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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.04.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120425020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912042502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912042502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-04
- Tag 1912-04-25
-
Monat
1912-04
-
Jahr
1912
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BezustL-Preit Iß» ««» ^!»r»N» d»rch »1er» Lriia« u»» Svedtt*»« r»al t», p«m» arüraqt: « Vi. »»kuitU. r.7U Mr. »i»N«liahil. Bet »nsera stiUalen ». An- «ichmeßelle» adaedoU' 7S PI. monatig US«. oterteljihkl. Lnrch St« Psßr hu»«»H»ld Denychland» und der deutschen Kolonien oierteljädlt. L.SV MI., munatt. MI. ausicht. Poltdellellaeld Kerner tn Belgien, Danemarl. den Ddnauftaolen. Italien, iluiemdgrg. Niederlande, Rar. »egen, Oesterreich - Unaarn, Nu Island. Schweden und Schwei». In allen übrigen Staaten nur direkt durch die Geschäft»« stell» de» Blatt», »rtzälrltch. Da» Letptig«! Tageblatt »rtchetnt Linal täglich. Son» ». Feiertag» nur morgen». Abo»ne»,nt»«Annadiu« I,b«»»t»,als» 8, dei »ns««» Trager», Filialen, Spediteuren »ad Annahmestellen, sowie Postämtern unh Briefträgern. Et»1,l»irtL«t»»r»t» lll B». Abend Ausgabe. Mipugtr Tagcblait r.,.-Ä»,chi > Handelszeitung. s-uk»M.:s fl4b84 iI a» f Dep.-Kast« Tnmnr. Etetnweg L dM'^LL' Amtsblatt des Rates und des Rokizeiamtes der Kiaöl Leipzig. W/L' An^klqka-Preis iur Inserat» au» Leipzig und Umgebung di» Ispaltig» Petit,<U» S Pf..di«N«Nam». »eil« l ML von au»»ärt» 30 Pf. Neklom«n tttv Ml. Inserat» von Behörden rm amt- lichrn Teil dt« PetttieU» Sil Pf S»>chasr»anzeigen mit Planoorfchrttten im Preis« erhöbi Nadott nach Tarts. Beilagegkbübr Gesamt» auslage b Mk o Tausend crki. Postgebühr. Teildeilage hoher Kesterteilte Luitraa« können nicht rurüch« gezogen werden Kür da» Erscheine» an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen »Annahme 2«tz»»n»»g«fse 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Lroeditionen de» In- und Ausland»». Trust und Verla» »»» Fischer L Attrst», Inhaber. Paul Aürlte». Redaktion »nb Gesch»st»st«It»: 2okanni»gaste 8. Kaupi - Kittai« Tee,»»»: Seettrage I. l iTelephon üt>21i. Donnerstsy, üen 25. April 1912. Nr. 210. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Sellen. Das Dichtigkte. - An der Westküste Mexikos herrscht Anarchie. (S. Ausl.) * Mit der „Titanic" sind 156 H-rauen und Kinder untergegangen. (S. Letzte Dep.) * Die Nachforschungen nach den Pa riser Automobilbanditen sind bis jetzt erfolglos geblieben. (S. Tageschr.) Das Suslsnüsecha aul üie SsnzlerreSe. —* Die Aufnahme der letzten KanzlerrMe in der zunächst interessierten Presse des Auslandes bietet mancherlei charakteristische Momente. Am bezeich nendste!! sind die Aeußerungen der Pariser Blätter, die fast sämtlich auf den Ton der ge kränkten und verfolgten Unschuld gestimmt sind- wo bei es ohne die üblichen Unterstellungen auch diesmal natürlich nicht abgeht. Trotzdem Herr von Beth- rnann Hollweg die Ablehnung jedwöüer Offensiv tendenz der deutschen Wehrmachtpolitik mit scharfer Betonung >in den Vordergrund rückte und obgleich der zweiundvierzigjährige Friede für die Aufrichtig keit Deutschlands ein ebenso gewichtiges Zeugnis ablegt, wie seine bis zur Grenze des Möglichen be tätigte Nachgiebigkeit im Sommer und Herbst 1911, sind sich „Matin" und „Republique Franyaise" darin einig, Lag die „unglaublich großen Waffewrüstungen Deutschlands" eine zunehmend kriegerische Stim mung beweisen und nur von der Absicht diktiert sein können, es zu einem Zusammenstoß kommen zu lasten! Der .