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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.04.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120419014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912041901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912041901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-04
- Tag 1912-04-19
-
Monat
1912-04
-
Jahr
1912
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Gerade die Verbindunaen können ein gute» Beispiel dafür geben und tüchtige Löhne de, Vaterland«, schaffen. (Lebhafte, Bravo!) Je weniger Examen, desto besser. Auch sür die älteren Juristen sollten Kurie eingerichtet werden, um sie au» der öden Tätigkeit des täglichen Leben» wieder einmal herauszuheden. Der Juristenaustausch zwischen West Deutschland und Osi-Elbien, wo es auch ganz nette Leute geben mag. wäre zu empfehlen. Darin würde ein großer Gewinn für unsere deutsche blecht», pflege liegen. Ich freue mich über die gross« segen bringende Tätigkeit der Frauen in der Klndersür- sorge. Da sollten die Frauen als Schöffinnen am Jugendgericht zugelassen werden. Die Schöffen und Geschworenen sollten allen Bevöl- kerungsschickstcn entnommen werden. Dankenswert ist die Einrichtung besonderer beschleunigter Gerichts, höse im Streikrevier. (Zurufe bei den Soz.) Auf Zeitungsnachrichten gebe ich nichts. Wir sollten nicht kritisieren, ohne den authentischen Tatbestand zu kennen. Reformbedürftig ist besonders das System des Vorverfahrens. G» Abg. Dove (Fortschr. Vpt.): Wir Haden so eben eine Generalbeichte eines Professors gehört. «Große Heiterkeit.) Ich will dem Verspiel als alter Richter nicht folgen. (Heiterkeit^ Lin Teil un serer Wünsche, namentlich hinsichtlich der Jugend gerichtsbarkeit liehe sich vor der Justiznovelle erledi gen. Wenn Herr Stadthagen meint, im Streikrevier sei AlasseniuNiz getrieben und bei aus dem Volke ge wählten Richtern würde es anders werden, so bin ich anderer Meinung. Die Klassenjustiz würde da durch nur gefördert werden, denn die Sozial- demokraten selbst bezeichnen die Streikbrecher als Verbrecher. Die richterliche Unabhängigkeit mutz nach keiner Richtung hin berührt werden. Die einzel staatliche Gesetzgebung darf sich nicht in Widerspruch setzen mit dem Rclchsrecht. Das muh auch dem preußischen Arocitsscheuengesek gegen über in Betracht gezogen werden. Wir sollten uns davor hüten, gar zu viele Spezialgesetze zu mcfthen. Wir machen überhaupt viel zu viel Gesetze. (Leb haftes Sehr richtig! im Zentrum uird rechts.) Jetzt rufen Sie „Sehr richtig!" und dabei bringen Sie bei jedem Etat soundso viele Resolutionen auf Schaffung neuer Gesetze ein. (Trotze Heiterkeit.) Eine Reform des juristischen Studiums ist allerdings dringend erwünscht. Die zukünftigen Rich ter müssen einen freien Blick auf die Verhältnisse des öffentlichen Lebens bekommen. Unsere zukünftigen gesetzgcberrschen 2Uerke müssen darauf gerichtet wer- den, datz unser Justizwesen vorbildlich ausgestaltrt wird und datz Vas juristische Bildungswesen reichs gesetzlich nach Einheitssystemen verbessert wird. (Bei fall bei den Freisinnigen.) Staatssekretär Dr. Lisro. Nach den vielen kleinen Aenderungen müssen jetzt erst Erfahrungen gesammelt rverdcn, ehe di« Zivil- prozetzordnung grundsätzlich neu geregelt wird. Na mentlich wird und mutz eine solche Reform kommen; eine