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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140326018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914032601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914032601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-26
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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vonnerstay, 26. M8n lSl^. LeipHigrr Lagediatt. Nr. lS4. Morgen-Llusgave. Sette 7. NKWMUM Kuns! unc! wisseliseklatt Leipzig, 26. März. »Die Zierpuppe»" uud »Der eiugebildete Kranke im Alten Theater. Der so erfolgreichen Neuein studierung von Shakespeares „Diel Lärm um .Bchts" wurde gestern ein MoliSreabend an die Seite gestellt. Auch dieser wieder ein voller Erfolg, dem nur ein größeres Publikum zu wünschen gewesen wäre. „Die Zierpuppen" prSoieuses riäioulss) wurden gestern zum ersten Male überhaupt in der funkelnden und feinen Uebersetzung von Ludwig Fulda gegeben. VLolitzres Komödien vereinen den Gegensaß des Individuellen und Typischen. Ihre Menschen und Probleme sind ihrem Inhalt nach zeit lich ungebunden, ihrer Form nach aber zeitlich bedingt. Die gestrige Aufführung hatte den dekorativen Nahmen stark vereinfacht. Das ist berechtigt, insofern es sich bei Moliöre eben um das Spiel allgemeiner Charaktertypen handelt. Auch vergessen wir bei Moliöre fast nie, daß wir im Theater sind und ein Spiel, nicht Wirklich keit sehen. Nur ein aufs stärkste konzentrieren der Spiegel von ihr erscheint uns Molitzres Komödie. In ihr lebt die ganze Freude des Romanen am Theater als solchem. Darum eben ist die Darstellung hier das erste und letzte; das Dekorative tritt zurück. Das Spiel war im ganzen trefflich. Die Zierpuppen wurden von Claris sa Linden und Traude Merk mit liebenswürdiger Komik und viel Grazie ver körpert. Meisterhaft grotesk Stic ler als Mas- karill! Der eingebildete Zkranke wurde von Huth in einer famosen Maske hingestellt, und mit sicheren, kräftigen Strichen zeichnete sein Spiel die berühmte Type. Von den übrigen feien Gaston Demme als prächtiger Kumpan des Maskarill und dann als Doktor Diofoirus, Gustav Col m a r als verunglückter Freier und vor allem auch Frieda Rertys wackere Tri nette hervorgehoben. Auf Agnes Hammer lag der scharfe Akzent der Belindc. Regie führ ten Paul Prina in der ersten, Adolf Winds in der zweiten Komödie. Das Publi kum nahm die Neueinstudierungen in bester Laune auf. vr. Lrieäriob Ledrsobt. Neues Operettentheater. „Schürzenmanöver." Militäroperette von Walter W. Goetz«. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, dürste dieser Novität, die gestern ihre erfolgreiche Uraufführung erlebte, eine ganze Reihe von Wiederholungen beschicken sein, lßeht's diesmal doch nicht so sinnlos wie in manch anderer Operette zu. Hans Brennert hat es ver standen, nach dem Text von Gatti und Neidhart diesem Stück eine, allerdings durch eine Anzahl Episoden länger unterbrochene Handlung zugrunde zu legen, in der brauchbare, wenn auch nicht immer neue Gedanken verarbeitet werden. Schon das Milieu, in dem das „Schürzenmanöver" spielt, ist für den weitaus größten T«il unseres Operettenpubli kums nicht ohne Interesse. Dazu handelt es sich vor allem um Liebesangelegenheiten, um die Liebe zwischen der Baronin Hertha von Würbenau und dem Rittmeister Gerhardt. Freilich, daß sich zwei Men schen von Herzen zugetan sind, sich ihre Liebe gegen seitig nicht gestehen, vielmehr das Leben verbittern, bis sie nach langem Hin und Her schließlich doch „ein glücklich Paar" werden, ist eine alte Geschichte und ward gestern nicht zum ersten Male dargestellt. Dennoch folgte die Zuhörersckzaft mit sichtlicher Auf merksamkeit und Wohlgefallen dem Auf und Ab der Handlung, die zu erzählen dem