegen eine deutsche Flotte haben, die für den Schutz des deutschen Handels und der deutschen Kolonien aus reicht: aber ein Programm, das eine Heraus forderung der englischen Secgeltung zu enthalten scheine, würde zu neuem konspielrgen Wettrüsten führen.'' Das Blatt spricht sich im Sinne Lloyd Georges für eine Verständigung in der Rüstungsfrage aus und hofft, „daß die Staats männer beider Länder mit dem festen Entschluß an das Programm herantreten werden, das gegenseitige Verständnis und Vertrauen wicderherzusiellen". Wir sind die Letzten die solche englische Preß stimmen nicht mit Freude begrüßen: wir möchtenjedoch davor warnen, sich Illusionen hinzugeben, die auf englischen Worten, nicht aber auf englischen Taten supen. Deutschland steht gegenwärtig vor einer neuen Flottenvorlage. England hat deshalb guten Grund, uns seiner Freundschaft zu ver sichern. Wie die englischen Kundgebungen aussehen wurden, falls d'.e neue Floitenvorlage obzetehnt würde, darüber braucht man nicht im Zweifel zu sein. Wir haben aber englische egoistische Meinungen nicht nötig, um zu en.scheiden, ob die neue Flotten- voriage zur Stärkung unserer politischen uno wirt schaftlichen Interessen notwendig ist oder nicht. Ter Aufenthalt englischer Offiziere in Deutschland. Dresden, 6. Februar. Die auch in die sächsische Preße übergegan, ene Vlätiermeldung, daß vom eng lischen Kriegsminisierium ein verjchärfrer Befehl an alle in Deutschland weilenden enrlsichen Offiziere ergangen sei, wonach diese sich be.m Bürgermeister der Stadt zu melden hätten, in der sie lan er als 24 Stunden weilen, ist wie uns von zuständiger Stelle mrtge.eilt unrd, unzutreffend. Die Ossi,>ere haben wie bisher beim Garnisonlommando aus Lour- toisie ihre Anwesenheit anzuzeigen bzw. ihre Karte abzugeben. Für den AUlenthait inElsaß- Lothrrngen und in den befestigten Küsten orten sind jedoch verschärfte Bestim mungen getroffen worden. Das englische Kriegsamt gibt bekannt, daß alle Offiziere, sowohl die regulären wie die der Territorialarmee angehörigen, die Er laubnis des preußischen Kriegsmincsteriums zum Besuche ob.gen Landes bzw. der Küstenorte ecn- zuholen und beim Earnrsonkommando bzw. Magistrat, ivwie in Straßburg, Metz uno Mülhausen auch noch beim Polizeipräsidenten sich zu melden Haven. Nr. 67. Die vorlleqende Ailsstabe umfaßt 8 Leiten. Dss Wichtigste. * Der bayrische Prinzregent behält sich eine Entscheidung über das Demissions gesuch des bayrischen Ministeriums vor. (S. Leitartikel.) * In der Champagne findeneue Win zer Unruhen vorgekommen. (S. Pol. Nachr.) * Auanschikai hat den Revolutionä ren seine Friedensvorschläge unterbrei tet. (S. besi Art.) l * Die Lage in Mexiko ist sehr ernst. iS. Pol. Nachr.) Dss LnüergeüMS üer dsyrilchenLsnütsgswshlen (Von unserem Münchner Mitarbeiter.) 2. München, 6. Febr. (Priv.