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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.11.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111110018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911111001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911111001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-10
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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Leipziger Tageblatt. m. 3l2. los. Isirrmrim 3. veUage. FttUay, l0. Nooemdrr l9ll Der Maroirkodebattr erster Tag öv «'s- nä 00710 l. k^6U- tl6L- t6v! iv-rr., kiffen, HalS« ««liste arktb. kts er VS706 >l0IbL 8len, kine-, ar/«. U8W. er L». iS lt/sr» an ie di, avr, « 8». a » Z Berlin. S. November. (Telegramm.) 201. Sitzung. Am Bundesratstisch: Reichskanzler v. Beth. mann Hollwea, Kiderlen-Wächter, Delbrück, Krätke, v. Breitenbach, Dr. Lisco.Dr. Solf,Wermuth,Wahnschaffe, Jrhr. v. Geb sattel, v. Tirpitz und viele an» der«. In der Hofloge hat u. a. Prim August Wil. beim Platz genommen. Das Haus ist sehr gut besucht. die Tribünen überfüllt. Präsident Gras Schwerin eröffnet die Sitzung um 1,20 Uhr. Auf der Tagesordnung steht zunächst die soztaldemokrati>che Interpol!« tion betr. die Entlassung von Arbeitern der Reichsetsenbahnen. Minister von Breitenbach erklärt sich zur Beantwortung der Interpellation im Lause der nächsten Woche bereit. Damit ist dieser Gegen stand für heute erledigt. Es folgt die Besprechung des deutsch-französischen Abkommens betr. Marorko und Aequatorialafrira. Reichskanzler v. Bethmann Hollweg: Meine Her- reu: Zur Beurteilung des Ihnen vorliegenden Ab kommens wird es zunächst von Wert sein. Ihnen die letzte Entwicklung der marokkanischen Frage und einiges Wesentlich« aus dem abgeschlossenen Beiträge vorzutragen. Di« Akte von Algeciras war bestimmt, die Selbständigkeit Marokkos ausrechtzuerhalten, um das Land zugunsten des Handels aller dabei inter- «stierten Mächte wirtschaftlich zu entwickeln. Es zeigte sich jedoch bald, daß eine wesentliche Voraus atzung hierzu fehlte: ein Las Land tatsächlich be herrschender Sultan, der imstande war, die vorge- < sehenen Reformen durchzuführen. Auch der Sultan Mulep Hafid vermochte es rrotz seiner persönlichen Eigenschaften nicht, er geriet immer mehr in fremde Abhängigkeit und wurde eben deswegen immer leb hafter von den Stämmen seines eigenen Landes be fehdet. Dies führt« zu immer größerem Einfluß Frankreichs. Don Len vier Mächten, welche seit d«n 70er Jahren vertragsmäßig Militärmissionen am Hofe Les Sultans unterhielten, hatte sich allein die fran zösische Mission durchzusetzen vermocht. Ebenso war Frankreich seit langem der Geldgeber Marokkos. Die Lag« des von feindlichen Stämmen bedrängten und in Fez eingeschlossenen Sultans wurde schließlich zu prekär, da Frankreich den Mächten erklärte, es müsse für das Leben und das Eigentum seiner Vertreter am Hofe des Sultans und der ganzen europäischen Kolonie in Fez ernste Besorgnisse hegen. Frankreich erklärte deshalb, Truppen nach Fez senden zu wollen, um die europäische Kolonie an di« Küste zu bringen. Wir hatten keine so bedrohlichen Nachrichten aus Fez und erklärten deshalb, daß fremde Hilfe für unsere Kolonie nicht erforderlich sei. Da wir aber natürlich keine Garantie für das Leben der anscheinend be drohten Franzosen übernehmen konnten, so erhoben wir keine Einwendung gegen den Zug nach Fez zur Führung der bedrohten Franzosen nach