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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.05.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120517011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912051701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912051701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-05
- Tag 1912-05-17
-
Monat
1912-05
-
Jahr
1912
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»ezug-.Prei» W L«ivt>u ,»d >v»r»a» »»»ch »!«« Iräa«, und E»«0N«»r« r»«l ti»l!ch in» Ka», ,edra<yl M VI- «onatl^ i.70Ml. »t«rt«1iährt. V«I »n!«rn^Utalen » »n. na-m«ß«Hin ada«l>ott: 7» Pf. »,natl^ r.rs Ml. »t»n«llthrl. »>vtz — V«U: innerhalb Deutlchland» »nü der denllchen Kolonien oierleULHrl. r.« Ml., »onati. USl Ml. auoschi. PostbrftrLaeld Kerner in Belgien. Dänemark, den Donauftoaten. Italien, lturemdnra, Rtrdrrlande, Nor wegen. Orfterreiq« Ungarn. Nukland. Schweden und Schwei». In allen übrigen Staaten nu, »tret« durch d>« tbeichäst». Kell« de» Blatte» erhältlich. Morgen-Ausgabe. 'rMgcr Tagcblaü Da» Letp»t,«r Dagedlau «richetnt Lmal täglich. Sonn» n. KeteNag» nur morgen». iilbonn«m,nr».Lnnahm«. I»d»»»i»»«l1« 8. d»t anleren Trägern, Ktltalen. Spediteuren »ad AnnahmeiteUen, iowie Bollämtern und Brtekträgern. Sta,»l»»rta»t»»r«»» 10 Bi- Tel.-Änschl. 146S2 ,«»««..,chluh» 14 »9L 14KS4 Handelszeitung. Lavkkrnlo: Allgemein« Deutsch« Lr«dtt- «nlralt «rüdl 7L/77. Deutsche Bank. Ftliat» Leipzig Dep.-tkass« S rimm. Stetnweg L WUN Amtskkatt des Aales «nd des Nolizeiamles der Stadt Leipzig. W."L' Anzeigen Prei« sä» Inseral« au» Lewziu uad Umgebung di» Ilgalttge Belllzett« , die Neklame» »eile I Ml oan au»n>arl» io BI. Xeklamen llll Mk Inseiate oon Bebdcden >m oinl- ltHen Tel! di, P-UI--N« üo Ps <L«Ichäfl,anz«ige>> mit Plagoorschrttten im Prell« «rhoin tlavatt nacbTaris. B«Uau«gebü!>i lbeiamt» auNag, S Ml. p raulead ezki Pallgedübr. Teildeilag« bnver K«U«N«Ut» tlailräa« lännen nltn zurüä- gejogen werben Kui da» ckrlcheinen an veltimmlen Tagen und Bläuen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen . ttnnavme: S«da»n>»g»!ie 8. bet sämtlichen Filialen n. allen ttnnonren» lLlpedtlionea de» In- und tlu»lande». Druck »n» Beel», »«» Ktsch«, » ttttrite» Inbadir: Baut »tgriteu. Nedaltio» und Aelchan.itell«: Iadannl»aasse li Haupt-Filiale Der»»»»: Seeurane < l lTelepho» ttül). Nr. 24S. /reilag, den l7. Mai lSl2. 106. ZshrtzSNg. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Seilen. Das Wichtigste. * L o rd L h u r ch i l l hielt bei einem Bankett in London eine Rede über das englische Flot tenprogramm. * Das von einer Windhose zerstörte Dorf Sehlis bei Taucl)a wurde gestern aus allen Teilen Sachsens von etwa 100 000 Personen besucht. (Siehe unter Leipzig u. Umg.) * Auf den: Leipziger Sportplatz schlugen <rm Sonntag die englischen Berufsfuft- ballspieler „Totcnham Hotspur" den Leipziger Verein für Bewegungs spiele mit 3:1. (S. Sport.) * Thcatcranzeigen siehe Seite 10. Tast unü Ras! errett. Für jeden unbefangenen Beurteiler unterliegt cs keinem Zweifel, daß Taft während seiner Präsident schaft ehrlicher und wirksamer bestrebt gewesen ist, das Bolk der Bereinigten Staaten aus sozialen Nöten zu befreien, als Roosevelt. Taft ist von beiden der gründlichere Denker, der selbstlosere Volksmann, der kenntnisreichere, umsichtigere und tatkräftigere Staatsmann. Besonders in den letzten drei Jahren hat er manches zustande gebracht. Roosevelt hatte sich vor der Finanzfrage immer oorbeigedrückt. Taft nahm sie ohne Scheu in Angriff. Freihandel mit