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Sächsische Volkszeitung : 16.08.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193108168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19310816
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19310816
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-08
- Tag 1931-08-16
-
Monat
1931-08
-
Jahr
1931
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 16.08.1931
- Autor
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An die Katholiken Sachsens! In der Zeit vom 26. bis 31. August d. I. wird die Dürer- stadt Nürnberg die Katholiken vereinen zur 7V. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands. Alle Vorbereitungsarbeiten nähern sich ihrem Abschluh Es werden wie immer Lage des Bekennens, der Er hebung und Sammlung sein! Wenn auch die ungeheuer lichste wirtschaftliche Not über ganz Deutschland lastet, so ver trauen doch die geistlichen Führer aus die Opsersreudigkeit aller Katholiken. Das gilt nicht zuletzt auch für die Diözese Meisten. Vor allem eröffnet sich hier die Erkenntnis, daß wohl schwerlich wieder ein deutscher Katholikentag in so groste Nähe gelegt iverden wird. Das katholische Neisekomitee Deutschland, verbunden mit deren ausführender Stelle, der Rotala in Dresden, hat dal-er von allem Anfang an auf das Zustandekommen eines Sonderzuges hingewirkt. Die nähe ren Angaben hierüber sind laufend veröffentlicht worden. Wenn aber nicht jeder mitarbeitet und wirbt, könnte leicht die erforderliche Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht werden. Dann aber wäre die ganze Fahrt in Frage ge stellt. Aus technischen Gründen wurde daher der letzte Anmel dungstermin auf den 17. August d. I. festgesetzt. Auskünfte er teilen bereitwilligst alle katholischen Pfarrämter, der Verlag der Süchsisclien Volkszeitung und das katholische Reisebureau Rotala in Dresden. Lausende schwören salsch... Statistische Angaben über die Meineibsseuche in Deutschland Viel« Meineide werden alljährlich In Deutschland geschwo ren. Alan weist es, aber man lM bisher noch kein Atiltel gesun den, mit dem man die Meineidsseuche wirksam bekämpfen könnte Statistisches Material über die Meineide ist nur mühe voll beizubringe».. Auf einem Aussprache-2lbend in Berlin, der dem Meine'ü galt, hat man kürzlich zum erstenmal Zahlen über die Mcineidsseuche in Deutschland gehört, die, weil sie von juristischen Fachleuten vorgetragen wurden, gewist stichhaltig sind. Ein Beamter des prenstijchen Justizministeriums hatte in elnm tausend Meineidsprozestakten Feststellungen darüber ge macht, in welchen Nechtsstreitigkeilen die meisten Meineide ge leistet wurden. Nach seinen Angaben wurden Falscheide ge leistet in Unterhallsprozessen für unehelich« Kinder 18 Prozent, in Ehescheidungsvrozcssen 10, in Privatklagesachen wegen Be leidigung und Körperverletzung 10, in Offenbarungseidversah- ren 11, in Sittlichkeitsprozesfen 7 und in Mielsstreiligkeiten 7 Prozent. Er setzte hinzu, dast in de» meisten Fällen die Mein eide für den Ausgang des Prozesses ohne besondere Bedeutung ivarcn. Ein Sberstaatsamvalt ergänzte dann die Worte seines Kol legen durch Erfahrungen aus seiner juristisclwn Praxis. Auch er nannte eine Zahl, die ein Helles Licht wirst auf den Umfang der „Melneidverseuchung" Deutschlands. Noch nicht ein Pro, zent aller Strafanzeigen wegen Meineids führten zu einer An klage Auch von den Fällen, die schliestlich zur Anklage