der Küste. Wir knüpften aber daran den ausdrücklichen Vor behalt, den wir auch öffentlich bekannt haben, daß wir uns die Freiheit unseres Handelns Vorbehalten, sobald die französisch« Expedition den angegebenen Fleck überschreite, und dies auch dann, wenn das Hinausgehen lediglich eine Folge der sich aus der Expedition ergebenden äußeren Umstände jein sollte. Dies traf, wie vorauszusehen, zu. Frankreich schaltete vermöge seines allmählich absolut gewordenen Einflusses auf den geretteten Sultan ziemlich unbeschränkt als Herr im Lande. Damit war die Voraussetzung der Alqecirasakte eines selb ständigen Sultans hinfällig. Es ist zwar eingewendet worden, daß der Sultan selbst die Franzosen zu Hilfe gerufen habe, aber ein Herrscher, der fremde Truppen m Hilfe ruft, der sich nur auf fremde Bajonette stützt, ist eben nicht mehr der s«lbständige Herrscher, Len die Algecirasakte zur Voraussetzung hatte. Wir gaben dies zu erkennen und legten Frankreich eine Verständigung nahe, wobei wir natürlich Frank reich die Initiative zuschoben. Nur in allgemeinen Umrissen deuteten wir unser Programm dahin an, daß wir bereit seien, der durch die veränderten Ver hältnisse bedungenen veränderten französischen Stellung Rechnung zu tragen, daß wir aber dafür genauere Garantien für die uns zugesicherte Gleich, beit ans dem Gebiet Les Handels und der Industrie, insonderheit bei öffentlichen Unternehmungen, ver langen müllen, daß wir unsere Kompensationen für diejenigen Rechte fordern müßten, die sich Frankreich ohne vorherige Verständigung mit uns über Buch- ' staben und Sinn der Algecirasakte hinaus zugelegt hatte. Wir erhielten zunächst keine positiven Dor- sckstäae aus Paris, während sich die französische Militärmacht in Marokko mehr und mehr ausbreitete und sich allmählich die Fiktion festzusetzen begann sowohl in Frankreich als auch bei anderen Mächten, als handle Frankreich infolge eines europäischen Mandats. Als daher deutsch« Interessen infolge der Ereigniffe in Marokko bedroht erschienen, ent sandten wir ein Kriegsschiff nach Agadir. Die Entsendung dieses Schiffes hatte zunächst den Zweck, Leben und Eigentum unserer Untertanen sZuruf bei den Sozialdemokraten: Untertanen!) zu schützen, sie war aber gleichzeitig eine deutliche Kund gebung unserer Berechtigung und unseres Willens, unsere Untertanen (Zwischenrufe) ebensogut selb- ständig zu schützen wie Frankreich di« seinigen, solange letzteres sich nicht anderweitig mit uns verständigt haben würde. Dieser Zweck der Entsendung unseres Schiffes und die Beschränkung auf diesen Zweck ist unmittelbar vor Eintreffen des Schiffes den Mächten durch unsere bei ihnen beglaubigten B--*- Laster und Gesandten kundgegeben worden. Es ist also eine unwahre Behauptung, wenn in der fremden Prelle di« Schiffsentsendung nach Agadir als eine Provokation, als eine Drohung dargestellt morden ist. Wir provozieren und bedrohen niemand. (Gelächter bei den Nationalliberalen. Sehr richtig! rechts.) Wir wahren unsere Rechte, meine Herren, und darin lasten wir uns von niemand hindern noch b-irren. Danach kam es zur Aussprache mit Frank reich. Dom rein formellen Standpunkte aus konnten wir zunächst von Frankreich die Wiederherstellung des Statusguo ante, das heißt also die Wiederher stellung des Statusguo von 1906 verlangen. Das wäre an sich theoretisch richtig gewesen, praktisch aber war es unmöglich. Es wäre kaum möglich gewesen, ohne innere Wirren befürchten zu müssen, Marokko wieder ganz