Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.11.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111125012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911112501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911112501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-25
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
da» Blatt, hat di« Regierung vor kurzem die Notwendigkeit eine» schnellen und entjcherdenden Vorgehens betont, wenn sie auch jetzt noch immer - nicht den seterlichen Worten die entsprechen den Taten folgen lassen tann? Wer hindert die Regierung? „Die Diplomatie!- sagt der „Secolo", „welche Italien zum Verzicht zwingt. Und die lo gische Holge dieses Verzichts ist: unsere diplomatische Trtuanon ist keineswegs so angenehm wie die Re- gierung glauben wollte." Dann geht das Blatt mit den „jalsschen Freunden" ins Gericht, die Italien ins trrpolitaniiche Abenteuer gestürzt haben, und erklärt: Der einzige entscheidende Akt, von dem die Regierung bisher zu berichten wüßte, wäre die Er oberung der Oasen in der Umgebung von Tripo lis, ein militärischer Spaziergang von 10 Kilometer. Und diese Eroberung wäre der Gipfel des Grotesken. Man solle schleunigst Frieden machen, um sich nicht noch lächerlicher zu machen. Dian solle vor allem die diplomatuche Battaglie gewinnen.... Das sind Worte, die kein auswärtiger „Verleumder" spricht, sondern ein sehr, sehr angesehenes Blatt, das der selben Partei Dienste leistet, der auch der Minister präsident Eiolitti aagehärt. Ote Lrieyslsyr. Londoner Blätter berichten über Mcklkrr an» Tripolis, daß sich die iFerlust« der Italiener bi» jetzt auf -1000 Mann belaufen. Die Rea « nfälle ,n Tripoli» halten nach wie vor an, so dog die Wege unpassierbar sind. Der Abgeordnete von Fezzan, Diamil Pascha, soll mit 20 000 Tuareg» auf gebrochen sein, um zu den vereinigten Türken und Arabern zu stoßen und mit diesen gegen di« Italiener zu kämpfen. Diese Nachricht scheint jedoch eine Ueder- treibuna der bekannten Tatsache zu iein, daß Djamtl Pascha schon vor kurzer Zeit 5000 Eingeboren« auf eigene Kosten bewaffnet hat, um sich mit den türkisch arabischen Streitkräften zu vereinigen. Weiter meldet di« „Agenzla Stefans" au» Tripolis: Ls ist nichts Neues zu berichten außer den ge wöhnlichen kleinen Gefechten, in denen die Araber zwanzigTot« und acht verwundet«, die Italiener drei Leichtverwundete beim 84. In fanterieregiment hatten. Der Dhiblt-Wind hielt den ganzen Tag an und verhinderte da» Auf- steigen der Flugzeug« und de» Drachenballon». Bei Durchsuchung d«r Oase fanden di« Italiener Waffen und Munition unter der Erd«. Dasselbe Depeschenbureau meldet ferner au» Massaua: Die Kriegsschiff« „Talabria" und „Pugli a" sind aus Akabah zurückg«k«hrt, wo sie Kanonenschüsse auf das verdächtige Terrain abgaben, die Dörfer aber verschonten. Di« Blockade der Dardanellen. Am 26. November wird, wie in Konstantinopel be- kannt wurde, Italien die Blockade der Dardanellen erklären. Der russische Botschafter in Kon stantinopel bestätigte während einer Unterredung mit dem Droßwestr di« Absicht Italien», die Dardanellen von diesem Tag« an zu blockieren, lieber da« Ver halten der nächst der Türkei an den Dardanellen »eben Rußland am