kamen, endete noch die gute Hälfte mit einem Freispruch. Um die unge sunden Verhältnisse, die hier vorliegen, zu bekämpfen, hat da» preustische Justizministerium bereits vor längerer Zeit einen Erlast herausgegcben, der eine Reihe beachtlict;er Anregungen enthält. In der Gerichtspraxis soll nämlich hinfort mehr Wert darauf gelegt iverden, ob der Eid für di« Urteilsfindung erheb lich oder unerheblich sei. Weil die Bekämpfung der Meineidsleuche sich immer un zulänglicher Mittel bedienen must, nimmt die Zahl derer immer mehr zu, die für die völlige Absclzaffung des Eides eintreten. Das neue Strafgesetzbuch, das jetzt im Werden begriffen ist, berücksichtigt die bisherigen juristischen Erfahrungen und macht einen Unterschied zwischen einem Eid und einer Zcugenver- sichcruug. Es ist möglich, dast durch, eine solckw Formulierung dem Eid im deutschen Äolke wieder die gebührende Achtung verschalst wird. Keinesfalls kann «s so iveitergehcn wie bisher Wer dem Fortschreiten der Meineidsscuche untätig zusieht, macht sich mitschuldig an der Verwirrung aller rechtlichen Begrisse, die im schlimmsten Falle sogar die Grundlagen des Staates zerstören Kan». Kommentare aus Chemnitz unsererseits zu kommentieren. Wir wollen aber lieber einen neutralen Dritten als Zeugen herbei rufen. Die „Dresdner Neuesten Nachrichten" (189) schreiben in einem Leitartikel „Für Brüning!" die folgenden Sätze, die eine sehr gute Antwort an -ie Neunmalweisen in Chemnitz und anderswo sind: „Der Kanzler Brüning hat bisher jede feste Bindung an irgendwelche Parteigruppe abgelehnt Er hat den aibcils unwilligen Reichstag ausgescl)altet, da seine Existenz eine Ge fahr für Deutschland im Augenblick darslcllt. . ' . Brüning ist in den letzten Wochen für einen immer grösteren Teil des Volkes der Führer geworden, den niemand fragt, woher er kommt, von dem jeder nur wissen will, wohin er uns führt. ... Es ist anzunchmcn, dast Brüning seinen Weg ohne die Parteien wei tergchen wird. Es grenzt an Vermessenheit, wenn heute von parlamentarischen Politikern darüber diskutiert wird, ob und inwieweit seine Politik von ihnen „toleriert" werden könnte. Diese Herrschaste» tolerieren, wenn sic Brüning dulden, in erster Linie zunächst ihre eigene politisci)« Existenz denn an dem Kan- ler Brüning hängt zurzeit Deutschlands Geschick und Deutsch lands Dasein und damit auch die kleine Welt, in der jene Par- lamentsslrategen noch immer ihre Schcinkämvfe ausführcn.... Dr. Brciischeid droht. Dr. Dingeldey kann sich zu nichts ent- schliesten und Hugenberg dementiert. Wenn die iftarteiführer versagen, must das Volk über sie hinweg handeln und dem Kanzler zu Hilfe eilen. Wer heute dem Kanzler bei seiner schweren Aibci, Hilst, hi,st sich selbst, schützt sich und seine Familie und sichert die Zukunft und die Existenz seiner Kind-" " vresrlen unrl Umgebung Schlußiag der Ausstellung: 20. September Dresden. Der Schlusttag der Internationalen Hygiene Ausstellung ist nunmehr bestimmt auf Sonntag, 20. September, fcstgclegt worden. Eine Reil>e von Sonderveranstaltungen ist bis zu diesem Tage noch vorgesehen. Es finden noch einige grö ssere Masscnkonzerte statt, u. a. wird auch die Internationale Artistenloge ein längeres Gastspiel im Theater am Platz der Na tionen absolvieren. Die Hinausschiebung des Schlußtermins der Ausstellung bis zum 20. September erfolgte vor allem deshalb, weil noch eine gröstere Anzahl Studienreisen aus dem Ausland gemeldet