von den fremden Truppen zu entblößen. Auch wäre eine vollständig« restitutio in inteprrnrn nur eine höchst unvollständige gewesen^ weil der nach haltige Eindruck des französischen Borgehens auch nach Zurückziehung der Truppen bestehen geblieben wäre. Schließlich waren wir euch nur unter uns ungünstigen Umständen zu einem Punkt« wieder an« daß H«rr v. Lindequist zur ressortmäßigen Vertre tung des Abkommens nicht bereit war. (Hört! Hört! und Beifall links.) Darin lag — bei aller persön lichen Hochachtung muß ich das sagen — eine Ver kennung der Sachlage. Es war Herrn v. Lindequist nicht zuaemutet worden, di« Verantwortung für das Kongoabkommen mit seiner Person zu decken. Das Kongoabkommen bildet nur einen Teil des ge samte» politischen Abkommens mit Frankreich. Dafür trage ich die Der- an 1 wortung. Es war ihm auch nicht zugemutet worden, vor dem Reichstag« das Wert nach allen Seiten hin zu verteidigen oder gar zu loben. Ich habe von ihm lediglich eine objektive Würdigung des Abkommens vom kolonialen Standpunkt erwartet, wobei auch auf die Schattenseite, insbesondere auf die Nachteile der Abtretung des Scharidreiecks, der Kon zessionsgesellschaft, der Schlafkrankheit, der teilweise ungünstigen Konfiguration ausdrücklich hingewiesen sei und nur die Möglichkeit, die Hoffnung auf eine günstige Zukuiiftsenttvicklung nicht zu bestreuen sei. Herr o. Lindequist verweigerte aber ein noch so zu rückhaltendes Eintreten für meine Politik und er neuerte deswegen, wie schon erwähnt, sein Abschieds gesuch. Noch peinlicher als das Abschiedsgesuch die ses in langjährigem Kolonialdienst bewährten Be amten gerade in diesem Moment war die Tatsache, daß die Presse fast gleichzeitig mit dem Reichskanzler von der ablehnenden Haltung des Herrn v. Linde- quist in dem erwähnten schriftlichen Votum gegen die Kongokompensation Kenntnis erhalten hatte. War dies auch unzweifelhaft o-.ie Zutun und gegen den Willen des Herrn v. Lindequist geschehen, so blieb mir doch nun nichts anderes übrig, als durch eine schleunige Erledigung des Rücktrittsgesuches für eine Wetterführung der Geschäfte des Reichskolonialamts Sorge zu tragen, damit der erforderlichen Einheit lichkeit und Geschlossenheit der Reichsrcgierung nichts im Wege stand. (Unruhe.) Meine Herren! Ich komme zu dem sachlichen Gegenstand zurück. Ich habe soeben ausgesührt, Laß sich unsere Kompensationsansprüch« auf eine Kompensation im Gebiet richteten. Ich habe weiter ausgesührt, daß in dem uns zugefallenen Teile sich diejenigen Landstriche befinden, die von den Ken nern unserer Kolonien als erstrebenswert bezeichnet worden sind. (Zurufe.) Wir mußten aber auch Wert darauf legen, an den größten Strom Afrikas, den Kongo, und dessen Nebenarm, an den Ubangi. heran- zukommen. Auch dies ist uns gelungen. Ich bestreite nicht, daß wir dabei auch Länder in Kauf nehmen mugten. die von geringerem Werte Hind, und deren Verwaltung uns auch noch manche «sorge bereiten wird. (Lebhaftes Sehr richtig!) Daß mir die Ab- rrelung am Loaone ebenso schwer gefallen ist, w e der Kolonialverwaltung, brauche ich nicht hervorzuheben. (Zuruf links: Warum ist es geschehen?) Aber ohne eine Art von Gebietsaustausch hätten wir das nicht erreichen können, was wir erreichen wollten. Die neu geschaffenen Grenzen sind, das gebe ich zu. zum Teil sür di« Verwaltung schwierig. Manche -chwierig- keitcn haben auch schon an der bisherigen Kameruner Südgrenze und dem Entenschnabel bestanden. Um diese