Fülle von Anregungen ist schon dazu da. Zu nächst «nutz aber die Strafrechtsreform weiter fort geschritten sein. Ebenso steht es mit der Konkurs ordnung. Der Wunsch nach einem außergericht lichen Zwangsvergleich wird nicht von allen beteilig ten Kreisen mit Freuden begrüßt. Wenn wir eine Vorlage bringen, so werden auch Zwangsmatz regeln für die Gläubiger einbegriffen sein. Das Gesetz über di« Konkurrenzklausel, das auf dem Grundsatz d«r bezahlten Karenz beruhen muß, wird dem Reichstag in der nächsten Session vorgelcgt werden, ebenso der bereits fertiggestellte Enrwurf über die.Haftung der Gi j en.pah n e y MLach- schab«n. Mehrer« andere kleine Reform^ wie Rechtsänwaltsgebühren, Zeugengebühren Mb Ar beitsordnungen, sind in Vorbereitung. Die Aus führungen des Abg. Dr. van Luiker über die Vor bildung unserer jungen Juristen sind mir ja sym- pathifcy, gehören aber nach meiner Ansicht mehr ins preußische Abgeordnetenhaus als hierher. Sollten An regungen seitens der einzclstaatlichen Justizverwal tungen wegen einer Reform an mich herantreten, so werde ich gern in dem hier gewünschten Sinne dafür «intreten. Das Strafgesetzbuch ist in seinem allge meinen Teile fertiggestellt, und Vic erste Lesung des besonderen Teiles dürste von der eingesetzten Kom mission bis Ende dieses Jahres ebenfalls erledigt werden können. Dem Reichstag dürfte dieses große Werk zu Anfang der nächsten Legislaturperiode, also 1!>17, zugehen. Die vom Abg. Stadthagen vorgebrach- tcn Einzeljälle liegen doch zum Teil anders, als er es geschildert hat. Die Bestrafung einer Familie im Ruhrrevicr wegen Aufsaminclns von Kohle aus der Schlacke scheint wenig«! hart, wenn man be denkt, daß die Leute wiederholt gewarnt worden sind, mit dem Material, das sie keineswegs aus Not gesammelt hatten, einen schwungvollen Handel zu treiben. Im Falle Hermann ist alles geschehen, um die Schuldigen zu ermitteln. Die Schutzleute wurden einer großen Reihe von Zivilisten gegenüber gestellt, ohne datz sich irgendein Anhaltspunkt für den Verdacht ergeben Hütt«. Es ist zu bedauern, daß di« Schuldigen, seien cs Beamte oder nickst, nicht haben ermittelt werden können. Die Sach« liegt aber ge nau so, wie wenn aus einer Menschenmenge Steine geworfen und Beamte verletzt werden. Die Anklagen des Abg. Stattihagcn in dieser Richtung waren unbegründet. Die Strafprozetzresorm und die Strafrechtsreform gleichzeitig vorzunchmcn, ist nicht denkbar. Zunächst wiro das Strafrecht zu erledigen sein. Das preußische Arbeitsscheuengesetz verstößt nicht gegen di« reichsgesctzlichcn Bestimmungen. Seine Vorschriften sind analog den in den anderen Bundes staaten bestehenden. G» Abg. Holtschke (Kons.): Wir begrüßen cs, daß die rechtliche Seite des Luftschiftwesens endlich ge regelt werden soll. Zwischen Richtern und Ver teidigern er folgen jetzt viel fall) Zusammenstöße; dabei spielt oft Reklamesucht der Anwälte eine Roll«. Der Staatssekretär sollte es deshalb nicht unterlassen, Vorbcugungs maßregeln dagegen zu «rarei- fcn. Für Spionageprozesse muß eine Ver schärfung der Strafbestimmungen eintretcn. Daß den Schöffen und Geschworenen Tagegelder bewilligt werden, halten wir für begründet. Unsere Revolu tion auf Bekämpfung der Schundliteratur braucht nicht besonders empfohlen zu werden. Sie spricht für sich selbst. Di« Angriffe des Abg. Stadt hagen gegen den Richterftand sind unbegründet. Wir haben volles Vertrauen zur Rechtsprechung. