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Mittwoch, -en 14. Oktober 1931 Für chrtslliche Politik und Kultur «nzel,»o»r»ls«: Die lgewalten« peNIjeile SU 4,gamickck anzeigen ii.SIellengeluche >tU 4- Die peitlrettamezeil». 82 mn> beeil, l X. gttr Anzeigen außerhalb de« LerbreiiungSgeblete» 4U <1. die peiiirettamezeiie I.UO X. Brtelgeb.HU 4. Im Fall, höherer Sewalt eeliichl jede Veipflichiung aus viesernng sowie ErsüUung d. Anzeigen. ilustrdgen ii. Leistung v. Schadenersatz, «eschöstlicher Teil: grau, Bnngar-, Dresden» (»elchiiseSftell«, DrnUu.'veela,, «ermama. A^». Nr Verlag und Drucker« t.Flliale Dresden, Dre«d«n-A. l. volieriirastel?. g«mrut2wl2. doltschecktonio Dresden -raz »ankkonio «radtbaut Dresden Ar. M7i» Redakll»« der LSihNsihen Volkszellnng DreSden-Aiistadl l. Poiiersirahe >7. gerne», Mil nnd »1012. Nummer 23- — 30. Jahrgang viichcinl «mal wdchii. mit illustr.SrallSbeiiagen.tzeiwai nnd Igelt' und der Ninderbeliage »gür unsre lieinen Leute', sowie den geiideitagen .Et. Benno - Blatt'. .Unterhaltung und Wissen", .Die prattische Hau-Iran", »Aerzlllcher Ratgeber'. .Da» gut« Puch'. Monatlicher Bezugspreis !?V0 einschl. Bestellgeld, riuzeinnminer 1« 4 Sonnabend, n. Sonntagnummer N« 4- Hauptlchrlslieiler: Dr. G. DeScjhk, Dresden. SüchMe v olksseMms Geist gegen Stimmung Bor Brünings Erklärung Der Beginn ter parlamentarischen Arbeit im Reichstag Ein „groszer Tag" Berlin, 13. Oktober. Trotzdem die Reichstagssitzung erst für 3 Uhr nachmittags onberaumt ist, war das Reichstagsgebäude scholl In den frühen Bormittagsstunden von vielen Schaulustigen belagert. Die An sammlungen nehmen dauernd zu. Bor den, Portal hat sich etwa ein Dutzend Photographen und Filmoperateure ausgestellt. An den späten Stunden wird der Reichstag von der Polizei wieder in weitem Umkreise abgesperrt werden. Genau vor einem Jahr, am 13. Oktober 1930, hat dieser Reichstag sein« erste Sitzung abgehalten. Damals war es in der Reichstags umgebung zu lebhaften Demonstrationen gekommen, denen sich dann der Schaufcnstersturm in der Leipziger Strotze anschlotz. In autzerordcntlich ernster und schicksalsschrverer Stunde kommt der Reichstag heute am Jahrestage seines ersten Zu sammentritts nach einer Pause von mehr als einem halben Jahr wieder zusammen. In der Zwischenzeit sind zwei grotzc und viele kleinere Notverordnungen von der Negierung erlassen worden. Die Opposition hat di« Wiederaushebung aller dieser Verordnungen beanlragt. Aber auch in den Reihen der Par teien, die di« Regierung bisher gestützt haben, rverden ernstlich in einigen Punkten Aenderungen verlangt. Svelchrn Ausgang die Notvcrordnungsdcbatte nehmen wird, lätzt sich noch nicht übersehen. Sicherlich werden in diesen Tagen noch manche Ver handlungen mit der Regierung stattfindcn, um eine gemeinsame Formel für die Erledigung der Wünsche der Parteien zu finden. Unsicher ist auch noch das Schicksal der Mitztrauensanträge, di« oem Reichstage vorliegen. In parlamentarischen Kreisen rech net man aber damit, dah Brüning eine, wenn auch kleine Mehr heit erhalten wird. Vor der Plenarsitzung halten fast all« Fraktionen des Reichstages noch Sitzungen ab, um die letzten Dispositionen zu treffen. Irgendwelche Entscheidungen sind vor der Kanzler- redr nicht zu erwarten. Der Reichskanzler wird zunächst eine sormulierte Regierungserklärung vortragen, deren Berlrsung etwa 2l> Minuten in Anspruch nehmen dürst«. Dann wird der Reichskanzler in freier Rede aus all« schwebenden politischen Fragen eingehen und den Ernst der Lag« mit rücksichtsloser Offenheit