meisten interessierten Mächte äußerte sichTscharykew in au»w«tchend«r Heile- - ..... Konstantinopel, 24. November. (Eig. Draht meldung.) „Iküam" schreibt: Die Pforte beauftragte nach dem gestrigen Ministerrat die Botschafter im Ausland, Len Mächten mitznteilen, die Rege lung der Trivolissrage hänge von der An erkennung der effektiven Souveränitäts rechte der Türkei in Tripoli» ab. Die Pforte werbe die nötigen Maßnahmen gegen jeden Angriff Italien» auf di« türkischen Küsten ergreifen. Türkisch« Rüstungen. Saloniki. 24. November. (Eig. Drahtmeldung.) Eine Depesche des Kriegsministers zeigt dem hiesigen Armeeinspektor Hadi-Pascha an, daß nach ge nauen Informationen der Regierung die italienische Aktion gegen die türkischen Inseln nunmehr bogstl- nen dürft«. Der Wachdienst wird überall verstärkt. Nach der Lhalkydike aohen ununterbrochen Truppensendungen ab, von Monastir trafen hier zwei Iägerbataillon« rin, und 20 Offiziere gehen heute als Freiwillige nach Tripolis ad. Türkisch« Militärflieger für Tripoli«. Di« türkisch« Regierung hat in Part« fünf Ein decker von Deperdussm nach Konstantinopel verladen lassen. Al« Fluglehrer für die türkische Militär- Der Wucher in üer Türkei. Von Gustav Herlt-K o n st a n t i n o p e l. (Nachüruck verbot««.> Das größte Hemmnis, das dem Aufschwung der Türkei im Wege steht, und die gefährlichste Wunde, die am Marke des tiirkisciM Volke» zehrt, ist der ent setzliche Wucher, von dem das ganze Reich heimgesucht wird. Obwohl «r auch in der Stadt schwunghaft betrieben wird, ist ihm doch hauptsächlich die Land- deoölkerumg verfallen. Die Regierung schaut der Ausplünderung der Bevölkerung durch habsüchtige Geldverleiher ruhig zu uird hat noch nicht, zur Be kämpfung der Wucherpest getan. Auch in der Kam mei ist kaum noch ernstlich die Rode davon gewesen; es sitzen nämlich eine stattliche Anzahl von Volks ausbeutern drin, und die werden sich hüten, ihr gut gehendes Gescihrfr selbst zu untergraben. Der türkische Bauer ist arm, sehr arin. Bei sei nem geringen Fleiß, der Sorglosigkeit und Nachlässig keit, womit er seinen Beruf ausiibt, und dem Steuer druck, der auf ihm lastet, bleibt ihm von seiner Ernte soviel, daß er notdürftig bis zur nächsten leben kann. Dabei muß aber alles gut gehen, der Ernteertrag reichlich sein, der Zchntenpächter rechtzeitig seinen Zehnten nehmen, damit der Bauer die Ernte cinfüh- ren kann, und er Lars auch keine ungewöhnlichen Verluste erleiden, z. B. nicht sein einziges Paar Büffel verlieren. Solche Gliiäsfälle sind aber selten, und so gelingt es nur den allerwenigsten Bauern, ohne Schulden zu machen, audzukommen. Bei den meisten ist die vorjährige Ernt« ,'ckon einig: Monate vor der neuen aufgezehrt, und um leben zu können, muß sich der Bauer an den Wuckxrer wenden. Oder er braucht für eine außergewöhnliche Aufwendung Geld, z. B. für den Ankauf eines neuen Gespannes oder einer landwirtschaftlichen Maschine, und das treibt ihn wieder dem Wucherer im die Arme. Wer sich einmal mit dem eingelassen hat, kommt sein Leben lang nicht mehr los; er ist ihm unrettbar verfallen. D:r Wucherer leiht auf ungeheure Zinsen, 5—10 Piaster monatlich für ein Pfund, das macht tiO—120 Prozent im Jahre. Damit nicht genug, bedingt er sich aus daß er für den geliehenen Betrag Getreide von der neuen Ernte einem im voraus sestgesetz. Niegerfchule in Konstantinopel ist der bekannte Franzose Legrand gewonnen worden. Die Aus- oildung der Ofsiziersflieger soll beschleunigt werden, damit diese noch in Tripolis Verwendung ftnden kön nen. Der Finnländer Kajann hat der türkischen Regierung seine Dienste für Tripolis gegen «in Ge halt von 16 000 .