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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.05.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120514013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912051401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912051401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-05
- Tag 1912-05-14
-
Monat
1912-05
-
Jahr
1912
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Seite 2. Nr. 244. 10S. IsHryrmy. tone in den nächsten Tagen auf eine Effektivstärke von je 800 Mann gebracht werden. Tie Konstautinvpcler Zeitung „Tanin" demen tiert die Gerüchte über einen Ausstand in Albanien. Lie das Blatt erklärt, wollten die Albanesen nur den Bau einer Gendarmeriewachstube und einer Schule in Tjatvva hindern. Die dorthin entsandten Truppen zerstreuten die Albanesen, die sich zusain- mengerottet hatten. Eine andere Bande zerschnitt die Tclcgraphenleitung im Wilajet Skutari. Die Truppen, die gegen die Bande ausgcschickt wurden, gerieten mit ihr in einen Aampf, in dem mehrere Albanesen getötet und verwundet und zwei gefangen genommen wurden. Der Nest floh. Weiter wird gemeldet: Saloniki, 13. Mai. (Tel.) Tie Untersuchung hat ergeben, das) der frühere Abgeordnete PrischtinaS, Hassan Bei, der Urt-ebcr der in der Umgebung von Ipek ausgcbrochenen Unruhen ist. 200—300 Arnauten, darunter angeblich auch Haifa» Bei, sind bewaffnet in das Gebirge gezogen und trachte», die Bevölkerung zum Aufruhr zu bewegen. Trupve» zur Bekämpfung der Aufständischen find abgegange». Zur Vermeidung von Blutvergicszeu sind die Ma mas und Rotabeln den Truppen vorauSgceilt, nm die Arnauten auszutlärcn, daß die Angaben der Aufrührer unwahr sind. Ucbcr Ipek und Um gebung ist der B e l a g e ru n g s z u st a n d verhängt worden. Italiens Kieüens-Sehnsucht. «Von unserem römischen Mitarbeiter.) Unter der Spitzmarke: Wann kommt der Friede? bringt der „Sccolo", das Hauptoraan der bürgerlichen Demokratie, eine Reihe recht beherzigenswerter Be trachtungen, die es verdienen, auch außerhalb Ita liens bekannt zu »»erden. „Die Campagne", so heißt cs dort, „ist in ein« neue Phase eingetreten. Die Operationen in Tripolitanien und in der Cyrenaika, welche bisher mit bedächtiger Langsamkeit vorwärts gingen, werden binnen kurzem wegen der sommer lichen Hitze unterbrochen werden. Sie können wirk sam erst gegen Ende des September wieder ausge nommen werden, Run ist unsere Aufmerksamkeit von der afrikanisäsen Küste für den Augenblick nach dem Aegäischen Meere gelenkt worden. Dort begannen wir mit einem Demonstrations-Bombardement am Eingang der Dardanellen. Es handelte sich darum, so sagten unsere Offiziösen, Len Nachweis zu bringen, Latz Italien freie Hand hätte, den Krieg dorthin zu tragen, wohin es wolle. Tatsächlich konnte dies« Frei heit von niemandem in Zweifel gezogen werden . . . Di« Türkei beging zu unserem Glück einen groben Fehler. Sie versperrte eine der hauptsächlichsten internationalen Straszen des europäischen Handels und stellt« für die Wiedereröffnung die Bedin gung, die Mächte mutzten Italien di« Verpflichtung auferlcgen, datz es keinen weiteren Versuch gegen die Dardanellen machte, aber die Mächte wiesen natur gemäss eine solche Bedingung zurück, und luden di« Türkei ohne weiteres ein, di« Schiffahrt in der Eng« wieder in Bewegung setzen zu lassen. So haben wir Dank einem Fehler von Assim Bey die Erklärungen von Ssassanow, von Berchthokd und auch von Lord Morley gehabt, nach d«nen es ganz klar auch für unsere Feinde ist, datz Europa unseren Kriegsopcra- tionen keine Beschränkungen aufzuerlegen vermag. Wir haben also volle Handlungsfrei