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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.11.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111111010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911111101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911111101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-11
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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Bezugt-Preis Ntt L«Ip»>, «i>» V.i.tt« »xr» «f«« Träge, and Eoedttexr» '<!«»> Isittch in» yau. i«d«aa» «> VI. »«nntL. LI-ML »ierleliäkri V«, »niern Alliaie» » An- nahmeftellen ad-ed,ir 1» PL »»»atL, LS ML oi«NelNU>«L »ne« V«: tanerdald Deunchlond, nnd der drvtlchrn K»i,nt,n „erieNddri. LM ML. «anatL IS Ml avüdt Vokid«ftrlla«ld ft«rn«r in Belg,«», Donrmart de» Donanftaaien, Jiairen. üuzrindura. Vieberland« V,k- wegen iLelirrrei« Unaarn Aakiand, Schweden, VLweu, Soaaien. 2n allen »drigen S,aalen aar »ii«tt «nrch dt» Leichali.llell» de, Blatt», «rhällttch. Da» Leldttae« Tageblatt »ttchelnl Lmal tigttch S,ni». » Keienag, nnr »,»««»». Ldonnemenr.-Onnadm« 2,d»,»«^l»ll» 8, de» »nlerea Trauer «Ittlalen. Spedttear«, nab lllnnadmeileUen,»,«»« Paliamrern and Vnelttager». Et»l«I»,it»»1»»»«t» 10 Morgen-AuSgabe. MMerTlUMall r^.r°schl^,M V^nderszeimng. «ki..r,schl! Amtsblatt -es Nates und des NoNzeiamtes der Lta-1 Leipzig. Lnheiaen-Preis M, Snterat« an» U«t»P« and Um,«bang »t« lipalti,« Vettlietl» »Ps_ dle RrName- ^tl, i ML »an au,wärt, M Pt. Reklamen U0 ML Interal« »an ««Hörden tm amt lich«, T«U dt« P«ttttetl« S0 Ps V«Ichist»anr»t,«n ml« Plahvartchttft«, im «rrti* «rdSHL Rabatt nach TattL «etlagrgebllkr lvelamt- aalla,« L ML o. Tanienb «rkl. Postgebühr. Telldetiag« dö»«e. 8«ft*tt»ttt« «uiiraa, können atkdt »arück- a«»»,«n »«rden. Für da» Srlcheinen an befttmmt«. Tagen und Plagen wird kein« Earantt« üd«rnomm«n. »nietgen-Lnnadm«: S, bet iämtlichen Ktlialen ». allen lllnaon«» - <v»«dtttanen d«, 2n- und kluolanden. »rnK nn» ««ttag »an Mich« L «lleßM Inhaber, «ant kttirsten. Uedaklto» ,»» »«Ichltk.it«»«: 2adannl»gaII« L Hamtt-Alllal« Dr«,b«n: ««estrahe < 1 (Telephon k62U> Nr. SIS Lonnaben», üen ll. November isil 105. Zstirgsns. Die vorliegende Ansgabe nmlaßt 18 Setten. Oss Wichtigste. »Die Rede des Reichskanzlers über daS Marokkoabkommen hat in der in- und aus ländischen Presse Kommentare erfahren. (S. bes. Art.) * Der Reichstag setzte am Freitag die Ma rokkodebatte fort. (S. bes. Art. und Reichs- tagsber.) * Der Kronprinz unternahm am Freitag mit der „Schwaben" eine zweistündige Luftfahrt. (S. Sport.) * Der englische Premierminister Asquith begrüßte beim Bankett in der Guildhall den Ab schluß des deutsch-französischen Ver trages mit Genugtuung. "(S. bes. Art.) * In Tunis ist die Lageruhiger gewor den. (S. bes. Art.) * Ter Student SiczhnSki, der Mörder des Grafen Potocki, Statthalters von Galizien, ist aus dem Zuchthaus von Stanislau ent sprungen. Kritik sm Ssryler. Die Schwächen deS Kanzlers, die zum Teil die Fehler seiner Tugenden sind, hat man in der Reichstagssitzung vom 9. Nov. deutlich beobach ten können. Daß er für das Programm der auswärtigen Politik, wie er eS entwickelte, nicht die Zustimmung der Parteien gefunden hat, sagt nichts gegen dies Programm und nicht viel gegen den Kanzler. Die Parteien wollten dies mal nicht zustimmen. Tas Programm ist nicht so schlecht und dürste sich bei einem großen Teile der Oefsentlichkeit doch noch durchsetzen. Davon nächstens mehr, heute nur ein paar Worte der „Kritik am Kanzler". Wir machen unS, wie schon angedeutet, die leidenschaftliche Kritik an 8er Politik des Kanz lers nicht zu eigen, aber Herrn v. Bethmann Hollweg ist am 9. November