Schwierigkeiten zu mildern, ist der Grenz- ko m m i j s i o n zur Absteckung der Grenze ein wei ter Spielraum gelassen. Sie soll insbeson dere auf die natürlichen Grenzen und auf die Zu sammengehörigkeit der Eingeborenen Rücksicht neh men. Sie soll zu diesem Zwecke das Recht haben, bald zugunsten des einen, bald zugunsten des anderen Teiles von d«r in großen Zügen vertraglich fest gesetzten Grenze abzuweichen. Sie hat nur darauf zu cchten, daß im Gesamtergebnis die Abweichungen sich wieder ausgleich«n. Für den Durchzuasverkehr sind weitgehend« Bestimmungen getroffen. Wir haben uns gegenseitig Fortführung und Anschluß an Eisenbah nen zugesichert und kommen dadurch nötigenfalls in die Lage, mit unseren Bohnen an die großen Ströme heranzukommcn. Wir gewähren den Franzosen für ihr nordöstliches Kongogebiet eine Etappenstraße nach dem Benue analog der ihnen von England im Niger- decken zugestandenen Etappenstraße, die auf beiden Seiten zu keinerlei Schwierigkeiten führt. D«r Schlußartikel des Vertrages bat keine aktuelle Bedeu tung. kann eine solche aber erlangen, wenn im Kongo becken territoriale Veränderungen vor sich gehen seil ten, bei denen wir dann mitzusprechen hätten. Mine Herren, gegen die Kongoerwerbun gen hat sich nun in einem großen Teile der Oesfent- lichkeit ein wahrer Sturm der Entrüstung erhoben. (Lebst. Sehr richtig!) Kein Ausdruck ist scharf genug, um die Arbeit der Regierung zu verurteilen und vor dem Auslande zu diskreditieren. Zu einem richtigen Urteil kommt man nun. wenn man nicht di« schlechten, aber auch nicht die guten Seiten verschweigt. Gewiß befinden sich unter den Erwerbungen minder wert- volle, vielleicht sogar schlechte Stücke, genau wie dies bei den schon jetzt in unserem Besitz befindliche Ko lonien der Fall ist. Di« Konzessionen sind eine schwere Belastung, sie sind aber zeitlich begrenzt und si« wer den deutscher Gerichts- und Vcrwaltungshoheit unter- tehen, dir uns vor Mißbrauch der Konzessionen chützt. Die Schlafkrankheit, die in einzelnen Teilen ferrscht, ist ein« bö'e Zugabe. (Heiterkeit links.) Auf der ander«» Seite erhalten wir. das kann kein Mensch bestreiten, das können auch die Herren, die mich durch Zurufe stören wollen, nicht bestreiten, wertvolle und zu Kamerun gut gelegene Landstriche. Wir erhalten einen Zugang zum Kongo und Ubangi. Der Wert dieser Zugänge wird sich in der Zukunft realisieren. Daß er das nicht tun wird, kann nie» mand behaupten. Wir erhalten im ganzen «in sehr beträchtliches neues Kolonialgebiet. Da Deutschland erst spät, leider viel zu spät, in die Reihe der Ko lonialvölker getreten ist. sollten Sie uns doch keine Vorwürfe machen, daß wir jetzt zu erlangen suchen, was wir erlangen können. Ich bin der festen Ueber- zeugung, daß sich die günstige Entwicklung, die wir dank der Rührigkeit unserer Kaufleute, der Energie unserer Gouverneure und Schutztruvpen in Kamerun genommen staben, auch in dem neu erworbenen Ge biet wiederholen wird. Wer eine zielbewußte Ko- lonialpolitik treiben will, der soll über den Gegen wartswerten nicht die Zükunftsmöglichkeiten ver gessen. Was ist aus der Sandbüchse Südwestafrika geworden? Wer hat bester in die Zukunft gesehen: die Verspötter von Rhodesien oder die Tatkraft des Mannes, der diesem Lande seinen Namen gegeben? Alle Erkolge. die die großen Kolonialvölker erttelt haben, find dadurch erzielt worden, daß diese Völker nicht mit kurzen, sondern mit sehr langen Zeiträumen zu rechnen verstanden, und