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Papen spricht im Rundfunk Oie Rede, die vor dem Reichstag nicht gehalten werden konnte Berlin, 13. September. Reichskanzler von Papen legte in einer Ansprache Im NullH-c-nk das Programm der Reichsregierung dar; er führte u. a. folg""des aus: „Ich spreche heute durch den Rundfunk zum deutschen Polt, weil der soeben aufgelöste Reichstag es nicht einmal für notwendig befunden hat, eine Erklärung der Reichsregie, rung über das von ihr verfolgte Programm entgegenzuneh men." Der Reichskanzler gab darauf eine Schilderung der Vorgänge im Reichstag. Durch das vcrfaffungwidrige Ver halten des Reichstagspräsidenten sei es der Reichsregierung unmöglich gemacht worden, vor dem Volk einen Rechen schaftsbericht über die vergangenen drei Monate zu geben. Die kommunistische, von Moskau zugereiste Abgeordnete Frau Zetkin sei vom Reichstag mit Andacht in ihren Della- mationen angehört worden: die Erklärung einer nationalen Regierung aber weigerte sich die deutsche Volksvertretung auch nur anzuhören. Vie Reichsregierung, die ein unkellbares Ganzes bilde, sei fest entschlossen, den weg weiter» »gehen, den sie mit ihren bisherigen Handlungen beschritten habe: den Weg einer unabyängigenneuenSlaatsführung, zu der dec Herr Reichspräsident sie berufen habe und zu deren Durchführung sie sich ohne Zögern, aber auch ohne Ueber- stürzung an» Werk gemacht habe. Die Tätigkeit der Regie rung bestehe in dem Abschluß einer alten und der Eröffnung einer neuen Epoche. Die Herstellung der vollen Souveränität des Reiches, seiner Freiheit und Gleichberechtigung ist das grundsätzliche Ziel unserer Außenpolitik. Das sei eine Sache der Ehre und Selbstachtung Deutschlands und zugleich die einzig mögliche Grundlage seiner Zusammenarbeit mit dem Ausland. Aus diesem Grunde haben wir jetzt die zweite Frage unserer Gleichberechtigung in Angriff genommen, die Frage der Ab rüstung. Wir wollen die Abrüstun a. Wir würden die wei testgehenden Abrüstungsvorschläge für Deutschland annehmen, vorausgesetzt, daß sie gleichmäßig für alle Staaten aeltcn. Aber es ist für uns unerträglich, weiterhin als ein Volk zweiter Klasse behandelt zu werden und weiterhin schutzlos unter den wasfenstarrenden Staaten des europäischen Fest landes dazustehen. Wir wollen keine kriegerischen Abenteuer; wir lehnen ein Wettrüsten ab. Niemand hat mit größeren Hoffnungen auf die Arbeiten der Abrüstungskonfe renz gesehen als Deutschland. Das Ergebnis ihrer ersten fünf Monate hat uns grausam enttäuscht! Trotz Völkerbund, Locarno und Kclloggpakt versucht man, sich den Vervflichtungen zur Abrüstung zu entziehen. Wir können an den weiteren Arbeiten der Konferenz nicht teilnchmen, bevor die Frage der Gleichberechtigung nicht in unserem Sinn geklärt ist. Mit Genugtuung können wir feststellen, mit wel chem Verständnis der Regierungschef eines uns befreundeten großen Volkes in aller Oefsentlichkeit unseren Standpunkt behandelt hat. Da» Kabinett hat ffch naturgemäß mit der franzö sischen Antwor tausch nicht befassen können. Dennoch glaube ich schon seht sagen zu müssen, daß der Inhalt der Rote nicht geeignet ist, die Lösung diese» ernsten Problem« zu fördern. In diesen Tagen unternimmt Deutschland einen gigan tischen versuch, durch Mobilisierung seiner letzten inneren Reserven Arbeit und soziale Befriedung zu schassen. Sie gibt uns ein Anrecht daraus, daß die sührendcn Staatsmänner der Großmächte sie auch ihrerseits den Entstchuß fassen, der Vergiftung der außenpolitischen Beziehungen durch unhalt bare Verträge ein Ende zu sehen. Rur die endgültige Besei tigung der Reparationen durch das Lausanner Abkommen macht e» uns möglich, den Wiederaufbau der deutschen Wirt schaft in Angriff zu nehmen. Das große Ziel, das die Reichsregierung sich beim Her umwersen des Steuers der Wirtlckiafls aelteckt bat und das sie ihrer festen tleberzeugung nach krrclchen wird, ist die entscheidende Verminderung der Arbeitslosigkeit. Schon ma chen sich allenthalben erfreuliche Zeichen der