eine Selbsttäuschung über den eigenen Erfolg untergelaufen. An einem Punkte, freilich wohl auch nur an diesem, kann man es gleichsam exakt feststellen. Es ist zweiselloS, daß der Reichskanzler über unser VerhältniSzuEngland ernste Worte spre chen wollte. Er selbst hat es erklärt. Er hat geglaubt, daß diese Worte auf die Hörer Eindruck machen würden. Darin hat er. sich getäuscht. Ter konservative Führer von Heydebrand hat über diese Worte vollkommen hinweggehört, er hat so getan, als wären sie gar nicht gesprochen und als müsse er seinerseits erst die Abrechnung mit Lloyd George vornehmen. Das hat er, kraft der Verbindung von Leidenschaft und Abmes- sungSfähigkeit, die ihm zu ^Gebote stehen, in so erschöpfender Welse getan, daß die andern'Führer der großen Parteien sich kaum Vernähen wer den, eine Ergänzung ober Verstärkung zu akben. So wie Herr von Heydebranb hört auch em Teil der Öffentlichkeit über die Worte des Kanz lers einfach hinweg. Und dabei waren sie weder schwächlich noch unklar. Der Kanzler hat mit dürren Worten mitgeteilt: er, der Kanzler, hat nach der Tischrede Lloyd Georges durch den deutschen Botschafter in London die Erwartung aussprechen lassen, die englische Regierung werde, wenn sie etwas wolle, den üblichen diplo matischen Weg wählen, und die eng lische Regierung ist seitdem still ge wesen; sie hat die deutsch-französischen Ver handlungen nicht mehr gestört. Der Kanzler hat recht: daS ist kein deutsche- Zu rückweichen. Es bleibt nur die eine Frage übrig: warum hat die deutsche Regierung diesen Vorgang nicht sofort aller Welt verkündet, ebenso wie Lloyd Georges Rede aller Welt bekannt gemacht wurde? Gab eS äußere Gründe für die Unterlassung, oder sind sie darin zu suchen, daß der Natur des Kanzler- ein derartiges Auf- treten widerstrebt? Wir möchten da- letztere nicht glauben, vermuten vielmehr, daß der Winz ler und sein Staatssekretär des Aeußeren, *dem man früher die Fähigkeit zur Passivität nicht abgestritten hat, in der äußeren Politik einen Grund zur Zurückhaltung zu erkennen meinten. Bestehen bleibt aber, daß der Kanzler sich über die Mittel täuscht«, mit denen man jetzt noch auf das aufgewühlte Parlament Eindruck machen konnte. Aehnlich steht es mit dem Auftreten des Staatssekretärs v. Kiderlen-Wächter am Donnerstag. Es muß wohl einen bestimmten Grund haben, wenn der Staatssekretär des deut schen Auswärtigen Amtes noch einmal erklärt, die deutsche Regierung hätte sich mit den amt lichen Eröffnungen der englischen Regierung über das Cartwrightsche In erriew begnügen mi.s en. Wenn man will, kann man sagen: die unzu reichende Wahrheitsliebe des königlich großbri tannischen Botschafters in Wien, Sir Fairfax Cartwright, sei noch einmal vor aller Welt fest gelegt worden. Es kommt auf die Auffassung an, die man von der Sache hat. Bei der Stim mung des Reichstags war es aber eine sehr undankbare Aufgabe, jene Erklärung abzugeben. Es ist dem Staatssekretär auch nicht gelungen, die zwei Sätze, die er zu sprechen hattte, ohne einen Heiterkeitserfolg hervorzubringen. Dar über müsse der Staatssekretär allmählich hin auskommen. Er könnte sich Wort für Wort seine Erklärungen aufschreibeu und müßte sich ge wöhnen, sie, ohne auf einen Zwischenruf einzu gehen, zu Ende zu führen. Auch der Reichs kanzler nimmt eine unnötige Arbeitslast dadurch auf sich, daß er den Ehrgeiz hat, möglichst ohne Konzept zu reden. Wäre er bei der Teuerungs rede einem Konzept gefolgt, so hätte er schwerlich den Satz weggelassen, in dem das aufrichtige Mitgefühl und Verständnis für die Lage der Konsumenten und der Gewerbetreibenden aus gedrückt war, den Satz, dessen Fehlen von den Gegnern des Kanzlers so sehr ausgenutzt wor