daß sie den Mut hatten, die Schwierigkeiten der Gegenwart um der öfters in ferner Zukunft zu erwartenden Erfolge willen gering zu achten. Meine Herren? Es ist auch nicht richtig, daß man in Frankreich froh ist. «inen Teil des Kongogebiets los zu sein. Die französischen Staatsmänner haben ssn/ I I gelangt, der der Ausgang jahrelanger Reibereien oewesen war, deren Beseitigung daher von beiden Regierungen gleichmäßig gewünscht wurde. Die Be hauptung. daß die Entsendung des „Panthers" nach Agadir Landerwerbungen in Marokko bezweckt habe, ist unrichtig. Bereits unser Vorgehen von 1909 hat territorialen Erwerb in Marokko ausgeschlossen. Unser lange vor Entsendung des „Panther" fest- gesetztes Programm bewegte sich auf derselben Linie. Die Unrichtigkeit der Behauptung wird auch durch die Erklärung dargetan, die wir unmittelbar vor Eintreffen des Schiffes den Mächten gegeben haben. Sie folgt endlich aus den Erklärungen, die die kaiser liche Negierung gleichzeitig mit der Ankunft des Schiffes in Agadir durch die Organe der Presse hat ergehen lasten. Es ist in hohem Grade beklagens wert. daß diese unrichtige Behauptung auch bei uns in unpatrtotischster Weise dazu ausgenutzt worden ist. ein Zurückweichen der kaiserlichen Regierung und eine Demütigung Deutschlands zu konstatieren. (Sehr richtig! rechts. Unruhe links.) Bei den Verhand lungen mit Frankreich war der leitende Gedanke, daß sich die Unmöglichkeit ergeben hatte, daß die Marok kaner aus eigener Kraft die Ordnung in ihrem Lande Herstellen und aufrechterhalten könnten, daß es dazu des Eingreifens einer fremden Macht bedürfe. Diese konnte für den überwiegenden Teil Marokkos nur Frankreich sein. Ie größer die Freiheit war, die Frankreich hierin erlangte, desto mehr kam es in der Lage, die Bürgschaft und Verantwortung für die Ordnung zu übernehmen. Dagegen haben wir weitgehende und detaillierte Garantien für die Gleichberechtigung des nichtfranzösischen Handels, der nichtfranzösischen Industrie, für die Rechte der in Marokko lebenden nichtfranzösischen Staatsange hörigen erhalten. Die Einzelheiten ersehen Sie aus dem Ihnen vorliegenden Vertrage. Wir haben es uns insbesondere angelegen sein lasten, der Ein- und Ausfuhr die Gleichberechtigung zu sichern, besonders Bürgschaften für Gleichberechtigung bei Vergebung der öffentlichen Arbeiten zu erhalten, unserer Fischerei die marokkanischen Gewässer zu sichern, unserm Handel die gleichberechtigte Benutzung aller Verkehrsmittel zu Master und zu Lande zu gewährleisten. Die Kon sulargerichtsbarkeit und das Recht des Schutzes von Eingeborenen sind uns solange gesichert, als die Zu stände dies gebieten. Ein besonderes Augenmerk haben wir der lehr wichtigen Frage der Erzgewinnung gewidmet. Ob das Land alle Hoffnungen erfüllen wird, die darauf von verschiedenen Seiten gesetzt werden, vermag ich nicht zu entscheiden. Wir haben aber die Möglichkeit großer Erzfunde bei den Ver bandlungen nicht aus den Augen verloren. Wir haben den Deutschen die freie Konkurrenz im Berg bau gesichert, wir haben uns nach Anhörung von Sachverständigen über Bestimmungen geeinigt, die der Belegung von Terrains ohne Abbau cntgegenwirken, und dafür gesorgt, daß das geförderte Erz frei und unbehindert und nur mit bestimmten vertraglich be grenzten Abgaben belastet auf den freien Markt ge langt. Für die verkehrspolitische Erschließung der wahrscheinlich hauptsächlich in Betracht kommenden Mincngebiete und für die Beförderung des Produktes