ist. . Das in den ersten Wock>en auf der Internationalen Hy giene Ausstellung in der Halle der Gewerbehygiene ausgestellte Ganzmetall-Sport- und Reiseflugzcug Junkers Junior ist vor einigen Tagen gegen ein anderes Muster der gleichen Type aus gewechselt worden. Dieses neue Flugzeug Junior wurde eigens für die Internationale Hygiene-Ausstellung vorbereitet. Ein Flügel des Flugzeuges ist ausgeschnitten, um die Innenkonstruk tion, Lagerung der Steucrorgane und deren Wirkungsiveise zu zeigen. Ebenfalls ist der Rumpf auf einer Seile offen, sodast man die gesamte Anordnung der Sitze und des Führerraumes mit seinen Instrumenten und seiner Steuerung studieren kann Be sonders für die Jugend und für Schulen bietet sich an diesem ausgezeichneten Ausstellungsobjekt eine selten wiederkehrende Olelegenheit, ein Flugzeug in allen seinen Einzelteilen genau kennen zu lernen. Der Junkers Junior ist heute in vielen Staaten der Erde als Privat-Rcise Flugzeug, sowie für Schul- -wecke in Gebrauch Der Junior ist ausgerüstet mit einem zirka W PS. Si nnens Stern Motor. Mit einem Junior ist Fräulein Marga von Etzdorfs von Berlin nach TVnerissa, und der japa nische Pilot Poshihara von Berlin nach Tokio geflogen. Auster- °>em ist der Junior bei internationalen Wettbewerben siegreich hervorgegangen. - Zttsammensch'uß ber sächsischen MilcherzeuTerdetriebe Dresden. (N.) Im amtlichen Teile der Sächsiscl;«» Staats zeitung vom 15. August 1931 fordert das sächsische Wirtschasts- niinisterium zu einem „Freiwilligen Zusammcnschlust der säch sischen Aiilchcrzcugeibelriebe" auf. Die Bekanntmachung nimmt Bezug aus das Reichsniilchgesetz vom 31. Juli 1930. An zwangsweisen Zusammenschluss der Milci)erzeugelbctricbc ist nur gedacht, wenn ein freiwilliger Zusammcnschlust eiitsvrcchend der Aufforderung des Wirtschastsministeriums nkcht zustande kommt. Dieser freiwillige Zusammenschiust soll durch Erklärung des Milcherzeugers bei der Gemeindebehörde bis zum 13. Oktober sowie durch Bildung von Alilcherzeugervereinc» innerhalb jeder Amtebaup'mannscliaft und eines diese W'reinc znsammensassciiden LaOesvercuis Säcksiscl-er Milcherzcugcr erfolgen. Se-bald dann die säcl fischen Milcherzcugcr srciwillig oder zwangsweise zusammengeschlossen sein werden, soll die Regelung der Verwertung und des Absatzes von Milch und Milcherzeugnissen in Sachsen in die Hand einer sich srciwillig zusammenschlicstcndcn Arbeitsgemeinsciwst zwischen den Erzeu- gerbetriebcn, den milckbcarbeitcndcn und verarbeitenden Be trieben und dem Milchhandel gelegt werden. Schwierige Schiffahrt auf der Elbe Dresden. Die Elbschisfahrt hatte in den letzten Tagen stel lenweise mit grasten Schmierigkeiten zu Kämpfen. So wurden am Donnerstag an der Niedcrwarthaer Brücke mehrere tal wärts fahrende Kähne infolge des niedrigen Wasser st an des und der herrschenden Stürme gegen die Brückenpfei ler gedrückt. Unterhalb der Brücke lagen einige Kähne längere Zeit fest und konnten nur mit Mühe floltgemacht werden. : Schöne Zucht«rgebniss« Im Zoo. Freitag mittag wurde ein Tapir geboren, der sich durch sein buntes Kleid von den ein farbigen Eltern unterscheidet. Am 7. wurde ein indischer Axis und am 12. ein Rothirsch geboren; bei beiden ist der ganze Rumpf mit weist«» Flecken bedeckt, von denen das mütterlich;« Fell (in waidgerechter Sprache „die Decke") keie Spur erkennen iüstt. Auch zivei schivarz wciste Somalisclzaslännncr erblickten in der letzten Wo6>e das Licht der