<t monatlich angeboten. Eine Ant wort darauf ist noch nicht erfolgt. Protestversammlung gegen den Krieg. 8t. Genf, 24. November. (Priv.-Tel.) Nach einer internationalen Protestoersammlung gegen den Krieg kam es zu einer Kundgebung vor dem italienischen Konsulat, das durch die Polizei bewacht wurde. Di« über 250 Köpf« start« Meng« wurde zerstreut. r>L3 rvslilprvyrsmm ües Ssnlsdunürs. Unter starker Beteiligung von Delegierten der Ortsgruppen des Provinzcaloerbanües fand am Donnerstag in Hannover ein« Versammlung des Hanjabundes statt. Der Redner des Abends war der PräsidentdesHansabllndesGe-eimrat Dr. Rießer. Er führte u. a. aus: Der Tag bricht an, an dem wir die Uebrrhebung der Urheber der Reichssinanzreform und di« Boykottierungspolitik Les Bundes der Landwirt« nun endlich strafen wollen. Es steht zu hoffen, daß auch unser Mittelstand nunmehr endlich erkennen wird, wer die große nationale Ausgabe seiner Förderung in di« Hand genommen hat, und wer unter der Maske «in«s Freundes ihn als Versuchskaninchen behandelt. Der Hansabund hat nicht gehetzt, sondern hat die Hetzer an den Pranger gestellt und di« Ruhe derer gestört, di« den Aaat als ecne Versicherung»- und Verpflegungs anstalt für sich und ihre Lixpe betrachten. Der Hania- dund ist ein parasitäres ischlinggewächs des Kapi talismus genannt worden. Solchen Worten ent sprach«» die Handlungen des Bundes der Landwirte, der auf die G«sahr eines wirtschaftlichen Krieges mit dem Ausland« von Handel und Industrie die Ab- lehnung des jetzigen Zolltarifbetnebes und bereits jetzt für den Fall der Erneuerung der Handelsverträge die Forderung auf Erhöhung der heutigen Agrarzöll« und die Herstellung des Uickenlosen Zolltarifs an gemeldet hat, Forderungen, denen wir auf das ent schiedenste entgegentreten werden. In dem bevor- stehenden Entscheidungskampf wird die Regierung nicht auf unserer Seite stehen, trotz der Auseinander- setzung zwischen Herrn v. Heydebrand und dem Reichs kanzler vom 11. November. Während der Reichskanzler ganz fm Sinne de» großen Fürsten Bismarck jede national« Parole ent schieden ablehnt, die mit einem Krieg oder einer Kriegsdrohung erkauft werden sollte, hat er die Mög lichkeit der Parole de» Schutzes der nativ- nalenArbeit angedcutet. Wer jetzt noch zweifeln kann wen er bei den beoorsthenden Wahlen zu wählen hat, der ist nicht zu begreifen. Es handelt sich um Sieg oder Niederlage zweier sich unversöhnlich gegenübcrstehrnden Weltanschauungen. Der Kampf, tn dem und vor dem wir stehen, ist nur eine Etappe in dem glorreichen Kampf der Geschlossenheit des Agrarstaotes und der Freiheit des modernen Staates und zwilchen der Bevormundung und Reglemen tierung von oben her und der freien Entwicklung eine» seiner selbst bewußten Bürgertum». Wir ver- langen, daß auf allen Gebieten de» öffentlichen Lebens eine gerecht« Politik