^Figaro" aber geht weiter und schreitet zu einer persönlichen Verdächtigung des Kanzlers, die schärfste Zurückweisung verdient. Man fühle, so wird dort behauptet, daß ver Reichskanzler selbst nicht von der Notwendigkeit dieser großen Wehroor- lage überzeugt sei; man gewinne den Eindruck, daß er eine SaA verteidige, die er selbst für schlecht halte. Bethmann Hollweg scheine nicht von der Not wendigkeit durchdrungen zu sein, dem deutschen Volke diese ungeheuren Opfer aufzuerlegen, usw. Viel leicht nimmt der „Figaro" Gelegenheit, aus dem Artikel des „Temps", besten ruhlge Objektivität von den anderen Pariser Zeitungen wohltuend absticht, zu ersehen, wie sich die militärischen Maßnahmen Deutschlands ohne chauvinistische Brille darstellen. Der „Temps" nämlich stellt fest, die Wehrvorlage be kunde, daß Deutschland die Vorteile seiner Geburts ziffer ergiebiger ausnutzen wolle. Damit mache Deutschland nur von seinem Rechte Gebrauch und erfülle nur seine Pflicht. Jedes Volk müsse angesichts der Weltlage seine Kräfte auf eine mit seiner Bevölkerung und seinem Kredit in Einklang stehende Höhe bringen, weil, wie der Reichskanzler sage, di« Vorteile der militärischen Kraft nicht nur im Kriege zum Ausdruck kommen und weil das Ansehender Völker im Frieden nach ihrer Kriegstüchtigkeit bemessen rberde. Leider steht der „Temps" mit dieser unbe fangenen Würdigung des Vorganges allein. Uird im ganzen zeigt die charakteristische Haltung der hauptstädtischen Presse Frankreichs nur zu deutlich, ein wie dringliches Lebenscrfordernis es für die deutschen Interessen ist, uns durch Verstärkung unserer militärischen Schlagkraft den Respekt zu erzwingen, den man uns freiwillig nicht mehr entgegcnbringen will. Wenn andererseits unter den Bomerkungcn der Londoner Blätter die Erklärmrg des „Daily Graphic" sich findet, Die Vorlage mache keinen an genehmen Eindruck, so lägt sich dem nur entgegen halten, daß das auch nicht eigentlich der Zweck der Uebung war. Auf den „Daily Graphic" hätte es nämlich, wie aus seinen weiteren Aeußerungen hcr- vorgeht, einen angenehmeren Eindruck gemacht, wenn Deutschlano nach Beilegung des Marokko streites die Initiative — zur Einschränkung der Rüstungen ergriffen hätte! In dieser stupenden Naivität gefallen sich auch andere englische Gazetten. Die „Times" versucht ernstlich, glaubhaft zu machen, daß sie angesichts der fohlenden, unmittelbaren Kriegsgefahr den Anlaß zur deutschen Flottennovelle einfach nicht „begreifen" könnten! Die „Morning Post" verdient ebenfalls besonders yervorgchoben zu werden. Dort liest man eine kategorische Mah nung, wonach „zur Zivilisation auch die Achtung vor den Rechten und selbst den Gefühlen der anderen Nationen gehören." Indessen richtet das Blatt diose treffliche Warnung nicht an seine eigenen Lands leute, nach dem Foreign Office oder an die Lords der britischen Admiralität, sondern