Volltext Seite (XML)
Leipziger Tageblatt 4. Vellage. Sonnavenü, 5S. November 19 ll. Nr. 327. 105. Jahrgang. Aus üer Lahn gekchleuüert. 241 Roman von Carola v. Cynatten. (Nachdruck verboten.) Hornbostel fragte: „Nun, Herr Mellik, wie ift'S, haben Sie Doktor Csallovary gestern ge sprochen?" Mellik berichtete nun genau den Verlauf seines Besuchs bei dem Advokaten. „Und wie denken Sie sich jetzt das Verschwinden des Testaments, Herr Mellik?" erkundigte sich Horn bostel. „Ich kann mir's noch immer nicht erklären, glaube aber getviß, daß der Herr Toktor nichts davon weiß." „So. — Haben Sie diesen Eindruck bekom men." „Sehr sogar. Wie's fortgekommen ist, begreif' ich nicht, aber der Herr Doktor hat'S nicht auf die Seiten gebracht, darauf tüt ich jede Wette ein gehen! Ebenso bin ich aber überzeugt, daß es ihm sehr unangenehm wäre, wcnn's wieder zum Vorschein käme." „Tas glaub' ich!" brummte Ma»er. „Haben Sie ihm gesagt, daß ein Duplikat vorhanden war?" „Nein, denn Herr Hornbostel sprach den Wunsch aus, daß ich weder davon noch vom Geheimfach im Sekretär etwas sagen sollte." Als Mellik von dem Airgcbot der 200 Kronen und späterer Unterstützung durch Csallovary berich tete, rief Mayer: „Bravo, Herr Mellik!" „Mich freut es, daß Sie dieses Geld nicht genommen haben, es wäre eine Art Fessel ge wesen!" setzte Hornbostel hinzu. „Eine Fessel kann ick' aber nicht brauchen, denn am Unglückstag noctz hat sich mein Herr von mir versprechen lassen, daß ich im Fall, daß ihm ein mal etwas zustoßen sollte, alles tun würde, damit s.iu Wille pünktlich durckzgcführt wird. Ich hab's versprochen, und was ick armer Teufel dazu tun kann, daß unser Fräulein zu seinem Recht kommt, das wird gesckfehcn!" „Recht so, Herr Mellik, wir wollen alle zusam- inenstehen. Und was die zurückgewiesencn 200 fronen betrifft, die werden ivir Ihnen ersetzen," sagte Hornbostel. Gertrud Franke fragte, ob der Gärtner sich auf den Namen Lek Sekretärkäufers besonnen habe. — „Nein, gnädiges Fräulein; je schärfer man auf ihn einfragt, um so konfuseres Zeug redet er! Herr Hornbostel wird mit ihm nicht viel ausrichten; aber er könnt sonst denken, ich wär der Konfu sionsrat," erwiderte Mellik. „Vielleicht stellt er sich nur so konfus!" ver setzte Mayer. „So was gibt's nicht beim Marczi, der ist so treu und anhänglich wie ein Hund! Aber ein dummer Kerl ist er, ein mordsdummer!" ver teidigte Mellik seinen einstigen Dienstgenossen. „Rusen Sie ihn herein, Herr Mellik, loill sehen, was ich aus ihm herauskriegen kann," sagte Horn bostel. Nack einigen Augenblicken trat Mellik wieder herein, und zwar in Begleitung des Gärtners Marczi. Sonderlich intelligent sah er nicht aus, aber seine graubraunen Augen hatten einen gut mütigen Ausdruck, der zu seinen Gunsten sprach. Ter Anblick so vieler Leute schien ihn stutzig zu machen, denn er blieb in sichtlickser Verlegenheit an der Tür stehen und machte einen Kratzfuß. „Kommen Sie näher, Herr Marczi," lud Horn bostel ihn ein, „und setzen Sie siB zu uns. Ich möchte Sie einiges fragen." Zenz brachte in eigener Person ein Tablett mit Flaschen und Gläsern herein, die Hornbostel so gleich füllte. / „Herr Toktor Csallovary hat Ihnen einige Ein richtungsstücke ans seines Bruders Nachlaß ge schenkt?" begann er dann das Verhör. „Ter Herr Toktor hat diese Gnade gehabt, gnä diger Herr." „Darunter auch den Sekretär, den der Ver storbene stets zu benützen pflegte?" „Za. Es war ein schönes Stück von echtem Mahagoni mit schweren Bronzebcschlägen: viel zu kostbar für einen armen