den Philippinen, Besteuerung der Korporationen, Einführung eines Maximal- und Minimalzolltarifs, Schaffung eines Tarifamtes waren Früchte seiner Reformarbeit. Er stärkte die zwischenstaatliche Handelskommission bei der Aufgabe, die Eisen bahnen zu überwachen, richtete Postsparkassen ein, er zwang eine viel wirksamere Anwendung des Antitrust gesetzes, als unter Roosevelt üblich gewesen war. schloß mit England und Frankreich «chiedgerichts- verträge ab und vereinbarte mit kanadischen Staats männern einen Eegenseitigkeitsvertrag, den das kanadische Bolk bei den letzten Wahlen zwar verwarf, aber in den Vereinigten Staaten um so allgemeiner gewünscht wurde. In der mexikanischen Frage hat Taft viel Entschlossenheit bewiesen, ebenso in der Behandlung der in den Beziehungen zu Nicaragua und Honduras entstandenen Schwierigkeiten. Früher war ja niemand mehr von seinen staatsmännischen Fähigkeiten überzeugt, als gerade Roosevelt. Sobald dieser ihn der republikanischen Partei für die Nomi nation als Präsidentschaftskandidat aufgedvungen hatte, sagte er: „Ich glaube nicht, das; im ganzen Lande ein Mann gefunden werden könnte, der so ge eignet wäre, Präsident zu sein, wie Taft. Er ist nicht nur durchaus furchtlos, durchaus uneigennützig und aufrichtig, sondern er hat die umfassendste Kenntnis von Len Bedürfnissen der Nation, innen wie außen, upd das größte Wohlwollen für alle Bürger. Er wsirde ein so bedeutender Prädent sein wie Lincoln, und selbst Lincoln hat nicht so frei von dem geringsten Anflug von Demagogie sein können." Und noch als er sich für die Reise nach Afrika einschiffte, erklärte Roosevelt: „Kein Mann oon besserer Schulung, kein Mann von unerschrockenerem Mut, mit mehr ge sundem Menschenverstand und höherem und edlerem Charakter ist je zur Präsidentschaft gelangt als Taft." Wenn Roosevelt heute an Taft nichts mehr zu loben findet, so kann man darüber nur lächeln. Taft hat, statt seinem Vorgänger den Präsidcntensitz warm zu halten, viele Freunde Roosevelts aus einfluß reichen Aemtcrn vertrieben und durch eigene Krea turen ersetzt, um für den nächsten Präsidentschafts wahlkampf die Parteimaschine für die eigene, statt Roosevelts Wiederwahl arbeiten lassen zu können. Roosevelt hatte zunächst nicht daran glauben mögen, daß Taft ernsthaft nach einer Wiederwahl streben werde, wenn er sich zu einem dritten Turnus ent schließen sollte. Darin täuschte er sich, und das ist der eigentliche Grund seines Hasses. Wie kommt aber nur das amerikanische Bolk dazu, mit der Prä sidentschaft Tafts dermaßen unzufrieden zu sein, wie es offensichtlich der Fall ist? Es fühlt, daß es ihm heute schlechter geht, als unter Roosevelt und schließt daraus, daß die Taftsche Negierung schlechter sein müsse als die Roosevcltsche. Abwanderung zahl reicher Farmer nach Kanada, Landflucht der Land arbeiter, Massenandrang in den Städten durch Zu wanderung vom Lande wie durch die Einwanderung, steigende Tendenz der Lebensmittelpreisc, sinkende Tendenz der Löhne, Zunahme der Arbeitslosigkeit, alle diese sozialen Uebel zeigten sich schon zur Zeit, als Roosevelt Herr im Weißen Hause war, aber sic waren damals noch verhältnismäßig leicht zu ertra gen, während sie heute schon als fast unerträglich empfunden werden. Der gemeine Mann erinnert sich, daß es sich mit Roosevelt als Präsidenten besser leben ließ, als heute mit Taft; deshalb hält er diesen für den schlechteren Staatsmann. Hätte Roosevelt nur zwei Jahre länger Präsident sein können, so würden nicht mehr viele Lust ver spüren, ihn ein drittes Mal zu