getrieben wird, auch gegenüber den sozialdemokratischen Bestrebungen. Rießer schließt mit der Forderung, da» Bürgertum müsse sich auf seine xlgene Kraft verlaßen und namentlich überall da. wo, wie in d«r Provinz Hannover, tri« Reaktion dem Liberali«. Mus dar Lebenslicht ausblasen wolle. „Verkennen Sie nicht den Ernst der Stunde! Bürger heraus!" Aus dfesen Ausführungen de» Hansabundpräsi- deuten geht unzweideutig hervor, daß der Bund ge- willt ist, den Liberalismus überall gegen sein« Gegner zu unterstützen. Wie die Stellung de» Hansabunde» in den Fällen au»fall«n wird, in denen Kandidaten Ler Rechten gegen Sozialdemokraten sieben, läßt sich dagegen nicht klar ersehen. Rießer scheint zedoch eventuell sozialdemokratischen Bestrebungen nicht absolut ablehnend gegenübcrzustehen. 13. Ssuptverlsmmlung ües Schilkbautechnllchen GrleUlchstr. (Nachdruck verboten.) Berlin. 24. November. H. Den heutigen Verhandlungen der IS. Kauptoer- sanrmlung der Schiffdautechnischen Gesellschaft ging eine Eeschästssitzung voraus, tn der der Vorstand gewählt wurde. Geh. Regierungsrat Professor Dr. B u s l e y - Tharlottenburg wurde zum geschäst»- führenden Vorstand wiedergewäblt, ebenso erfolgte die Wiederwahl von Konsul A ch e l i s - Bremen, Präsident des Norddeutschen Lloyd, und des Dr.-Ing. Gil Ihausen, Mitglied de» Direktorium» der Firma Krupp tn Essen. — Im Juni wird eine Eom- mertagung tn Kiel abgehalten werden. In der öffentlichen Sitzung sprach sodann an erster Stelle der technische Direktor d«s Norddeutschen Lloyd M. Walter-Bremen über den Einfluß ver Drehrichtung der Schrauben Lei Doppelschraüben- dampfern aus di« Manövrierfähigkeit Lei stilliegeudeu Schiffen. Auf Grund theoretischer Erörterungen und mit Rück sicht aus die praktischen mit diesen beiden Dampfern de» Norddeutschen Llond gemachten Erfahrungen empfiehlt der Vortragende, in Zukunft Doppes schraubendampfer nur noch mit nach außen schlagen den Schrauben auszustatten. An den Vortrag knüpfte sich eine Aussprache. Bei dieser Gelegenheit nahm Professor an der Tech nischen Hochschule Tharlottenburg Geh. Rcgierungs- rat Flamm Veranlassung zu einer Kundgebung für di« deutsch« Flotte und schloß dies« mit dem Wunsch, daß es unserer Marineverwaltung gelingen möge, das Baut« mpo für unsere Flotte vor einer Verlangsamung zu schützen. (Stürmischer allseitiger Beifall.) Sodann sprach Oberingenieur Dr. Wagner vom Vulkan Stettin über praktische Ergebnisse mit Gegenpropellern, deren Einführung er im Interesse der Schiffahrt wie Luftichisfahrt empfahl. In der Besprechung über den Wert der Gegen propeller äußerte Oberingenieur Eggers-Hamburg vom Standpunkt der Reeder aus Bedenken gegen die Anwendung des Gegenpropellers mit Rücksicht darauf, daß er leicht Fremdkörper in die Propeller hinein bringe uno Havarien dadurch verursache. — Der Referent Dr. Wagner glaubt, daß man aus diesem Eeviet« ebensowenig allzu ängstlich sein dürfe, wie man es bei Einführung der Turbine gewesen sei. Nach einer Paul« sprach Ingenieur Holz war t h - Mannheim über Gasturbinen. Das Problem der Gasturbine läßt sich lehr einfach und kurz skizzieren. Ein Gemisch aus gasförmigem Brenn- stoss und Luft bzw. aus flüssigem Brennstoff in Form von zerstäubtem Mehl oder in Dampfsorm