Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.11.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111118018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911111801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911111801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-18
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 320. los. Iayr-sny. Der ersparten Zinsen zurückzuzahlen. Die Vor arbeiten für die Fortführung der Bahn dis zum - Tanganjikasee sind bereits durchgesührt.so das; der Bahnbau, falls der Reichstag tas neue Darlehn noch jetzt bewilligt, «ine Unterbrechung nicht erleidet. Würde jedoch das Darlehn erst Lurch den Etat für 1912 zur Verfügung gestellt werden, so würde der Weiterbau der Bahn monatelang liegen bleiben, und die Gesellschaft erlitte durch das Brachliegen des kostspieligen Baumaterials erhebliche Verluste. Da der Reichstag seine grundsätzliche Zustimmung zur Durchführung der Bahn bis an den Tee schon erteilt hat. so dürsten der Verabschiedung der Vorlage k«in« Schwierigkeiten entgegenstehen. Oie Revolution in Lhins. Tie „Agence d'extreme Orient" veröffentlicht soft senden interessanten Bericht au« Haukau, der Ende Oktober abgesandt wurde: Die Nevolutioniire. Tie Revolutionäre sind schon äußerlich kenntlich, denn sie tragen fast durchweg uniforme Kleidung, die kurz und schwarz ist. Hie zwingen alle Enr- wobner der Stadt, auf das lange traditionelle Ge wand zu verzichten, welches durch seinen Falten wurf bei Straßenkcimpfen hinderlich ist. General Li Hueng.Hung hat allen Chinesen dringend geraten, sich den Zopf schleunigst abnehmen zu lassen. Tas Hauptquartier des Generalissimus der Revolutionäre, daS soeben ein neues Reglement bekannt gibt, das aus 5 Kapiteln und 24 Artikeln besteht, setzt sich aus folgenden 4 Abteilungen zusammen: 1. .Kriegsleitung, 2. Berproviantierungsämter, 3. Gencralstab, 4. Zr- vilbehvrden. Bemerkenswert ist, Latz der Generalissi mus nicht nur Offiziere, sonoern auch Zivilbeamte ernennt und befördert. Das Hauptquartier der Rebellen. TaS Gebiet von lltchang verfügt über drei Be hörden: 1. die Schutzbehörde, die sich den Schutz der Tempel, Schulen und Handeltreibenden angelegen sein läßt; 2. die Angrisfsbehörde, der das aktive Heer untersteht; 3. die Lerteidigungsbehörde, die sich mit den irregulären Truppen beschäftigt. Tie Schutz behörde wurde von der Gesellsc1)ast „Pao tzanwei" gegründet, die aus Mitgliedern des Provinzialland- lageS besteht. Sie hält auch den Pvlizcidienst auf recht. Ihr Leiter ist k'ao Fong Tsen, der sich auch um die öisentliche Wohlfahrt in weitgehendstem Maß« bekümmert. ES heißt hier, daß eS den kaiserlichen Truppen an einen, einheitlichen Kommando fehlt. Niemand weiß hier, wer sie befiehlt. Jng Schana? oder Sa Chcng Ping? Tiefe beiden Männer hassen einander. Ein Bries an Admiral Sah. General Li Huen Hung hat dem Admiral Sa Ehcng Ping, dessen Schüler er war, folgenden cha rakteristischen Bries gesandt: „Lieber Meister! Ach habe das Kommando der Revolutionäre übernom men, die Ihre Hilfe ungeduldig erwarten und er sehnen. Sie sind der einzige Mann, der würdig ist, dos Oberkommando über unsere Truppen zu führen. Sie waren lauge Jahre mein Lehrer und ick Ihr folgsamer Schüler, und Nur sind beinahe Freunde gewesen. Wenn Sic die Sache der MandschuS ver lassen und zu uns übergehen, so wird es uns nicht mißlingen können, das Land China für die Chinesen rvieder zu erobern, und Ahr Ruhm wird den Wa shingtons überstrahlen. Wir werden Sie mit allen Ehren empfangen. Aber wenn Sie fortsahren, mit den MandschuS gemeiusame Sacl>e zu macl^en, so können Sie des Hasse? aller Edelgesinnten siclzer sein, und ick werde darauf verzichten müssen, Ihr schütze,??