Teufel wie ich, darum habe ich ihn verkauft", sagte Marczi. Auf mehrere Fragen bestätigte der Gärtner, daß er den Namen des Händlers vergessen habe. „Sie wissen aber, daß eS ein Herr vom Lande war?" begann Hornbostel dann abermals. „Ja, das heißt, er kann auch auS einer kleinen Stadt gewesen sein. Von hier war er g.wiß nicht, sonst Hütte er den Sekretär von Ticnstmännern holen lassen, nicht von einem Boten." „Ich glaubte, ein Spediteur hätte das Möbel geholt?" „Ich bitte untcrtänigst, es kann auch ein Spedi teur geivesen sein." „Kie wissen wohl auch nicht, wohin der Sekretär kam, welches sein Bestimmungsort war?" Marczi schüttelte mit trostloser Miene den Kopf und sagte kläglich: „Ich habe ihn aber gewußt!" Mayer rutschte auf seinem Stuhl unruhig hin und her, Hornbostel sab beinahe ebenso trostlos aus wie der Gärtner. „Ist Ihnen vielleicht noch das Datum des Ver kaufstages erinnerlich?" „Ten weiß ich!" rief der Mann mit jenem seligen Leuchten im Gesicht, das einen schlechten Schüler schmückt, wenn er zufällig einmal eine Frage zu beantworten vermag. „Am Morgen war der Herr bei uns, und am Nachmittag habe ich die sechzig Kronen auf die Sparkasse getragen — es war der 12. März!" „Endlich einmal eine klare, bestimmte Antwort!" „Können Sie uns vielleicht noch sagen, an wel chem Tage Ihre Verkaufs inzcigc im „Pesti Naplo" gestanden hat?" „Jawohl! — Einen Tag eher, denn schon am Nachmittag des vorigen TageS waren viele Leute bei uns, um den Sekretär anzuschaucn. „Die Anzeige ist also am 11. März erschienen?" „Ja." „Ihre Frau — Sie haben doch eine? — ist auch nicht klüger als Sie, Herr Marczi?" fragte Mayer. „Ich bitte untertänigst, nein. — Sie war auch nicht beim Verkauf zugegen, denn sie hat mich, als sie heimkam, gescholten, weil ich den Sekretär um sechzig Kronen hergegeben habe, wo sie doch wenigstens siebzig dafür hat haben wollen." „So — Nun, Herr Marczi, dann danken wir Ihnen für Ihre Bemühung. Einige Aufklärung haben Sic uns ja doch geben können", sagte Horn bostel. „Ich bitte untertänigst, das habe ich gern ge tan. — Wenn aber die gnädigen Herren meinen Sohn Miska fragen wollen, es kann sein, daß er mehr weiß als ich, denn er war dabei, wie ich mit dem Herrn unterhandelt habe wegen dem Sekre tär, und er hat auch mit dem Fuhrmann lange gesprochen." Jetzt war aber auch Melliks Geduld gerissen, irnd den Gärtner, neben dem er saß, derb an der Schulter fassend, rief er, ihn schüttelnd: „Dumm kopf, vero—! Hast du den Miska nicht fragen können, ob er noch was weiß, weniger Stroh 'im Kopf hat als du?" Zuerst schaute Marczi seinen früheren Kame raden höchlichst verwundert an, dann erwiderte er tief gekränkt: „Ja, das hast du wohl gesagt, aber Lu hast auch gesagt, daß ich zu keiner Seele darüber reden dürfte, und so habe ich meinen Mcska nicht fragen können." „Mußt du deinem Buben auf die Nase binden, warum du ihn fragst, geht ihn daS waS an?" Der Gärtner schren das nach und nach zu be greifen, wenigstens versetzte er ziemlich kleinlaut: „Ich kann den Miska ja noch immer fragen, wenn Lu es haben willst, Pista!" „Ja, daS null ich, aber ich will dabei sein!" „so komm diesen Abend zu uns; meine Alte hat dich immer gern gehabt und wird sich freuen, wenn Tu kommst." „Ich komme und werde Miska auf den Jahn fühlen. — Und jetzt vorwärts, du hast die Herr- schäften lange genug gelangweilt", erklärte Mellik kategorisch. Marczi leerte aber erst sein Glas mit großer Umständlichkeit, denn cS wäre zu unhöflich ge wesen, auch nur ein Tröpslein darin znrückzu- lassen. „Ich