heit. In die Dardanellen werden wir für den Moment nicht zurückkebren. .. Unsere Operationen beschränken sich also aüf die untere Aegäis. Welches sind di« Zwecke und vermut lichen Erfolge dieser uns«r«r Aktion im Aegä- ischen Meer«? Man sagt: es wäre eines unserer Ziele, der Kriegs-Konterband« di« Seewege abzu Leipziger Tageblatt ' ' ^Ul»r-»»au»gad« vienswg, l< msl ISI2. schneiden; ein anderes Ziel wär«, die Türkei zu iso lieren und ihr den Verkehr mit einigen Teilen ihre» asiatischen Reichs zu unterbinden; ein drittes Ziel wäre es, uns ein Pfand zu sichern, das im Augenblick des Friedens ausgespielt werden sollt«. Dies« und ander« Ziele, welche unser« Offiziösen unseren Aktionen zrnrkannt wissen wollen, können an sich dem Hauptziel beigeordnet ob«r unter geordnet sem. indem nämlich so der Feind zur Ein stellung seiner Angriffstätigkei! gezwungen würde. In der Tat aber haben wir in diesen letzten Ta gen von einer Kriegskonterbande zur See im Aegä- ischen Meere nichts reden gehört. Bemerkenswerte «chiffsdew.'gungen der Feinde mit Mannschaften, Munition und Lebensmitteln hat man hier nicht be merkt. Ban der Türkei kam das Geld, aber Aegyp ten und Tunis bilden nach wie vor die Basis, von wo aus die Kriegskonterbande noch immer den Kämp fenden in Tripolitanien uns in der Cyrenaika g«- licscrt wird. Man sieht also beim beiten Willen keine Notwendigkeit ein, In seln zu besetzen, die die Wegeder Kriegs- konterbande nicht verschlietzcn könn ten. Es ist auch nicht richtig, Latz diese Besetzung di« Türkei von Teilen ihres Reiches trennt, da doch Konstantinopel mit Kleinasien durch Eisenbahn und Telegraph verbunden ist. Gewiß werden wir, wenn wir einige Inseln des Aegäiichen Archipels in unse ren Händen haben, ihren Wert im Augenblick des Friedens geltend machen können, aber man mutz auch in Betracht ziehen, ob di« Kosten und Verluste und das Risiko der Besetzung im Verhältnis zu dem Wert des Faustpfandes stehen . . . Der einzig« und wahre Zweck der italienischen Aktion im Aegäischen Meere kann nur der sein, die Türkei zu zwingen, datz sie die Manen niederlegt und sich mit dem Frieden beeilt. Aber können wir uns schmeicheln, datz dieses hauptsächliche, mehr oder weniger offen eingcstandene Ziel erreicht wird oder doch wenigstens in fühl bare Nähe kommt? Die unbekannten Größen dieses Krieges, in dem so viel und mannigfaltige und son derbare Kräfte tätig sind, bereiten uns auf alles mögliche vor. . . Die Aktion im Aegäischen Meere wird nur dann für Italien einen Vorteil haben, wenn sie ein« Situation heraufbesckwört. di« den sofortigen Friedensschlutz zur notwendigen Folge hat. Menn cs wahr ist. wie letzthin die „Tribuna" ge zeigt hat, datz die Türkei weiter nichts ist als eine Strohmannsmacht, und wenn es wahr ist. datz ihre Lebensbcdinaungen anormal sind, wenn ihr Handel, ihre Häfen, ihr Seeverkehr, ihre Eisenbahnen in der Hand der Fremden sind, dann wird es ebenso wahr sein, datz wir im Aegäischen Meere eine neue Situa tion schaffen, nicht sowohl im Hinblick auf die Türkei, sondern im Hinblick auf das übrige Europa. Welches sind nun unsere Erfolqsmöglichkeiten? Wir wissen «s nicht! Das eine aber wissen wir, w>« Europa hand«ln wird gegenüber einer seine Interessen bedro henden Situation. Ob der Fried« früher oder später kommen wird, kann man nicht (aaen, sicher ist nur, datz, wenn er kommen wird, er nicht infolge einer kriegerischen Aktion geschlossen werden kann. D"m Frieden, der vor langer Zeit schon batte erreicht werden können, war nicht sowohl die obstinate Türkei hinderlich oder di« eifersüchtigen und übelwollen den Macht«, als vielmehr einzig und aus- schli«tzlich unser