den ist. Cavour hat gemeint: für klug zu gelten, sei in der Politik noch wichtiger, als klug zu sein. Der Reichskanzler und der Staatssekretär des Aeußern würden sich nichts vergeben, wenn sie, mag auch gegenwärtig die Wirkung auf das Ausland am wichtigsten sein, mit Bezug auf das innerdeutsche Publikum die Meinung Cavours mehr beachteten; die Inszenierung gehört einfach zu den Pflichten einer modernen Regierung; wenn man Erfolg haben will, und der Staats mann braucht ihn, um wirken zu können, dann genügt nicht immer die gläubige Sachlichkeit, die dem Charakter des Kanzlers zur höchsten Ehre gereicht und die er nie aufgebcn möge; die Kunst der Menschenbehandlung muß hinzukommen, die ruhig mit Skepsis, ja auch mit ein wenig Men schenverachtung verbunden sein kann. In der Freitagssitzung hat der Kanzler sich gegen die Angriffe der Kritiker im Parlament zur Wehr gesetzt. Er hat sich dabei manchem von einer neuen Seite gezeigt, wie aus dem Stimmungs bild zu entnehmen ist, daS uns über die Reichs- tagssitzung zugeht. Die Abrechnung ües Kanzlers. (Stimmungsbild aus dem Reichstag.) öl Berlin, 10. November. (Drahtm.) Bei minder gutbesuchtem Hause wurde ohne prinz- liche Hörer heute die Marokkodebatte fortgesetzt. Zu nächst schlossen sich die Abgg. Meiner (Bpt.) und Schultz (Rpt.) der gestern begonnenen Abrechnung mit der Politik des Kanzlers, wenn auch in milderer Weise, an. Dann erhob sich dieser und gab die Ab rechnung zurück. Er glaubt, die deutschen Bolksinteressen, die er gegenüber dem Ausland zu vertreten hat, und an denen er mit von keiner Seite bezweifelten Treue hängt, durch mehrere Aeußerungen von Abgeordneten gefährdet, sucht weiteren Schaden abzuwenden und stellt die Dinge wieder auf den Platz, auf den sie nach seiner Meinung hingehören. Mit gespannter Aufmerksamkeit lauscht das Haus. Die Stimme des Kanzlers war belegt, anscheinend war tiefste innere Erregung die Ursache. Aber ein Blatt, das er zur Hand nahm, zitterte kaum, und mitten in hochdramatkschen Momenten schien ihm die kühle Ueberlegenheit nicht zu fehlen. Ge schickt hob er damit an, ihn habe die Besorgnis erfüllt, daß im Reichstage ein Mann aufstehen und in überzeugender Weise sagen würde, wie er'» hätte machen müssen. Gern hätte er sich dann für überwunden erklärt, aber ein solcher Mann sei nicht aufgestanden. Der Kanzler ging dann die Reihe der bisherigen Redner durch. Mit Wiemer und mit Schultz setzte er sich kurz und ruhig ausein- ander. Länger verweilt er bei der Rode Basser- mann». Er beklagt, daß der Führer der National liberalen sich im Widerspruch mit den Tatsachen, den ausländischen deutsch-feindlichen Stimmen zugesellt habe, die behaupten, daß die Entsendung des „Panther" die Fahrt der Italiener nach Tripoli» veranlaßt habe. Die Behauptung Basser- mann» ist auch nach unserer Meinung «in Fehl schlag. Man muß sich doch an den halten, der die marokkanische Frage ins Rollen gebracht hat, und das ist unzweifelhaft Frankreich. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte die Algecirasakt« und ein un abhängige» Sultanat weiterbestehen können: Frank reich hock e» nicht gewollt, sondern ist nach Feg mar schiert. Unseres Wissens hat aber Basiermann jene Sätze in verklausulierter Form und nicht ganz in dem Sinne, den der Kanzler ihnen beigelegt, ausge sprochen. Der Kanzler geht zu anderen Borwürfen des nationalliberalen Führers über: Di« Behaup tung, eine 20jährige Orientpolitik sei vernichtet, wir hätten, statt em Schiff nach Agadir zu senden, kriege rische Maßnahmen an unserer Westgrenze treffen sollen, man hätte nur Nordmarokta den Franzosen geben, Südmarokko als selbständigen Staat erhalten sollen; die anwesenden Nationallioeralen