-Tel.) Die bayrischen Lanlotagswahlen geben bereits ein vollkommen klares Bild. Die dem Zentrum günstige Wahlkreiseinteilung, dir alte in sich gefestigte Organisation des Ultramontanismus und nicht zu letzt auch die mangelhafte Organisation der Bauernbündler haben Len Sieg der Zentrumsgegner über die bisherige Majorität vereitelt. Die Parteioer hältnisse im neuen bay rischen Landtag stellen sich wie folgt: Zen trum 87 (bisher 98) Sitze, Liberale und Deutscher Bauernbund 35 (24), Sozialdemokraten 30 (21), Bund der Landwirte und Konservative 7 (17), Bay rischer Bauernbund 4 (3) Sitze. Die Minder heitsparteien haben demnach 69, di« Mehr heitsparteien 94 Sitze. Sämtliche bekannten bayrischen Parlamentarier in allen Lagern kehren zurück, bis auf Dr. Schäd - ler, der, wie bereits gemeldet, in Bamberg unter legen ist. Die Konservativen und der Bund der Land wirte haben infolge ihres Zusammengehens mit dem Zentrum die schwersten Verluste erlitten unü sind fast aufgeriebon worden. Nach den B e r u f s st ä n d e n verteilen sich die Mitglieder des neuen Landtags wie folgt: Landwirte und Gutsbesitzer 44, Gewerbetreibende 36, Beamte 21, Lehrer und Privatgelehrte 13, Parteibeamte 15, Redakteure und Schriftsteller 5, Bürgermeister 6, Geistliche 9, Rechtsanwälte 4, Privatiers 7 und 1 Arzt. Wie ietzt bekannt wird, ereigneten sich in der Wahlnacht in München unangenehme Zwischen fälle. Um Mitternacht zog eine aus ca. 150 Köpfen bestehende Meng« zum Hause des früheren Kammerpräsidenten Dr. von Orterer und begann dort eine regelrechte Katzenmusik. Die Polizei hatte Kriminalbeamte und Schutzleute um die Villa postiert, die den Demonstrationen ein Sülle Rheineck. 33) Roman von Hanna Aschenüach. Hilde ließ den Wildstrom seiner Rede über sich hinbrausen. Sie war förmlich erstarrt in Schreck und Reue. Nun sah sie das wahre Antlitz der Ge fahr, mit der sie so lange gespielt hatte. Wo war ihre selbstbewußte Sicherheit, kaltblütig Gericht zu halten? Sie merkte gar nicht, daß der Assessor sie an den Ort zurückführte, von dem sie ihn mühsam weg geleitet hatte. Sie verstand auch den Sinn seiner raunenden Worte micht mehr, in ihr war nur ein grenzenloses Verlangen nach ihrem stillen Zimmer, nach Einsamkeit. Wäre sie daheim geblieben! Hätte sie der Mutter gefolgt! Zum erstenmal seit langen Jahren empfand Hilde Rheineck dies demütig unter ordnende Gefühl gegenüber der Frau, die sie geboren hatte. Plötzlich fuhr sie auf, wie von einer Natter ge stochen. Sie schaute entsetzt um sich. Sie standen wieder am Fuße der kleinen Anhöhe, die von dem Tempelchen gekrönt wurden. „Was soll das alles heißen?" stammelte Hilde und blickte mit verstörten Augen auf den erregten Mann. „Ich versiehe Sie nicht. Sie haben eine Frau —" „Hilde, Sie wissen, wo sich meine Frau in diesem Augenblick befindet. Leugnen Sie nicht. Sie wissen also, daß ich frei bin, so gut wie frei wenigstens, und es kostet Sie ein Wort —" Hilde fuhr zurück. Sie war totenbleich geworden. „Ich beschwöre Sie, Herr Assessor", stammelte sie, „ein — ein unglückliches Zusammentreffen." Winterfeld lachte höhnisch auf. „Verschonen Sie mich mit Märchen, Hilde", sagte er hart. „Ich bin nicht der Mann dazu. Ich werde mir Genugtuung verschaffen, da seien Sie sicher." Er machte einen Schritt nach vorwärts, seine Augen funkelten, und ein grausamer Zug legte sich erstarrend über sein Antlitz. Hilde fiel ihm mit einem Aufschrei in den Arm. „Nein", rief sic, und die alte Willenskraft er wachte. „Ich dulde es nicht. Sie tun ihr unrecht. Sie ist krank und er —" Wieder lachte der Mann sein furchtbares Lachen. „Glaubst du, ich lasse mich lächerlich machen, Mädchen?" zischte