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Die letzte Sitzung -es Reichslages Dramatische Szenen vor der Auflösung des Reichstags durch -en Reichspräsidenten ick in dar Plenum während c letzten Sitzung des üchstags. Hinten links die llbesetzle Ministerbank, an em rechten nutzeren Ende r Reichskanzler. Auf dein iisidenten-Platz: Rcichs- tagspräsident Göring. Die Auflösungsordre Die Auflösungsorder hat folgenden Wortlaut: „Auf Grund des Artikel» 2S lös« ich den Reichstag auf, weil die Gefahr besteht, daf, der Reichstag dir Aushebung meiner Verordnung vom 4. September verlangt. Der Reichspräsident: gez. v. Hindenburg. Der Reichskanzler: Der Reichsminister des Innern: gez. v. Papen. gez. Frhr. v. Gayl." Dienstag leine Reichslagssitzung Die für 5 Uhr in Aussicht genommene Sitzung des Aeltesten« rats des Reichstags ist wieder abgesagt worden. Die sozial' demokratischen Mitglieder des Aeltestenrats hätten stch. wie ge meldet, an dieser Sitzung nicht mehr beteiligt, weil sie di« Auf- fassung vertreten, da» der Aeltestenrat durch die Auslösung mit- betroffen worden ist. Da auch die Vertreter der Zentrums fraktion dem Reichstagspräsidenten gegenüber erklärt hatten, das, nach ihrer Ansicht der Reichstag nicht mehr vorhanden sei, hat sich Präsident Göring veranlasst gesehen, auch die für Dienstag in Aussicht geno in men« Sitzung de« Reichstags absagen zu lassen. Berlin, 12. September. Die Tribünen des grotzen Reichstags-Sitzungssaales, auch die Diplomatenlogen, sind, wie an grotzen Tagen üblich, bis auf den letzten Platz besetzt. Am Tisch der Reichsratsbevoll mächtigten sitzt an der ersten Stelle, wie früher, der durch den Reichskommissar seines Amtes enthobene preuhische Ministerial direktor Dr. Vadt. Die Mitglieder des Reichskabinetts sind vollzählig erschienen. Von den nationalsozialistischen Abgeord neten haben diesmal nur wenige die Parteiuniform angelegt. Reichstagsprüsident Göring, der gleichfalls in Zivil er schienen ist, eröffnet um 3 Uhr die Sitzung und verkündet das Ergebnis der Schriftführerwahl. Es sind unter den Schrift führern dieses Reichstags keine Sozialdemokraten und keine Kommunisten. Der Präsident teilt weiter mit, dan an die Stelle des ausgeschiedenen Abg. Lohse lNatsoz.) der Abg. Backhaus (Natsoz.) getreten ist. Er gibt dann die Kon stituierung der ReichstagsausfchUsse bekannt. Zur Geschäftsordnung begründet Abg. Torgler (Komm) eine Aenderung der Tagesordnung. Seit der letzten Sitzung fei jene Notverordnung erschienen, die die Arbeiterschaft zugunsten der Besitzenden in schlimmster Weise belaste. Das Schicksal der Arbeiterklasse dürfe nicht abhängig gemacht iverdcn von den Verhandlungen über das Schicksal des Reichstags. Von den Kommunisten werde darum beantragt, auf die Tagesord nung der Sitzung den k o in m u n i st i f che n Antrag auf Aufhebung der Notverordnung zu setzen und ferner die Abstimmung über den Miss, trauensantrag gegen die Regierung. Sollte, wie zu errvarten, diesem Antrag widersprochen werden, so beantrag ten die Kommunisten sofortige Anberaumung einer neuen Sitzung. Abg. Löbe (SozZ beantragt, als zweiten Punkt auf di« Tagesordnung der Sitzung den sozialdemokratischen Antrag auf Aufhebung der Notverordnung zu setzen. Es sei ja sicher, das, der deutschnationale Fraktions- sührer dem kommunistischen Antrag widersprechen werde. Präsident Göring richtet nun an das Haus die Frage, ob dem kommunistischen Antrag widersprochen wird. Bon keiner Seite kommt Widerspruch. Diese überraschende Wendung wird mit Bewegung und Heiterkeit ausgenom men, denn damit wäre die sosortige Abstimmung über Notverordnung und Mihtrauensantrag beschlossen. Abg. Dr. Frick lNat.-Soz.) beantragt, die Sitzung aus eins halb« Stund« zu unterbrechen. Dieser Antrag wird mit den Stimmen der Nationalsozialisten und des Zentrums an genommen. Nachdem Reichstagsprästdent Göring seinen Platz witder eingenommen hat, erscheint Reichskanzler v. Papen und zeigt ostentativ eine rote Aktenmappe, das Wahrzeichen der Reicho- tagsauflösung in früheren Jahren. Die Kommunisten machen entsprechende Zurufe. Reichstagsprästdent Göring eröffnet die Sitzung mit der Erklärung: Nachdem sich vorhin kein Widerspruch gegen den kam, munistischen Antrag erhoben hat. kommen wir fetzt zur gemein, samcn namentlichen Abstimmung über den Antrag Torgler ans Aushebung der Notverordnung und über das Mitzirauensvotum gegen di« Regierung. Reichskanzler v. Papen erhebt die Hand, um sich zum Wort zu melden. Reichstagsprästdent Göring sagt mit einer abwehrenden Handbewegung: Wir sind bereits in der Abstimmung, während der Abstimmung kann ich das Wort nicht erteilen. Bon den Nationalsozialisten und der Linken wird diese Erklärung mit grotzer Heiterkeit und mit Zustimmungskundgebnngen begrübt. Reichskanzler v. Papen geht