** ' L. Aufruf der revolutionären Matrosen. Andererseits haben die chinesischen Matrosen ans beiden Usern dcS Flusses folgende Proklamation in Tausenden von Exemplaren verteilen lassen: „Ad miral Sah Chcng Ping, besinnt Euch! Ihr seid Nug, gebildet und von modernen Gesinnungen beseelt. Tie MandschuS betrügen Euch. Höret auf, ihnen wie ein getreuer Hund zu dienen. Wenn Ihr die Ka stanien für sie aus dem Feuer geholt haben werdet, rvird man Euch vernichten. Ihr seid ein ernster Mensch und ein erprobter Charakter. Ahr könnt nickt mit unehrlichen, gesinnungslosen Mensclteu Zusam menarbeiten. Sah Cheng Ping, besinnt Euch! TaS Svndikat der Matrosen." Ein bekehrter hoher Beamter. Auf seltsame Weise wurde der Direktor der ober sten Justizbehörde von Hupeh in Hankau von den Revolutionären bekehrt. AlS die Revolution in Haukau ausbrach, bekleidete er sich mit seinen prunk Lelpztyer Tageblatt. vollen Hofkleidern und nahm im Ehrensaale seine» Schlosses Platz, um dort den sicheren Tod durch die Ausrührer zu erwarten. Am ersten Tage ereignete sich nichts. Am Morgen des zweiten Tages sandten ihm die Revolutionär« eine Delegation, die ihn in respektvollster Weise bat, zu den Revolutionären überzugehen. Obwohl er sich damit einverstanden er klärte, wollte man ihn gefangen nehmen und fesseln, da man ihm mißtraute. Da sagte der Greis weinend und mit zitternder Stimme: „Seit langen Jahren habe ick daran gearbeitet, meiner Provinz ein schlag fertiges Heer zu verschaffen Ihr seid jetzt Sieger, aber vergeßt nicht, daß ihr mir eure Erfolge ver dankt, da euer Heer seine Ausbildung meiner Ini tiative zuzuschreiben hat. Meine Söhne, meine Töchter, meine Schwiegersöhne, die ick erzogen habe, sind in euren Reihen. Wenn ich mich zum heutigen Tage für euch entschieden habe, so geschah es, weil meine Stellung al» kaiserlicher Beamter es mir un- möglich machte, anders zu bandeln." AlS er seine Rede beendet hatte, hatten oje Revolutionäre Mit leid mit ihm und ließen ihn frei. Weitere Uebertritte zu den Revolutionären. Tie Söhne des Generals Chang Pia, der vom kaiserlichen Kriegsgericht in Peking zum Tod« ver urteilt wurde, waren über diese Ungerechtigkeit der MandschuS so empört, daß sie zu den Revolutionären übergingen. ES sind zwei Studenten, die ihre mili tärische Ausbildung in Japan erhielten und anfäng lich mit ihrem Vater gegen die Ausrührer kämpften. Jetzt ist der eine von ihnen Kommandant eines stra tegisch sehr wichtigen Punktes bei den Rebellen, der Batterien des Schlangenberges bei Utchang. Ter Exvizekönig von Hupeh, Jui Scheng, ist von den Revolutionären deS Landes verwiesen morden. Er ist nach Schanghai geflohen und soll sich nach Amerika begeben haben. Da» Ministerium yuanschikai. Wie die „Times" aus Peking melden, wird das soeben gebildete Kabinett Puanschikai schwerlich ein« günstige Aufnahme finden, und di« Mitarbeiter, die Puanschikai gewählt hat, werden ihn in der ver zweifelten Aufgabe, Unversöhnliches zu versöhnen, kaum unterstützen können. Von Len zehn ernannten Ministern ist nur einer «in Mandschu. Das hochwichtige Finanzportejeuille ist Liangtschitschao anvertraut, dem besten Schriftsteller im heu tigen China, der jedoch von Finanzen keine Ahnung hat. Er hat seit 1898 in Japan gewohnt und von dort den Preßfeldzug geführt, der mit der gegenwärtigen Umwälzung endet. Weiter wird gemeldet: 8t. Peking, 17. November. (Eig. Drahtmeld.) Die Stadt ist vollkommen ruhig. Der Hof wird am Sonnabend von seiner Sommerresidenz in den Winter palast zurückkehren. 