danke Ihnen nochmals, Herr Marczi, und werde sie gern für Ihre Mühe entschädigen", sagte Hornbostel, ihm die Hand gebend. „O, ich bitte ganz untertänigst, gnädiger Herr!" „Und Sie, Mellik, sagen sie mir morgen Desck^cid?" „Um 8 Uhr bin ich da, wcnn's nicht zu früh ist." Bald nachdem man anseinandergegangen war, traf Szarolta im Korridor des Atelierstocks mit Kerkhelyi zusammen, der mit einem warmen Blick in iyre Augen sagte: „Taß Sie einen so braven, treuen Vater hatten, Fräulein Varos, freut mich, als ginge cs mich persönlich an!" DaS junge Mädchen wurde glühend rot und er- widerte verlegen: „Sie sind äußerst freundlich, Herr Kerkhelyi!" „Nicht freundlich, Fräulein Szarolta —" er bediente sich zum erstenmal ihres Vornamens bei der Anrede — „sondern Ihr Freund!" Am folgenden Morgen stand Pista Mellik mit dem Schlag 8 Uhr in Herrn Ludwigs Wohn zimmer. Er brachte die Adresse des Sekretär käufers, die der Sohn des Gärtners wirklich noch gewußt hatte. Es war einer auS Stuhlweißen burg und hieß Rose. „Schon morgen fahre ich nach Stuhlwcißenbura und treibe ich oen Rose auf, so bringe ich auch den Sekretär mit!" rief Mayer, als er von Melliks Bericht hörte. Er hatte am Morgen seine fünftausend Kronen erhoben, in seinen Taschen klimperte Gold und Silber, und so befand er sich in der Stimmung, große Taten zu verrichten. Hornbostels Antwort auf diese Erklärung setzte ihm aber einen Dämpfer auf. „Geduld, mein lieber Mayer", sagte er, ,Fvir wollen noch nichts beschließen. In einer Stunde gehe ich zu Tr. Lazar, der mir sagen wird, was wir tun und wie wir eS tun sollen." „Tas ist vernünftig, und darum kann ich nichts dagegen einwenden. Nur eins bitte ich mir aus: alles, was es mit zu tun gibt, das behalte ich mir vor: und außerdem möchte ich es sein, der Szarolta das Testament zu ihres Vaters zu Füßen legt!" — Am Abend dieses Tages, als sich schon jeder mann im Hause in sein Zimmer zurückgezogen hatte, stand Szarolta in tiefen, ernsten Gedanken am Fenster des ihrigen — der Prozeß gegen ihren Onkel Csallovary war eine unwiderruflich be schlossene Sache! Dr. Lazar, ihres Vaters und jetzt auch Herrn Ludwigs und ihr juridischer Beistand, hatte dringend zum Prozeß geraten und ihr Vormund ihm, ohne nur vorher noch hcimzukoin- men, die ersorderlick-e Vollmacht ausgestellt. Tie ülage sollte unverzüglich abgefaßt und bei Gericht eingereicht werden. Alle hatten diese Nachricht mit Freude bePrhßt, Mayer, der wirklickr. am folLcnden Morgen na^ Stuhlweißenburg abreisen sollte in Verfolgung des wichtigen Sekretärs, — sogar mit lautem Jubel. «ie allein hatte sich nicht zu freuen vermocht. Ter Gedanke an die lange Zeit, die bis zur endgültigen Entscheidung des Prozesses verfließen müßte — zweifelte doch niemand daran, daß er alle drei Instanzen durchlaufen würde — an die ganze Reihe von Aufregungen und Widerwärtigkeiten, die ihrem Wohltäter, ihrem zweiten Vater, bevorstande», an das viele Geld, das chn die Verfolgung ihrer Ansprückze kosten würde, hatte eine Verstimmung über sie gebracht, die trotz a kler ihrer Anstrengungen, heiler zu scheinen, sich doch nicht ganz wollte verbergen lassen. Einer wenigstens hatte sre wahrgenommen oder doch erraten — Herr Kerhelyi folgte ihr, als sie sich inS Nebenzimmer begab, dorthin: „Sie sind verstimmt, unzufrieden mit Herrn Hornbostels Entschluß," hatte er angcfangen. „Ich tann es verstehen und doch — haben Sie unrecht! Scheuen Sie nie und nimmer den Kampf — weder den mit den äußeren Umständen, noch den mit sich selbst! Denn