an die — Leiter der deutschen Politik! Ueberblickt man das Echo, das die Kanzlerrede in Paris und London hervorrief, in seiner Gesamtheit, so wird man sagen können, daß es sonderliche Ueberraschungen nicht gebracht hat. Nur eines ist erstaunlich. Die englischen und französischen Antworten liegen heute ziemlich vollständig vor: nirgends aber ist Diejenige Tatsache auch nur mit einer Silbe gewürdigt, welche der Aufnahme dieser Wehrvorlagen in Deutschland eigentlich das Gepräge gab und dem Ausland jedenfalls am meisten zu denken geben sollte: die einmütige und geschlossene Billigung, die absolute Salbstvsr- st ä n d l i ch t e i t, mir der D e z-amhefte V-rstärkung unserer Krisgskraft bei allen bürgerlichen Parteien hingenommen wurde. Das war früher nicht so und das hätte man in London und Paris doch vermerken sollen. Oder verschließt man vor dieser peinlichen Feststellung absichtlich die Angen? Ilnbeant sidi! Wir gehen unseren Weg! Sin Geletzentmurk über üen Zulsmmenlmtz von Schirken und die Hilfeleistung und Bergung in Seenot wird, wie wir hören, dem Reichstag jetzt zugehen, nachdem ihn der Bundesrat in seiner gestrigen Sitzung erledigt hat. Der Entwurf ist eine Folge der im Jahre 1910 zwischen 21 Seestaaten abgeschlossenen Vereinbarung über das Seerecht. Er besteht in einer Abänderung des Handelsgesetzbuches, in dem die betreffenden Be stimmungen des Secrcchts geändert werden müssen. Nachdem inzwischen auch die englische Regierung der Konvention beigetreten ist, kann man damit rechnen, daß die Ratifizierung sämtlicher beteiligter Staaten noch in diesem Herbst erfolgt sein wird. Da die Vereinbarungen einen Monat nach der Ratifizierung in Geltung treten sollen, ist es erforderlich, bis dahin unsere gesetzlichen Grundlagen mit ihnen in Ucbcr- einstimmung zu bringen. Die Brüsseler Konvention regelt in erster Linie die Ersatzpflicht bei Zusammenstößen. Für den durch Tötung oder Körperverletzung ent standenen Schaden sollen die schuldigen schiffe Dritten gegenüber als Gesamtschuldner haften, vor behältlich des Rückgriffrechts desjenigen Schiffes, das mehr bezahlt hat, als ihm tatsächlich zur Last fällt. Der Landesgesctzgcbung ist es Vor behalten geblieben, zu bestimmen, welche Tragweite und Wirkung in bezug auf Dieses Rückgriffsrecht die gesetzlichen Bestimmungen haben, durch welche die Haftung der Schiffseigentümcr gegenüber den an Bord befindlichen Personen beschränkt wird. Auch in bezug auf die Verjährungsfristen soll die Landes gesetzgebung befugt sein, die in dem Abkommen fest gesetzte Frist von 2 Jahren zu verlängern. Der Kapitän jedes bei einem Zusammen stoß beteiligten Schiffes ist verpflich tet, de in anderen Schiff und den darauf befindlichen Personen Beistand zu leisten, soweit er dazu ohne ernste Gefahr für sein eignes Schiff imstande ist. Auch hier soll die Gesetz gebung Der vertragsschließenden Staaten ergänzend eingreifen, wo keinerlei Vorschriften zur Bekämpfung von Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen bestehen. Die weiteren Vereinbarungen der Sre- rechtskonferenz beziehen sich auf die Hilfeleistung und Bergung für ein in Seenot befindliches Schiff und die Ansprüche auf die Hilfeleistung. Der bayrische Lanütsg unü üer Zelmtenerlstz. (Von unserem Münchner