wählen. Er hätte noch weniger als Taft gegen einen sich mit unerbitt licher Notwendigkeit vollziehenden Umschwung so zialer Verhältnisse ausrichten können, für dessen Ueber- windung vorläufig noch alle Voraussetzungen fehlen. Sombart führt in seinem Buche über den „Sozialis mus und die soziale Bewegung" (6. Auflage, 1908, S. tzlö) die bisherige gute ökonomische Lage eines großen Teils der amerikanischen Arbeiterschaft auf verschiedene Ursachen zurück: sie beruhe, meint er, soweit es sich um die Quellen des Wohlstandes han delt, zum Teil auf dem Raubbau, der an Natur und Menschen betrieben wird, zum andern Teil auf der Ausbeutung der ländlichen Bevölkerung, des Farmer- lums. „In dem Maße", fährt er fort, „wie jener aufhört (und er muß natürlich einmal aushören, und zwar in nächster Zeit, wie sich ziffernmäßig nach weisen läßt), in dem Augenblicke, in dem die Farmer sich gegen das Ausbeutungssystem, unter dem sie ver armen, sich auflehnen werden (auch dafür, daß das in absehbarer Zeit geschehen wird, liegen Anzeichen vor), wird die Lage des industriellen und kommer ziellen Arbeiters schwieriger." Inzwischen hat sich diese Prophezeiung er füllt, haben auch noch weitere Ursachen der früheren wirtschaftlich günstigen Lage der amerikani schen Arbeiterschaft zu wirken aufgehört. In allen Bcrufsarten ist der Kampf ums Dasein schwerer ge worden. Das ganze amerikanische Volk nimmt wahr, daß sich seine äußeren Lebcnsbedingungen in weni gen Jahren stark verschlechtert haben, und bevor cs sich selbst dazu bequemt, sich ihnen in ihrer neuen Ge stalt anzupasscn oder schlummernde Kräfte in sich zu wecken, die wieder eine Verbesserung zuwege bringen könnten, schreibt es die Schuld den Trusten und den Regierenden allein zu, obgleich es ein Wahnsinn ist, anzunehmen, es könne sich im sozialen Leben etwas Wesentliches lediglich durch Gesetze ändern, solange die einzelnen Menschen selbst ganz dieselben bleiben. Als Roosevelt das Weiße Haus beseelte, konnte man noch wähnen, die Verschlechterung sei eine vorüber gehende Wirkung der letzten großen Wirtschaftskrise. Zudem sorgte Roosevelt durch seine Späße über die „reichen Räuber", aus denen er niemals Ernst machte, dafür, daß der gemeine Mann über den sozialen Nöten den Humor nicht verlor. Inzwischen hat sich das Tempo der Verschlechterung immer mehr beschleunigt, und nun hört auch für den Durchschnitts amerikaner die Gemütlichkeit auf. Taft hat auch, und das ist sein größter Nachteil gegenüber Roose velt, nicht den geringsten Sinn für Humor. Man hat gejagt, Roosevelts Präsidentschaft habe einer fortgesetzten Feier des 4. Juli, des Inffoi^irckaiuo cla.v, geglichen, die Tafts gleiche dem Tage danach, und daran ist viel Richtiges. Am 10. Februar kamen in Chicago die republika nischen Gouverncuerc von sieben Staaten zusammen, um darüber zu beraten, wie es anzufangen sei, um die republikanische Partei zu befähigen, ihre bis herige Wirksamkeit als eine nützliche „nFoncz- ok rrooft xovornenic-nt" fortzusetzen. Man kam überein, Laß Las nur durch die Nomination Roosevelts zum republikanischen Kandidaten für die Präsidentschaft zu ermöglichen sei. Folglich richtet« man an Roose velt die förmliche Anfrage, ob er eine Nomination annehmen würde. Roosevelt antwortete zustimmend und beseitigte dadurch endgültig jeden Zweifel darüber, ob er sich noch an die zweimal, am 8. No vember 1904 und am 11. Dezember 1907 abgegebene bestimmte Erklärung gebunden halte, daß er mit der amerikanischen Tradition, die es einem Präsidenten verbietet, öfter als noch einmal für das