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das glauben wir!) Wir erkennen an daß der Richterftand unparteiisch und gerecht sein Amt ausübt, und dieses Vertrauen teilt der größt« Teil des Volkes, und «s wird Ihnen nicht gelingen, Lurch solche Angriffe dieses Vertrauen zu erschüttern. (Lebhafter Beifall rechts.) D» Abg Dr. v. La»zr»ski (Pole) begründet eine Resolution seiner Partei auf Bewilligung von Tage geldern an Geschworene und Schöffen und klagt über die schweren Bektrafuitgen polnischer Redakteure. Das Rcich»ver«insges«tz wird Len pol nischen Organisationen aegenüber zu rigoros und parteiisch angewandt. Die harten Urtmle Polen gegenüber sind daraus zu erklären, Laß di« dortigen Richter das Wcsen der Bevölkerung und ihre Sprache nicht verstehen und politisch befangen sind. Zum wenigsten muß verlangt werden, van «m« Beru fung gegen die Urteile der Strafka mmer mög lich ist. G» Abg. Merti» (Rpt): Di« Ausführmrg«n de» Abg. Stadthagen waren maßlos« Urb er- tr«ibunaen. All« Jahr« bekommen wir von ihm derartig« schwer« Vorwürfe gegen den Richterstanü zu hören. Die Sozialdemokraten, die sonst rmmer nach einer schnellen Justiz-rufen, beschweren sich über die Rechtsprechung im Ruhrr«oier. Line schnell« Justiz liegt doch in all«rerfter Linie im Interesse der An geklagten. Wir verkennen keincsweg» die schwer« Lage, di« durch di« Untersuchungshaft sowohl in seelischer wie in wirtschaftlicher Beziehung für die Beschuldigten erwachsen kann. Wir sind stet, für die stärkere Heranziehung d«r kleinen Elemente zum Amt der Schöffen und Geschworenen etngetreten. Wir wollen keinen Unterschied in der Auswahl der Per- sonen nach Berufsklassen getroffen wissen. Des halb stimmen wir auch L«r Einführung von Diäten zu. (Beifall rechts.) Hierauf wird di« W«iterberatung auf Freitag 1 Uhr vertagt. «chluß Uhr. Sächsischer Lsnütsg. Erste Kammer. (:) Dresden, 18. April. Die E rst e Kammer erledigt« heute in Degen- wart der Staatsminister Dr. v. Otto und Graf Vitzthum von Eckstädt den Bericht der ersten Deputation über den durch das König!. Dekret Nr. 11 vorgelegten Entwurf eine» Gesetzes betr. Aenderungen von Landesgesetzen über die freiwillige Gerichtsbarkeit, den Antrag der Abgg. Dr. Mangler und Genossen betr. Erweiterung der Zuständigkeit der Gerichts schreiber auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichts barkeit und die Petition des Vorstandes des Säch sischen Anwaltsvereins betr. Einwendungen gegen das Königl. Dekret Nr. 11. Di« Deputation beantragt: Di« Kam. mer wolle beschließen: den Beschlüssen der Zweiten Kammer über den durch das Königl. Dekret Nr. 11 vorgolegten Gesetzentwurf, und zwar: 1) in Artikel I a. den Eingang der Nr. 2 so zu fassen: „Nach § 38 wenden folgende Vorschriften ein gestellt"; b. hinter 8 38a folgende neue Vorschrift cinzuschalten: 8 38b. Die Gerichtsjchreiber der Amtsgericht« sind zur Errichtung einer Urkunde über einen An spruch, welcher Li« Zahlung einer bestimmten Geld summe oder Vi« Leistung einer bestimmten Quan tität anderer vertretbarer Sachen oder Wert papiere zum Gegenstand hat, auch dann zuständig, wenn sich der Schuldner in Vcr Urkunde der so fortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Degenslande hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Gruiitdschuld oder einer Rentenschuld. Für einen solchen Anspruch kann sich der Eigentümer des Grundstückes der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterwerf«», daß die Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig sein soll. Die Unterw«rfung bedarf in diesem Falle der Eintragung in das Grundbuch. 