Mitarbeiter.) München, 2ö. April. Ter Jesuitcncrlaß kam heute im bayrischen Landtag zur Sprache. Kurz nach Beginn der Sitzung verlas namens der Liberalen der Avg. Tr. Dyrr eine Interpellation der Liberalen und die Begründung. Die Interpellation hat folgenden Wort laut: „Was hat oie Königs. Staatsregierung zu der in ihrem jüngsten Erlaß, gegebenen neuen Inter- preiation von 8 1 des Jesuitengesetzes bewogen und mit welchen Gründen glaubt sie diese Auslegung rcchtfertiaen zu können?" Die Begründung lautet: „Die neue Auslegung steht im Widerspruch nicht nur zu früheren Verfügungen, namentlich zu dem Erlaß des Königl. Kultusministeriums vom 4. August v. I., sondern auch zu der seitherigen einheitlichen Auffassung sämtlickxr Bundesstaaten und erscheint als eine Umgehung des Reichsgesetzes sowie der Bekanntmachuna des Bundesrats vom 5. Juni 1872." Danach erklärte der Ministerpräsident Frei herr von Hertling, daß er bereit sei, die Interpellation beantworten, und zwar, sobald die Verhandlungen über die den gleichen Gegenstand berührende Interpellation Bas- sermann im Reichstage zur Beratung gelangt sei. Ta die Interpellation Bassermann nach Be endigung der ersten Lesung der Wehrvorlagen im Rcichöagte beraten werden solle, so werde er also in der Lage sein, die Interpellation an einem der ersten Tage nächster Woche, Dienstag oder Mitt woch, zu beantworten. 106. Jahrgang. Namens der Liberalen erklärte Dr. Cassel- m ann, daß seine politischen Freunde dec Ansicht seien, daß sur da-.- bayrische Staatsnunisteriuin alle Veranlassung bestehe, aus eigener Verantwortung und ganz unabhängig von den Verhandlungen im Reichstage, den Iesuitenerlaß heute zu rechtfertigen. Namens der Sozialdemokraten erklärte Abg. Timm, daß sie keine zwingenden Gründe sehen, weshalb der Ministerpräsident sich hinter deni Reichskanzler verzieht. Zum Schluß erklärte der Redner: Wir Sozialdemokraten crienneu in der Art und Weise der Nichtbeantwonung der Interpellation, daß diese Nichtbeantworluiig ein eigenartiges grelles Schlaglicht aus die L ch l e i ch p o l i t i t der neuen Regierung wirft. — Nach diesen Ausführungen ent stand ungeheure Unruhe. Ter Redner wurde zur Ordnung gerufen. Ter Ministerpräsident wies sofort in äußerst scharfer Weise die Beleidigung des Sozialdemokraten zurück und fuhr dann fort: Die Reichsleitung hat bisher amtlich keine Stellung zu der Frage genommen. Ich halte es für sachgemäß, abzuwarten, welche Stellung die Reichslcitung zu der Frage nehmen wird. Tas wird geschehen, sobald im Deutschen Reichstag die Inter pellation zur Sprache kommt. Sobald dies geschehen ist, wird auch unsererseits ohne jeden Verzug die Interpellation zur Beantwortung kommen. Tr. Pichler erklärte namens des Zentrums das Einverständnis mit der Erklärung des Minister präsidenten. Der Neubau eines Theaters suk üem Tüpkerplstz. Leipzig. 2ä. April. Die Stadtverordneten hatten in ihrer Sitzung vom 14. Februar d. I. beschlossen, u. Den Umbau des Alten Theaters nach oer Ratsvorlag: abzulehnen, b. sich für den Neubau eines Theaters zu ent»cheiücn und den Rat zu ersuchen, den Neubau auf dem Platze des Alten Theaters mit tunlichster Beschleunigung in die Wege zu leiten, 20 009 für Verbesserun gen im Alten Theater zu bewilligen. Der Rat hat nunmehr hierau' den Staotverorö- neten soeben eine Vorlage zugehen soffen, in der fok- gendes ausg<führt wirb. Bei der Ablehnung des Umbaues Les Alien Theaters zu L und bei dem Beschlüsse zu «, für Ver besserungen im Alten Theater nur 20000 .