nehmen di« Erwiderung des Kanzlers zum Teil mit Geläch ter auf. Herr v. Vxthmann Hollweg wendet sich nun zur rechten Seite hin. Herr o. Heydebrand hätte nach seinen gestrigen Ausführungen eine zuwartende Haltung Deutschlands für richtig gehalten. Gerade -as, sagt der Kanzler, wäre falsch gewejen ; es galt zu handeln, auch wenn ein Risiko damit verbunden war. Dann das Verhältnis zu England. Der Reichskanzler erwähnt wieder den Artikel der „Neuen Freien Presse", und er spricht freier darüber als gestern der Staatsseketär. Durch die Erklärung der englischen Regierung, daß der eng lische Botschafter Cartwright nicht das geringste mit dem Artikel zu tun habe, war die Sache nicht nur für die deutsche Regierung, sondern auch nach des Kanzlers Meinung für den Reichstag erledigt, weil auch Lieser «ine verantwortliche Stelle sei, die in die amtlichen Eröffnungen einer Großmacht nicht Zweifel setzen dürfe. Dann kommt die schärfste Wendung gegen den Redner der Konservativen. Heydebrand hat gesagt: Heber die Rede Lloyd Georges, die eine Herausforderung und Demütigung Deutschlands enthalten habe, sei der Kanzler leicht mit dem Ausdruck „Tischrede" hinweggegangen; der Kanzler hat dieses Wort als Äe- leidigung aufgefaßt und sagt dem unmittel bar unter ihm sitzenden Herrn o. Heydebrand: Er müsse es ihm überlasten, wie er diese Schmähung einer eigenen Regierung mit seinem Vor- atze, die Regierung nicht herunterzureißen, und mit einem nationalen Gewissen in Einklang bringen önne. Die Wort« klingen, da sie in erhobenem Ton« gesprochen sind, «charf und schneidend. Bon der Linken tönt lauter Beifall. Dann noch einig« Worte an alle Seiten; jeder kann sie auf sich beziehen. Die Rücksicht auf die Wahlen habe zweifellos bei der Behandlung der äußeren Politik im Reichstag «ine Rolle gespielt; wenn man aber, um Parteizwccke zu fördern, di« nationalen Leidenschaften bis zur Siedehitze bringe, kompromittiere man den Pa triotismus und vergeude ein wert volles Gut. Auch dieses Wort fand lebhaften Beifall, wie es schien, namentlich auf der linken Seite des Hauses. Die bis dahin eingehaltene Ordnung des Hauses löst sich auf. Die Sitze leeren sich bedenklich. Zu nächst lösen sich die Abgg. Lattmann sWirtsch. Vgg.), Bruhn (Refpt.) und Ricklin (Els.) als Redner ab. Abg. Gröber (Ztr.) urteilt über die Marokkopolitik der gegenwärtigen Regierung recht milde und betrachtet sie als Folge der früheren Hal tung des Reiches. Den Schluß der sachlichen Be ratung macht Abg. v. Heydebrand, dem die konservative Partei die Genugtuung bereitet hat, sich mit seiner Rede zu identifizieren. Die Anklagen des Kanzlers weist er zurück und nimmt für sich in An spruch, aus nationalem Empfinden heraus geredet zu haben. Eine neue Schärfe bringt die in der Haupt sache vom Blatt verlesene Erklärung nicht, auch die hinter ibr stehende Partei scheint keinen Wert darauf zu legen, mit dem Kanzler zu rechten. Der Beifall, den die Partei ihrem Redner zollt, ist nicht besonders kräftig. Auch die vom Abg. Bassermann als persönlich« Bemerkung vorgebrachte Verwahrung ist trotz ihrer Entschiedenheit ohne vergiftenden und ver bitternden Inhalt. Morgen, Sonnabend, wird der dritte Debattentag sein. * Der Kronprinz im Reichstage. Tie „Frankfurter Zeitung" beschäftigt sich sehr ausführlich mit ber Stellungnahme des Kronprinzen zur Kanzlerrede während seiner Anwesenheit im Reichstage, indem sie betont, daß alle Parteien an dieser Betätigung des Thronerben wenig Gefallen gefunden hätten. Tie Zeitung schreibt: „Seine Lebhaftigkeit war vielleicht unbewußt und möglicherweise nicht absichtlich zur Schau ge tragen. Es hat gewiß noch nie ein Tribünen besucher des Reichstages so offen seine Teilnahme