und Luft wird zur Verbrennung gebracht. Die dem Brenn stoff innewohnende Energie muß auf eine solche Weise frei werden, daß die Gase unter möalichst hohen Druck gestellt werden. Diese» Druckgefälle gegenüber der äußeren Atmosphäre wird dann ausgenutzt tn der eigentuchen Turbine. An letzter Stell« stand ein Vortrag von Ingenieur Lux-Ludwigshafen über ein von ihm erfundenes neues elektrische« Torstonsdynamo meter, das tn erster Linie dazu bestimmt ist, die Torsion von Schiffswellen und damit die von diesen Wellen übertragenen Kräfte zu messen, aufzuzeichnen und zu summieren. Damit war die Tagesordnung erschöpft, und die Tagung wurde vom Vorsitzenden Großherzog Friedrich August von Oldenburg mit Schlug- und Dankes- worten geschlossen. Sur GrrlHtung eines Berulskonlulats in Laüz wird un» geschrieben: Der deutsche Hilfsoeretn in Lodz hat bei der deut schen Regierung den Antrag gestellt, für die Gouver nements Petrikau und Kalisch in Lodz ein Berufs konsulat zu errichten. Begründet wird Vieser Antrag mit der großen Zahl der in Lodz wohnenden Reichs deutschen und mit der Notwendigkeit des Schutzes der deutschen Interessen tn Russikch-Polen. Ls besteht zwar in Warschau ein Generalkonsulat, das für ganz Russisch-Polen zuständig ist. Die Geschäfte dieses Generalkonsulats haben sich tn den letzten Jahren so ausgedehnt, daß eine Entlastung des Generalkonful» dringend notwendig ist. Das Generalkonsulat in Warschau hat die Notwendigkeit der Errichtung eines Konsulats in Lodz anerkannt und betrachtet die deut schen Interessen in Lodz für so wichtig, daß es all monatlich einen Beamten zur Erledigung der dringendsten Angelegenheiten auf 8 Tage nach Lodz sendet. Dieser Zustand erfordert aber dringend einer Abänderung. Der Errichtung eines besonderen Konsulat» in Lodz stehen keine Bedenken seitens der russischen Regierung entgegen, zumal wir auf Grund des Konsularvertra^es vom 8. Dezember 1874 berechtigt sind, in allen Städten Rußland» konsularische Ver tretungen einzurichten. Mlttellungen aus üer Gelsmirsisützung am 18. November 1911. Bors.: Oberbürgermeister Dr. Dlttrich. 1) Di« Stadtverordneten haben an Stelle der mit Ende d. I. aus dem Ratskolleaium ausjcheidcnden Herren Stadträte Rudolph und Ramdohr d,ie Herren Stadtverordneten Architekt und Ingenieur Hohn« und Redakteur Böhme als unbesoldet« Ratsmitaliecer ge wählt und ine Herren Sladträte Wirk!. Geh. Lega- tionsrat Dr. Göhring, Pfeiffer, Ryssel, Schmidt, Geh. Kommerzientrat Rohwoldt, Dr. Limburger und Bau rat Frank« erneut auf ö Jahre in das Ratskolleglum berufen. Der Rat nimmt hiervon, nachdem der Herr Vor sitzende unter herzlicher Beglückwünschung der Freud« des Kollegiums über die Wiederwahl und deren An nahme seitens der gewählten Herren Ausdruck ge- g«L«n hatte, Kenntnis, d«r Erklärung der Herren Höhne uno Böhme ist entgegenzufeken. 2) Die Stadtverordneten haben Pos. 4 in Konto 9 „Brücken, Stege, User, Wehre" des Haushaltplans 1912 von 20 000 .tz auf 19 000 -tz herabgesetzt, im übrigen hab«n sie dieses Konto sowie das Konto 15 „Heilanstalt Dösen" genehmigt. Bei dem Abstrich zu Pos. 4 in Konto 9 wird Be ruhigung gefaßt; es ist das Erforderliche auszu führen. 