« zu be williaen, hat der Rat Beruhigung gefaßt. Dem Le schlüge zu b, soweit er dahin geht, sich für einen Neubau zu entscheiden, ist er dem der StaDtverord. neten beigetreten. Was nun den zweiten Teil Des Beschlusses der Stadtverordneten zu d anlangt, den Neubau auf dem Platz« des Alten Theaters mit tunlichster B.' fchleuniguirg in die Weg,: zu leiten, hielt cs der Rat für angezeigt, bevor er hierzu Stellung nahm, zu- nächst ein Modell der für den Theatcriieubau über haupt in Frage kommenden Plätze anfertigen zu lassen, um die Wirkung des Neubaues auf die Um gebung dieser Plätze beurteilen zu können. Hierzu hielt er sich um so mehr für verpflichtet, als in der Sitzung vom 14. Februar wiederholt der Wunsch zum Ausdruck gekommen war, es möchte die Platzfrage in aller Ruhe erörtert werden. Nach dem bisherigen Ergebnis der Verhandlun gen konnte es sich nur um den Schulptatz. Len Platz, auf dem jetzt das Alte Theater sicht, und den Töpfer platz an der Stell«, an der jetzt das Hahnemann- Denkmal sich befindet, handeln. 21 ÄÜ8. Geschichte eines Frauenherzens. Don Emmy von Pannewitz. sNachöruck verboten.) II. Im Hofe des Schloßes Berga herrschte frohes, reges Leben. Seit Tagen schon hatten Knechte und Mägde Grün herangeholt und Girlanden geflochten, Ehrenpforten errichtet, und nun zeigte Der alt« graue Bau, der sonst so nüchtern dreiwschaute und kaum den Namen Schloß verdiente, ein gar festliches Gesicht. Grüne Tannsnzweige, mächtige Girlanden und Kränze versteckten die Wunden, die der Zahn der Zeit ge schlagen. Fähnchen in den Wikborgschen und Bergen- schen Wappenfarben fatterten lustig rm Winde und auf der großen Terrasse herrschte munteres Treiben, die jugendlichen Hochzeitsgäste plauderten und Zwit scherten durcheinander, und die gestern am Polter- aoend bei den Aufführungen angefangenen kleinen Courmachereien und Plänkeleien wurden munter fort geführt. Die fröhlichsten waren die vier gleichgeklerdeten Tousinen der Braut, die Töchter des Hauses. Hübsch waren sie nicht, diese althannoverschen Aristokraten kinder mit den großen, vierschrötigen Gestalten, den flachsblonden Haaren und den Augen, hell und farb los wie der Sommerhimmel der Lüneburger Heide. Hell leuchteten die blauen Sommerkleider und mit gewichtigen Schritten eilten sie von einem zum an dern ihrer lieben Gäste, denen sie in Abwesenheit der Eltern di« Honneurs zu machen hatten. Das Brautpaar fehlte ebenfalls, wurde doch in dem Schreibzimmer des Hausherrn soeben die stan desamtliche Trauung von Ada von Bergen und Ba ron Wilborg vollzogen. Mit etwas forcierter Listigkeit erzählten es die Schwestern, hätte doch Alma ebensogut wie Lucia, Olga und Ingeborg ja gesagt, wenn der Baron ihre Hand begehrt hatte! — Run war «s anders gekom men, die Tousin«, die mit ihrer kleinen zierlichen Ge stalt und dem unbequemen Hochmut ihnen so oft schon im Wege gewesen war. hatte auch hier den Sieg da- vcngetragen. Da galt es, die letzten Wochen mit ver doppelter Rücksicht und liebevollster Aufmerksamkeit ihr