von den Minen nach den staatlichen Eisenbahnen oder nach den nächsten Häfenplätzen sind vertragliche Bestimmungen getroffen. Ich glaube, daß mit allen diesen Bestimmungen unseren wirtschaftlichen Inter esten ein guter Dienst geleistet ist. Ich komme zu der Frage der Kompensationen. Dabei will ich mich jetzt zunächst zu dem Rücktritt des Herrn v. Lindequist äußern. (Der Kronprinz erscheint in der Loge.) Der Herr Staatssekretär des Kolonialamts widerstrebte von Anfang an dem Wunsche auf Er werbung eines Kolonialbesitzes von der Größe des uns zugesallcnen. (Hört, hört! links.) Er richtete seine Wünsche auf kleinere, aber schon sehr kultivierte und deswegen billiger zu verwaltende Gebiete. (Sehr richtig! links.) Da dieses Ziel sich nicht als erreichbar erwies, so redete er bloß Abrundungen unseres Kolonialbesitzes und Erenzberichtigungen das Wort. Ich konnte auf diesen Gedanken nicht ein gehen. da ich nach meiner Ansicht die Erwerbung eines weiteren Gebietes für unsere Betätigung für notwendig hielt. Bezüglich des Kongo, der schon bei früheren, allerdings unverbindlichen Besprechungen mit Frankreich vor Jahren in Frage gekommen war. lag auch keine ros irttogr-a mehr vor. (Bewegung.) Diese Meinungsverschiedenheiten und auch die Mei nung, daß dem Kolonialamt kein genügender und auch kein ausschlaggebender Einfluß auf die Richtlinien der Verhandlungen gegeben war, gab Herrn o. Lindequist schon im Sommer Anlaß, um seinen Abschied zu bitten. Das Abschiedsgesuch ist jedoch vom Kaiser im Mai während des Schwebens der Verhandlungen abgelehnt worden. Die Wünsche des Kolonialrestorts sind bei den Der- Handlungen insofern erfüllt worden, als sich in dem uns zugefallenen Gebiet alle diejenigen Teile an unserer Kamerungrenze befinden, die mir vom Kolonialamt als wünschenswert be zeichnet waren. (Hört, hört! im Zentrum.) Gegen eine Abtretung deutschen Gebiets hatte Herr v. Lindequist prinzipielle Bedenken, erklärte mir aber für den Fall, daß es ohne eine solche Abtretung nicht zum Abschluß kommen würde, die Heraab« des jetzt an Frankreich überlassenen Stückes als erträglich. Am 28. Oktober tauchte in der Presse das Gerücht von der Demission des Herrn v. Lindequist auf. Es ist mit Zustimmung des Herrn v. Lindequist dementiert worden. Herrn v. Lindequist Hatto der Wortlaut des Dementis vorgelegen. Um anderweitigen Ausstreu ungen in der Preise entgegenzutreten, bemerk« ich dabei, daß Herr o. Lindequist mir allerdings von der Wahrscheinlichkeit seines Abgangs im nächsten Früh jahr sprach, aber ausdrücklich erklärte, nach den Ver handlungen im Reichstage eine Inspektions reise nach Südwestafrika antreten zu wol len. Wenige Tage danach wiederholt« Herr v. Linde quist sein Abschiedsgesuch. Kurz vorher hatte er, nach dem ihm der Wortlaut des projektierten Vertrags oorgelegt war, an mich ein amtliches Votum gerichtet (Hört! Hört!), in dem die Nachteile unserer Neu erwerbungen sehr scharf betont wurden, und das zu dem Ergebnis kam, die neu zu erwerbenden 275 000 Quadratmeter könnten nicht annähernd den Schaden aufwiegen, der dem deutschen Kolonialbesitz durch die Abtretung der an Frankreich überlassenen 12 000 Quadratmeter zwischen Logone und Schari durch die in dem Vertragsentwurf enthaltenen Nebenabreden zugerügt werde. (Hört! Hört!) Von diesen Neben abreden konnten noch einige nach den Vorschlägen des Herr» v. Lindequist durch Verhandlungen mit Frankreich modifiziert werden. Immerhin nötigte mich die in dem