Welt, nicht zu sprechen von den vielen Hühner-, Fasanen- und Pfauenküken, die aus ihren Gelassen hinter den Kulissen jetzt zur Sclzau gestellt wurden. : Unfälle bei der Arbeit. Am Donnerstag erlitt ein in Dresden-Plauen beschäftigter Schlosser einen schweren Unfall. Als er mit Schweisten beschäftigt mar, geriet seine benzinge- tränkte Kleidung in Brand. Trotzdem seine Arbeitskollegen so fort zu Hilfe kamen, erlitt der Schlosser schwer« Brandwunden und mutzte ins Krankenhaus gebracht werden. — Am Freitag vormittag geriet in einer Karosseriefabrik auf der Arnoldstratze ein Arbeiter mit der linken Hand in eine Stanzmaschmc Schwerverletzt und bewusstlos mutzte der Verunglückte ins Kran kenhaus überführt iverden. Amtliche Bekanntmachungen Dresden Grundsteuer 1931. Für die Grundsteuer des Rechnungs jahres 1931 bleiben die am 31. Dezember 1927 gültig gewejcnen Einheitswertc maßgebend. Der mit Ablauf des Rechnung?, jahres 1930 endend« Hauptveranlagungszestraum ist auf das Rechnungsjahr 1931 ausgedehnt worden. Die Grundsteuer siir 1931 ist gemäst der Nealsteuersenkungsvcrordnung vom 10. März 1931 um 10 v. H. gesenkt worden und mithin statt nach einem Steuersatz von 3 vom Tausend nur nach einem gesenkten Steuersatz von 2,7 vom Tausend des Werts zu erheben. Die gemeindliche Zuschlagssteuer zur Grundsteuer aus das Rechnungsjahr 1931 wird für die Stadt Dresden in Höhe von 150 vom Hundert der staatliche» Steuer erhoben. Durch die Senkung des Satzes für die staatliche Steuer auf 2,7 vom Tau send tritt ohne weiteres auch eine Senkung -er Zuschtags- sleuer um 10 vom Hundert ein. — Grundsteuerbescheide sind den Grundsteuerpflichtigen nicht zu erteilen. Die gesenkte Grundsteuer für 1931 ist durch öffentliche Bekanntmachung ein- zusordern. Das Lethamt teilt mit: Die Im November und Dezember 1930 aufgenommenen, bis Ende März 1931 sällig gewesenen Pfanddarlchen sind bis 2. September 1931 zurückzuzahlen oder die Psandverträge zu verlängern, sonst iverden die Pfänder vom 17- September an versteigert. ErwerbSlosemOemonstration in Pirna Pirna. Am Freitagmittag sammelten sich vor dem Nab Haus in Pirna einige hundert Erwerbslose, die für die Wieder erhöhung der herabgesetzten Unterstützungssätze demonstrierten. Als eine Anzahl von ihnen versuchte, ins Rathaus einzudringen, griff die aus Dresden verstärkte Polizei ein und hinderte sie daran. Im Anschlutz daran trat der Siadtrat zu einer Sitzung zusammen, zu der auch eine Deputation der Eriverbslosen ziu gelassen wurde. d Unregelmätztgketten ist das städtische Nevisionsami Pirna auf die Spur gekommen. In einem Falle hat ein beint Nale angestellter Bote, der u. a. auch Gelder zu transportieren hatte, «tiva 500 Mark veruntreut. Der Beamte ist bereits aus dem städtischen Dienst ausgeschieden. Im zweiten Falle wurde in der von einem Obersekretär verivaltelen Gebührenkasse ein Fehlbetrag von rund 200 Black scstgestellt. Gegen diesen Be amten, der zwangsmätzig beurlaubt worden Ist. wird nach Ab- schlutz des gerichtlichen Verfahrens das Disziplinarverfahren aus Dienstentlassung durchgesührt werden. d. Die Sisenbahnstreck« Kohlmithle—Hohnstein soll angeb lich wegen Unrentabilität eingezogen werden. Eine solcl)e Matz nahme würde eine schwere Schädigung des Fremdenverkehrs für Hohnstein und Umgebung bedeuten. d. Der Neuyorker Bürgermeister Walker wird am nächsten Sonvabcndnachmittag in Karlsbad (Böhmen) auf 3 Wochen zur Kur eintressen. Zuckmayer: Der Kauplmann