langsamen Bes serung bemerkbar. Diesen Augenblick hat die Reichsregierung für den rechten gehalten, um mit dem bekannten Wirtschafts programm den Angriff zu beginnen. Es ist wichtigste Voraussetzung jeder nationalen Poli tik, die Selbständigkeit der deutschen Nah run a s m i t t e l v c r s o r g u n g sicherzustellen. Wir müs sen also die Verlustquellen bei der Landwirtschaft beseitigen. Das bedeutet: Hebung der Kaufkraft der Konsumenten für landwirtschaftliche Produkte, Fernhaltung der vom Welt markt ausgehenden Störungsmomente, Kontingentierung be stimmter Einfuhrartikel und Minderung der Lasten durch Zins- und Steuersenkung. Selbstverständlich bekennt sich die Reichsregierung zu der christlich-sittlichen Pflicht des Staates gegenüber dem schutz bedürftigen, insbesondere den kranken, verletzten und inva liden Arbeitnehmern, hier findet die Freiheit der Wirtschaft ihre Grenze im Gebot sozialer Gerechtigkeit. „Die Lebens haltung der deulschen Arbeiterschaft soll gesichert und der soziale Gedanke gewahrt bleiben". Rach dieser Richtschnur will die Reichsregierung handeln. Unsozial ist, wer unerfüll bare Wünsche vergeblich zu erfüllen trachtet und dadurch Arbeitsmöglichkeiten zerstört. Sozial aber handelt, wer durch den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit dafür sorgt, daß das soziale Gut dem Volk dauernd erhalten bleiben kann. — Nur wenn es möglich sein wird, die Zahl der Arbeitslosen im kommenden Winter entscheidend zu verringern, werden wir die Unterst ii tz unge n für die Arbeitslosen, die auch wir gegenwärtig für zu niedrig erachten, erhöhen könne n. Das gleiche gilt für die Erhöhung der Renten. Niemand in der Reichsregierung denkt daran, die wohl- erworbenen Rechte des össentlich-rechllichen Versicherungs schutzes zu beseitigen, den ArbeUcrschutz auszuheben oder die begrisslichen Merkmale des Tarifvertrages z» zerstören. Das Mit der roten Mappe Der Reichskanzler begibt sich zu der ciilscheidenden Sitzung. Mißtrauen, das In dieser Hinsicht der Ermächtigungsverord nung enlgegengcbracht wird, ist grundlos. „Ich möchte hier eine sehr ernste Mahnung aussprechen: alle Maßnahmen, die in den Verordnung- gen pom 4. und 5. September nledergelegt sind, gelten für eine Ueberaangszeit von 12 Monaten. In dieser Zeit entscheidet sich die Zukunft unserer Wlrtschcjt und damit unseres Staates. Rach genauester Beobachtung der Ent- wicktung der Weltwirtschaft sind wir zu der Entscheidung gekommen, daß jetzt der richtige Zeitpunkt da ist, um die Privatinitiative wieder zu wecken und ihr die Gelegen heit zu geben, ihre gewaltigen realen und moralischen Kräfte zu entfalten. Die Reichsregierung erwartet von den Unterneh mern, daß sie die ihnen anvertrauten Mittel gewissenhaft zum Wohl des ganzen Volkes verwalten. Sie wird mit eiserne Strenge gegen Elemente Vorgehen, die sich als Parasiten der Wirtschaft aus kosten der Arbeitnehmer bereichern wollen. Mißlingt der plan der Reichsregierung, dann ist das freie Unternehmertum verloren. Dann werden jene Kräfte die Oberhand ge- winnen, welche den Gesamlbereich der wirtschast de, staatlichen Regelung unterwerfen wollen. Wehe den» Unternehmertum, wenn es nur an eigenen Ruhen denkt und nicht an das große Ganze, wenn es jetzt nicht seine Stunde erkennt und die große Lhanre begreif», die ihm die Reichsregierung bietet, wenn cs nicht wagt, sondern zurückhaltend abwarlet. Reben dem Neuaufbau der Wirtschaft wird die Haupt aufgabe der Reichsregierung der U m b a u u n s c r e s st a at- lich en Lebens sein. Dis Reichsregierung ist der Anjicht, das das System der formalen Demokratie im Urteil der Geschichte und in den Augen der deutschen Ration abgewirtschaftet hat und daß es nicht mehr zu neuem Leben erweckt werden kann. Ans dec heutigen Versetzung unseres Staatslebens her aus und in gesunde zukunstsvolle Verhältnisse kann uns allein die Herstellung einer wahrhaft unparteiischen natio nalen Staatssührung bringen, einer Staatssührung, die sich über alles Partei wesen als unantastbarer hort der