8 38a, Msatz 3, 4 sind anzuw«nden. Auf Grund der in Absatz 1, 2 bezeichneten Ur kunden wird di« gerichtliche Zwangsvollstreckung zugelassen. Di« Vorschriften der Zivilprozeßord nung sind anzuwenden: insbesondere gelten 8 <94, Absatz 2, 88 <97, 799, 8 «00, Absatz 2, 3 der Zivil- Prozeßordnung entsprechend. In den Fällen, in denen nach der Zivilprozeßordnung die vollstreck bare Ausfertigung nur alch Anordnung des Vor sitzenden erteilt werden darf, wird sie bei einer Ur kunde des Gerichtschreibcrs auf Anordnung des Amtsgerichts erteilt, das die Urkunde verwahrt. 2) Mit den zu 1 beschlossenen Abänderungen des Artikels I im übrigen unverändert nach der Vorlage die Artikel I und U anzunchmen. 3) Den ganzen Ges«tzentwurf mit den beschlossenen Abänderungen im übrigen unverändert nach der Vor. läge samt Ueberschrift, Eingang und Schluß anzu- nehmen, beizutreten; ferner ft. den Antrag der Abgg. Dr. Mangler und Genossen unter 1 für erledigt zu erklären, unter 2 auf sich beruhen zu lassen; O. die Petition des Vorstandes des Sächsischen An- waltsvcreins auf sich beruhen zu lassen. X Der Berichterstatter Bürgermeister Dr. Ay- Meißen wies darauf hin, daß sich di« Erst« Kammer ans drei Gründen wiederum mit dieser Materie be fasse, und zwar: 1> weil die Regierung selbst während der Deputationsderatungen in der Zweiten Kammer an ihrem Gesetzentwürfe Verbesserungen ge troffen habe, 2) weil inzwischen auch «in Antrag Dr. Mangler und Genoßen an die Erste Kammer gelangt sei und 3) weil nach Abschickung des Dekrets noch eine Petition des Sächsischen Anwaltsverein» zu dieser Angelegenheit eingögangen sei. Der Deputationsantrag wurde hierauf einstimmig und ohne Debatte angenommen. X Rittergutsbesitzer Dr. Becker-Kötteritzsch bean tragte, di« Petitionen des Stadtrats zu Radeberg um Evvauung einer Eisenbahn von Arnsdorf über Rade berg nach Radoburg und die Petition des Stadtge- mcinderates zu Radeburg und Genossen in Ueberein« stimmung mit der Zweiten Kammer der Königl. Staatsregierung zur Kenntnisnahme zu überweisen bzw. auf sich beruhen zu lassen. Die Kammer trat diesem Anträge einstimmig und debattelo» bei. X Danach beantragte Graf v. Koenneritz, die Petitionen der Gemeinderäte zu Furth, Glösa, Drai»- darf und Borna bei Chemnitz, insoweit sie sich auf Beseitigung der durch Verunreinigung des Themnitzflusses durch Abwässer der Stadt Chemnitz entstandenen Uebelstcinde bezieht, der König, liehen Staatsregierung zur Kenntnisnahme zu über weisen, soweit aber darin eine Beschwerde gegen das Verfahren der zuständigen Behörden zu erblicken ist, sie auf sich beruhen zu lassen. X Oberbürgermeister Dr. Starm-Ehemnitz wendet sich gegen die Behauptungen, nach denen die Arbeiten zur Beseitigung der Mißstände seitens der Stadt Chemnitz verschleppt worden seien, und daß da« Mi nisterium des Innern die Stadt Chemnitz in dieser Frage zu milde behandelt habe. Im übrigen hoffe er. daß die Stadt Chemnitz bei der Durchführung der Arbeiten auch von der Staatsregierung nach Mög lichkeit gefördert werd« und daß nicht wieder neue Schwierigkeiten