von Köpenick Wiedereröffnung des Dresdner Albertlheaters. Letzten Endes — und das darf nicht unerwähnt bleiben — geht es bei Carl Zuckmayers neuem Vühneniverk abermals um die Blotzstellung des Deutschtums, er mag sich noch so vorsichtig gebärden und noch so tendenzlos scheinen wollen. Allerdings sind die Zeiten, die es zu geitzeln galt, jene Zeiten, da man dem Hut die Reverenz erwies, gleichviel welä)er Geist in dem drun ter befindlichen Kopf steckte, endgültig vorbei, und deshalb schreibt der rheinische Dichter auch nur ein... deutsches Mär chen. Ein satirisches Märchen für diejenigen, die die Zeit der Tressen- und Epauletten Anbetung wieder herbeiwünschen. So etwa kann man zwiscl-en den Zeilen lesen. Der grandiose Treppenwitz, den sich die Geschichte der Uni form im Falle des Hauptmanns von Köpenick geleistet hat, ist hinreichend bekannt. Zuckmayer macht daraus ein den Theater abend reichlich füllendes Stück in drei Akten mit nicht weniger als 21 Verwandlungen. Er bleibt nicht bei der Fabel selbst, son dern will die ganze Vorkriegszeit und ihre überhebliche Einstel lung gegenüber einem Vorbestraften ergiebig schildern, wobei es in seiner Absicht liegt, die Kriminalität selbst nicht als Menschen schuld, sondern als Verbrechen der Gesetzgebunst hinzustellen. Man kennt das zur Genüge aus den Bühnenstücken der letzten Jahre. Tatsächlich ist dem Schuster Wilhelm Voigt übel genug mitgcspielt worden, ehe er den bekannten Plan sastte, aber ein so wcitzes Lämmchen, wie Zuckmayer glauben macl-en will, war «r nun wieder auch nicht. Wenn man von dieser Gesinnung und von einigen bewutzlen Erdgeriichen, ohne die der Autor niemals auskomm«, absicht, mutz man dennoch anerkennen, datz er ein ganz ungewöhnlich wirksames Bühnenstück geschaffen hat, dessen Mischung aus Witz. Groteske und Elend schließlich zu einer Tragikomödie von Format wird. Nach einer Szene vom Zauber der Montur erfährt man einiges vom Vorleben des Helden Wilhelm Voigt, dem es einzig und allein darauf ankommt, wieder „ehrlich" zu werden, d. h. einen Patz zu erhalten. Ohne diesen würde er Zeit seines Lebens der Verbrecher bieiben, der unter Polizeiaufsicht steht. Eine Kra wallszene in einem anrüchigen Lokal, bei der «in Hauptmann von einem betrunkenen Grenadier attackiert wird, läßt in Voigt die Weisheit reifen: „Wie der Mensch aussieht, so wird er an- jesehn!" und sie verstärkt sich in einer reichlich aufs Groteske gestellten Pcnnbriiderszene in der Herberge zur Heimat. Das ist alles noch „Miljöh". Nun beginnt sich die Handlung, soweit man von einer solchen überhaupt reden Kan», zu verdichten. Auch der Bürgermeister von Köpenick, später der Gegenspieler des Schusters, wird mit dem Unisormzauber eingeführt. Die Ironie des Autors wist nämlich, datz Voigt die alte, defekt gewordene Uniform des Bürgermeisters und Reserveoffiziers beim Alt warenhändler ersteht. Das Spiel kann beginnen. Voigt ist selbst nicht gedienter Soldat, aber er hat nach Zuckmayer hinter ver gitterten Fenstern soviel vom Militarismus gelernt, dast eine Entgleisung so gut wie ausgeschlossen ist. Die Szene, In der er den Bürgermeister überrumpelt, ist zwar... deutsches Märchen, doch ist sie köstlich erfunden, so köstlich, dast man nichts verraten dars, dieweil sie „Pointen" hat. Und das Allerbeste ist der Schluß. Voigt ist verhaftet und wird — noch in seiner Uni form — verhört. Da bittet er ganz ernsthaft den Kriminal direktor um einen Spiegel, weil er sich noch nie selbst in Uni form gesehen habe. Der Wunsch wird ihm erfüllt und Voigt tritt vor den Spiegel, staunt, hebt dann an zu lachen, immer lauter, bis Ihm die Tränen von den Backen laufen. Aus diesem Lachen formt sich ein Wort, — erst leise, unverständlich fast. — dann immer stärker, deutlicher, endgültiger, schliestlich alles zusam- menfassend. Er sagt zu sich selbst: „Unmöglich!"