darlegen. Er dürst« bei dieser Gelegenheit auch auf Sperrung der Schiffahrt Hamburg, 13. Oktober. Der hier beheimatet« Verband Deutscher Reeder hat heut« beschlossen, kein« dtutschen Schisse mehr nach Rutzland zu ent senden. Der Grund zu dieser Matznahme besteht darin, datz es in den letzten Lagen aus einer Anzahl der in Leningrad und Odessa liegende» deutschen Schiss« zu Arbeitseinstellungen ge kommen ist, di« nach Auslassung der Redner von matzgebenden russischen Kreisen nicht nur geduldet, sondern sogar unterstützt morden seien. Von dem Sireik deutscher Seeleute in russischen Häfen m.lden 41 deutsche Schiffe betroffen. Der Verband Deutscher Reder, der alle großen und fast sämtliche kleinen deutschen Redereien umfatzt, hat die fristlose Entlassung der streikenden Mannschaften beschlossen und Zahlungen an deren Angehörige g-iperrt. Gegen die Streikenden werden Strafanträge wegen Meuterei gestellt werde». Zum Austausch der Mannschaften so len Schiffe mit Arbeitswilligen nach den russischen Häsen entsandt werden. Uebcr die Ursachen des Streiks ergibt sich aus Nachrichten -on Leningrad und Odessa, datz es sich nicht etsva um Lohn kämpfe aus den bestreikten Schissen handelt, sondern um einen S y m p a t h i e st r e i k" für einen angeblichen Streik in deut schen Häsen, der jedoch nicht zum Ausbruch gekommen ist. Die Lage ist osjenstchtlich verworren. Auf Grund der zwischen Deutschland und Sowsetrntzland fliehenden Verträge ist nach Auffassung in Reedertreiscn die ^owjctregierung verpflichtet, der Leitung der Schiffe Schutz zu gewähren nnd die Streikenden, deren Handlung unter den Bc- di« Harzburger Tagung und namentlich aus die Rede Schachts zu sprechen kommen. Nach den Ausführungen des Reichskanz lers wird die Sitzung auf Mittwoch vertagt. Die Kommunisten haben inzwischen einen Antrag auf Auf lösung des Reichstages eingebracht. * Der Aeltestenrat des Reichstages hielt am Montagnachmittag unter starker Beteiligung aller Parteien, auch der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten, eine Sitzung ab, in der der Plan für die nächsten Reichstagssitzungen festgesetzt wurde. Von der Reichsrcgierung war Staatssekretär Pllnder anwesend. Es wurde beschlossen, am Dienstag, nach der Rede des Reichskanzlers den Reichstag auf Mittwoch um 12 Uhr zu vertagen. Am Mittwoch soll dann die Aussprack)« beginnen. Bezüglich der Redezeit wurde vereinbart, datz von jeder Fraktion drei Redner je «ine Stunde sprechen dürfen. Sämtliche auf dem Gebiet der Innen, und Außenpolitik ge stellten Anträge rverden mit der Aussprache verbunden. Ob die Aussprache am Freitag schon beendet rverden kann, ist noch nicht zu übersehen. Ein Antrag der Rcichsrundfunkgescllschast. die Rede des Reichskanzlers durch Rundfunk zu übertragen, wurde von den Vertretern der Deutschnationalen und der Kommunisten bekämpft, die darin eine einseitige Bevorzugung der Regierung gegenüber den Parteivertretern sahen. Da ein solcher Antrag nur durchgeführt werden soll, wenn alle Parteien damit einver standen sind, ist der Antrag des Rundfunks damit vom Aeltestenrat abgelchnt worden. In der Sitzung der Zentrumssraktion, die um 1 Uhr statt sand, begrüßte der Vorsitzende, Abgeordneter Dr. Pcrlit! us, die Fraktionsmitglieder und wies mit eindrucksvollen Worten aus die ungeheuer grotze Entscheidung hin, vor die der deutsche Reichstag in diesen Tagen gestellt sei. Er dankte mit herzlichen Worten der Anerkennung den au» dem ersten Kabinett Brüning auogeschiedenen Ministern von KuSrard und Wirth; die Fraktion schlotz sich mit