austauchen, wie dies erst wieder in den letzten Tagen der Fall gewesen sei. X Staatsminister Graf Vitzthum v. Sckstädt will auf die großen Schwieri^etten der ganzen Frage hier nicht eingehrn. Nachdem er die Erklärung ab gegeben hat, daß die Kreis- und Amtshauptmann, schäft Chemnitz im Einvernehmen mit dem Ministe rium de» Innern gehandelt habe, spricht er die Hofft nung aus, daß der gut« Wille, den die Stadt Chemnitz jetzt zur Beseitigung der UebelstSnde zeige und den er auch gern anerkenne, auch zur Beruhigung der übrigen Gemeinden mit beitragen werde. X Graf Schönburg-Glauchau bittet die Staats regierung, in ihren Bestrebungen der Verunreinigung der Wässer vorzubeugen im Interesse der Allgemein heit fortzufahren. X Oberbür^rmeifter Dr. Eturm-Themuitz er« klärt nochmal», die Stadt Chemnitz sei jederzeit bereit , gewesen, die notwendigen Arbeiten sofort vornehmen zu lassen, doch habe er bezüglich der von der Amts- Hauptmannschaft Chemnitz geforderten Arbeiten di« Ansicht, daß diese zwecklos gewesen sein würben. X Oberbürgermeister Keil-I»ickau bemerkt, daß nicht nur Klagen vom Lbemnitzflusse über Geruchs- belästigungen, sondern auch au» anderen Landesteilen vorlägen. So sei die» auch z. B. beim Planitzbach bet Zwickau der Fall. X Oberbürgermeister D«. Dtttrich-Leip-ia betont, daß auch in Leipzig seit langen Jahren Versuche zur Beseitigung von Deruchsbelästiaungen und zur Ab führung oer Fätalwässer gemacht würden. Jetzt fei man im Leipziger Stadtgebiet so wett, dag über. Haupt kein Verdrauchswasser mehr in d«n Fluß ge- leitet werd«, sondern daß sämtliche Schleusenwässer, die ungefähr 60—70 009 Kubikmeter betragen, durch die Kläranlagen gehen. Nach seiner Mernung ge nüge die heutig« Gesetzgebung durchaus, um alle Be schwerden ^u beseitigen. Staatsnrinister Graf Vitz thum o. Eckstädt habe sehr richtig bemerkt, daß es sich in dem Chemnitzer Falle um ein« besonders schone- riae Frage handele. Die Stadt Leipzig habe schon lehr viel Geld aufgcwendet, um ihre Versuche nach jeder Richtung hin weiter auszudehnen. So habe sie u. a. sogar ihre Techniker ins Ausland geschickt. Leider habe man sich jedoch überzeugen müssen, daß eine absolute Sicherheit derartiger Anlagen überhaupt nicht feftgeftellt werden könn«, und es müßten oft jahrelange Versuche anaestellt werden, um ein Urteil fällen zu können. Infolgedessen Verde oft der An schein erweckt, daß dre Gemeinden in dieser Frage es an dem notwendigen guten Willen fehlen lassen. Für Leipzig müsse er in Anspruch nehmen, daß Lies nicht der Fall sei. Hiermit war die Debatte « rfchöpft, und die Kammer beschloß einstimmig dem Antrag« des Re ferenten gemäß, um dann noch die Anzeigen der vier- tcn Deputation über drei für unzulässig «rklärt« Peti tionen entgcgenzunehmen. Nächste Sitzung: Mittwoch. 2k. April, vorm. 12 Uhr. Tagesordnung: Schlußberalung über den Gesetzentwurf eine» Fischereigesetzes, Elsterbad, Petitionen. Sum Untergang -er „Titanic". Bon Dr. Vorschulze (Leipzig). DaS entsetzlick)« Unglück, welches über den stolzen englisch» Dampfer und seine Passagiere herein gebrochen ist, hat wieder die Unzulänglichkeit aller menschlichen Kraft und Kunst gegenüber den Natur- gewalten klar vor Augen geführt. Aber alles Mitleid mit den bedauernswerten Opfern der Katastrophe darf nicht vergessen lassen, daß der Ausspruch des ersten Napoleon, daß ein großes