8t. Tokio, 17. November. ,sEig. Drahtmeld.) Ueber 109 japanische Politiker und Publizisten hielten eine Versammlung ab, in der sie ihrer Sympathie für die chinesische Revolution Ausdruck gaben und be schlossen. unbedingt eine Aufteilung Chi. nas verhindern zu wollen. Der türkilch-ltsllenMe Krieg. Gegenüber dem ungeduldigen Verlangen eines großen Teils der römischen Presse nach einer ent- scheidenden Flottenaktion wird an unterrichte- ter Stelle hervorgehoben, daß nicht nur politisch« Rücksichten große Bedachtsamkeit und reifliche Er wägung auferlegen, sondern auch noch andere Dinge zu bedenken seien. Okkupieren und bombardieren fei leicht, doch bleibe die Frage, ob das gewünschte Ziel nicht anders rascher und billiger erreichbar ist, das könne nur die Regierung beurteilen. Heber di« Lage in Tripoli» meldet die „Aaenzia Stefani": Das schlechte Wetter dauert im Lande und auf dem Meere an, so daß die Kriegs- und Handels schiffe die Reede verlassen und die hohe See aufsuchen. Aus der Ostfront kam es zu einem kleinen Zu sammenstoß, bei dem einige Schüße gewechselt wurden. Italienische Artillerie brachte eine Kamel karawane, die durch die Wüste von Osten nach Westen zog, durch ihrFeuerinUnordnung. Patrouil len, die andauernd die Oase durchstreifen, entdeckten an verschiedenen Stellen etwa 10 900 Patronen. Zahl reiche andere Patronen explodierten bei der Ver brennung eines großen Haufens Unrat. Die Arbei ten dauern fort, besonders die Unterbringung der Truppen. Kundschafter melden, bei Zanzur sammel- ten sich ungefähr 2000 Araber und 100 Türken mit zwei Kanonen. Der Gesundheitszustand der feindlichen Streitkräfte soll schlecht sein; die Araber sollen immer mehr des Krieges müde sein. Deshalb erließ das türkische Oberkommando eine Kundgebung, in der die, welche die Türken verlassen, um die Ar beit aufzunehmen, mit Strafe bedroht werden. — Aus Homs liegen keine Neuigkeiten vor. Ein türkische» Dementi. Konstantinopel, 17. November. (Wiener Korr.- Bureau.) Die in den letzten Tagen verbreiteten an geblichen Telegramme des Kricgsministeriums über Kämpfe in Tripolis, Benahasi und anderen Orten sind völlig erfunden. Das Kriegsministerium erhielt seit vielen Tagen keinen Bericht über irgendwelche Kämpfe. Die ltrskrechtttche Behsnülung üer Hugenülichen. Die Strafrechtskommission hat auch betreffs der . strafrechtlichen Behandlung der Jugend- lich en eine Reihe interessanter Bestimmungen ge troffen, über welche der Vorsitzende der Kommission, Geheimrat Dr. Lucas-Berlin, in der „Deutschen Ju- ristenztg." näher berichtet: Die Heraufsetzung der Altersgrenze der absoluten Strafmündig keit vom vollendeten 12. auf das vollendete 14. Le bensjahr (§ 68 des Vorentwurfes) fand einstimmige Billigung. Dabei wurde der Prüfung bei der Ab fassung Les Einführungsgesetzes Vorbehalten, ob Art. 135 des Einführungsgesetzes zum BGB. (der sich auf die Zwangserziehung — jetzt Fürsorgeerziehung — Minderjähriger oeziebt) mit Rücksicht auf den Weg fall des Abs. 2 8 05 StrGB. einer