3) Die Stadtverordneten haben zugestimmt a. dem Verkaufe von Land d«r Flur stück« 148, 149 und 150 der Flur Seehausen zur Verbreiterung des sog. Leipziger Wegs, b. dem Verlaufe von 500 qrn Land der Bau stelle 7 an der Döllnitzer Straße und d«r Verschmel zung dies«» Landes mit der Baustelle 8, a. dem Verkaufe d«r Baustelle Nr. 6 an der Riebeck- stvaße und an der Straß« 7 zu L.-N., <1. dem Verkaufe des Baublocks 28 an der Hofer Straße zu L.-R., L. der Aenderung des Bebauungsplans am ehe maligen Töpferplage und dem Verkaufe von Land daselbst, k. der Begründung und Besetzung der Stelle eines Direktors der Armenpflege. Das Erforderliche ist aus,usühren. 4) Di« Stadtverordneten Haven ihr Gutachten zu der baupolizeilichen Feststellung d«r Bauflucht des Preußergäßchens am Grundstück Neumarkt 26 im zu stimmenden Sinn« abgegeben. Das Erforderliche ist auszuführen. 5) Zu der Vorlage über dr« Bewilligung eines Derechnungsg«Ides von 350 000 Ut zur Speisung von Schulkindern, zur Errichtung je «iner Speiseanstalr in L.-Tonnewitz und L.-Stött«ritz sowie zur Ge- Währung einmaliger Beihilfen an einem Teil der städtischen Beamten, Arbeiter usw. haben die Stadt verordneten beantragt, die einmalig« Beihilfe zu ge währen für Kinder bis zur Vollendung des volks- schulpflichtigen Alters, und zwar für 1 Kind 40 ^t. für jedes weitere Kind 10 -it. Der Antrag wird dem Perl.-Amt überwiegen; so- weit Zustimmung vorliegt, ist das Erforderliche aus zuführen. 6) Frl. Primavesi hat dem Theaterpenssonsfonds 15 000 und dem Orchesterpensionsfonds 3000 »tz letzt willig hinterlassen. Man nimmt mit wärmstem Danke Kenntnis. 7) Herr F«lix Reimann hat dem Rat« «ine Ver kleinerung der an seinem Grundstück Nckolaistr. 27/29 angebrachten Plakette des Grafen v. Zeppelin über reicht. Da, D«sch«nk wird mit Dank angenommen und dem Kunstgewerbemuseum überwiesen. 8) In da» Stadtoerordnelenkollegium wird an Stelle des Herrn Böhme der Reservemann der Unan- lässigen, Herr Schneiderobermeister Bollexhof, ein berufen. Di« Stell« des Herrn Höhne muß unbesetzt bleiben, . da ein Reservemann der Ansässigen nicht mehr vor handen ist. 9) Das stadtgeschichtliche Museum soll am 14. De- zemoer 1911 eröffnet werden. Al» Besuchstage wer den Mittwock, Sonnabend und Sonntag festgHetzt. 10) Genehmigt werden a. die Abänderung des Bebauungsplans Leipzig- Eutritzsch—Nordwest (Flurstück 376), b. der Entwurf einer Stiftungsurkund« für die Schühsche Stiftung, e. dl« Weitergewährung des städtischen Beitrags an den Leipziger Dürerbund. 11) Für die Instandsetzung und Unterhaltung des Grundstücks Leipziger Straße Nr. 14 zu L.-Stötteritz werden di« erforderlichen Kosten bewilligt. 12) Mit der vorgeschlagenen Abänderung der Be stimmungen über die Sonntagsruhe im Handclsgc- werb« wrrd Einverständnis erklärt. 18) Vergeben werden ». di« Bauarbeiten kür die begehbaren Rohr kanäle im Krankenhaus Et. Georg, ten Preise erhalte. So sichert sich der Wucherer di« neue Ernte zu einem billigen Preise. Ein beliebter Kniff ist der, den Preis für das Kilogramm zu be stimmen, natürlich auch recht niedrig, und vom Schuldner Lieferung in Oka zu verlangen. Da 78 Oka --- 100 Kilogramm sind, so gewinnt er dabei noch einmal 28 Prozent. In vielen Fällen borgt der bedürftige Landmann kein bares Geld, sondern Waren für seinen Unter- halt. Der