an Len Vorgängen gezeigt, wie heute der älteste Sohn des Kaisers, und zwar in einer Debatte, in der der ReickManzler seine und gleichzeitig des Kaisers Politik zu verteidigen hatte. Aufmerksame Beobacl>- ter, und deren Zahl war groß, mußten feststellen, daß die zur Schau getragenen Sympathien deS Kronprinzen nicht nur den Stellen galten, bei denen Freiherr von Hertling und Herr von Heydebrand stark patriotische Redewendungen gebrauchten, son dern daß er auck ejne Stellen mit pantomimistischer Zustimmung begleitete, die die Politik der Regie- rung scharf geißelten. Das kann der Impuls eines jungen Mannes sein, der noch nie eine solche Te- batte im Reichstag gehört hat. Aber der Vorgang, den man sonst nicht ernst zu nehmen brauchte, gewinnt dadurch Bedeutung, daß bekanntgegeben, oder wir wollen besser sagen, verbreitet wott>en ist, der Kronprinz habe sich mit seinen Brüdern be sprochen, um bei ihrem Vater, dem Kaiser, irgend etwas gegen die von ihnen als kläglich angesehene Marokkopolitik Bethmanns zu tun. Es ließ sich auch während der Kanzlerrede feststellen, daß eS keine poli tische Partei im Reichstag gibt, die diese Betätigung deS Kronprinzen gebilligt oder an ihr Gefallen gefun den hätte. Auch die enragiertesten Parteiführer sehnen sich nicht nach der Etablierung eines persönlichen Regiments in zweiter Generation. Wir glauben, daß es kein Zufall ist, daß der Reichskanzler wäh rend der Rede ein langes Telegramm des Kaisers erhielt, durch da- er und seine Gattin beim Kaiser -um Wendessen eingeladen wurden." Dazu schreibt uns unser Berliner 0-Mitarb«iter: Das Auftreten des Kronprinzen im Reichstage dürfte bei keiner der großen politischen Parteien Billigung finden. Die Parteien sind im allgemeinen darauf geschult, die Richtlinien einzuhaltcn, ihr« eige nen Befugnisse nicht zu überschreiten und auch nicht von anderer Seite Grenzvcrwischungen zu dulden. Freilich sind in den letzten Jahren immer von neuem Wünsche nach öffentlich-rechtlichen Reformen laut ge worden. Aber auch die dielen Forderungen geneigten Parteien verhehlen sich nicht, daß zu den wünschens werten Reformen nicht eine Aenderung in der Stel lung Les Thronfolgers gehört. Es ist anerkennens- wert, daß eine liberale Partei den grundsätzlichen verfassungstreuen Standpunkt (nach der Freitagsrede des Abg. Wiemer) sofort eingenommen hat. Es ist um deswillen besonders anerkennenswert, weil kraft eines psychologischen Gesetzes der preußische Thron folger eine gewisse Hinneigung nir liberalen Oppo- sition zu haken scheint. Prinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm I., begann aus den Empfindungen seiner letzten Prinzenzeit l>craus die neue liberale Aera, und des späteren Kaisers Friedrich Beziehungen zu den liberalen Kreisen sind bekannt. Nicht mehr in gleicher Lebhaftigkeit steht im Be wußtsein der Lebenden, das oppositionelle Auftreten des Kronprinzen Friedrich Wilhelm vom 5. Juni 1862. Der Kronprinz weilte damals auf einer militärischen Inspektionsreise in Danzig und hielt «ine Ansprache an die städtischen Behörden, in der er sich von der Politik des Ministerpräsidenten von Bismarck los sagte. Der König, jein Vater, war empört und halte nicht übel Lust, den Sohn auf die Festung zu schicken, drohte ihm zum mindesten, wenn er seine Aeußerung nichr rektifiziere, oder zurücknchm« und sich znm Schweigen verpflichte, Abberufung nach Berlin, wo dann entschieden werden würde, ob er seine Kom mandostelle behalten solle. Bismarck empfahl, wie er in den Gedanken und Erinnerungen erzählt, Milde, und in der Tat konnte nach den Verhandlungen, die hin- und hergeführt wurden, der Kronprinz seine Dienstreise fortsetzen, als sei nichts geschehen. Dom 11. Juni