höchste Amt zu kandidieren, nicht brechen wolle. Er verficht ver schiedene neue zugkräftige Grundsätze. Dazu ge hören die Volksinitiative und das Referendum. Offenbar hat er in dieser Hinsicht bei seinem Aufenthalt in England etwas gelernt, wo bekannt lich die Tories immer noch hoffen, mit Hilfe ihres Eintretens für das Referendum neue Volkstümlich keit zu erlangen. Wenn Roosevelt Taft vorwirft, er befürwort«, indem er immer noch eine Regierung des Volks durch Vertreter für eine demokratische Einrichtung halte, eine Regierung durch die Bosse, durch die Leute, vtio rspre^nt tfto eoinbinatiou ot politics anft bi^ busniMs, so erinnert das deutlich an die Dialektik, mit der die englischen Konservativen bei den letzten Wahlen in England ihre liberalen Gegner be kämpften. Daß Roosevelt der letzte sein würde, der als Präsident seine persönliche Macht durch ein wirksames Referendum beschränken lasten würde, dafür birgt seine ganze Vergangenheit. Die Primär wählen für die Nomination der Präsidentschaftskandidaten, die jetzt im Gange sind, haben bisher recht günstige Ergebnisse für Roosevelt gehabt. Dessen erstes Ziel, die Nomination Tafts zu verhindern, ist so gut wie erreicht. Allzuhoch braucht man dies zugunsten der Persönlichkeit Roose velts nicht zu veranschlagen. Die meisten republika nischen Wähler die zu Roosevelt halten, lassen sich hierzu wahrscheinlich nur durch die nüchterne Er' wägung veranlassen, daß die Nomination Roosevelts wenigstens die Möglichkeit eines republikanischen Sieges bietet, während im Falle der Nomination Tafts bei dessen völligem Mangel au Volkstümlich keit eine Niederlage so gut wie gewiß ist. Die Aus sichten der Demokraten sind sowieso die besten. Wer ihr Kandidat sein wird, ob Cttamp Clark, der jetzige Präsident des Kongrestes, oder ein anderer, ist noch ungewiß. Wenn sic bei der Wahl ihres Kandidaten keinen Fehlgriff tun, wird Cclonel Roosevelt seinen Traum von einer Art Kaije reich Amerika unter einer Dynastie Roosevelt vergebens geträumt haben. O. O. ZUM Scheitern üer Einigung zwilchen konservativen unü National- liberalen schreiben die „2 ä ch s. P o l. 9k a ch r.", die konser oatio« Korrespondenz für das Königreich wachsen: Die von n a t i o u a l l i b c r a! e r Seite gegebene Darstellung über Verhandlungen zum Zweck: einer Einigung zwilchen Konservativen und National liberalen und über das Scheitern dieser Bestrebungen ist n i ch l g a n z ; u t r e j , e u d. Es könnte nach de: nationalliberaleu Darstellung scheinen, als ob die konservativ« Fraktion, oie bei den Verhandlungen geleitet war, von der Notwendigkeit einer energischen Bekämpfung der Sozialoemokratic im Lande, den Nationalliberaleu irgendwelche un gerechtfer tigte Bedingungen gestellt hätte. Ob dies der Fall ist, mög« oie Dcsscntlichleit entscheiten. Die drei wesentlichsten Punkt« der konservativen Vor schläge waren folgende: Im nächsten ordentlichen Landtag wählt die konservativ« Fraktion den derzeitigen Präsidenten Herrn Dr. Vogel, der der national liberalen Partei angehört, wieder und präsentiert den 1. Vizepräsidenten zur Wahl, dem die national liberale Partei ihrerseits ihre Stimmmen geben wird. Im ersten ordentlichen Landtag nach den Neu wahlen zur Zweiten Kammer soll, falls die national liberale und konservative Fraktion zusammen die Mehrheit de: Zweiten Kammer bilden, diejenige o«r beiden Fraktionen den ersten Präsidenten stellen, die die stärkste ist, die andere den ersten Vizepräsidenten. Falls beide Fraktionen gleich stark sind, stellt den Präsidenten die