lebhafter Zustim mung diesem Dante an. Anschließend berichtete Reichskanzler Dr. Brüning Uber die politische Lage, die durch die Neu bildung des Kabinetts und di« ungeheure Schwere der wirt schaftlichen und politischen Ausgaben gekennzeichnet ist. In der nachfolgenden Aussprache kam der einmütige und ge- schlossen« Wille der Fraktion mit stärkster Be, tonung zum Ausdruck, die schwere Arbeit des Reichskanzlers auch weiterhin mit allen Mit teln auf das kräftig st e zu unterstützen. griff der „Meuterei" fallen, entsprechend den dcntschcn Beslim mungen zu behandeln. Deutsch-französische Wirtschaftskommission taqt Pari», 12. Oktober. Der französische Botschafter in Berlin, Francois- Poncet, wird, wie „Journal" berichtet, heute in Paris er wartet, wo er an de» Arbeiten der deutsch-französischen Wirt schaftskommission teilzunehmen beabsichtigt. Di« französische» Regierungsvertretrr, die dieser Kommission angehören, sind be kannt. Unter den Vertretern der sranzösisihen Wirtschaft, die an den Arbeiten teilnehmen werden, nennt „Journal" u. a. den bekannten Lyoner Seidenindustriellen Etienne FougLrr, den Vertreter der französischen Kohlen- und Bergwerksindustrie de Peqerimhoss, Theodor Laurent von der französi schen Metallindustrie, Marlie von der Aluminiumindustrie, Delbluzr von der verarbeitenden Industrie, Dubrulh al» Ver treter der französische» Wollfabrikantrn und Veiseriche von der Baumwollindustrit. Grandi reist nach Amerika Washington, >2. Oktober. Staatssekretär Stimson, der dieser Tage dem italieni schen Minister des Aeußerrn, Grandi, «ine offizielle Einladung überreichen ließ, hat dir Mitteilung erhalten, daß dieser im November zu einem zehntägigen Besuch in den Vereinigten Staaten «intressen wird. Grandi wird am 7. Nooember von Neapel nach Reuyork abreifen und am 27. November die Rück fahrt nach Italien antreten, Präsident Hoover hat den Wunsch ausgrdrllckt, daß auch Mussolini nach Aiashingto« komme, aber dieser hat erklärt, datz «r nicht abkömmlich sei. Von L. K. Die große Tagung der „nationalen Opposition" ist pro grammäßig verlaufen, sogar einen katholisck>en Siahlhclmpre- diger hat man gesunden, und. wie die „L. N. N." zu melden wissen, Telegramme „mehrerer katholischer Organisationen' empfangen. Wer sich die Führer dieser Tagung ansieht, iver sich an die ganze Einstellung der dort verlrelenen politischen Grup pen uns Katholiken gegenüber erinnert, der weiß, daß mir allen Grund haben, von diesem katholischen Beiwerk aus der Harzburger Tagung sehr kritisch Kenntnis zu neh- m e n. Daß die Tagung glänzend ausgezogen werden und auf die Freude vieler Bürger am Aeußerlichen abgestimml sein würde, das war von vornherein klar. Mit allen Mitteln einer groß artigen Regie „Stimmung machen", das lag schon in der theatralischen Ankündigung und bewährte sich in dem uniform, sahnen- und musiksrohen Programm Wichtiger und für das wirkliche Wohl des gesamten Volkes allein entscheidend oder ist, was wir aus den gehaltenen programmatischen Reden, be sonders aus der offiziellen Kundgebung, sachlich liernuslesen können, lind hiervon müssen sogar Konsnnkturhelden vom Schlage der „Leipziger 'Reuest en Nachrichten" zu geben: „Politisch wird man einwenden müssen, daß das jetzige Einvernehmen im Lager der nationalen Opposition nicht -vei ler reicht als bis zu 'Maßnahmen, die den Sturz des Ka binett s B r ü ning u n d 'N e u w a h l e n herbeiführen sol- ' len. Die große konstruktive Staatsidee, die zu einer völligen Regeneration unseres gesamten politischen Lebens in Deutschland sühren