Aenderung bedarf. — Die im F 69 VE. aufgegebenc Stufe der relativen Strafunmündigkeit ist insofern wieder hergestellt worden, als beschloßen wurde, daß Jugendliche, die zur Zeit der Tat mindestens 14, aber noch nicht 18 Jahre alt waren, straflos sein sollen, wenn sie wegen zurückgebliebener Entwickelung oder mangels der erforderlichen geistigen oder sittlichen Reife nicht die Fähigkeit besagen, das Ungesetzliche der Tat einzu sehen oder ihren Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen. Besag der Täter diese Fähigkeit, so ist er im ganzen nach Vorschrift des Vorentwurfs zu destrafen. Ausgeschlossen sind Zucht. Haus st rasen und lebenslängliche Frei, heits st rasen. Dagegen sind Schärfungen der Gefängnisstrafe (8 18), die der Vorent wurf ebenfalls ausschließen wollte, zugelassen wor den. — Der von der Erziehung handelnde 8 69 Abs. 2 des Voventwurfs hat unter Wahrung des Grundgedankens folgend« Gestalt erhalten: „Wird ein Jugendlicher auf Grund der so oerän- derten Vorschrift des 8 69 Abs. 1 freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt, so kann das Gericht Er- zieyungsmatzregeln anordnen, wenn Liese erforder lich erscheinen, um ihn an ein gesetzmäßiges Leben zu gewöhnen. Die gleiche Anordnung ist neben der Strafe zulässig, sowie, wenn solche Maßregeln nach der Beschaffenheit der Tat, dem Charakter und der bisherigen Führung des Täters ausreichend erschei nen, an Stelle der Strafe," Der Spruch des Strafrichters kann sich auf die Anordnung von Erziehungsmaßregeln ohne weitere Bestimmung beschränken. Die Art und Dauer dieser Maßnahmen, die in dem Kommißionsbeschluß ein- zeln aufgezählt sind und zu denen auch Vermahnung und Überweisung an di« Zucht des gesetzlichen Ver treter» oder der Schulbehörde sowie natürlich «ruck Fürsorgeerziehung gehören, bestimmt dann die nach den Landesgesetzen zuständige Behörde. Das Straf gericht kann die Auswahl und nähere Bestimmung der Erziehungsmaßregeln aber auch selbst treffen. — Die im Vorentwurf (8 70) anaeordnete Unter- bringung der jugendlichen Gefan genen in besondren, nur für sie bestimmten Anstalten oder Abteilungen ist aus praktischen Grün- den auf Strafen von einem Monat und darüber be schränkt. Die Absonderung der vermindert Zu rechnungsfähigen unter ihnen von den übrigen ist al- unzweckmäßig aufgegeben. Dagegen können jugendliche Personen, und zwar sowohl verurteilte wie wegen mangelnder Einsicht freigesprochene (8 69), durch Beschluß des Gerichts bis zur Dauer von zwei Jahren, jedoch nicht über das 20. Lebensjahr hinaus, unter Schutzaufsicht gestellt werden. -- Die Vor schriften über ooligatorische Einzelhaft im Anfänge der Strafzeit (8 22 des Entwurfs sind b«- Sonnadenü, 18. November isn. züalich der Jugendlichen dahin eingeschränkt, Laß die nur in Einzelhaft zu nehmen sind, wenn von ihnen «in schädlicher Einfluß auf Mitgefangene zu besorgen »der wenn aus anderen Gründen ihre Ao- sonderung angemeßen ist. Das hinsichtlich der Ju gendlichen in veränderter Gestalt wieder yergestellte Einsicktserfordernis har die Kommission, wie im Leitenden Recht (tz 58), auf die Taubstummen ausgedehnt, jedocy mit der Maßgabe, daß bei ihnen nicht von Mangel der geistigen od«r sittlichen Reffe, sondern nur von zurückgebliebener Entwicke lung die Rede ist Letzte Lokal-Nachrichten. Leipzig, 18. November. Der Wahrheit üie Ghre. Auf Veranlassung des Wahlausschußes für die Kandidatur Wangemann