nur der Kampf führt zum wahren Erfolg - zur nnöße, und ich wünsche, icb hoffe sehnlich, Sie einst groß, zu sehen, als Künstlerin wie als Mensch! — Sre haben alles in sich, was dazu gehört." Und dann hat er sie ivieder angeschaut seltsam, forschend, gerade so wie tags zuvor, hatte ihr die Hand geküßt und sie allein gelassen, in einer ziemlich wunderlichen Stimmung, halb froh, halb bang. Elftes Kapitel. Meine liebe, gute Margita! Du willst viel wissen und sollst so gut wie möglich befriedigt werden. Leider habe ich wenig Erfreu liches mitzuteilen. Im Prozeß, der ohnehin den Schncckengang geht, ist ein Stillstand eingetrelen, ver anlaßt durch Dr. Csallovary. Wie du aus meinem letzten Brief ersehen, sollte Mellik seine Aussagen über Papas testamentarisch« Bestimmungen eidlich be kräftigen. In letzter Stunde aber legte Csallovary gegen des Zeugen Zulassung zum Eid Protest ein. Er veruft sich auf die schwere Kopfwunde, die er bei dem Automobilunfall davongetragen, und weist darauf hin, daß derartige Lkrletzungcn beinahe ausnahmslos er- hebliche Störungen in den Eehirivfunktionen herbei führen. Daraufhin verlangt er, daß Mellik vor seiner eidlichen Vernehmung auf seinen Geisteszustand unter sucht werde. Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, daß Mellik ebenso gescheit und klar ist, wie wir es sind. Er er klärte sich augenblicklich bereit, sich den Gerichtsärzten zur Untersuchung seines Geisteszustandes zur Per fiigung zu stellen. Als er hörte, daß Csallovary Be denken äußerte und meinte, daß Geisteskrankheit erst nach längerer Beobachtung fcstzustellcn wäre, erbot er sich, für längere Zeit in die Landes-Irrenanstalt zu gehen. — Natürlich wollte» wir von einem derartigen Opfer nichts wissen, Mellik aber, der mich um jeden Preis als Siegerin aus diesem Prozeß hervorgebcn sehen möchte, begab sich in aller Stille zum Direktor der Anstalt, der Papa ziemlich gut gekannt haben soll, erzählte ihm unter Berufung auf Onkel Ludwig die ganze Geschichte und bat um Aufnahme in die Be- obachtungsstation. (Fortsetzung in der Abendausgabe.) v.° MU. s — empkedleu »ml verseoüvn äle Kollektionen üer köolxl. Süekslselivn lstnuckea-Totterl«: 1. MllWS 161. Migiied Aelmseber Lsnües-Lotleriö «. nael 7. «>vrvml»vr. V, Mk. IO.— r/r Mir. 2S.— Mir. so.— Volllose »/„ Alk. 25 — V, Alk. 50.— Alk. 125 — '/. Alk. 250.— ssiilslo I.LIPHI», ftsnstScktarsioinnsz 2. ULvksKe Ükonoiniv del Mut - MnSsmpf - Lokomobilen „System Lenk,". ltr «r-- Wgsösa wie» Zalamanäer L«tn>l>xo«. ». i». ll, koelio ^ieäerlL88Mix: I^eixriA OrlmmrÜ8ed6 Stragss 15 K. 12.50 hl. 16^0 Cdchokt»pr«i» Ke Oiuvvrr nack blerreo ^«elüliruax L» ILIIr leicdr t>«i unserer «normen ^u.'v.kl in Osmen- nvck blerrenstiekeln kur ldren bu» ck-» kicchtize »u llncken ?orck«rn 8i» ickuLterbuck, lliv Vsssltvnsiloi'ton ISÜKIv bietet auch im Winter Ruhebcdürstiqen Schreiben Sir eia« Dark an den Pächter ter lllükle» im Paleuztal. Sächsische Schweiz, und bestellen sich rin Zimmer pro Vrti und Tag von 1 ^l an bei höchster Sauberkeit, Frühstück im Hause. Eisrnbahnstalion Porschdorf an der Schandau-Sebnitzer Bahn oder Rathen a. d. Elbe. Pächter Hakiuwow. Richt pi verwechsel, mit Hotel Wallersdorfer Mühl«, welch«« 2 Minuten davon «ntsernt ist. »«, kstitr kisuters z i« - sämtliche Werke - **«n k. L-mota«. rorotheenftr. t. cko,»,. vrlolMLrItvv. so 000 verschiedene garantiert echt. Prachtvolle Auswahlen versende aus Wunsch an Sammler mit 40—60°/, Rabatt unter allen Katalogen. V-el», Wien T. Adlergasf« 8. Einkauf. Tausch. «omm