Votum eingenommen« Stellung des Staatssekretärs, ihm die Frage vorzulegen, welche Haltung er bei der Beratung des Abkommens im Reichstage einzunehmen gedenke. Dabei ergab sich, die Vorteile, die fie in Marokko erzielt haben, hoch eingeschätzt, mit Recht hoch eingeschätzt, aber sie haben darum doch nicht leichten Herzens weite Strecken eines Gebietes abgetreten, dem seit einem Menschen alter so viele ausgezeichnete Franzosen, bewährte Forscher und Offiziere, ihre Kraft und ihr Leben ge widmet hatten. Das ist der Hergang, und das ist das Ergebnis gewesen. Unser Programm lautete von Anfang herein: Zubilligung erhöhter politischer Rechte an Frankreich nur gegen erhöhte Sicherung unserer wirtschaftlichen Interessen in Marokko. Kolonialen Landerwerb in Marokko haben wir in keinem Augenblick «„gestrebt, Ver handlungen nur zwischen uns und Frankreich, nicht vor einem internationalen Kongreß, nicht unter Zu ziehung Dritter. Dieses Programm haben wir auf gestellt und haben es durchgehalten. Durch nichts, durch keinen Einfluß von außen oder von innen haben wir uns von ihm auch nur um einen Schritt ab drängen lassen. Für die Vorwürfe der Schwäche, mit denen wir in diesen Monaten bedacht worden sind, der schwachen Nachgiebigkeit, das Gerede von einem neuen Olmüt; und was der Dinge mehr waren, sie zerfallen in nichts, sind gegenstandslos gegenüber den Tatsachen. Die Verhandlungen zwischen uns und Frankreich sind ohne Unterbrechung auf beiden Seiten von dein Bestreben getragen worden, zu einem für beide Teile annehmbaren Geschäftsabschluß zu kommen. Von keiner Seite und in keinem Stadium ist eine Sprache geführt oder ein Ansinnen gestellt worden, das mit der Ehre eines der beiden Teile unverträglich gewesen wäre. Zu dem „mit der Faust auf den Tisch schlagen", das uns an geraten worden ist. ist auch niemals ein Anlaß ge wesen. Uebrigens halte ich von dieser drohenden Ge bärde nichts. Ich würde im gegebenen Augenblick das Handeln vorziehen. Wir leben nicht mehr in den homerischen Zeiten, wo Drohen und Prahlen ein notwendiges Rüstzeug des Kriegers waren. Deutsch land ist stark genug, um auf solche Armaturstücke za verzichten. (Sehr richtig! und Bravo!) Wenn es die Not gebietet, wird es sein Schwert zu ziehen wissen. (Bravo. Bewegung.) Nur auf einer solchen Grundlage ist die auswärtige Politik möglich. (Sehr richtig!) Seine Majestät der Kaiser — ich muß das an dieser Stelle gegenüber irreführenden Darstellungen der ausländischen, aber auch der in ländischen Presse feststellen — hat die strikte Durchführung des bereits im Mai fest ff e l c q t e n P'r ogramms in allen Phasen derVerhandlungengefordertimvollen Bewußtsein, daß jede politische Ak- tion einer Großmacht die Schicksals, frage, Krieg und Frieden heraufbe schwören kann, und in der festen Bereit schaft für die Ehre der Nation jeder zeit mit dem Schwerteeinzutreten. Darin hat sich der K a i s e r m i t de m V o l k e eins gewußt, das in der ganzen Zeit und in allen seinen Schichten von einem entschlossenen Geist erfüllt und beseelt ge wesen ist, die Lcbensintrcssen und die Ehre gegen jedermann zu wahren. Selbstverständlich hat auch in keinem Moment auch nur der geringste Zweifel an der absoluten Kriegsbereitschaft des Heeres und der Marine bestanden. Die Gerüchte, die jetzt verbreitet wurden, daß in vertraulicher Beratung Mängel unie- rer Kriegsbereitschaft, insbesondere der Marine, fest gestellt seien, sind frei erfunden. Sie schlagen den Tat sachen