Annexions-Dekret." Das sind ernste Worte. . . . zh Die Loge in Tripolitanien. Aus Tobruk meldet die „Agenzia Stefan»" unter. d«M 13. Mgi: Am Sonntagmorgen sind die Arbeiten zur Er richtung neuer B c f e st i g u n g s w e r k e an der Küste unter dem Schutz von drei Infanterie bataillonen und einer Batterie Gebirgsartillerie fortgesetzt worden. Gegen 8 Uhr stietz«n einig« Abteilungen des 30. Infanterieregiments bei «inem Erkundungsmarsch bei Uadt Hada auf bedeutend« Beduinenstreitkräfte, di« durch türkische Re guläre geführt wurden. Di« Italiener griffen den Feind sofort an, der unter dem wohlgezielten Gewehr- und Eeschützfeuer zurückwich und ver- folgt wurde, bi« er seiner starken Verluste wegen, die aus hundert Tot« geschätzt werden, sich zu regelloser Flucht wandte. Die Verlust« der Italiener betrugen: ein Offizier und zwei Soldaten tot, zwei Soldaten verwundet. Aus Tripolis und Homs wird nichts Neues gemeldet. Entlassung italienischer Kriegsgefangener? Aus Konstantinopel wird gemeldet: Infolge eines freundlichen Schrittes der d rut schen Botschaft gegen die Aufrechterhaltung dec Kriegsgefangenschaft von etwa 50 Italienern, meist Fischern, aus Smyrna, hat der gestrige Mi nisterrat diese Angelegenheit beraten. Es verlautet, Latz die Italiener freigelassen werden sollen. O Vor derVrffnung der Dardanellendurchfahrr Die Deutsche Levantelinie hat ein Telegramm aus Konstantinopel erhalten, Latz nur noch ein« Mine aus den Dardanellen wegzunehmen sei. Die Oeff- nung d:r Dardanellen werde bestimmt im 1t. oder 15. Mai erwartet. Türkische Bestätigung der Gefangennahme des Mali von Nhodus. Di« Konstantinopeler Zeitung „Sabah" bestätigt die Nachricht von der Gcfanß-Lnnahme Les Mali von Rhodus, Soubi Bey. Einen Tag vor der Lan dung der Italiener auf Rhodus hatte der Mali eine Inspektionsreise nach mehreren Inseln des Archipels unternommen. Als er nach Rhodus zurückkehrte, ver suchte er, sich den Türken im Gebirge anzuschließen. Er wurde aber durch die italienischen Truppen, die die türkischen Stellungen überwachten, überrascht und gefangcngenommen. Zum Untergang des Dampfers „Texas". Aus Konstantinopel wird gemeldet: Am Sonntag hat sich ein italienischer Kreuzer Marmaritza genähert, sich aber nach zwei Stun den entfernt. Di« Pforte hat beschlossen, das Ansuchen der amerikanischen Botschaft um Auslie ferung des im türkischen Hospital zu Smyrna be findlichen Kapitäns des Dampfers „Texas" ab- z u w e i s e n. Die Vrlrhunli von Inseln imAegäischen Meer durch die Italiener. Nach einer drahtlosen Meldung des Admirals Viale sind weiterhin die Inseln Kalymnos, Leros, und Patmos von den Italienern be setzt, ihre Garnisonen zur Uebergabe ge zwungen und di« türkischen RegiottLgSioaarten gefangcngenommen worden. Unter den Gefangenen, die an Bord der Schiffe gebracht worden'sind, befin- ' den sich drei Kaimakams und vier Mudirs. Der Ausbau üer üeutlchen Mtie tm Sommer 1912. Der Ausbau der deutschen Flott« im Sommer 1912 wird, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" aus Marinekreisen geschrieben wird, folgenden Umfang annehmen: Der dritt« Panzerkreuzer mit Tur. binenantrieb „(Soeben" wird mit der Be satzung der Reservedivision der Nordsee in Dienst gestellt, nachdem das Schiff Werftprobefahrten er ledigt hat und von der Marineverwaltuntz abge nommen worden ist. (Soeben" tritt als vierter großer Kreuzer zu den Aufklärungsschiffen der Hoch seeflotte. vorher aber auf einen Monat zur Verfügung der Torpedoinspektion. In diesem Sommer werde» auch die beiden Linienschiffe „Kaiser" und Friedrich der Grotzc" fertiggesiellt sein. Das Linienschiff „Kaiser" wurde bekanntlich am 22. Mürz