darauf znm Prästdententisch und legt dort rin Schriftstück nieder, offenbar di« Auslösungs order des Reichspräsidenten. Reichstagsprästdent Göring schiebt diese, Schriftstück ^iriick und erklärt: Wir führen jetzt erst die Abstimmung durch. Wir waren bereit, in der Abstimmung und bevor sie durchgrsührt ist, kann ich nichts ander«, machen. Unter grober Bewegung wird daraus die namentlich« Ab stimmung durchgrsührt. DI« Abstimmung hat folgendes Ergebnis: Für die verbun denen kommunistischen und nationalsozialistischen Anträge, di« Aushebung der Notverordnung verlangen, sowie ein Mi'gtrauens- votum gegen di« Reichsregierung von Papen einbringen, werden 513 Ja-Stimmen und 32 Nein-Stimmen abgegeben. Im gan zen wurden gezählt 550 Karten. Reichstagsprästdent Göring: Die Abgeordneten Dr. Obersohren und Torgler haben sich zur Geschästsord- nung gemeldet. Ich erteile jetzt das Wort dazu nicht. Nachdem bereits die Abstimmung begonnen hatte, hat der Herr Reichs kanzler um das Wort ersucht. Nach der Abstimmung hätte ich ibm der Verfassung gemiitz das Wort erteilt. Während der Ab stimmung war das nicht möglich. Svährend dieser Abstimmung hat er mir eine Auslösnngvorder des Herrn Reichspräsidenten überreicht, ein Schreiben, das nunmehr, da es grgengrzetchnet ist, von einem Reichskanzler, und einer Regierung, die durch die durchgrsührt« Abstimmung als gestürzt zu bezeichnen ist, hin fällig geworden ist. (Stürm. Beifall bei den Nat.-Soz). Der Reichstagsprästdent verliest dann dir Auslösungsorder und erklärt nochmals dazu, das, «in« solch« Auslösungsorder nicht rechtsgültig sein kann, wenn sie gegcngezeichnet sei von einer Regierung, der die Überwältigende Mehrheit der deut» schen Volksvertretung das Vertrauen entzogen habe und hinter der im deutschen Reichstag nur 32 Abgeordnete stehen. Er werd« dem Reichspräsidenten von dieser Tatsache Mitteilung machen und ihn bitte», unter diesen Umständen seine -Auslösungs order zurückzuziehen. Di« Auslösungsorder komme nicht über raschend. Schon beim Empfang des Reichstagopräfidiums habe der deutschnationalt Vizepräsident Graes-Thüringen dem Reichs. Präsidenten erklärt, das, sein« Freunde gegen das parlamentari sche Regiment seien. Im Gegensatz zu dieser Erklärung wolle er, Reichstagsprästdent Göring, streng nach der Verfassung weiter arbeiten und di« Rechte der deutschen Volksvertretung wahren. (Stürmischer Beifall bei den Nat.-Soz.) Der Reichstagsprästdent schlägt dann vor. am Dienstag eine weitere Sitzung abzuhalten mit einer Tagesordnung, die vom Aeltestenrat bestimmt werden soll. Als Mitglied de» Aektestenrates und zugleich als Vorsitzen der des Ueberwachungsausschusses des Reichstages hat der sozial demokratische Abgeordnete Löbe folgenden Brief an den Reichstagspräsidenten Göring gerichtet: „Sehr geehrter Herr Präsident l Die sozialdemokratischen Mitglieder des Aeltcstenrates neh men an der von Ihnen einberusencn Aeltestenratssitzung nicht mehr teil, da der Aeltestenrat durch die Auflösung des Reichs tages mitbetrossen worden ist. Die staatsrechtlichen Fragen, die in Ihrer Schlutzansprache ausgeworfen wurden, gehören vor den Ausschutz zur Wahrung der Rechte des Parlaments, der von der Auflösung nicht betroffen wird. Als Vorsitzender berufe ich diesen Ausschutz ein u,ü> werde den Zeitpunkt der Sitzung noch heute bekanntgcben. Rapen an Görlng Reichskanzler von Papen hat an den Reichstagspräsi- dcntci, Göring ein Schreiben gerichtet, in dem er sewrellt, daß Göring zweimal verfassungswidrig gehandelt hat, indem er einmal den Reichskanzler auf dessen Bitte hin nicht dgs Ä>ort erteilt und indem er zum andere», obwohl der Reichstag auf. gelöst rvar, noch eine Abstimmung hat vornehmen lassen. Die Reichsregierung hat die Absicht, falls der Reichstag, trotzdem er aufgelöst ist, noch versuche» sollte, zusammenzu treten, einen solckzen Zusammentritt unmöglich zu machen. Sie will nur solchen Abgeordneten das Betreten des Reichstags ge statten, die zum llcbcrwachungsausschutz oder zum Auswärtigen Ausschutz des Reichstags gehören, da nur diese beiden Aus schüsse auch in der Zeit zwischen der Auslösung des einen Reichs tags bis zum Zusammentritt des neuen Neick-stags verfass»ngs- mätzig weiter im Amte bleiben. Die Reichsregierung hat dem Reichspräsidenten noch keinen Vorschlag für die Festsetzung des Termins für die Neuwahlen gemacht, da sie erst die weitere Entwicklung der nächsten Tag« abwarten will. Oie Saar will und wird deutsch bleibens Die machtvolle Kundgebung der Saar-Vereine am Deut schen Eck in Koblenz. — Die 12. Tagung des Bundes der Saarvcreinc sand in Kob lenz statt und wurde mit einer riesigen Kundgebung am Deutschen Eck gekrönt, in der Deutschland ausgeruscn wurde, auch fernerhin die vorl»ehallslose Rückgatn? des Saargebielcs an das Reich zu sorücrn.