Ortskrämer eröffnet ihm beispielsweise einen Kredit von 1000 Piastern für vier Monate. Die Waren werden dem Schuldner nach Bedarf ge liefert, natürlich zu hohen Preisen, wogegen di« Zin- sen vom Gesamtbetrag« schon vom Taz« der Kredit eröffnung an berechnet werden. Der Schuldner muß also Zinsen für Geld bezahlen, das er noch gar nicht erhalten hat. Dem Bauer gelingt es bei solchen Bedingungen niemals, feine Schulden abzuzahlen, er gerät viel- mebr immer tiefer hinein. Der Wucherer macht ein glänzendes Geschäft und mit 3000—1000 Franken Kapital kann er von seinen Renten leben und noch ein Sümmchen auf die Seite legen. Mit Wucher, gcfchäften befassen sich hauptsäcklich die Dorfkauf- leutc, Geldwechsler, Zehntenvächier, Getreidclhindler usw. Auf dem Lande vereinigen sich all diese Be schäftigungen meistens in einer Person. Gegen die Ducherpest gibt es nur ein Hilfsmittel: die Negierung muß d«r Landbevölkerung anderwei tig billigen Kredit verschaffen. Berufen dazu wäre die Landwirkschaftsbank, die überall Niederlassun gen besitzt. Ihr Geschäftsgebaren ist ober echt tür kisch und umständlich und zeitraubend, und dann hat sie auch nicht genug Mittel verfügbar, um allen Kreditgesuchen entspreche» zu können. Unter Abdul Hamid war die Landwirtschaft»bank di« Melkkuh, die bei jeder Ebbe im Staatsschatz ausgiebig gemolken wurde. Der Staat schuldet ihr viele Millionen, an deren Rückzahlung auch die Iungtürken noch nickt gesackt haben. Auch die Gerichte könnten gegen die Wilderer etwas erreichen, wenn sie van Amts wegen in deren Geschäfte hineinleuchten dürften. Gegen die Hauptursache der Armut der Bauern, di« sie in die Hände der Wucherer treibt, gegen di« Sorglosigkeit, Faulheit u»Ä> Gedankenlosigkeit der Bevölkerung kann die Regierung nicht» tun e» fei denn, sie sorge für bessere Volksbildung. Daf^r-chat man leider auch in der neuen Türkei kern Geld. Der Morgenländer hat eine außerordentlich lebhaft« Ein bildungskraft, die ihm über all« Widerwärtigkeiten Les Lebens hinweghilst. Borgt er sich Geld auf vier Monate, so hofft er, daß sich in dieser Zeit durch be- sonders glücklich« Umstände seine wirtschaftliche Lage derart bessern werd«, daß «r seine Schuld mit Leich- ttgkeft zurückzahlen werde Ünnen. Natürlich gehen diese Träume nie in Erfüllung; nach Ablauf der vier Monate hat er «bensowenig Geld wie früher, er ver- längert seine Schuld und nimmt noch ein« neu« dazu auf, in der sicheren Hoffnung, daß ihm diesmal das Glück holder sein werde. Sein Fatalismus kommt ihm dabei trefflich zu statten. „Wenn Allah will, daß mein Weinberg Heuer nichts trage, so kann ich mich seinem Willen nicht entgegenstemmen." Er sieht ruhig zu. wie die Reblaus seine Reben vernichtet, und raucht gottergebene seine Zigarette, anstatt seine Reben tüchtig zu schwefeln. Daß man auf solch« Weise wirtschaftlich nicht vorwärts kommt, ist selbst verständlich. In den Städten sind dem Wucher hauptsächlich die kleinen Kaufleute und Beamten ausgesetzt. Die ersteren arbeiten alle mit ungenügendem Kapital und müssen sich bei dem großen Wettbewerb, der unter ihnen herrscht, mit dem geringsten Gewinn be gnügen. Brauchen sie zur Einlösung eines Wechsels oder eines Konnossements schnell ernig« Pfund, so hilft ihnen gern