... Dazwischen elngestreut die Szenen des Elends. Hier wird Zuckmayer allzu ausführlich. Dies breiter, als es zur „Ehren rettung" seines Helden notwendig erscheint, wird Polizei-Regle ment. Uebergrlsf des Subalternentums, Milieu der Gosse aus gesponnen. Nicht alles atmet da Erdgeruch, vieles ist zweck- mästig aufgezwirbelt und ins Aschgraue übertrieben. Daneben aber auch menschlich Rührendes, so die Unterhaltung mit dem kranken Mädchen, die Beziehungen Voigts zu seinen Verwand ten. Alles in allem: Das Stück will einen Einzelfall nachträg lich typisieren. Mit bedeutendem, fast demagogischem Geschick will es den entsühnen, der sich der bestehenden Gesellschaftsord nung nicht einstigen kann. Das Alberttheater, nunmehr unter der Direktion der Gebrüder Rotter, benützte zu seiner Ausführung die ge kürzte und auch textlich geänderte Berliner Fassung, die einigen Absichten des Autors zuwiderläuft. So fällt bei ihr gerade di« Vorgeschichte der Berliner Uniform dem Zeitgewinn zum Opfer, auch erscheint der Schluß etwas vergröbert. Von einem zunächst noch bunt zusammengewürfelten Ensemble wurde unter der Regie Robert Pirks sehr anständig gespielt. Doch läßt das Stück keine Beurteilung des Ensembles zu. Die Frage ist: wird man in Zukunft überhaupt in der Neustadt Ensen,blckunst pfle gen oder wird man stets im Einzelsalle die benötigten Kräfte zu sammenholen? Sie wird aber erst dann akut werden, wenn man die Absichten des Spielplans erkennen wird, von dem bis heute noch nicht allzuviel verraten wurde. Man spielte, wie ge sagt, sehr anständig und übertrieb auch nicht — bis auf di« Zuchthausszcne, die denn auch vereinzelten Widerspruch sand. Der Eindruck war nicht ganz gleichmäßig. Man konnte stellen weise allzu deutlich spüren, daß die ganze Sack)« doch noch nicht genügend Historie geworden ist, um in der Persiflage befreiendes Lachen auszulösen und man fühlte andererseits wieder, dast der Autor allzuweit ausholt. Man empfand auch, datz der Unter titel „ein deutsches Märchen" doch herausfordernd wirken must Ferdinand Bonn gab die Titelrolle. Der schon betagte Darsteller zeigte eine ungewöhnliche Frische und Spielsrcudig- keit, sah dem im Bild bekannten Original in der Maske sehr ähnlich und traf dl« grasten Szenen mit bestechender Charakteri stik. Pirk gab einen tschechiscl)en Schneider mit feiner Zeich nung Der gut gesehene Wormser Mailands dürfte um eine Nüance zurückhaltender sein. Ueberzeugend echt war der prcu- stiscl)« Beamt« vom alten Schrot und Korn, wie ihn Mayr hin stellte. neben Keller-Nebrls beiden Szenen und neben Bonn natürlich die beste Leistung. Der Hauptmann Selvas, der Bürgermeister Gerbers, der Gaunerlyp, den Walter Strom schuf, die Dirne von Elfriede Mertens seien noch l;ervorgehoben aus dem Riesenpersonenverzeichnis. Es mar ein Darsteller-Erfolg, auch ein Erfolg des Regis seurs und Bühnenbildners (bravo Kämmerling!), aber der üble Beigeschmack der Verhohnicpelung deutschen Wesens blieb leider nicht aus... Franz Zickler.
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