nationalliberalc Partei. Beide Frak tionen werden nach Kräften dahin wirken, daß in der Parteipresse oie gegenseitige Be kämpfung von allem persönlichen Streit und allen persönlichen Angriffen frei bleibt und auf jeden Fall so geführt wird, daß ein Zusammengehen auf den jenigen Gebieten auf denen die Anschauungen und Interessen der beiden Parteien sich berühren, nicht erschwert wird. Es ist auch nicht zutreffend, daß die National liberalen das Abkommen „gleich mündlich" abgelehnt hätten. Die Unterhändler der nationalliberalen Frak tion. die allerdings bei der mündlichen Verhandlung vorwiegend Bedenken gegen die Vorschläge äußerten, ließen vielmehr die Entscheidung selbst noch offen, indem sie erklärten, daß die Angelegenheit erst in der Fraktion besprochen werden müsie. Eine so- von üer Sorms. Zum 17. Mai von Rudolf Retty (Leipzig). (Nachdruck verboten.) Ehe der Fußwanderer aus dem tirolschen Drautal zum Sattel des Jselsbergcs hinanstcigt, um so Heiligenblut, den Pasterzengletscher und, wenn alles gut verläuft, die Eroßglocknerspitze zu erreichen, macht er sicher halt in dem aussichtsvollen Dölsach, Franz Defreggers Heimatsort. Und wer versäumt da wohl, die kleine Pfarrkirche inmitten des höher gelegenen Friedhofs zu besuchen? Die Ausstattung ist einfach: birgt das Gotteshäuschen doch einen Schmuck, neben dem ein anderer kaum beachtet würde — das am linken Seitenaltar befindliche Bild von Defreggers Hand, die Heilige Familie dar stellend. Vor diesem Bild nun standen — es war gegen Ende der achtziger Jahre — einige Touristen. Zwei von ihnen im echtesten Tirolergewand betrachteten mit einer Art von Verblüffung die jugcndfrische, so gar kein Leid verratende Gottesmutter, deren sprühende Braunaugen fast — aber auch nur fast — unheilig blickten. Und dann flüsterte der Jüngere dem Be gleiter etwas zu, worauf dieser seinen „Führer durch die Ostalpen" zu Rate zog und in echtest gefärbtem Berlinisch erwiderte: „Achtzehnhundertdreiunsiebzig hat er's jemalt; also selbstverständlich undenkbar! Die Sorina is doch allerhöchstens " Wirklich, es waren die Augen der Sorma! Sorma schlichtweg, nicht Agnes Sorma vom Deutschen Theater zu Berlin. Denn dort schwang sie damals schon beherzt ihre Flügel, die sich noch kurz vorher nur flatternd bewegt. Es war ihr nicht leicht gemacht worden, und wenn man in mancher ihrer Lebens beschreibungen liest, daß „ihr eine Laufbahn voll Sonne, voll ungetrübten Glücks befchieden" war, so hat an dieser Feststellung das freundlich« Wünschen den größten Anteil. Redlich hat sie sich plagen müssen, hat, selbst als Vertreterin eines ersten Fachs, in der Provinz noch bescheiden, als weiblicher Offi zier im „Lustigen Krieg" stramm eine Meldung über bracht und als einer der Friedensboten im „Rienzi" ihr zartes Stimmchen erklingen lasten. Die Sorma als Wagnersängerin? Also von klein auf begann sie. Nicht etwa am Wesen ihres Künstlerischen hatte das gelegen. Das war schon anfangs von einer Süße und Herbigkeit zugleich, von einem zarten, seelischen Drängen und Schwellen, wie es eben nur der erwachenden Mädchenjugend eigen ist. Aber sie verstand so gar nicht, sich selbst in den Vordergrund zu stellen und das Strahlen der schönen Augen war nicht Siegesgewißheit: Hier bin ich! — Ein pochen des Alles fühlen war's, geeint mit der Frage: Kann ich's denn auch? Und dann hatten ihre Mäd chengestalten nichts von dem jedem Publikum schon vertraut gewordenen Schürzengetändel, dem Zöpf- cheniviel und dem neckisch verschämten „Fingerchen im Mund". Denn das waren damals noch beliebte Geräte