Gerechtigkeit erhebt, die gestützt ist aus die Macht und die Autorität des vom Volk gewählten Reichspräsidenten. Die grundsätzliche Beseitigung der Schäden, die aus der Staatssührung der letzten 13 Jahre entstanden sind, kann folgerichtig nur in einer Reform der V erfassung gesunden werden. Wir werden diese Frage nicht übereilen und nur in Uebereinstimmung mit den Ländern der Lösung znsühren. Die Heraufsetzung des Wahlalters wird Schule und Universität im weilen Maß von politischer Radi kalisierung befreien. Es wird geprüft werden, ob und wie der Ausbau der Volksvertretung in Zukunft organisch mit den Eelbstverwaliungstörpern verbunden werden kann. Die Frage N e i ch» P r e u ß e n wird im Nahmen der Versasjungs- und Neichsresorm gelöst werden. Wir werden den geschichtlich gewordenen Preußischen Staat nicht -er schlage» Notwendig ist aber eine organilche Verbindung der Preußischen Negierung mit der des Reiches. Die Regelung des Verhältnisses zwischen Reich und Preußen wird die E i g e n sta a t l i ch k e i t der andern deulschen L ändcr n i cht a n t a st e n. Wiederholt habe ich erklärt, daß die Neichsregie- rung in der Erhaltung der geschichtlichen Struktur unseres Volkes ein wesentliches Unterpfand für eine neue bessere Zukunft erblickt. Ich bin überzeugt davon, daß eine Rcichs- resorm möglich isl, die sowohl dem geschichtlichen Recht der Länder wie dem Gesamtwohl des deutschen Volkes entspricht. Ich halte die Absicht, von der Tribüne des dem deutschen Volte gewidmeten Hauses in dieser enlscheidungsvollcn Stunde die erwählten Vertreter des Landes auszusordern, dem Lande dadurch zu dienen, daß sie der Reichsregierung die Durchführung ihres Programms ermöglichen. Die Volks vertretung Hal mich daran gehindert. Darum ruse ich dem Land in dieser Stunde zu: Mit Hindenburg und für Deutsch- land!. In -einen Augen sieht mein Bild Roman von Peier Äeinrich Keulers (52. Fortsetzung) (Nachdruck verbotrug ,Mir. vatz dlr's gut gehen und verrate Mjö nicht, wohin ich gefahren bin." Dio Frauen drückten sich die Hand und der Chauffeur zog den Hebel. Die Abfahrt von Paris ging glatt vonstatten. Als der Morgen graute, bekam sie im Speisewagen die erste warme Tasse Kassee. Bevor sie in Calais war, versuchte sie sich den besten Reiseplan zurechtzulegen. Ihre Pässe galten siin denselben Weg, den sie gekommen war, also mußte sie über Dover nach Holland. Von dort konnte sie abschneiden und direkt nach München zurückkehren. Jedoch bestand die Gefahr, daß sie angchalteu wurde. Auch gin gen ihre Barmittel zur Neige. Mit dem Scheck, den ihr Mongescu ausgestellt hatte, kannte sie sich nicht aus. Viel leicht war es sogar unklug, nach diesem mißglückten Vor stoß gleich nach Deutschland zurückzureisen. Als sie schon auf dem Schiff war und Hoek van Holland zustcuerte, kam ihr der Gedanke, Herrn Foisset erneut in Anspruch zu nehmen. Ihm würde sie ihre Lage schildern, vielleicht würde er nach dem Verbleib der Verwundeten von Neuilly forschen, ganz gewiß, aber er würde das Ver halten Mongescus verurteilen. Er konnte ihr den Schein einlösen und raten, was sie weiter zu tun habe. Als Virginia im Hotel Des Indes im Haag wieder nach Herrn Foisset fragte, machte der Portier ein Gesicht, als habe sein Hirn einen Knacks bekommen. Aber im Augenblick faßte er sich und erklärte mit geschäftiger LicbL.nswiirdigleit, Her Foisset sei vor einigen Wochen ab- gerokst «nd habe nicht hinterlaßen, wann «r zurück sein werde. Virginia war die Miene des Portiers nicht entgangen. Cie fand indes keine Erklärung dafür und bestellte aus irden Lall ein Zimmer. Als sie nach einer Stunde i,n Speiselaa! zum Abendessen erschien, stellte sich ihr ein lun ger Herr als ein Freund des Herrn Foisset rrr. Er habe gehört, daß das gnädige Fräulein nach Herrn Foisset »ver lange. Da müsse er ihr leider Mitteilen, daß Foisset nach Antwerpen versetzt sei; sie werde ja wohl die näheren Zu sammenhänge wissen. Der Herr tat, als sei er selbst nicht ganz eingcwciht, als wiße er aber von den Geschäften Foissets. Seine