soll, v e rmissen wirei n st weil e n " Das will schon allerhand heißen, nachdem man doch in den letzten Woche» zusehends in diesem Blatte immer mehr von der Regie rung Brüning abrürkte und sich aus eine Rechlskonjunklur um zustellen suchte! Aber das h a rte Urteil i st talsächli ch berechtigt: nicht einen neuen Gedanken brachte Harzbnrg, nichts Positives außer ein paar billigen Redensarten. Ta deklamiert Geheimrat Hugenberg: „Was Arbeitslosig keit der industriellen Völker heißt, weiß jetzt die ganze Erde; ihr wird der erste große Kamps der regierenden nationalen Opposition gellen." Wir sind erschüttert ov soviel unerhört neuer Weisheit — wir wußten bisher überhanpt nichts von Arbeits losigkeit. die Regierung Brüning hat geschlafen, gelt? Dann sol gen sehr schöne W orte an di e A drejse A m e r i k a s , r>er bunden mit Forderungen nach Teilnahme an den Kolonial- npd Siedlnngsgebieten der Erde, nach Schutz der eigenen 'Volkswirt schaft vor Störungen durch ausländische Kapitalmachle und deren Bundesgenossen Hat Herr Hugenberg nie etwas davon gehört, daß unsere Wirtschaft höchst leichtfertig a u sländi f ch e Kredite hereinnahm, daß es Brüning nach langen Unter handlungen endlich gelang, das inlernalionale Stillhalte abkommen zu schassen, daß im übrigen aber Fordern allein keine Kunst ist, sondern die nüchternen internationalen Wirklichkeiten in Rechnung gestellt werden müssen ? Wo hat die Regierung Brüning den Gedanken vertreten, wir dürsten keine nationale Stärke entwickeln, weil wir sonst nicht die Politik der Verständigung sühren könnten. He rrHi > < ler, wie Sie ihr vor werfen? Rationale Stärke lieg! al>er nicht in großen Worten. Heilgeschrei. Faschistengrnß lder übrigens alt r ö m i s ch , nicht allgermanisch ist!> und Uni- sormsimmel. Zur inneren Stärke eines Volkes gehört, daß man nicht die Volksgenossen gegeneinander hetz:, wie Rechts und Linksradikale es lun, gehört vor allem sach liche Auseinandersetzung mit allen jenen politisckren Gruppen, die zum Vaterland, unbeschadet aller Meinungs verschiedenheit im einzelnen, positiv stehen, nicht lügen haft e s Verl e u m den und H e r u n terrei ß e n, wie es di« nalionalsozialistisckst!» Blätter auch dein Zentrum gegenüber in einer den Kommunisten in nichts nachstehenden Weise tun' Herr Hiller erln'bt in einem nationalsozialistischen San de rmani fest (übrigens: warum «vor dies neben der offi ziellen „Entschließung" noch nötig, wenn die „nationale Front" wirklich einig ist ?» Anklage, das; die bisherigen Regierungen, be sonders die derzeitige, „durch das Versäumen einer pslichtgemä- ßen wahrheitsgetreuen Aufklärung über die furchtbare innere Lage Deutschlands in erster Linie mitschuldig seien an einer Ka tastrophe. die heute alle Knllurnationen bedroht". Ja, hat Herr Hiller die ganze außenpolitische Entwicklung nach l!N8 ver schlafen? Weiß er etwas davon, wieviel geistige Mauern cs abzutragen galt, ehe man uns im früher feind lichen Ausland iilrerhaupt zu glauben begann ? Daß er und seine Mannen gegen den 'Versailler Vertrag zwar viel geredet haben, die R.gierungen aber, vor allem Brüning, unseren Kriegs und Friedensgegnern die i n n e r e llnlog : k diese s „Vertrages" immer mehr bei geb rächt nnd ihm schon manche Gift zähne wirklich ausgeb rach eil haben? Wenn man einen andern überzeugen will, darf man ihm keine Ohrfeigen anbielen! Es ist unmöglich für Deutsch land, sich aus der Weltwirtschaft loszulösen, gleichsam ein wirb Deutsch-russischer Zwischenfall Deutsche Seeleute werden in russischen Häfen zum Streik gehetzt