aus der Requisitenkammer der Naiven. Durch diesen Mangel, der ja ein Vorzug war, trug sie für das Durchschnittspublikum nicht so recht den Stem pel der Munteren, der Backfischspielerin. Man konnte an Absicht glauben, an ein bewußt um die erprobte Wirkung Hcrumgehen; aber wer sie genau kannte, wußte, daß dies nicht der Grund war. Solche billigen, überall leicht anzubringenden Lichterchen waren ihrem Empfinden eben fremd, und sie konnte überzeugend nur darstellen, was sie fühlte: das dann aber auch ganz. Und gerade aus dieser scheinbaren Beschränkung wuchs später ihr Reichtum, als der Kreis ihres Fühlens und Denkens immer weiter wurde und sie für jede Gestalt andere Farben nicht suchte — sondern unter einem Wahrhaftigkeits zwang stehend, einfach nahm. Ja, dieses Aufrichtigseinmiisten, es führte einst zu einem rührenden Auftritt, als Adolf L'Arronge noch ihr Führer war. Der verdiente Bühnenleiter und Verfasser noch immer gern gespielter Familien stücke hatte mit seiner Dramatisierung der Lorelei sage auf seinen eigenen Brettern nicht viel Glück gehabt. Der Verbitterung, die sich durch den Miß erfolg bei ihm angesammelt hatte, gab er Ausdruck in einem neuen, modernen Schauspiel: „Die Ver kannten." Schon dieser Titel deutet an, kn welcher Richtung es sich bewegte, und daß es nicht frei von Persönlichem war. Ein junger Rechtsanwalt be tätigt sich als Bühnendichter und wird, da der Er folg ausbleibt, in einer Art von Familienrat nicht glimpflich behandelt, seine Rechtfertigungsrede höhnisch glossiert. Da springt sein junges Frauchen entrüstet auf, nimmt den Gatten gegen die hart Urteilenden in Schutz. Das schon nicht sehr milde gestimmte Berliner Publikum nahm das Stück und nun gar die Rede des jungen Anwalts mehr für eine L Arronges in eigener Sache und hielt mit seinerMeinung nicht zurück: es lachte. Agnes Sorma — sie spielte die Frau — fiel jetzt aus der Rolle. Sie trat vor, die schönen Augen voll Tränen, und mit I bebender Stimme schleuderte sie den vorgeschriebenen I Satz nicht den Verwandten entgegen, sondern so recht ins Publikum: „Ich dulde nicht, daß man ihn be- I leidigt!" Diese muft— Parteinahme für den ge kränkten Autor machte zuerst stutzen, fand aber dann aller Zustimmung. Es ist Gepflogenheit, Künstlern außer bei der Beurteilung ihres gegenwärtigen Wirkens, nur dann ein ehrendes Gedenken zu zeigen, wenn höhere Lebensabschnitte Veranlassung bieten. Nun, von einem solchen ist Agnes Sorma heute freilich noch weit entfernt. Aber es ist doch ein Tag, an dem sie nicht rastet beim weiteren Aufstieg, wohl aber einen Augenblick zurückschaut mit lächelndem Aufatmen. Ernst Bornstedts Abschied. Durch zehn Jahre, so oft an dieser Stelle vom Leipziger Schauspielhaus und seinen künstlerischen Taten gehandelt wurde, ist der Name seines Spiritus roctor und rusjor ciomus Ernst Bornstedt mit lobenden Worten allermeist, mit Widerspruch wenig, gar mit Tadel selten genannt worden. Manche Kol legen vor mir, ein Rudolf von Eottschall unter ihnen, haben hier Bornstedt als Schauspieler und als Re gisseur gewürdigt. Heute geschieht es zum letzten Male. Der künftige Direktor des Kaiserlich subven tionierten Stadttheaters in Flensburg a. d. Förde verabschiedete sich gestern, am Tage seiner zehn jährigen Wirksamkeit als Schauspieler am Leipziger Schauspielhaus«, zugleich am Jubiläumstage seines ersten Auftretens überhaupt. Der dreifach denk würdige und doppelt festliche Tag brachte dem ver dienten und beliebten Künstler noch einmal einen großen Triumph, und als ihm, dem treuherzigen Grafen