sprach am Freitag abend in Sanssouci der Reichstagsabgeordnete Latt - mann und stellte sich Pfarrer Wangemann seinen Wählern in dieser öffentlichen Versammlung vor. Nach Eröffnung der Versammlung durch Rechts anwalt Dr. Pubor nahm der Reichstagsabgeordnete Amtsgerichtsrat Lattmann das Wort und führte einleitend aus, seinem Vortrage, der fick mit den Voraussetzungen und Zielen emer gesunden Wirt schaftspolitik beschäftige, habe er das oben- stehende Thema gegeben, um damit ein gegen ibn gerichtetes, am Saaleingange verteiltes Flugblatt zu beantworten. Als erste Voraussetzung zur gedeihlichen politischen und sozialen Entwicklung ist nötig ein starkes Heer und eine eben solche Flotte, als nächste die gute Ordnung der Reichs finanzen. Die Relchsfinanzreform hat die Finanzen wieder auf gesunde Grundlage gestellt. Trotzdem, und das ist im Volke viel zu wenig bekannt, zahlen wir in Deutschland weniger direkte und in direkte Steuern als England. Bei der Regelung der Finanzen ergab sich die Frage, ob eine Ausdehnung der E r b s ch a f t s st e u e r, die schon seit sechs Jah ren besteht und höher ist, als die aller Staaten der Welt, erfolgen solle. Die Wirtschaftliche Ver ein i g u n g , der ich anaehüre, verlangte Freiheit von der Steuer zwischen Ehegatten, für Kinder, deren Väter oder Großväter im Kriege gefallen sind und für den gewerblichen Mittelstand, aoer HLHerstellung der Untergrenze auf Erbteile von 20 000 ^t. Damit setzten wir uns mit den Plänen der Sozialdemokratie in Widerspruch, die eine Besteuerung auch zwischen Eltern und Kinder beantragte, und zwar schon bei einem Nachlaße von 1000 Tl. Von diesem Volks - und arbeiterfeindlichen Anträge der Sozialdemokraten sprechen deren Parteiblät ter allerdings sehr ungern. Da von den linken Par teien mächtig gegen die Kotierungssteuer agitiert wurde, schlug die Regierung die Talon steuer vor, die den kleinen Mann am wenigsten trifft. Untersuchen wir die wirtschaftspolitischen Verhält nisse der einzelnen Stände, so finden wir, daß es Sitte geworden ist, den einen Stand gegen den an deren auszuspielen. Wir können aber nur dann einer gesunden Zukunft entgegengeben, wenn Land wirtschaft und Industrie wegen der Fülle ihrer gemeinsamen Interessen zueinanderhalten. Gleiches Interesse haben Industrie und Landwirt schaft an einer vernünftigen Kolonialpolitik, wie das selbst der Sozialdemokrat Bernstein im „Vorwärts" zugibt. Dem Agrarier und dem Städter soll man im jetzigen Wahlkampf zurufen, an diese gemeinsamen Interessen zu denken. Im Handwerk stehen sich Kleingewerbe und Großbetrieb gegen über. Im Jntereße der Kleinen des Volkes ist ge sunde Handwerkerpolitik zu treiben, in deren Vorder grund die Fragen der Organisation stehen. Die Ve r s i ch or u n g s o rd n u n g der Privat, angestellten wird erheblich« Lasten bringen, aber unser« Volkswirtschaft ist so stark, daß sie diese soziale Belastung iwch aushalten kann. Die Staatsbeamten mögen eine Mahnung Hetzer- zigen: Die Volksstimmung für Beamtenforderungen ist nicht rosig. Der Grund hierzu maa darin lieaen, daß der Beamtenkörper sich zu ost abschloß von der Volksgesamtheit. Deshalb mag der Äeamtenstand sich in das Volk hineinfühlen lernen und bedenken, daß er des Publikums wegen da ist. Als Staats diener hat der Beamte nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gegen den Staat, er ist politisch gebunden. Daher darf ein Beamter die