ins Glicht. Nun hat man gemeint, und das bat besonders tief im Volke gefressen, daß wir vor England zurückgewichen seien. Dabei ist besonders di« Bankettrcde des englischen Ministers Lloqd Georges verwertet worden. In dieser Rede wird Deutschland nicht erwähnt. (Lachen links.) Meine Herren, ich spreche jetzt ernste Worte und darf Sie bitten, daß Sie mich ohne Unter brechung aussprechen lassen. Ein hiesiges konserva tives Blatt hat damals sogar hervoraehoocn. indem es in der ganzen Rede statt England Deutschland setzte, daß die Rede, für sich betrachtet, auch von einem deutschen Siaatsmanne hätte gehalten werden können. Line Bedeutung gewann die Rede erst dadurch, daß die gesamte französische Preste und ein großer Teil der englischen sie in chauvinistisch«!, gegen Deutschland gehässiger Weise intervretierte, und dieser Inter pretation von englischer Seite in keiner Weise entgegengetreten wurde. (Hört! Hört!) Ich habe mich veranlaßt gesehen, diese Dinge durch den kaiserlichen Botschafter in London zur Sprache bringen zu lasten. Meine Vorstellung ging dahin, daß wir dabei seien, die Marokkoanzelcaenheit mit Frankreich zu besprechen, daß dadurch zunächst eng lische Interessenten nicht berührt würden, und daß, so fern durch das Ergebnis der Besprechungen England seine Interesten berührt glauben sollte, wir erwar teten, daß seine Regierung dieselben bei beiden kontra hierenden Regierungen nur auf dem üblichen diplo matischen Wege zur Geltung bringen werde. Di« eng lische Negierung hat danach keinerlei Wunsch mehr zu erkennen gegeben, sich an den Verhandlungen an Frankreich zu beteiligen. (Hört! Hört!) Immerhin blieb eine sehr ungünstige Wirkung der Tisch rede bestehen und eräugte insbesondere in den durch die englische und französiiche Preste gewordenen Interpretationen in weiten deut schen Kreisen eine sehr bittere Stimmung (Sehr wahr!), die sich natürlich auch mehr oder minder stark und heftig in unserer Preste kundgab. Ihrer Wirkung nach war di« Rede für ein freund, schaftliches Verhältnis England nicht förderlich. (Lebhafte Zustimmung.) So offen ich das bedauere, so bestimmt muß ich es zurückweis«», daß die Rede benutzt worden ist. gegen die deutsche Regierung den Vorwurf einer unsicheren, schwächlichen Politik zu be gründen. Tatsächlich ist unser Programm einer verständigen Auseinandersetzung mit Frankreich ohne Einmischung Dritter, auch un. beeinflußt von unverantwortlichen Preßtreibereien, durchgeführt worden. Der englische Minister Sir Edward Ereq hat vorgestern im Unterhaus« in einem Appell an die Preste beider Länder ernste Wort ge- sprachen und namentlich vor d«r Verbreitung un wahrer Nachrichten gewarnt. Ich kann mich dieser Warnung nur anschließen, damit sich in der beider- seitigen Volksstimmung nicht Ansichten festsetzen, die auf di« Dauer die Beziehungen der beiden großen Länder zu ihrem beiderseitigen Schaden und zum Schaden der Welt vergiften müßten. Ich habe dar- gelegt, daß wir durchgesetzt haben, was wir gewollt Haden. Im gemeinen Leben nennt man das nicht Schwäche. Aber der Vorwurf ist auch nach einer anderen Richtung geganqen, daß wir ander«», vor allen Dingen mehr hätten wollen sollen. Das habe die Machtstellung des Deutschen Reiche, verlangt. Entweder Südmarokko für uns oder die Wiederher- stellung der Algecirasakte. Also entweder — oder. Ja .wer den Besitz von Siidmarokko für ein Leben,« üst. ab.n. .6 2r. .8b,I. 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