zu begegnen, so sicherte man sich vielleicht die Möglichkeit, im nächsten Winter nach Hannover ein- geladen zu werden und dort eine gute Partie zu machen. — Das waren die Winke gewesen, die die verstän dig« Mama erteilt, und auch von den Töchtern aufs beste befolgt wurden; aus diesem Gesichtspunkt« war auch ein« große Hochzeit arrangiert, während ADa und ihr Verlobter am liebsten nach einer stillen Trau ung abgereist wären. Frau von Bergen aber hatte es so angeordnet und ihren Wünschen hatte noch nie jemand widerstanden, am wenigsten ihr Gatte, der mit bewunderndem Staunen in geistiger und körper licher Hinsicht zu ihr cmporsah. — In Dom großen Saal, der sich in gleicher Richtung mit der Terrasse hinzoa und durch Flügeltüren mit dieser verbunden war, siairD de lange gedeckte Tafel zu etwa 60 Kuverts. Frau von Bergen, bereits in großer Toilette — denn in etwa einer Stunde fand die Trauung statt in der kleinen Dorfkirche — prüfte noch einmal das Ganze. Sie konnte zufrieden sein. Der Silberschatz des Hauses leuchtete und funkelte um di« Wette mit den Kristallkelchen englischer Herkunft. Die Rosen dufteten i-m Garten und Haus, und Gewinde von Myrtenzweigen mit Orangcnblüten vermischt zierten die Tafel, zogen sich in kleinen Bogen von einem Kandelaber zum andern, um in der Mitte, den Plätzen des Brautpaares gegenüber, in einem mäch tigen Blumenarrangement sich zu verlieren. Frau Agnes war zufrieden. Würdevoll rauschte sie der Türe zu, als ihr Gatte eintrat, ein kleiner, dicker Herr, mit glattem Schädel und ganz behag lichem Bäuchelchen. 2Veit riß er die Aeuglein auf in Dem kleinen, weingeröteten Gesicht, als er seiner Gemahlin ansichtig wurde. „Donnerwetter. Agnes, hast du dich aufgezäumt." Ein leises Stirnrunzeln war die Antwort. „Du weißt, Eduard, daß ich die Stallausdrücke rm Salon nicht liebe." — Eduard fuhr zusammen. Dann streckte er der ihn um mehr als Haupteslänge überragenden Gattin ab bittend die Hand entgegen. „Nun sei nicht böse, Alte" swieder ein leichtes Zujammenfahren), „du bist wirklich in süperber Toi lette." Hier verklärte sich Frau von Bergens Antlitz. Und in der Tat, er hatte recht. In schweren Fal ten floß die fliederfarbene Seide an der hohen Ge stalt Der Schloßfvau, überrieselt von alten venezia nischen Spitzen, aus denen der gleißend« Glanz der Brillanten hervorfunkelte, die sich in prächtigem Kollier ihr um den stolzen Nacken schlangen. Auf der Brust trug sic die Brillanten des Hosenband ordens, der einst einem ihrer Vorfahren von König Georg IV. von England und Hannover ver liehen worden, und dessen brillantenbesetztc Schleife im Besitz ihrer Familie geblieben war und ebenfalls die Inschrift des Ordens trug: „llovn.v sott gui rual X PE5E." Auch den noch vollen blonden Scheitel zierte ein Häubchen von echten Points, mit Brillant nadeln gehalten. Wie kläglich würde das zum drit ten Mal« umgearbeitete Lilaseidene von Fräulein Sybille daneben aussehen! — Frau von Bergen wußte, welche brillant« Salon erscheinung sie in großer Toilette war. Die Bewun derung tat ihr wohl, und wenn cs augenblicklich auch nur die ihres Gatten war. Es konnte nicht leicht «in äußerlich unpassenderes Paar geben. Der kleine, unbedeutende Mann, den ein boshafter Mund einmal den „Nußknacker" ge