Chronisten in An betracht der weit vorgerückten Stunde erspart bleibe. Nur soviel sei über den Titel dieser Militäroperette gesagt, daß der unerwartete Ausgang des Manövers von einer Schürz« bestimmt ward, die, am Ast eines Baumes befestigt, zu frühzeitig Heruntergcnommen wurde. Der Komponist Walter Koetze bietet hier weit Besseres als in seiner auch bei uns bekannten i Operette „Zwischen zwölf und eins". Herzlich wenig I weiß er allerdings in den Borspielen zu den einzelnen I Akten zu sagen. Sonst aber sucht er den Vorgängen I auf der Bühne nach Möglichkeit gerecht zu werden, liebäugelt sogar einig« Mal« mit der Oper, ilvenn auch nicht durch Originalität ausgezeichnet, klingt diese Musik doch gut, verwendet flotte Marsch- und Ta,Rhythmen. die mehrmals durch lyrische, bis weilen etwas sentimental angehauchte Partien unter brochen werden. Die Aufführung selbst nahm dank Kapellmeister Findeisens straffer Leitung und musikalischer Durcharbeitung einen sehr gelungenen Verlauf. Oberregisseur Groß hatte wiederum für künstlerisch äußerst geschmackvolle Bühnenbilder ge sorgt, hielt auch durchweg auf ein sehr flottes, lebens wahres Spiel. Unter den Hauptdarstellern gebührt Frau Untucht-Sturmsels an erster Stelle genannt zu werden, die ganz prächtig bei Stimme war und die Baronin mit viel Temperament spielte, von der Fabrikant Seibold, durch Herrn Haas aus gezeichnet wiedcrgegeben, mit Recht sagt, daß an ihr alles „Naße, alles erster Klasse, In" sei. In edlen Wettstreit mit ihr trat Herr M e r tz - L ü d e m a n n als Rittmeister Gerhardt. Gleich ihm bot auch Herr Wehle als Hauptmann mit dem Manöver-Lam- pcnfieber gesanglich wie darstellerisch sehr Lobens wertes. Viel Anerkennung fand auch oas zweite Liebespaar; der neugebackene Leutnant Herrn Gfallers und Frau Seuberts reizende Tbea. Mit einem Gesamuob mögen sich der Oberst Traut manns, der Reichsgraf Plöhns und die Damen Navarra und Marbach als Offiziersfraucn be gnügen. 6. H. Zwei Klavierabende. Herr Richard Singer hatte vorsichtigerweise unterlassen, anzuzeigen: „pünktlich" 8 Uhr Anfang. Infolge der 17 Mi nuten Verspätung konnten denn einige Personen noch die geringe Zuhörerzahl vermehren. Der Pianist zcrgte sich rin Verlaufe dieses, höchstens seinem eigenen starken Mitteilungsdrang ent sprechenden und befriedigenden zweiten Klavier abends kaum von eurer neuen Seite. Vor knapp achtzehn Tagen hatte er u. a. Liszt beifallsmert vorgetragen. Seine Auslegung Beethovens (dem noch Brahms folgte) liest viele Erwartungen unerfüllt. In des Meisters 32 Variationen fehlte es vornehmlich an Schattierung und Feinheit der musikalischen Nuance wie an Größe und Ruhe. Hier und in Beethovens Appassionata tauchten auch mancherlei technische Unebenheiten auf. An Stelle innerlicher Erregung trat oft eine nur gemachte äußerliche Aufgeregtheit, und bedeutsame Akzente mußten häufig zurückwcichen vor den Anwandelungen einer durck-aus pianisti- schen Naturalistik. Äi nahm man leider kaum etwas Nennenswertes von diesem Beethoven- Vorträge mit hinweg. Gerade konnte ich mich noch ganz verstohlen in den Kaufhaussaal hineinschlüugeln, als Herr Telcmaque Lambrino Schuberts Wan dererphantasie begann, der Werke Beethovens und Chopins vorangegangen waren. Mehr als je zuvor gravitiert dieses Künstlers Wesen zu seinem eigenen künstlerischen Heile zur Ab klärung und Entsagung aller virtuosen Himmels stürmerei. Nur im Finale wollte sie anscheinend noch etwas fürwitzig hervorschauen. Mit aus gezeichnetem Feingesühl für Tonschönheit und vornehme, dabei tiefgehende Charakterisierung gab Herr Lambrino fernerhin noch einige der Robert Schumannschen Phantasiestücke. Auch hier zeigte sich die gesteigerte Mittätigkcit des eigenen Fühlens in Verbindung mit jenem des Komponisten, die bewußte