Sozialdemokratie nicht unterstützen. In der Arbeiterfrage wird Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung oft zusammengeworfen. Es gibt aber kein« arbeiterfeindlichere Partei, al» die So. Schulkrankheiten. Bon Dr. Paul Schenk. Die Schule wird für eine ganze Reihe von Lei den und Gebrechen verantwortlich gemacht, deren Ursachen außerhalb der Schule zu suchen sind. Es ist in der Gegenwart mehr und mehr üblich geworden, in der Schule eine Art Derbildungsanstalt für Geist und Körper zu sehen. Ellen Key spricht sogar vom Seelenmord in der Schule. Demgegenüber verdient besonders hervorgehobcn zu werden, daß die in der Schule und besonders die durch die Schule erworbenen Krankheiten an Umfang durchaus zurücktreten hinter die bereits beim Ein tritt in die Schule vorhandenen. Da sind zunächst die Verbiegungen des Rückgrates, die sogenannten Schulskolioscn. Sie sollen durch die schlechte Sitz haltung oder auch durch ungeeignete Schulbänke bei Len Schulkindern entstehen. In Wirklichkeit liegt die Sache so, daß eine beträchtliche Zahl von Kindern bereits mit schiefer Haltung, ungleichem Hochstand der beiden Schultern und entsprechender seitlicher Ausbiegung der Wirbelsäule in die Schule eintrftt. Unsere Arme sind gegenüber den Beinen insofern im Nachteil, als sie der regelmäßigen Muskeliibung, wie sie die Beine beim Laufen erfahren, entbehren. Der Mensch benutzt im Gegensatz zu seinen nach Darwin nächsten Vettern, den Assen, die Arme nicht mehr zur Fortbewegung. Beim Laufen und Treppen steigen pendeln die Arme als seitliche Anhängsel un benutzt nach vorn und hinten. Gleichsam in Erinne rung an die Vorstufe des aufrechten Ganges, den Kletterstützgang der Assen, werden von vielen Kin dern die großen Brustmuskeln noch besonders ange spannt, der Schultergürtel nach vorn gezogen, die Schulterblätter von der Wirbelsäule entfern: es ent steht der runde Rücken mit slüaelsörmig abstehenden Schulterblättern. Hier muß schon vor Beginn des Schulunterrichts planmäßig entgegengearbectet wer den durch gymnastische Ucdung der Arme im Sinne des schwedischen Turnens, Uebungen an Ringen, Kriechübiingen. Ein anderes Leiden, das die Kinder meistens be reits in die Schule mitbringen, sind die sogenann ten adenoiden Wucherungen, die Vergrößerung der Rachenmandel. Durch sie wird die Nasenatmung er schwert. Es ist vielfach üblich, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesen Wuche rungen und schlechten Schulleistiingen anzunehmcn. Wunderbare Besserungen der Aufmerksamkeit und der geistigen Leistungsfähigkeit nach Entfernung der Wucherungen im Rachen sind beschrieben worden. Diesen Uebertreibungen stehen Fälle gegenüber, wo di« Wucherungen wiederholt ohne nennenswerten Erfolg operiert worden sind. Hinzu kommt, datz im Pubertätsalter die durch die Wucherungen bedingte Erschwerung der Nasenatmung sich von selbst aus gleicht. Bei methodischer Gewöhnung an die Atmung durch die Nase dürfte sich die Operation der adenoi den Wucherungen in recht vielen Fällen als unnötig Herausstellen. Von jeher hat man die Kurzsichtigkeit als die *äufigste Schulkrankheit angesehen. In der Tat ist die Nötigung, lange Zeit nahe zu sehen, die aus lösende Ursache der funktionellen Kurzsichtigkeit. Diese Ursache wirkt jedoch nur Lei disponierten In dividuen. Die Kurzsichtigkeit ist die Folge einer Ver änderung in der Form des Auges. Die Hintere Hälfte des Augapfels verlängert sich