Unglück fast immer einen großen Schuldigen hinter sich habe, auch jetzt noch seine Berechtigung hat. Wo aber ist hier der Schul diae zu suchen? War es ganz allein der Eisberg mit seiner brutalen Gewalt, waren cs unvollkommene Rettunasvorrichtungen an Bord, war es sträflicher Leichtsinn des Kapitäns oder unsinnige Rekordsucht der SchiffSgesellschast, auf deren Schuldkonto der enorme Verlust an Men- schenleben und Material zu buchen ist? Oder war es eine Kombination von verschiedenen solcher Ur sachen? hierüber Klarheit zu schaffen, wird immer schwierig sein, zumal die biSH«r eingetroffcnen Nach- richten noch nichts Wesentliches erkennen lassen. Trotz dem drängen sich dock einige Fragen auf, deren Beantwortung im Interesse des reisenden Publikums notwendig ist. Zunächst wäre die Hauptfrage zu prüfen, warum eigentlich das Schiff die im Frühjahr so gefähr lich nördliche Route gewählt hat. Jeder Atlantikfahrer kennt daS große Risiko dieses Weges, der vor dem südlichen nur den Vorteil der kürzeren Strecke voraus hat. Hat der Kapitän sich diesen Weg aus eigener Machtvollkommenheit gewählt, oder hat ihn seine Reederei auf diesen Unglückspfad ge drängt? Es ist nicht gut glaubhaft, daß der erfahrene Führer des Schiffes die Verantwortlichkeit hierfür allein ans sich genommen hat. Hier scheint vielmehr das Bestreben der konkurrierenden Schiffahrtsgesell schaften, sich gegenseitig in SchnelligkcitSrekordziffern zu iiberbieten, der treibende Faktor gewesen zu sein. Wenn auch zugegeben lverden muß, daß der moderne Verkehr ein Recht hat, die Verbindung zwischen hüben und drüben möglichst kurz zu gestalten, so darf das jedenfalls nicht so weit gehen, daß die persönlich Sicherheit der Passagiere — einer Zahl zuliebe — rücksichtslos aufs Spiel gesetzt wird. Es ist wirklich nicht so tragisch, ivenn ein Kajütspassagier, mag er sich geschäftlich oder des Vergnügens wegen in Europa aufgehalten haben, 12 oder 24 Stunden später in Amerika anlangt. Den Zwischendecke!» muß der Zeitgewinn noch viel gleichgültiger sein. Nachdem die Kollision erfolgt war, ist es nur einem Teil der Passagiere geglückt, ihr Leben zu retten. Hierfür nun ohne weiteres den Grund in mangelhaften Rettungseinrichtung en zu suchen, ist nicht statthaft. Das Verhältnis der An- zahl der Rettungsboote zur Zahl der Passagiere und Mannschaften ist in England so gut wie bei uns gesetzlich festgelcgt. Auch wird die ganze Ret- tungSmaschinerie sedesmal vor Abgang dcs Schiffe- auf ihre Funktion hin geprüft, so daß bei dem völlig neuen Material de« Schiffes wohl alles geklappt hat. Viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Ret tungsboote auf offener See gekentert sind oder von dem untergehenden Riesen mit in die Tiefe gezogen sind. Der Vorwurf, daß die Sicherheit«. einrichtungen aus den Riesendampfern zugunsten de- Komfort- vernachlässigt würden, entspricht nicht den Tatsachen, wenn auch zugegeben werden muß, daß hier die Sucht nach Wohlleben und Reklame schon eigentümliche Blüten getrieben hat. Jedenfalls dürste da- Unglück das Gute haben, daß Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, um derartigen Katastrophen nach Möglichkeit vor- zubeugen. Hier ist e- wohl am zweckmäßigsten, wenn die großen Schiffahrtsgesellschaften für die Neber- fahrt eine Normalzeit schaffen, die unbedingt ein gehalten werden muß. Warum sollte auf dem