nannt hatte, und diese stolze Frau, die jetzt herab lassend seinen Arm genommen und auf die Terrasse hinausschritt, sich unter den Schwarm der Gäste zu mischen, und mit ihnen auf das Erscheinen des Braut paares zu warten. In einem Zimmer des oberen Geschosses von Schloß Berga stand die Braut am Fenster. Das weiße Atlaskleid floß bereits in weichen Linien um ihre Glieder, die lang« Schleppe ließ ihre kleine zier liche Gestalt größer erschcinen. Auf dem goldblonden Haupte trug sie den Myrtenkranz, das Ehrenzeichen der deutschen Jungfrau, und der weite Schleier um wogte die süße mädchenhafte Frau. Denn das war sie seit einer kurzen Spanne Zeiit, laut des Aus spruches jenes einfachen Bauern, der im Kirchenrock und vorsintflutlichen Zylinder soeben das Schloß ver lassen. Ada lachte, als sie seiner feierlichen Grandezza gedacht«, die halb der Würde als „Beamter", halb der Schüchternheit des Bauern im Hause der Herr schaft entsprang. Das leichte Lachen verklang das sonnige Aufleuch ten der schalkhaften braunen Augen erlosch und ernst und gedankenvoll blickte Aba hinaus, weit in die grün« Ebene, über der der Himmel blaute in heißer Iuniglut. Ihr Leben zog an ihr vorüber in diesen kurzen Minuten, wo sie sich noch selbst gehörte, wo sic zum letzten Male in dem Raume weilte, der seit zwei Jahren ihre MäDchcnträume umschlossen. Sic sah sich wieder als frohes Kind in dem alten Haus« nahe am Markt, wo sie die ganze Zeit gewohnt, die der Vater in der Harzstadt gestanden. Wie froh und glücklich war sie gewesen in den Zimmern mit Balkendecken und fast schwarzen Täfelungen an den Wänden. Ein halbrunder Erker hing wie ein Vogel näpfchen in der Mitte des Hauses, vom Wohnzimmer s aus zugänglich. Dort hatte die Mutter mit ihr ge sessen und ihr Märchen erzählt, und noch lieber Ge schichten aus der Stadt, di« ihnen zur lieben Heimat geworden war. Und gegenüber auf dem Kirchhof Der Kirche zu 8t. llullss or Orurüuni rauschten die Linden und erzählten Mütterchen immer neue Geschichten aus glanzvoller Vorzeit, denen dann Ada mit ange haltenem Atem lauschte. Und dann kam die Zeit, wo Lkütterchen keine Märchen mehr erzählte, wo sie matt und bleich auf dem Ruhebette lag und das wilde Kind nur auf den Fußspitzen die Räume durchschlich. Und eines Tages blieben die teuren Mutteraugen geschlossen, um sich nie wieder zu öffnen. Ada fröstelte, wenn sie des Tages gedachte. Wieder war es das Erkerchen, wohin sie flüchtete mit ihrem Leid. Da kam wie eine milde, gütige Fee Tante Sybille in ihr Haus, das verwaiste Kind an ihr Herz zu nehmen! Sie war ihr eine zweite Mutter gewesen und mit inniger Dankbarkeit blieb Ada ihr zugetan. Sie hatte sie später hinausgeführt in di« Welt, und wenn ihr die Huldigungen nicht das Köpfchen verdreht, so war es wieder Tante Sybillens Einfluß zuzuschreiben. Auch ihr Vater hing mit einiger Verehrung an dieftr Schwester seiner nun auch verwitweten Schwägerin. Und der gütige Vater! Wie batte er sein einzig Töchterchen verzogen! Jeden Wunsch ihr gewährt! Sie lächelt« Gedachte des Tages, als der Oberst auf ihre Bitten L«n Holzstall ausräumen und reinigen ließ und sie sich dort ihr Wohnstübchen einrichtcn durste. (Fortsetzung in de' Morgenausgabe)
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