Betonung des poeti schen Gehalts und liebevoll vorsichtige, stets eine Künstlerhand verratende Ausgestaltung dynami scher Verschiedenheit. Lambrinos einstmals oft lobend, zuweilen auch tadelnd erwähntes Tem perament ist noch immer vorhanden. Aber es ist der Schönhcitsregel unterstellt und leuchtet, dann um so willkommener, ab und zu nur vor übergehend immer an der rechten Stelle auf. Zu einem Stimmungsbildc auserlesener Gat tung formte Herr Lambrino noch Claude De bussys „Röflets dans l'eau" uud gab damit eine voll überzeugende Probe seiner beträchtlich loeit vorwärrSgeschriltenen Anschlagskunst. Schubert- Liszts Erltönigübertragung beschloß den dem Pianisten lebhafte Ehrungen eintragenden Abend. Luxen Lexnitr. * Vortrag im Kunstgewerbeoerrin. Man hätte wohl «rwartet, daß die Ankündigung des Vortrags von Geheimrat D r. Peter Jessen (Berlins eine größere Anzahl solcher herbeigezogen Hütte, die dem Vorwurf einer leeren, fast schon osstziell gewordenen Hochachtung vor allem Amerikanertum entgehend, den besseren Teil erwählen, nämlich auf «ine möglichst tiefe und umfassende Kenntnis des We sens Amerikas bedacht zu sein. Da jede Kunst das nationale Wollen, die Eigentümlichkeiten einer Epoche in der louzentrierten Form von individuell bedeutsamen Gebilden zum Ausdruck bringt, so war cs ein weitgehenden Interesses sicheres Thema, über „Kunstleben und Kunstförde rung in Nordamerika" Erfahrungen und Urteile eines Mannes zu vernehmen, der das amerikanische Wesen in persönlicher Erinnerung festgehalten hat und mühe los aus dem Schatz seiner reichen Eindrücke in geist vollem Plaudcrton unter seine Hörer zu streuen ver mochte. — Eine eigentliche Kunstbetätigung existiert in Amerika keineswegs, sie könnte nicht bestehen, da die Lebensrichtung bei allem wertvollen idealistisck/en Einschlag überwiegend den Forderungen realer Tat sächlichkeit entsprechend verläuft. In Nordamerika, wo alles ästhetische Wollen verhältnismäßig noch am deutlichsten zu faßen ist, hat allerdings vor etwa 20 Jahren eine kräftige Bewegung angesetzt (vor allem Buchkunst und Plakat), die indes ihr Ver sprechen nicht zu halten wußte, sondern infolge der imitatorischen Tendenzen des alten Stils im Sande verlief. Obschon es keine großen, originalen Kunst schöpfer gibt, so hat sich doch ein rechter Sinn für das Zweckentsprechende, Entproportionierte, für das Echte. Gediegene der Materialien lebendig erhalten, das seit neuerer Zeit sich immer mehr nach einer gemein samen Richtung hin zusammenzuschließen scheint. Allen ästhetischen Bestrebungen voran stehen die wahrhaft vorbildlichen Organisationen des Kunst unterrichts, des Museumswescns, während die eigent lich kunstschaffenden Triebe — bezeichnenderweise — fast ausschließlich in architektonischen Aufgaben zur Geltung kommen: die vielstöckigen Kolossalbauten, die Bahnhofsanlagen, der Landhausbau. vor allem auch die Gartenkunst in weitestem Sinne, — hier lie gen (wie auch durch die Lichtbilder deutlich wurde) bedeutsame Möglichkeiten, die schon zum guten Teil realisiert sind, hier sind vielversprechende Ansätze, die im Verlauf der nächsten Generationen ausreisen könnten, um eil«: große, eigcnstarke Kunst einst zu ergeben. Oskar Beyer * * Aus den städtischen Theatern. Als weiteres Stück im heiteren Genre wird Sonntag im Alten Theater Mosers Lustspiel „Der Veilchensrcsscr" wieder in den Spielplan ausgenommen. Das unterhaltende und liebenswürdige Werk ist bekanntlich eines der ehemals meistgegebenen der deutschen Bühnen. Be schäftigt sind die Herren Hcyse, Mamelok. Reimers, Karsten, Colmar, Demme, Winds jr., Engst. Beßler usw. und die Damen Linden, Hammer, Schippang, Huth, Retty. Die Regie führt Herr Helimuth-Bräm. * Frederi Mistral gestorben. Einer der berühm testen Lichter