er. Und dann, als sie seinen Arm noch immer krampfhaft umklammerte, oeugte er sich plötzlich dicht über sie. „Es gibt einen einzigen Weg, das Strafgericht von denen da oben fernzuhal ten und er liegt in deiner Hand." Sie brachte keinen Laut hervor, nur ihre Augen flehten. „Wenn du mein wirst, Hilde", raunte er an ihrem Ohr, „meine Braut heute — wenn ich frei bin mein Weid." Sie zuckte zusammen wie unter einem Peitschen schlag. Purpurglut übergoß ihr Gesicht, und ihre Hände lösten sich von des Mannes Arm. „Nein , wollte sie schreien, wollte das erlösende Wort finden, das trügerische Gespinst ihrer Be ziehungen endlich zu zerstören — da öffnete sich dis Tür des Tempelchens über ihnen, blaß aber festen Schrittes trat Claus Neubaur über die Schwelle. Hilde starrte ihm entgegen. Ihr war, als werde das Geschick dieses schlichten, treuen Menschen in diesem Augenblick in ihre Hände gelegt. Sie sah dem Manne an ihrer Seite in das wutverzerrte Antlitz. „Ja", sagte sie tonlos. Da löste sich die furchtbare Spannung in des Assessors Zügen. Seine Augen blitzten Triumph. Er neigte sich stumm und küßte Hildes Hand. Dann zog er sie mit sich dem langsam Herniedersteigenden entgegen. Endlich ermannte sie sich. „Doktor Neubaur ist völlig schuldlos", fliffterte sie atemlos. „Er hat mich hierher gerufen. Mama ließ mich nicht rechtzeitig fort. Thea war seine Braut. Um Ihretwillen hat sie ihn verlaßen. Sis hat ihn zu dieser Zusammenkunft gezwungen. Er sagt, sie sei krank und nicht zurechnungsfähig. Heute hat er sie zum erstenmal gesprochen. Ich bürge dafür." Der Assessor hatte sie reden lasten, während Hohn und Unglauben deutlich aus seinen aufs neue ver finsterten Mienen sprachen. Bei den letzten Worten horchte er auf. Er hemmte den Schritt. Schau mich an, Mädchen", forderte er herrisch. Sie hielt seinen Blick fest aus. Da war es, als ob ein Seufzer der Erleichterung seine Brust höbe. Jedenfalls klang seine Stimme nicht mehr so schneidend, als er sagte: So mag er leer ausgehen, weil du dich verbürgst, wahrhaftige Hilde. Sonst, hei Gott, ich hätte es ihm beimgezahlt. Mit ihr aber bin ich fertig. Es gibt keine Entschuldigung dieser Situation. Und du bist mein Mädchen." Er neigte sich dicht an ihr Ohr: „Diesmal halte ich dich fest gegen die ganze Welt." Hilde antwortete nicht. Sie kannte den maß losen Stolz, das verletzliche Selbstgefühl des Mannes, Wehe, wenn sie das armselige Wörtchen „ja" zurück nahm, den einzigen Wall, der seine brutale Rach sucht vor den beiden ihr nahestehenden Menschen zurückdämmte. Eie preßte die Lippen zusammen und schwieg zu der großen Lüge, sie, die wahrhaftige Hilde, die sich einst gerühmt harte, nicht lügen zu können. Es war weit mit ihr gekommen, und sie selbst, sie wußte es wohl, trug die Schuld. Claus Neubaur zog den Hut. Er war sehr bleich und in seine guten, stillen Augen trat ein Aus druck tiefer Seelengual, als sie sich mit Hildes bangen Blicken kreuzten. „Herr Assessor", begann er und mühte sich sicht lich, seiner tonlosen Stimme Festigkeit zu g«ben, „ich errate den Grund Ihres Hierseins. Ich schicke voraus, daß ich selbstredend zu jeder Genugtuung, die Sie wünschen werden, bereit bin. Ich bitte Sie aber zuvor eindringlichst, mir unter vier Augen