des vorigen Jahres dem Wasser übergeben. Nutzer diesen drei Kriegsschiffen werden auch 4 kleine Kreuzer aogeliefert werden. Von den beiden kleinen Kreuzern „Magdeburg" und „Breslau", die im Mai 1911 auf der Weserwerst und dem Stettiner „Vulkan" von Stapel liefen, ist anzunchmcn, datz sic noch in diesem Sommer ab geliefert werden, während die beiden kleinen Kreuzer „Stratzburg" und „Stralsund" ihnen erst nach einem gewissen Zeiträume folgen dürften. Die weitere Tätigkeit der Werften in dem Etatsjahre 1912 wird den inneren Ausbau mehrerer Schiffe be treffen. In erster Linie kommt hierfür der Panzer kreuzer „K ö n i g A l b e r t in Betracht, der erst vor einigen Tagen unter Anwesenheit des Königs von Sachsen von Stapel lief. Auch die beiden Panzerkreuzer „Kaiserin" und „Prinzregent Luitpold" sowie der Linienschiffskreu.zer „Seyd- lltz" werden den inneren Ausbau im Lause dieses Etatsjahres erfahren. Endlich werden noch meh rere Stapelläufe vorbereitet werden, nämlich das Linienschiff „Ersatz Kurfürst Friedrich Wilhelm" auf der Hamburger Vulkanwerft, das Linienschiff „Ersatz Weihenburg" aus dec Weserwerft sowie dasSchiff „8" auf der Wilhelms havener Staatswerft und der Kreuzer „Iv" bei Blohm L Botz. Von kleinen Kreuzern ist der „Ersatz Geier" und der „ErsatzAdle r" zu erwähnen, von denen der erstere auf den Howaldswerken und der letztere auf den Eermaniawerken von Stapel laufen wird. Die Schichauwerft in Elbing hat fernerhin die für das Rechnungsjahr 1912 angeforderten beiden Torpedoboots Halbflottillen in einer Gesamtzahl von 12 grotzen Torpedobooten in Auftrag erhalten. Dieser bedeutsame Auftrag umfatzt die Torpedoboote, die die Bezeichnung „8 13" bis „8 24" führen werden. Die Ablieferung der Torpedoboote erfolgt im Jahre 1913. Ihre Eesamtkosten um fassen 21N Millionen Mark. OeuMes Reich. Leipzig, 14. Mak. * Die Dudgetkommission des Reichstags erledigte im weiteren Verlause der Sitzung den Ergän zungsetat für die Flotte ebenfalls ohne Abstriche und begann sodann mit der Beratung des Hauptetats für die Marine. — Während der Be ratungen erklärte Staatssekretär Tirpitz, der Zweck der Luftschiffe sei zunächst der, die Aufklärungzu unterstütze«. Ob sie später zu offensiven Unternehmungen auf See geeignet seien, werde die Erfahrung lehren. Als System für die Luftschiffe komme für die Versuche der Marine das starre System in Betracht. Ein vergrötzerter Typ des neuesten Zeppelinkreuzers werde im Herbst abgeliefert. Die Personalausbildung sei be reits energisch im Gange. Auch die Entwickelung der sich, liebste Msüame Neuberin! Adagio von Anny v. Panhuys. I. Es war am 4. Oktober des Jahres 1741, die Neuberin spielte mit ihrer Truppe in dem neu ein gerichteten Theater in der Nikolaistratzc zu Leipzig. Ihr vollständiger Bruch mit Gottsched war vollzogen und die Theaterzettel besagten: Heute wird von den König!. Pohlnischen Ehurfürstl. Sächsischen Imglcichen Hoch-Fürstl. Braunschweig. Lüneb. auch Hoch-Fürstl. Schleswig-Holsteinischen Hof-Tomödianten Und zwar Mit Besonderer Hoher Erlaubnitz Das Deutsch« Vorspiel aufgeführt werden, Genannt: Der Allerkostbarste Schatz. Verfertigt von Friderica Carolina Neuberin. Das zog, denn es hatte sich berumgesvrochen, datz die Neuberin in diesem Stück ihren einstigen guten Freund und Gesinnungsgenossen, den Professor Gott sched, verhöhnte. Dieser Vorstellung beizuwohnen, würden sich die Leivziger nicht versagen können. Allzu deutlich stand wohl den meisten noch der erst vier Jahre zurück liegende Tag vor Augen, da die Neuberin im Eott- schedschen Scnne den bunten Hanswurst verbrannte. Eine herausstaffierte Puppe muhte unter Feuer qualen ihre