Wasser nickst möglich sein, wa- z. B. bei der Eisenbahn ganz selbstverständlich ist, daß die Züge eine gewisse M aximalaeschwindigkeit nicht über schreiten dürfen? Wenn die Konkurrenz der ein zelnen Linien diesen Gedanken nicht zur Ausführung bringen läßt, so läge wohl zunächst den Vereinigten Staaten von Nordamerika die Verpflichtung ob, dem Sclmelli^keitSunfug der Ozeanriesen durch gesetzliche Maßnahme« ein Ende zu machen. Denn eS handelt sich hauptsächlich um da» Leben ihrer eigenen Bürger oder solcher, die eS noch werden wollen. U Letzte Melüungen li«gen unmittelbar vor dem von Abermillionen Menschen sehnsüchtig erwarteten Eintreffen der „Larpathia" in New York noch folgend« vor: r»»do», 18. April. (Tel.) Unter der Mann schaft der „Titanic" befinden fick auch sechs Deutsche- und zwar: der Heizer Laspe oder Lappe, und di« Steward» Thslsinger Pfrap- pxr, Heinen- Müller und Tietz. Portlai»» (Maine), 18. April. (Tel.) Die Liste der geretteten Zwischendeckspassagiere der „Titanic" enthält etwa hundert Namen, die meistens auf Skandinavier, Russen und Polen schließen lassen. Vielleicht stammen die Träger der folgenden Namen au- Deutschland: Bertha Nelson, Damina Nelson, Mora Roth, Anna Reibon, August Lbrahamsohn, Carl Nelson, Gustav Cohn. Die „Larpathia" befand sich um 5,50 Uhr morgen» auf der Höhe von Nantucket und trifft wahrschein- lick abends im Hafen ein. Aus »er Suche »ach Leiche». London, 18. April. Von Halifax wird tele graphiert, daß die White-Star-Linie Len Kabel dampfer „Mackay Bennett" gemietet hat, der mit einer Ladung von Särgen und Eis nach dem Schauplatz der Katastrophe abging, um Leichen zu bergen. Ein Geistlicher und ein Leichenbestatter befinden sich an Boro des Schiffes. Der Sohn des Obersten Jakob Astor ist in Halifax angelangt, um einen Dampfer zu mieten, mit dem er serne« Vaters Leiche suchen will. Die „Olympic" berichtet, daß die „California" eine Anzahl von Leichen aufge fangen hat und damit nach New York abge fahren ist. Halifax, 18. April. Ein drahtloser Bericht von dem Orte der Katastrophe meldet, daß eine große Zahl von Leichen von Fischerbooten sowie von der „Olympic" ausgenommen worden sei. Die „Olympic" blieb den ganzen Dienstag an der lln- fallstelle, um den Bericht zu telegraphieren und Leichen aufzunehmen. Der Direktor der United Pres Society Howard erklärte in einem Marconitelegramm von Bord der .^Olympic", daß der Leyland-Dampfer „California" eine Anzahl Leichen geborgen habe und sie nach Boston bringen werde. Der photographierte GIsderg. London, 18. April. Das New Yorker Eoening- Telegramm veröffentlicht di« Erzählung des Ka pitäns der Barke „Eutonia", der der Meinung ist, daß er vor kurzem aller Wahrscheinlichkeit nach den selben Eisberg, an dem der „Titanic" zerschellte, photographiert habe. Er photographierte die ganze Unglücksstelle zweiTagevorher und fand einen Eisberg, der 500 Meter lang war und 100 Meter hoch aus dem Master hervorragte. Trauergottesdienst. London, 18. April. In der St. Pauls-Kathedrale wird morgen von dem Bischof vonLondon ein Trauergottesdienst zelebriert werden. Auch General Booth wird nächsten Sonntag in der Heilsarmee einen Gottesdienst abhalten. Der blaue Diamaut verloren. London, 18. April. Mehrere Zeitungen berichten, daß mit dem Untergange der ..Titanic" auch der be rühmte ..blaue Diamant, der sich an Bord de» Ricsenschiffes