eine kurze Unterredung zu gewähren." Winterfeld hatte gleichfalls den Hut gelüftet, kurz nur und leichthin, und jetzt erwiderte er in derselben unverbindlichen Weise: „Ich wüßte in der Tat nicht, was Sie mir Neues zu sagen hatten, Herr Doktor Neubaur. Fräulein von Rheineck, deren Urteil ich vollständig vertraue, hat mich soeben über Sie orientiert. Ich habe die Ehre." Er neigte hochmütig den Kopf und wollte an dem anderen vorbei den Pfad nach dem Tempelchen gewinnen. Claus Neubaur trat ihm in den Weg, die eben noch so bleichen Züge purpurübergosten. „Herr Assessor , stieß er hervor, und die schmäch tige Gestalt richtete sich markig empor, „die Dame hat sich unter meinen Schutz begeben. Ich be- daure es, bedaure diesen ganzen Vorfall unaus sprechlich. trotzdem, Cie werden begreifen — ich kann nicht dulden, daß —" Axel Winterfeld stutzte. Ein gefährliches Flim mern brach aus seinen Augen, die sich haßerfüllt in des anderen von opferwilliger Selbstverleugnung verklärte Mienen bohrten. „Sie — Sie wollen mir verwehren —" knirschte er und machte einen Schritt vorwärts. Hilde glitt an seine Seite und legte ihre Rechte besänftigend auf seinen Arm. Sein« Augen blitzten auf. Er streifte sie mit einem kurzen Dankesblick. „Ich will zu meiner Frau, verstehen Sie, Herr Doktor Neubaur, zu meiner Frau", vollendete er grollend. Jur Senntsberstuny ües üeutlch-tt'anzjMlchen Abkommens. Die Pariser Presse widmet der Senatsverhand lung trotz der Enthüllungen Jenouvrier» zumeist nur eine dürftige Besprechung Ledig lich die antirepublikani'chen, nationalistischen, sowie einige Caillaux per önlich feindselige Blätter nehmen die Rede Jenouvriers zum Anlaß, das Abkommen von neuem anzugreifen. Der royalisti che „Solei!" meint: Selbst die Vertecdi'er des Abkommens mästen zugeben, daß es für Frankreich einen schlechten Handel und eine Unterwerfung bedeutet. Die gemäßigte „Republiqur Franc, aise" sagt: Es ist gut, daß die Erörterungen im Senat mit einer Anklagerede gegen den Mann eröffnet wurden, der uns gezwungen hat, den Vertrag zu unterzeichnen und der uns noch zu unheilvolleren und peinlicheren Lösungen genötigt hätte, wenn seine unsinnigen Pläne nicht rechtzeitig durchkreuzt worden wären. Im übrigen betonen fast alle Blätter die Not wendigkeit, das Abkommen möglichst schnell zu ratifizieren. Der frühere Ministerpräsident Caillaux erklärt in einer „Havas"-Note, daß die ihn betreffenden Be hauptungen Jenouvriers im Senat durchaus unrichtig seien. Erhöhung üer Servlsklslle. Nach den Beschlüssen des Bundesrats vom 18. Ja nuar d. I. werden folgende Orte in eine höhere Ortsklasse eingererht werden: InKlasse Stuttgart: in KlasseL: Blan kenese, Godesberg, Loschwitz, Nikolassee. Pforzheim, Remscheid: in Klasse 6: Alt-Glienicke Treis Tel tow), Brühl, Buer (mit Hugo), Falkenst .» a. Tau nus, Hamborn, Königswinter, Lichtenrade, Lübars (mit Waidmannslust). Offenburg (Baden), Rosen thal bei Berlin, Roßberg, Wesel, Wittenau (mit Borsigwalde), Zeuthen i. d. Mark; in Klasse O: AlteiÄerne (Niederbecker und Oberbecker). Alten- Hunden, AntonienhiMe (Kreis Kattowitz), Apler beck, Binz auf Rüoen, Bleichfelde, Bobrek, UrackweL«, Braubach, Düschhaufen, Tharlottenbrunn, Desgen dorf, Domb, Dotzheim, Eiserfeld, Elser (Bad), Fin- kenwalde bei Stettin, Friedrichsfeld (DcA>en), Gold berg i. Schles.. Hohenlohchütte (Kolonie), Holten, Hombruch, Hüsten, Kirchderne, Kruschwitz (Stadt), Mahlsdorf bei Berlin, Marten, Michlstadt, Nächste breck, Neu-Skalmierschütz, Neustadt a. Hardt, Ober- waldenburg. Rauxel, Riemke, Röhlinghausen i. W., Rosdzin, Scharley, Schöndorf (Kr. Bromberg), Schröttersdorf. Schweinfurt (Bayern), Schwerin a. d. Warthe, Stadt (Reg.