Existenz enden. Heute wollte die Schau- spielprinzipalin wieder ein Brandopfer in Szene setzen, die Person des angesehenen und berühmten Professors sollte moralisch verbrannt werden. Scharfe, geistreiche Worte sollten seinen Ruhm und seine Wichtigkeit herunterreiben, datz nichts übrig blieb, als ein Mensch wie tausend andere mehr. Noch war es früh, die Herbstsonne des Bor- mittags übergotz die alte Handelsstadt mit Hellem, warmem Licht. Die Neuberin stand vor dem Theater, sie wartete auf ihren Mann, der gleich nachkommen wollte. Die ganze Nacht hatte Karoline nicht ge schlafen. Wie die Vorstellung heute wohl ausfallen würde, ging es ihr im Kopse herum. Gedanken verloren sahen ihr klugen Augen ins Weite. Sie bemerkte nicht das junge hübsche Ding in der Tracht eines züchtigen Bürgermädchen», das sie beobachtete und förmlich darauf zu warten schien, von ihr be merkt zu werden. Endlich mutzte aber wohl dem zierlichen Geschöpf die Zeit zu lang« währen, «inem schnellen Entschluß folgend, trat sie vor die Schau spielerin hin, knixte tief und zitternd begann sie: „Ach, liebste Madame Neuberin —" sie stockte, die Stimme versagte ihr. Erschreckt sah die Angeredete auf. Sie mutzte un willkürlich lächeln beim Anblick des geröteten Ge sichtchens, das sie verwirrt anschaute. ,ISa» wünscht Sie. mein Kind?" fragte sie milde und gütig. Ihr angenehmes Organ schmeichelte sich in da» Ohr de» blonden Persönchens mit dem dichten, glän- zenden Scheitel. Eifrigst begann e» zu sprechen, al» hätte «» Angst, später dazu nicht mehr den rechten Mut zu haben. „Ach, liebste Madame Neuberin, ich bin die Lisette Bergerin, mein Vater ist Schneider meister dahier in Leipzig, und ich möchte so gern Schauspielerin werden. Doch die Eltern leiden's nicht und geben mir keine Permission, da bin ich zu Ihnen, der größten Actrice, gelaufen, um Sie zu bitten, mich auszunehmen bei Ihrer Bande. Ach, liebste Madame Neuberin —" „So, so", machte die Schauspielerin und sah der Kleinen aufmerksam ins Gesicht, als wolle sic die kindlich unentwickelten Züge genau studieren, „eine Komödiantin will Sie werden. Und warum, Kind, warum?" fuhr sie fragend fort. „Weil — weil ich so große Lust dazu habe und —" sie schwieg einen Augenblick, noch heftiger stieg ihr das Blut in die Wangen und mit niedergeschlagenen Augen stammelte sie: „Ich möchte von Hause weg, ich kann's nicht mehr ertragen, ich soll den Alt gesellen vom Vater freien und ich mag ihn nicht ausstchen, ist er doch ein gar so widerwärtiger Bursche." Wie flink das Zünglein sich bewegen konnte. „Also einen widerwärtigen Burschen soll Sie freien, Kleine — hm, da hat Sie freilich recht, sich zur Wehr zu setzen, ganz recht. Hält' es an Ihrer Stelle gerad' so gemacht , lächelte die Neuberin und strich der Erreaten freundlich über die heitzen Wan gen. Nachdenklich setzte sie hinzu: „Ist aber noch lange kein Grund, eine Komödiantin zu werden." „Ich finde es doch gar so wunderschön, Komödie spielen zu dürfen, in der Welt herumzukommen und von allen Menschen estimiert zu werden", unterbrach sie die zierliche Blondine lebhaft. Ein weher, trauriger Zug grub sich um die Mund winkel der Aelteren und ihre Augen umflorten sich: „Von allen Menschen estimiert zu werden!" wieder holte sie die letzten Worte der anderen. „O, du lieber Gott, da irrt Sie gewaltig. Wenn Sie wüßte, wie die Verachtung der honorigen Leute unser Da sein erschwert, besonders die jungen Frauenzimmer, die sich abends im Putz auf den Brettern zeigen, find für sie sündenbeladene, verdorbene Kreaturen." Die große Schauspielerin sah all die schweren Stunden und Tage an sich vorbeiziehen, die sie durchgemacht, seit sie