Frankreichs ist dahingegangen, Frederi Mistral. In Maillane. seiner Geburtsstadt, ist er, wie uns aus Paris telegraphisch gemeldet wird, plötzlich verschieden. In seinen Dichtungen lebt die sonnige Glut der Provence. Er war ein Heimatdichter im höchsten Sinne. Seme landschaft lichen Schilderungen sind von lebendigster Anschau ung. Wahr und innig spricht aus ihm das Gefühl. Am bekanntesten wurde sein Epos „M irei o", das er 1859 veröffentlichte und das viel später auch in einer deutschen Uebersetzung von Bertuch erschien. Es ist eine einfache Geschichte, die unglücklich ausgehende Liebe eines armen Bauernburschen zu einer reichen Bauerntochter, die der Dichter behandelt Aber wie er den schlichten Stoff gestaltet, zeugt von seinem eigensten Können. Mistrals Kunst entwickelt sich unter dem Einfluß von Jousü Rouma- nrlle. Mit Theodore Aubanel und anderen Freuden schloß er sich 1854 zum Bund der Felibre zusammen. Die Heimatsprache zu adeln und zu för dern war eines der Haup ziele jener jungen Dichter gemeinschaft. Seit 1855 gaben sie dann einen pro- vencalischenMusenalmanach heraus, nrinaua proven^m, der bis in unsere Tage sich gehalten und die neu- provencalische Dichtung in weite Kreise getragen hat. Mistral ist 84Jahre alt geworden. Er war ursprünglich Jurist; in Avignon hatte er studiert; bald nach Abschluß seiner Studien aber zog er sich in die ge liebte Heimat zurück Mistral ist vielfach durch Ehrungen ausgezeichnet worden. So erhielt er 190l mit Echeguray zusammen den Nobelpreis für Literatur. Von seinen weiteren Werken seien „Calendan", „Nerto", „ l-n rvino ckeanne" und ,,1'oümk! ckn lkkb'nv" hervorgehoben. Eine deutsche Uebersetzung der Gedichte Mistrals wurde von Sleinitz IWO in Hendels Biblio thek der Gesamtliteratur veröffentlicht. - Hans Kysers Stück „Die Erziehung zur Liebe" dürfte freigegeben werden, nachdem am Mittwoch als Vertreter des Herrn v. Jagow Oberregierungsrat von Glasenapp im Berliner Deutschen K ün st lert Heater einer General probe des Stückes beigewohnt hat. * Zum Rektor der Kgl. Landw. Hochschule Berlin wurde für die Amtszeit vom l. April 1914 15 Professor Dr.O.L e mmermann gewählt und als solcher vom König bestätigt. Professor Dr. Lemmermann ist der Inhaber des Lehrstuhls für Agrikulturchemie und Agrikulturbaktcriologie. Er wurde 1869 geboren und studierte in Göttingen und Jena. In Jena promo- vierte er im Jahre 1897 auf Grund einer Arbeit über die Bedeutung der Pflanzen- und Bodenanalyse zur Er kennung des Kalibedürfnisses der Böden und erwarb da selbst im Jahre 1900 die vevin lexonäi. — Die Habili tationsschrift behandelte das Thema „Kritische Studien über Denitrifikationsvorgänge". Am 1. April 1914 erhielt er einen Ruf als Direktor der agrikultur chemischen Versuchsstation für die Provinz Branden burg und am 1. Juni 1905 übernahm er zugleich die etatsmäßige Professur für Versuchswejen und Bakteriologie der Königlichen Landwirtschaft lichen Hochschule. Die zahlreichen Arbeiten Lemmermanns und seiner Mitarbeiter liegen nament lich auf dem Gebiete der Pflanzenernährung, der Bodenchemie und Bodenbakteriologie sowie der Düngung. — In den letzten Jahren ist Professor Lemmermann auch lebhaft für die gesetzliche Rege lung des Handels mit Düngemitteln, Futtermitteln, Sämereien, eingetreten. - Abgelehnter Ruf. Der Professor der Physis- logie an der Höllischen Universität Emil Abderhalden lehnte, wie uns aus Halle drahtlich gemeldet wird, den an ihn er gangenen Ruf, im Herbste Vorlesungen in New Pork und Washington <zu halten, ab. * Ein wirtschaftlicher Verband bildender Künstler ist jetzt auch in Düsseldorf gegründet worden, nachdem im vorigen Herbst eine vorbereitende Ver sammlung sich einstimmig für eine Organisation zur Wahrung und Förderung der wirtschaftlichen Inter essen bildender Künstler ausgesprochen hatte. Dem Düsseldorfer Verband sind sofort an 70 Künstler und Künstlerinnen beigetreten. In den Vorstand wurden gewählt die Maler H. Angermeyer, E. Daelen, W. Fritzel, P. Greeff, L. H. Heyne, Prof. P I. Junahanns, A. Kaul. E. Pfannekuchen, Th. Nocholl, I. Thiessen. F. Westendorp, H. Wettig. G. Wittschas, Frl. Neumüller und Bildhauer Heinz-Müller. Der gute Name. 16) Roman von Georg Engel. 