unter dem Einflug von zwei Hauptfaktoren: Zunahme des inneren Augen drucks, Dünncrwerden der Hinteren äußeren Augen haut. Durch Bornüberneigen des Kopfes wird ein noch stärkerer Blutzufluß zum Auge erzeugt, als ihn die Sehleistung erfordert, die Anspannung der Augen muskeln trägt gleichfalls dazu bei, die Augen membranen zu schwächen und die Verlängerung des Augapfels zu begünstigen. Die Schule kann ihrerseits recht viel tun, um die Entwickelung der Kurzsichtig keit zu verhüten. In Frage kommen 1) lichte, gut beleuchtete Klassenzimmer; 2) groß und weitläufig gedruckte Schulbücher; 3) Sorge für gerade Haltung der Kinder; 4) öftere Ruhepausen beim Nahesehen. Die Fürsorge der Schule verliert freilich an Wert, wenn sie nicht durch verständnisvolle Mithilfe der Eltern bei der häuslichen Naharbeit (Lesen, Hand arbeitens der Kinder unterstützt wird. Die Schulinfcltionskrankherten sind ein beson deres Kapitel. Manche Eltern glauben, sie könnten ihr Kind vor jeder Ansteckung behüten, wenn sie es nicht nach der Schule schickten. In der Erogstadt sind jedoch die Kinder vor Ansteckung eigentlich nie mals sicher, wenn man sie nicht von jedem Verkehr ausschließen will. Derjenige Schularzt, welcher für jede Minder leistung eines Kindes in der Schule «inen körper lichen Grund zu finden weiß, ist sicherlich nicht der beste. Der Satz .Aloics kuna in eorixrv» .^nno" ist nicht richtig. Der bekannte Kinderarzt Professor Czerny betont mit Recht, daß mit prachtvoller kör perlicher Entwicklung alle möglichen Arten von Ner venschwäche und geistiger Minderwertigkeit wohl ver einbar sind. Und umgekehrt ist es bekannt, daß z. B. Schiller an der Tuberkulös« litt. Das; körperliche Mästung auch den Geist stärkt, ist eine ebenso un sinnige Annahme wie die so ost wiederholte Be hauptung. daß jeder Tropfen Alkohol die Note für die Schulleistungcn verschlechtere. Eine so innige Wechselbeziehung zwischen Körper und Geist besteht in der Tat nicht. Die ursprüngliche Geistesanlage und die periodischen Schwankungen in den geistigen Leistungen machen ihr Recht in ganz gleicher Weis« bei gut und schlecht genährten Kindern geltend. Di« vollkommenste Erziehung und ärztliche Beauf sichtigung wird die angeborene Anlage niemals von Grund aus zu ändern vermögen, di« Ueberschwrm- muna des Gehirns mit Alkohol aus einem Melan choliker niemals einen Sanguiniker machen. Die Rachenwuchcrungen sind bereits angeführt worden. Ihre radikale Ausrottung vermag ein schwachsinniges oder idiotisches Kind ebensowenig in ein intelligentes zu verwandeln, wie etwa die von andrer Seite gegen den Schwachsinn empfohlene Verabreichung von Schilddrüscntabletten. Bei der Einschulung kommen ziemlich viele Kinder zur Beobachtung, die geistig unter dem Mittelmaß sind. Der Schularzt wird besser tun, diese Kinder vorläufig noch zu Hause zu laßen, statt sie von vornherein einem besonderen, für geistig Minderwertige berechneten Unterricht zu überweisen. Bei Kindern ist die Gefahr recht groß, welche in dem Gefühl liegt, vor den anderen etwas „Besonderes" §u sein. Diese Gefahr ist engverwandt mit der- fenigen, welche den einzigen Kindern einer Familie droht. Diese „kleinen Götzen" werden oft genug in unverantwortlicher Weise verzogen. Ihnen wird alles nachgesehen. Sie werden zu Tyrannen ihrer Eltern. Ein schonungsbedürftiges, nervöses Kind im Besitze der Vollmacht, zu bestimmen, was ihm in der Ernährung und in Arbeit