vor vterundzwanzig Jahren mit dem Studenten Johann Neuber der rohen Gewalt des Vaters entfloh und mit dem Geliebten, der zwölf Monde später ihr Gatte ward, in die Sviegelbergsche Komödiantentruppe in Weißenfels eintrat. Ein leiser Seufzer hob die Brust der Neuberin: „Wohl hundert Jahre noch müssen hingehen, eh« di« Kunst da» Vorurteil der Menge besiegen wird, ehe di« Komödianten vollberechtigte Menschen sein werden. Doch einmal mutz der Morgen tagen, wenn ich ihn auch nicht mehr sehen werde" schloß sie sinnend. Mit großen staunenden Auaen blickte die kleine Bürgerstochter auf die Frau neben sich, die so sonder bare Worte sprach, von denen sie kein einzige» be griff. Sie war doch gekommen, um Aufnahme in der Bande zu erbitten, und nun erhielt sie gar keine Antwort darauf: die Schausplelprinzipalin schien ihre Anwesenheit völlig vergessen zu haben. „Ach, liebste Madame Neuberin", Jetzt« sie wieder an. Da mutzte die Frau lachen. „Ja, Kind, ich weiß, Sie will mich an die Frage erinnern, die Eie getan. Doch so schnell kann ich Ihr die nicht beantworten. Erst muß ich prüfen, ob Sie überhaupt Talent hat zum Komödiespielen, und dann —, ohne Permission der Eltern möchte ich Sie nicht aufnehmen, Jungfer Bergerin, dasLibt Scherereien." „O, wenn sic selbst mit dem Vater reden würden, Madame Neuberin! Der Vater achtet Sie sehr hoch, er weiß auch, daß Sie Zucht und Sitte halten in Ihrer Bande." Einen Augenblick überlegte die Fra»'., dann sagte sie freundlich: „Ich werde also mrt Ihrem Vater reden. Morgen, übermorgen, ich weih es noch nicht, doch soll's geschehen, sobald ich Zeit frnde." „Ach, liebste Madame Neuberin": dankbar knixte die hübsche Person vor der Frau, die eben dem schnellen Schlittens dahcrkommenden Gatten entgegen winkte. Lisette, des Schneidermeister Bergers Töchterlein, ging langsam heimwärts, und di« Neuberin erzählte ihrem Manne die Begegnung mit dem Mädchen. „Ich wette, di« Demoiselle will nicht allein zur Bühne, weil sie den Altgesellen heiraten soll, sondern aus unglücklicher Liebe, irgendein anderer sitzt ihr im Köpfchen", meinte sie. „Aber heute haben wir an Wichtigeres zu denken, als an «in verliebtes Jüngker« lein, das den Komödiantenstand für einen Zuflucht», ort ansieht", schloß sie und betrat mit ihrem Mann« das Theater, in dem am Nachmittag die in ganz Leipzig besprochene Vorstellung vor sich gehen sollte. II. In einem kleinen sauberen Zimmer des Berger- schen Hauses saßen sich Karoline Neuber und Melster B«raer gegenüber. „So, Meister, nun hab' ich Ihm erzählt, warum seine Tochter bei mir war, und nun frage ich Ihn, ob Er der Jungfer das Komödie spielen erlaube,» will, dann werde ich sehen, ob sie dazu befähigt ist", sagte eben die große Schau spielerin. Der M«»ster, hochrot im Gesicht, stieß nur ein kurzes zorniges „Nein" hervor. „Ich will Ihn, ehrlich gesagt, auch nicht über reden", meinte die Frau, „denn der Komödianten beruf ist schwer und dornig, doch möchte ich Ihn bitten, sein Kind nicht zu quälen eines ungeliebten Mannes Ehegespons zu werden", eindringlich klangs. „Madame Neuberin, ich habe Sie spielen sehen und Ihr Spiel hat immer mein Innerstes bewegt, jedem anderen würde ich verbieten, sich in meine Familtensachen zu mengen, doch Sie, — Hut ab vor Ihnen. Madame", der magere Meister machte einen ungeschickten Kratzfuß. „Mit Verlaub, wenn ich Sie langweile, aber d»e Lisette will den Altgesellen nicht, weil ihr so ein windiger Student mit vieler Politesse den Hof macht", ärgerlich rief es der Meister. „Und was will der windig« Student werden?" fragte die Schauspielerin. „Advokat", lautete die Antwort. „Will der die Jungfer heiraten?" „Ja, sobald