der Carraf (Geldwechsler) an der nächsten Straßenecke. Er nimmt nur 250 Prozent Zinsen. Der «arraf diskontiert wohl auch Gefällig, kcitswcchsel der kleinen Kaufleute, zu einem hohen Satz natürlich. Die Beamten sind schrecklich verschuldet. Aller dings werden sie auch schlecht bezahlt, sie entwickeln aber auch nach levantinischer Weise «inen Luxus, der weit über ihre Mittel g«hi. Die Toilette der Frauen verschlingt oft das ganze Monatseinkommen de» Mannes. Alles wird auf Borg genommen und am Ende des Monats werden den Lieferanten kleine Abzahlungen gegeben. Das gebt eine Zeit, dann wird beim Ärrrasen eine Anleihe ausgenommen unter Ecwährkeiskung zweier Kollegen. Dieses Geld ist schnell aufgebraucht und dann wird ein neue» Darlehen ausgenommen vfw. Wer di« ersten Schul- den glücklich gemacht hat, w« da» schwierigste ist, ' der begegnet dann bei keiner weiteren Schuldenwirt, schäft keinen Schwieriakeiten mehr. Je größer seine Schuldenlast wird, desto mehr wird er zu einem Gegenstand der Sorge für seine Gläubiger. Klein« Beamte haben bis 200 Pfund (3700 Mark) Schulden, ohne daß sie sich durch diese Riesenlast sonderlich ge drückt füblten. Ganz Konstantinopel ist auf eine ganz unglaubliche Weise verschuldet. Manche dieser oerkchuldeten Beamten Haden das ..Glück", in dem Geschäft oder der Verwaltung, wo fr« angestellt sind, Geld unterschlagen und damit ihre Schulden bezahlen zu können. Wird er erwischt, so sagt er kaltblütig zu seinem Brotherrn: „Wenn Sic mich jetzt hinausschmeitzen oder dem Gericht über, geben, qt ihre Forderung an mich unwideroringlich verloren, denn ich besitze nichts. Wenn Sie mich da gegen behalten und meinen Gehalt erhöhen, dann oehalteü sie die Aufbesserung zurück und rcchinn sie von meiner Schuld ab. So wird es auch gemacht. Die soziale Entwicklung nimmt in der Türkei die gleiche Richtung wie in Europa. Vor einigen Jahr- zehnten noch waren die Volksausbeuter die Tal- fürsten (Derebejs). Vie es verstanden, die Landbevöl kerung für sich arbeiten zu lassen. Abdul Hamid hat diese Feudalherren zum größten Teil ausgcrottet, nur die kurdischen ließ er weiter walten, und sie haben es durch ihre Räubereien und Gewalttätig- ketten glücklich schon so weit gebrockt, daß in Kur- distan ein allgemeiner Voltsaufstand zu befürchten ist. Die Talfürsten war«n gewiß auch keine Gemüts Menschen, aber lle ließen zu ihrem eigenen Vorteil« di« Bauern mindestens leben. An ihre Stelle ist mit der Entwicklung der Geidwirtschaft der Kapitalist ge treten, oben der Wucherer unter den genannten mannigfachen Formen. Der kennt kein Erbarmen mit seinen Opfern und preßt au» ihnen auch di« Seele heraus. In seiner geschäftlichen Tätigkeit fin det er die weitestgehende Unterstützung durch di« staatlichen Behörden. Richter und Gerichtsvollzieher, Polizei und Gendarmerie warten nur darauf, sich auf den armen Teufel von Schuldner zu stürzen und ihm Las letzt« Stück Vi«h und den letzten Scheffel Ge- treive meistbietend zu verschleudern. So ein Wucherer ist ein mächtiger Herr tN-seinem Bezirke, vor dem sich nicht selten auch der Walt verbeugt! Zn dieser Hinsicht hat die neue Türkei nicht den geringste« Fortschritt geg«n die alte gemach,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)