kleinen Aenglein lagen tief in einem rundlichen, sehr gesunden Gesicht. Sein Schneid, seine untersetzte Figur und vor allem seine Sprechweise erinnerten lebhaft an den Typ des deutschen Offiziers. Virginia war sehr erfreut, endlich einen Menschen zu finden, den man etwas fragen konnte. Als sich heransstellte, daß der Herr — seinen Namen hatte sie nicht verstanden Deutscher sei, kamen sie in eine recht angeregte Unterhaltung. Virginia plau derte von München, aber sie vcrschw'eg, woher sie kam und was sie heabsichlige. Der Fremde schlug ihr vor, nach Ant werpen z» fahren; vielleicht »verde sie dort mit Foisset Zusammentreffen. Sie fegte nicht ab und meinte, inan könne es sich ül-erlcgen. Der Fremde ließ durchblicken, daß er selbst ebenfalls nach Antwerpen sohre. und daß er sich freue, wenn er ihr Gesellschaft leisten dürfe. Als Virginia auf ihr Zimmer zurückkam. glaubte sio festzustellen, daß jemand ihr Gepäck durchsucht habe. Es fand sich jedoch alles vor, was sie an Wertfackzen besaß. Sie rief das Zimmermädchen und fragte, ob jemand in ihrem Zimmer gewesen sei. Das Mädchen wußte es nicht. In der Nacht fühlte sie, wie sich eine schwere Erkältung ihres Körpers lx-mächtigte. Als sie erwachte, war ihr Kopf glü hend heiß, die Kehle schmerzte beim Sprechen. Cie ließ sich warmen Kaffee ans Bett bringen und stand dann auf, nm den neuen Bekannten um seinen Nat zu fragen. Dieser saß schon unten in der Vorhalle hinter einer großen Zei tung, fast als wenn er aufpasse, wer das Hotel »«erlasse. Als er Virginia kommen sab. trat er auf sie zu, grüßte sehr höflich und fragte, ob Sie sich entschlossen habe, zn reisen. „Ich fühle mich nicht ganz gesund. Aber ich glaube, baß das Sceklima noch zu raub ist in dieser Jahreszeit. Auch muß ich eigentlich recht bald Herrn Foisset sprechen." „Also fahren Sie mit, abgemacht? Ich fahre nämlich heute schon!" erwiderte d^r Herr schnell, trat, ohne Vir ginias Antwort ab.zulvarten, zum Portier bin und ließ die Vorlx'reitnng für die Abreise beider liessen. Virginia hatte bei dieser Geschäftigkeit des kleinen Herrn einen Augenblick das Gefühl, daß der Deutsche sie mi» Argus augen beobachtete. Es war eine Kälte um ibn, die trotz sei"er Höflichkeit nicht schwand. Aber schließlich sand sic, daß ihre Nerven wohl ein bißchen mitgenommen seien. Auch fand sie in ihrem Zustand nicht die Kraft, noch länger allein ohne männlichen Beiscand die Scherereien der Rück reise auf sich zu nehmen. So ließ sie geschehen, was der Fremde anordnete, stieg nach einer Stunde in das von ibm bestellte Mietauto und trat in seiner Gesellschaft die Rückreise nach Antwerpen an. Zoll- und Paßkontrolle gingen so glatt wie noch nie auf der ganzen Reise. Die Beamten wechselten mit Herrn Müller — so nannte sich der Begleiter — verständnisvolle Blicke. „Sie kennen sich wohl aus aus dieser Strecke", be merkte Virginia beiläusig. Herr Müller nickte lächelnd und schwieg. In Antwerpen winkte er einen Wagen berbci und fand es selbstverständlich, daß er sie in ein gutes Hotel bringe. Virginia wehrte ab, da sie besser sofort zu Herrn Foisset fahre. Herr Müller bestand jedoch darauf, daß sie mit ihm komme. Als Virginia eindringlich bat, sie ziehen zu lassen, drückte Herr Mütter sein Bedauern aus und sagte, selbst ein wenig erbleichend: „Fräulein Bach, cs ist meine Pflicht, Sie in Haft zu nehmen Sie sind die von uns ge suchte Spionin LBJ. 23." Dabei zog der Mann eine Karte aus der Tasche, die ihn als Beamten der deutschen Spionage-Abwehr legitimierte. Virginia erbleichte. Sic wollte sich aus den Polstern des Autos erheben. „Es hat keinen Zweck, Umstände zu machen, Fräukein Back,, ich kann mich nicht getäuscht haben. Das Büro des Herrn van de Lee »st nämlich auigezlogen und Hern Foisset werden Sie höchstens hinter Schloß und Riegel Wieder sehen." „Das ist ja alles Wahnsinn, Herr, Herr! Ich — eine Spionin?" „Die Beweise werden uns nicht schwer fallen, Fräulein Bach. Bitte, ersparen Sie mir jetzt die Szene». Ich tu« nur meine Pflicht." lzorlletzung tolgl).