datiert der Vries des Königs an den Sohn, der im Ton des verzeihenden Vaters abgesagt ist. Der Kronprinz tonnte sich damals auf seine Stellung im Staatsrate berufen, um die Beschäftigung mit den öffentlichen Angelegenheiten zu rechtfertigen. Eine ähnlich« Vertoidiauna ist dem oeacziwärtigen jugendlichen Kronprinzen nicht mö^rch. sein tem- pcramentoolles Verhalten auf der Reichstagstribüne wird in keiner Weife die Sympathien mindern. Er hat sich von Empfindungen Les deutschen Offiziers leiten lassen, der für Lhrenkränkungen «in besonders feines Gefühl haben soll. Aber er wird die Notwen digkeit oer Disziplin und Unterordnung immer mehr würdigen lernen, je mehr er selbst berufen wird, von anderen Disziplin und Unterordnung zu fordern. Lorü Churchill über Lnglsnüs unü Deutlchlsnüs Wettbewerb zur See. Aus dem Lordinayorsbankett nahm Lord Chur chill, der erste Admiral der englischen Marine, das Wort, um fein Programm über die weitere Aus gestaltung der englischen Marine darzulegcn. Tabei nahm er Veranlassung, die deutsche Flotte und die englische Flotte in ihrem Verhältnisse zu besprecl>en und sagte dabei: „Lassen Sie micb einige Worte mit größter Deutlichkeit sagen: Unsere maritime Vor der ei tun g gründet sich notwendigerweise aus der Bereitschaft der Flotte» anderer M ächte. Es würde eine vergebliche Verstellung sein, zu behaupten, daß das plötzliche rapide An wachsen der deutschen Flotte nicht der Hauptsaktor bei unserer Entscheidung ist, sei es, was die Aus gaben oder was die Neubauten anlangi. Ties zu verschleiern, würde bedeuten, daß wir der außer ordentlichen Entwickelung, die eine Folge deutscher Energie und Wissenschaft in den letzten Jahren ist, weniger als Gerechtigkeit antun. Es würde tö richt sein, die volle Wahrheit zu leug nen, daß Wettbewerbe zur Tee zwischen diesen mächtigen Reicl-en bestehen, die von jeher enorme gemeinschaftliche Interessen und von jeher keine» natürlichen Grund zum Streiten haben. Es würde töricht sein, zu leugnen, daß der Flottcnivettbeiverb zwischen ihnen an der Wurzel und im Hintergrund säst jeder Schwie rigkeit liegt, welche die wiederholt unternommenen ernsten Bemühungen, zu baldigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu gelangen, vereitelt. Solange der Wettbewerb fortbestebt, ist jedes Element des Mißtrauens und der Beunruhigung tätig und lebendig. Wir sind nicht so anmagend, vorauszusetzen, day Schuld und Irrtum sich nur auf einer Seite befinden. Aber die Aufrecht erhaltung der Suprematie zur See ist die ganze Grundlage, auf der nicht nur da» Reich und die große Handelswohtfahrt unseres Vol kes beruht, sondern auch unser Leben und Freiheit, die wir fast tausend Jahre hindurch bewährt haben. Ter deutsche Flottenbauplan des nächsten Jahres, der nach seiner Vollendung Tcutschland eine prachtvolle und gewaltige Flotte gibt, die nur der unsrigen nachsteyeu wird, schreibt vor, daß die Grenze Ler Vermehrung mit ihm erreicht ist. Tie jährlich eingestellten Neubauten der deutschen Flott« werden von da ab auf die Hälfte der Zahl der in Len letzten Jahren pro Jahr vollendeten Neu- bauten sinken. Churchill schloß: Bisher wurde dieses deutsche Flottcngesetz in keiner Weise überschritten. Ich freue mich, die Tatsache bezeugen zu können, daß die Er- klärungen des deutschen Ministers über den Bau plan durch die Ereignisse genau bestätigt werden. Wenn der Flottenbauplan ohne irgendwelche Erweite rung aufrechterhalten wird, würden wir uns bewußt sein, daß, so schwer die Aufgaben unzweifelhaft ge wesen sind, die Hochwassermarke auf alle Fälle er reicht ist. Auf der ganzen Welt werden di» Mansche« kr«L«r atmen. Die Kölker
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