1913 dv VretU'em 6- 60., O. m. k. kl. 1,8ip7.iss.) „Sylvia, du sollst mich hören," befahl 'er ruhig, und diese tiefe Stimme wirkte noch immer io mächtig auf das erregte Weib, daß es stehen blieb und lauschte. Heftig fuhr der Wind über den hohen Wall, die Kronen der Bäume rauschten und ächzten, und ganze Wolken dürrer Blätter wirbelten um die beiden einsamen Wanderer. Der Kapitän legte dem verwirrten Mädchen die Hand auf die Schulter und blickte zu Boden, als suche er nach möglichst schonenden Worten. „Höre, mein Kind," sagte er endlich ernst und eindringlich, „es ist Zeit, daß wir uns übereinander klar werden. Ich weiß, daß du mich liebst, und auch ich habe dich so leiden schaftlich begehrt, wie es den Mann nur immer ,nm Weibe treibt, aber noch weiß ich nicht, ob du dauernd zu mir halten wirst." Sylvia regte sich, als wollte sie sprechen, aber nur ein halblauter Ausruf kam über ihre Lippen. „Und deshalb," fuhr Holstein unbeirrt fort, „will ich dir als ehrlicher Geselle berichten, wie es um mich steht. Du täuschst dich, wenn du glaubst, daß ich ein Aristokrat sei wie du. Ich bin nicht Aristokrat, nicht Bürger, nicht Prole- rarier, und deshalb einsam, solange diese drei Menschenklassen unvcrmischt nebeneinander Hau fen. Das ist das Erste. Und nun zum Zweiten. Man hat mich ge ächtet und gewissermaßen für vogelfrei erklärt, weil ich das Schicksal habe, der Sohn eines elenden Mannes zu sein, der dem Zuchthause nur durch Schurkerei entrann. Das ist nicht ab getan und wirkt fort und wird meinen Kindern cnlgcrechuet werden, genau so wie mir, und die fremde, schuldlose Mutter wird mich verwünschen. Und nun das Letzte. Ich bin nun einmal in diese Welt, die ich innerlich belächle, zurück gekehrt und zum großen Teil durch dich fcstgehal- ten worden. Was ist der Schluß, Sylvia? — Hierzulande geht es nicht anders, man muß eine der drei Standesuniformen tragen, oder die Luft zum Atmen wird dem Uniformlosen abgesperrt. Deshalb aber werde ich mich mit Gewalt gegen eins der verschlossenen Tore stemmen und muß den Mann, der mir beharrlich im Wege steht, niedertreten. Tas ist dein Vater. Keine Rücksicht, keine Bitte kann mich abhaltcn. Er muß fallen, und wenn du mein sein willst, so darfst du den Liegenden nicht aufhcben. Kannst du das?" Ein Windstoß wehte über den Wall und warf ein paar Steine von der Mauer, sonst störte nichts das tiefe Schweigen zwischen den beiden. „Du kannst es nicht," sagte der Kapitän endlich ruhig, obwohl ihn ein tiefes Weh in diesem Augenblick durchfuhr. „Dann hast du dich redlich geprüft und gehst ohne Lüge von mir." Langsam zog er seine Hand von ihrer Schulter zurück. „Lebe wohl, Sylvia." Er wandte sich. „Ich liebe dich," schluchzte Sylvia halb be sinnungslos und v.erbaim ihr Haupt in den Händen. „Ick) liebe dich!" War es das Unerwartete, nicht für möglich Gehaltene, daß den Kapitän bei diesen Worten die kühle Besinnung verließ? Hastig zog er die leidenschaftlich Weinende zu sich empor und küßte ihr wild Mund, Stirne und Augen. Und immer wieder, immer wieder fragte er dabei zweifelnd: „Also du willst meiu sein, mein, des Geächteten Weib?" „Ich will dir überallhin folgen," flüsterte Sylvia kaum vernehmlich, „bedingungslos, wahl los, nur sei immer so gut zu mir, wie du es jetzt bist." Und nun nahm sie seinen Kopf in ihre Hände und erwiderte zum