Michael oon Kellinghausen nach dem schauer lichen Gastmahl des Todes sein alter Freund und Feind um der Liebe willen Baron Richard von Völkerlingk abgehend „Lebewohl!" zuricf, da sank wohl der Kellinghausener schmerzbewegt auf einen Stuhl, aber draußen brach ein endloser Widerhall dieses Lebewohls los, so daß Ernst Bornstedt sich immer und immer wieder zeigen, letztlich sogar, von vielen Lorbeerkränzen, Blumen und Spenden um geben. zu seinen Getreuen sprechen mußte. Es ward ihm sichtlich schwer, ehrliche Rührung erstickte seine Stimme, und öfter fuyr die Hand nach den Augen, die sich feuchteten. Wer so getreu und ausdauernd gedient hat. wie Ernst Bornstedt dem Leipziger Schauspielhaus«, wer so durch zehn lange Jahre große Tage und gute Zeiten, Leid und schwere Stunden miterlebt hat, dem kommt das Abschiednehmen bitter an. In allen Treuen hat er gedient und war ein echter Freund des armen, unglücklichen Mitkämpfers, seines guten Direktors Hofrat Anton Hartmann, dessen Name gestern niemand ohne Rührung in dem verwaisten Musentempel von seines „Ernestos" Munde hörte. Eine neue Epoche im Leipziger Theaterleben brach in langen Vorwehen an, neue Männer kamen und geboten, Bornstedt diente auch der neuen Zeit mit unermüdlicher Schaffensfreude. Nun «r scheidet, sich auf eigene Füße zu stellen, wer den viele erst die reiche, verborgene Arbeit des Re gisseurs erkennen lernen, die er durch ein Jahrzehnt verrichtete, und er kann mit dem fröhlichen Bewußt sein nordwärts ziehen daß man ihn vermissen, ihn nicht vergessen wird in Leipzig. Glück auf, Herr Di rektor, und gute Zeiten an der Förde! Die Abschiedsvorstellung stand unter einem guten Stern und war in mancher Hinsicht erfreulich. Binnen kurzem stand Ernst Bornstedt selber zum dritten Male als bärartiger, biederer Edelmann von Sudermanns Gnaden auf der Bühne und verleugnete auch dies letzte Mal den geraden, heiteren Sinn seiner ost preußischen Heimat nicht. Als Beate neben ihm kam zwar Fräulein Lhristophersen den großen Dar stellerinnen dieser glänzenden Rolle nicht nahe genug, schaltete aber mit ihren nicht geringen Mitteln so klug, daß man sich diese l-eroische Baronin mit dem eisernen Fond von Glück im kranken Herzen gern gefallen ließ. Unter den übrigen Darstellern, dem typischen Prinzen Wilden ha ins, dem protzigen Agrarier Wolframs, dem wackeren Norbert Groß' und dem bescheidenen Holtzmann Vetter- manns zeichnete sich Herr Wertster als Alfred von Völkerlingk in höchst bemerkenswerter Weise aus. Er spielte einen so vollendeten, gereiften und einfachen, echten Edelmann von wahrem Adel, daß man wün schen möchte, diesen Künstler öfter in Rollen zu be gegnen, die ihm ermöglichen, seine diskreten Mätzchen und Aeußerlichkeiten gänzlich abhold« Kunst zu offen baren. Dazu hat ihm ja Sudermann letztens schon mehrfach Gelegenheit gegeben. Das breite und in seinen Fortschritten so unsichere „Es lebe das Leben!" voll politischer Kabalen hinter ließ vorzüglich zufolge der guten Leistung Werthers einen tiefen Eindruck. ?»ul äelmumkurx. 4 Als sich der Vorhang endlich und endgültig ge senkt hatte, versammelten sich die Kolleginnen und Kollegen Bornstedts auf der Bühne zu einem kurzen, aber herzlichen Abschiedsakt. Nach der Abschieds rede de» stellvertretenden Direktors Viekweg über reichte Regisseur Wildenhain mit schlichten, tief empfundenen Worten als Andenken an feine Leipziger Mitarbeiter die Statuette des Heros der Schauspiel kunst, Josef Kainz von dem Berliner Bildhauer Meyer.
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