er in Amt und Würden ist, hat er mir gesagt, doch ich will einen Handwerker für mein Kind, und habe ihm die Tür gewiesen." So öffne Er ihm die Tllr wieder und sei Er froh, einem honetten Mann sein Kind anvertrauen zu können", sagte die Frau, „sicherer ist die Demotlelle wohl bei ihm aufgehoben, als bei dem ungeliebten Mann oder gar bei den verachteten Komödianten!" Unter dein Ton der schönen klaren Stimme, unter dem Bann der Augen der ihm Eegenübersitzenden, schmolz die Eisrinde um Meister Bergers Herz. Er streckte ihr die Rechte entgegen, und die ihm gereichte Hand fest drückend, sprach er: „Ich danke Ihnen, Madame Neuberin, daß Sie zu nnr kamen, ich will tun, was Sie mir rieten. — „Lisette!" rief er. Das Mädchen erschien, wieder tief mixend, und erfuhr nun vom Vater, was er beschlossen. „Ich bin ja so glücklich, jubelte Lisette auf, und vor der Künstlerin in die Knie sinkend, stammelte sie: „Ach, liebste Madame Neuberin" —. Da erkannte die Schauspielerin, daß sie mit ihrer Ansicht recht gehabt, nicht die Kunst hatte die blonde Lisette an gelockt, die Kunst sollte ihr nur als Vorwand dienen, um ihre unglückliche Liebe darunter zu verbergen. III. Jahre gingen dahin. Der einstige Student lebte längst als Notar in der Nähe Leivzias, und aus der blonden Lisette war eine sehr zufriedene Frau und Mutter geworden, die oft an d»e Madame Neuberin dachte, der sie ihr Glück eigentlich verdankte. Die Neuberin! — Lange schon war die glänzende Ruhmes- sonne der ehemals so gefeierten Künstlerin blaß und matt geworden, und da der dritte Schlesische Krieg ausbrach, floh die alternde Frau, nach dem Zu sammenbruch ihrer letzten Truppe, mit ihrem Manne nach Dresden. Hier entriß ihr der Tod den treuen Lebensgefährten. Doch d»e Schrecken des Krieges gönnten der Müden die Ruhe nicht. Sie flüchtet« mit der Familie des Arztes, bei dem sie in Dresden Unterschlupf gefunden, nach Laubegast, einein kleinen Dörfchen, und dort ging ihre Erdcnvilgerfahrt zu Ende. Einsam starb die große Künstlerin, und der Bauer, bei dem sie wohnte, drückte ihr mitleidig die Augen zu. Auf dem Kirchhof zu Leuben ward sie begraben, doch verschloß der streng« Priester der Toten den Eingang zum Gottesacker, der Sara mit der „Komödiantin'^ mußte über die Mauer gehoben werden. Just ii» dem Augenblick fuhr ein Reise wagen an dem kleinen Friedhof vorbei, darinnen saßen ein gut aussehender Herr und seine blonde Frau, sowie zwei hübsche Kinder. Die Frau ließ, gefesselt vor» dein seltsamen Schauspiel, halten, und ihr Mann ging, sich zu erkundigen, wen man auf so eigenartige Weise begrabe. Als die Frau die Ant wort vernahm, stieß sie einen Schrei des Entsetzens aus, und bat ihren Gatten, ein Stündchen hier im Orte Rast zu halten, ehe sie ihre Reise, zu der si« der Krieg gezwungen, fortsetzten. Es war ein kalter Dezemb«rtag heute, und lang- sam fielen die Schneeflocken hernieder, doch unbe kümmert um den feuchten Boden kniete eine blond« Frau vor dem frischen Hügel der Schauspielerin, die man einst feierte und bewunderte, und die trotzdem einsam starb — und begraben ward gleich einer Ver- femten. Die Worte der Toten damals in Leipzig klangen ihr im Ohr: „Wohl hundert Jahre noch müssen hingehen, «he die Kunst das Vorurteil der Menge besten wird, ehe die Komödianten voll berechtigte Menschen sein werden. Doch einmal mutz der Morgen tagen, — wenn ich ihn auch nicht mehr sehen werd«." Heute erst begriff Lisette dies« Worte. Schluch zend faltete si« die Hände, sie wollte ein Gebet sprechen, doch ihre zuckenden Lippen flüsterten nur leise: „Ach, liebste Madame Neuberin ..."
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