-Bez. Posen), Staaken, Tief werder, Treuen, Tungendorf bei Neumünster, Unter- liedcrbach bei Höchst a. M., Vorhalle; in KlasseL: Bergheim a. d. Sieg. Danach sind die Bemühungen, die von unseren städtischen Behörden mit großem Eifer gemacht wor den sind, um auch Leipzig ebenso wie Dresden wieder in die Seroisklaste zu bringen, erfolglos geblieben. Der Bundesrat hat die dahingehenden Petitionen abgelehnt. Di« Reichsbeamten, die in Leipzig ansässig sind, werden durch die Entscheidung des Bundesrates leider recht hart betroffen. „Ich bitte Sie, in diesem Augenblick von Ihrem berechtigten Wunsche abzusehen, Herr Assessor. Der junge Tierarzt suchte augenscheinlich unter Aufbietung aller Willenskraft sich Ruhe und Be sonnenheit zu bewahren. Hilde, die in seiner männ lichen Beherrschtheit den besten Bundesgenosten er kannte, streckte ihm in jäh aufwallender Anerkennung die freie linke Hand hin. Er drückte sie herzlich, während der Zeuge dieser impulsiven Verständigung finster di« Stirn runzelte. „Kurz und gut", sagte Winterfeld gereizt, „geben Sie den Weg frei." Claus Neubaur wich nicht. ..Ihre Frau Gemahlin ist ernstlich krank. Sie befinoct sich in einer an Sinnlosigkeit streifenden seelischen Erregung, die baldmöglichst ärztlicher Be handlung bedarf. Das beste wäre, Herr Asteßor, Sie überließen Fräulein von Rheincck und mir die Sorge für die Kranke. Ihr Dazwischentreten kann unbe« rechenbare Folgen zeitigen, deren Verantwortung Sie doch wohl nichi übernehmen wollen." Nach kurzem Zögern fügte er leise und eindring lich hinzu: „Frau Winterfeld hat Die von droben erkannt, und ihre Erregung hat sich beängstigend gesteigert. Noch gab sich der Assessor nicht lloerzeugt. „Ach ia, das übliche Märchen der Unzurechnungs fähigkeit", lachte er höhnisch. „Meine Frau weiß sehr wohl, was fi« tut, und ich werde sie voll dafür verantwortlich machen." „Machen Sie «in Ende, Herr Assessor", Hilde trat ganz dicht an ihn heran, und ihre Blicke trafen gebieterisch in die seinen. „Gehen Sie. Der Herr Doktor und ich, wir bringen Thea zu uns. Das fft die erste Pflicht. Alles weitere findet sich." Ein paar Atemzüge lang stand der Mann noch in stummem Kample mit sich, der Wille des Mäd» chcns. das seine Sinne entflammte, siegle. „Gut", sagte er, „es sei. Sobald ich kann, jeden falls noch im Laufe des Nachmittags, komme ich in di« Villa. Auf Wiedersehen, Hilde!" Er führt« ihre Hand an die Lippen und drückte einen langen Kuß darauf. Dann grüßte er und schritt davon, ohne sich umzusehen. Claus Neulbaur blickt« befremdet auf Hilde. Sie hielt das Antlitz gesenkt, und die Farbe auf ihren LBangcn kam und ging wie Wolkenschatten. „Kommen Sie", sagte fi« leise und eilte den Hügel hinan. (Fortsetzung in der Morgen-Ausgabe
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