befunden hat, verloren gegangen sei. Der geheimnisvolle Diamant, der bisher jedem Unglück gebracht hat, der ihn besaß, repräsen- tiert einen Wert von IVr Million Mark. An ihn knüpft sich eine Reihe tragischer Geschichten. Er gehörte ursprünglich einem Sultan der Türkei, der abgesetzt wurde. Dann ging er in den Besitz eines Spaniers namens Haoib über, der später ertrank. Später kaufte ihn die Königin Marie Antoinette, die durch dle Guillotine hingerichtet wurd«. Darauf gelangte er in die Hände de» Prinzen Lamballe, der von einem Volkshaufen ermordet wurde. Ein Juwelier in Amsterdam, welcher nachher den Diamanten er warb, verübte Selbstmord. Sein letzter Besitzer war ein Amerikaner namen» Mac Lean in Washington, welcher im Januar den Diamanten kauft«. Tuseschrmük. VaurrnrrvoUr in Italien. Turin, 18. April. Nach einer Meldung der „Stampa" aus Todi griffen die wegen der be schlossenen Steuererhöhungen erbitterten Bewohner, mit Aexten, Sensen, Mistgabeln und Dreschflegeln bewaffnet, das Gemeindehaus an, vertrieben die Eemeinderäte und zwangen die Mehr heit von ihnen zur Demission. Die Menge, die von berittenen Anführern befehligt wurde, geriet in ein Treffen mit 14 Gendarmen, die alle unter schweren Verletzungen den Kampfplatz räumen mußten. Darauf befreite das Volk zwei Verhaftete und rüstete sich zum Widerstand gegen die militärischen Verstärkungen, die aus der Nachbarschaft herbeigerufen worden waren. Auch Frauen und Kinder beteiligten sich leb haft an der Rebellion. Nach Eintreffen von zwei Kompanien Militär sind etwa 50 Bauern, von denen viele verletzt find, verhaftet worden. Bochslt, 18. April. (Ein Sch ul streik) ist hier ausgebrochen. Bei Beginn des neuen Schuljahres sollten mehrere Klassen in eine etwas abgelegene Schule verlegt werden. Die beteiligten Familien väter wandten sich in einer gemeinsamen Eingabe an die Regierung um Aufhebung der Anordnung. Als sie abschlägig beschieden wurden, beschlossen sie in einer Versammlung, die Kinder überhaupt nicht zur Schule zu schicken. So konnte bisher die neue schule nicht eröffnet werden, da keine Schüler erschienen waren. * Paris, 18. April. (Frau Falliüres.) Die Gemahlin der Präsidenten Falliüres ist in Ram- bomllet, wo sie augenblicklich weilt, nur mit knapper Not einem ernsten Unfall entgangen. Sie machte ihren alltäglichen Spaziergang in dem Schloßpark, als sie plötzlich ein Krachen über sich vernahm und unwillkürlich zurücktrat. Im nächsten Augenblick stürzte ein großer morscher Ast auf die Stelle, die sie eben verlosten hatte. Frau Fallröres kam mit dem Schrecken davon. Irkutsk, 18.April. (In den Goldwäschereien) der Lea-Gesellschaften ist es zu ernsten Arbeiter unruhen gekommen. Zur Unterdrückung de» Auf- stände» war Militär aufgeboten worden. Die Sol. daten schossen und töteten 107 Arbeiter und ver wundeten 80. Us«. 18. April. (Explosion.) Aus dem Bugsier- damofer „Kreuzer" wurden durch eine Kestelexplosion acht Mann verletzt, mehrere von ihnen lebensgefährlich. St. Sohnes (Rrrffundland), 48. April. (Nur ein Gerücht.) Während der Nacht ging da» Gerücht, datz der kanadische Reaierungsdampfer Earl of Grey mit zweihundert Passagieren bei Capa Raca ge sunken sei. Die Telefunkenstation von Tava Raca erklärt, keine Nachricht zu besitzen und hält da» Gerücht für unglaubwürdig.
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