ersten Male seine Zärtlichkeiten. Als sich das schöne Weib so weich und hingebend an ihn schmiegte, als ihn diese herrlichen Arme fest und immer fester umfingen. da umnebelte den starken Mann ein Rausch, wie er ihn noch nie gekannt. Triumphierend hob er den schönen Körper zur Höhe und eilte mit seiner Last unter den dunklen Bäumen dahin. „Sylvia, du schönes, angebetetes Kind," raunte er dabei der Lauschenden ins Ohr, „jetzt bist du mein, wie du es nie wieder werden wirst. Und deshalb laß den Augenblick nicht entfliehen, sei stark und bleibe gleich bei mir, als mein mutiges, opfecvolles Weib, ohne noch einmal in die Welt, in der du früher lebtest, zurückzu kehren. Nein, nein, du zitterndes Trotzköpfchen, bleibe gleich bei mir! Vielleicht ist cs morgen schon zu spät. Uud du hast nichts zu fürchten. Denn, wenn auch die ganze Kumpanei mit Ritter rüstung und Pfaffengeplärr in unser Nest dringt, Kapitän Holstein ist der Mann, sie mit einem Fußtritt von dannen zu jagen! Glaubst dn mir das?" „Ja," antwortete Sylvia lächelnd, „das glaube ich!" „Nun," rief Holstein mit erstickter Stimme, indem er die schlanke Gestalt hoch in die Höhe hob, „dann laß ich dich nicht mehr." Von neuem wollte er sie an sich pressen, aber sic entschlüpfte ihm und huschte hinter einen Baum. Und ernst und mahnend sprach sic von dort: „Heinrich, was du zuletzt fordertest, kann ich noch nicht erfüllen. Das mußt du ciusehen. Ich bin nicht von deiner rücksichtslosen Ent schlossenheit und kann nicht alle Brücken au^ein mal abbrcchen. Mein Vater, der in der Stadt Geschäfte hatte, erwartet mich in einiger Zeit. Ich werde zurückkehren und ihm in den nächsten Tagen bei einer günstigen Gelegenheit meinen unabänderlichen Entschluß mitteilen. Das bin ich mir schuldig, und dann werde ich auch gegen seinen Willen zu dir eilen. Aber ich werde nichts unversucht lasssen, meinen Vater zu bestimmen, dir das unselige Gut freiwillig zu übergeben." Holstein bewegte sich. Doch ehe er noch seine .Hand von neuem nach dem Mädchen ausstrecken konnte, hatte sic sich gewendet, und ihre Stimme klang schon aus größerer Ferne herüber: „Gute Nacht und auf Wiedersehen!" Bald darauf war sie in der Dunkelheit ver schwunden. Der Kapitän blickte stolz in den sternenlosen, wolkenumzogcnen Himmel hinauf. Jetzt zweifelte er nicht mehr, sie war stark uud treu. Er hatte das schönste Weib der Erde in seinen Armen gehalten. Und morgen schon, morgen vielleicht schon war sie sein — morgen? Er schüttelte sich plötzlich. Die Erinnerung an das Duell zauberte ihm ein Schreckbild vor Augen. Wenn er morgen bereits auf einer Bahre in sein Haus getragen würde, und die unheim lichen Totenglocken für ihn läuteten? Konnte ein possenhafter Zufall nicht gerade so gelaunt sein? — Unsinn! Er fuhr sich über die Stirn und stürmte der Sladt zu. * * * * Den Abend hatte der Kapitän noch mit dem Doktor verlebt, und dieser Abend war den Freunden in traulichem Gespräch vergangen. Am nächsten Morgen, lange vor Sonnen aufgang, holte ihn der Prinz von Königstein ab, und beide Herren fuhren in tiefem Schweigen durch die Stadt und weiter über die Chaussee bis ans Meer. Hier verließen sie das Gefährt und stiegen in ein Boot, das sic nach einer un- sollt "le" Sanddüne mitten im Wasser bringen Als Holstein in das Schisflein hcrabsprang, taucht«; dre Sonne aus dem rauschenden Meer heraus, rote Strahle schossen über das tiefe Blau, und die Wellen schlugen stärker an den Kahn. "euer Tug," sagte der Prinz halblaut vor sich hin. Der Kapitän antwortete nicht. Er stand ans- recht im Kahn und sah auf das cntscnwindende Land zuruck, von dem die Nachtsck-atten langsam entflatterten. (Fortsetzung in der Abendausgabe.) Lsxlsknvr's Sittsi-quvIIe NUkiVÜVI
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