und Spiel guttut, das ist eine gräßliche hygienische Mißgeburt! Don diesem Gesichtspunkte aus erscheint zuweilen das besondere Man erhöhter Fürsorge, welches körperlich und geistig minderwertigen, aber doch schulfähigen Kindern dar- gebrackt wird, hygienisch nicht ganz unbedenklich. Denn in den Aeußerungen dieser Kinder erklingt zuweilen der für unsere Volksgesundheit so unge- Heuer bedrohliche Unterton: „Ich habe einen Vorzug vor anderen Kindern, denn ich stehe unter ärztlicher Uebcrwachung". Gewiß lönncn die Acrzte zufrieden sein, daß ihnen in der Gegenwart reichlich Gelegenheit gegeben ist, sich in der Sozialhygiene zu betätigen. Aber die ständige Wiederholung: „Du bist krank, djt bedarfst der Schonung, du kannst nicht so viel leisten wie andere", ist doch nur für eine beschrankte Anzahl von Fällen das geeignete Mittel, um den Kranken gesünder und leistungsfähiger zu machen. Der Er schöpfte, der Ucbermüdete bedarf sicher und vor allem der Ruhe, der Ruhe, der Ruhe. Aber schwache Mus keln — und zu den Muskeln gehört bekanntlich auch da» Herz — müßen geübt werden, wenn st« stärker werden sollen. Die Schulüberbürdungsfrage aber ist ein weites Feld, auf dem wir un» heut« nicht ergehen wollen. Sankt «nit kvillenschslt. * Im Königlichen Opernhaus« in Berlin ist es wegen der zweiten Besetzung des .Zosenkavalier" zu einem Konflikt gekommen. Wie schon seinerzeit vekanntgegeben, sollte Frau Margarete Arndt-Ober in der zweiten Besetzung den „Rosenkavalier" singen, Der Komponist soll sogar gewünscht haben, daß die Künstlerin die Partie in der Premiere kreiere. Nun soll, wie wir hören, Generalmusikdirektor Dr. Muck geäußert haben, daß, falls in der zweiten Besetzung nicht Frau Böqm van Endert den „Rosenkavalier" singe, er die musikalische Leitung des Werkes nieder legen werde. Frau Arndt-Ober beabsichtigt darauf, hin, um ihre sofortige Entlassung einzukommen. * Ein zweite» städtische» Theater für Bremen. Die Bürgerschaft von Bremen nahm mit großer Mehrheit den Senatsantrag an, das Tivolitheater für 916 500 anzukaufen, um ein zweites städtische» Theater herzustellen. * 13 2VV Mark für ein Beethoven-Manuskript. Leo Liepmannssohn in Berlin bot die Autographen- iammlungen Moscheles und Bovet aus. Die Auktion setzte vielversprechend ein. Sehr bemerkenswert scheint der hohe Preis, den ein Musikmanuskript von Beethoven erzielte. Das kostbare Stück, das die Skizzen zu „Missa solemnis" enthält wurde von Herrn Dr. Schwarz vom Antiquariat Eilhofer und Ranschdurg in Wien für den hohen Preis von 13 200 erworben. Ein zweites Beethoven-Manuskript, das Skizzenduch zum Cis-Moll-Quartett Opus l31, kaufte Herr Meder von Amsler und Ruthardt, Berlin, für 2050 .XL, und die Kantate „Der glorreiche Augenblick" brachte 900 Für das Manuskript des Andante aus Haydns „Sin fonie mit dem Paukensckiag" zahlte man 3000 für ein anderes Haydn-Manuskript mit dem Titel ,,^cen» compc^ta per m Linner» dirmti ä» ms Uiu<lppl- 35c0^l Für das Manuskript der Etüde Nr, 8 von Chopin gab man 550 .xi, für ein vom Sohn« de» Komponisten Moscheles, Felix Moscheles, gemalte» Porträt Gounods 600 Kunstchronik. Im Hotel Frommeter zu Gera lReußl ist eine Ausstellung wertvoller Gemälde er- offner. r, Hochschuluachrichteu. An der UniversitätMünster hat sich Dr. O. Braun, bisher Oberlehrer in Ham- bürg, al» Privatdozent für Philosophie niedergelaßen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)