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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140326018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914032601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914032601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-26
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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SeUr 2. ür. l54. Morgen-üusgsve. Leipziger Tageblatt. Oonnerstsg. 2S. Mn 1914. poliliseke UebeMetil Zur Stichwahl in Sorna-Pegau. Am heutigen Donnerstag soll es sich end gültig entscheiden, ob das Mandat des Reichs tagswahlkreises Borna-Pegau einem natio nalen Manne erhalten bleibt, oder ob es wie 1903 eine Beute der Sozialdemokratie wird. Zählt man die Stimmen des aus der Stichwahl ausgefallenen nationalliberalen Kandidaten Nitzschke zu den Stimmen des in die Stich wähl gelangten reichsparteilichen Kandidaten von Liebert, so ergibt sich ein Bor sprung des Bürgertums gegenüber der Sozial demokratie um rund 3000 Stimmen. Deshalb darf aber niemand am Wahltage müßig sein, wenn anders er nicht seine nationale Pflicht verletzen will. Bon den zuständigen n a t i o- nalliberalen Stellen ist wiederholt in öffentlichen Kundgebungen aufgefordcrt wor den, das; die Nationalliberalen des Wahlkreises ihre Stimme in der Stichwahl Herrn v. Li ebert geben sollen. Es ist zweifellos, doch diese vom nationalen Standpunkt selbstverständliche Wahl losung von allen nationalliberalen Wählern befolgt wird. Denn, mögen auch starke Gegensätze zwischen Konservativismus und Liberalismus vorhanden sein, die Kluft zwischen Liberalismus und Sozialismus ist unüberbrückbar. Das wird sich am Wahltag jeder nationalliberale Wähler in Borna-Pegau sagen, und so wird er denn auch entsprechend handeln, um einen Sieg des sozialdemokra tischen Kandidaten auszuschließen. Auch aus dem fortschrittlichen Lager heraus sind Erklärungen führender Persönlichkeiten zu gunsten der Kandidatur von Liebert erfolgt. Es ist zu hoffen, dcch wie kürzlich im Wahl kreise Jerichow, so auch in Borna-Pegau die Fortschrittler diesem Rufe folgen werden. Wenn dann alle nationalen Kräfte gemeinsam handeln, dann kann der Erfolg für die natio nale Sache nicht ausbleiben. Darum auf zur Wahl des nationalen Kandidaten. Kaiser Wilhelm un- -er König von Italien in Venedig. König Viktor Emanuel wurde am Müttwvrh bei feiner Anknnft in Venedig trotz des Regens von einer zahlreichen Volksmenge erwartet. Auf dem Bahnhöfe hatten sich der deutsctfe Botschafter von Flotow, die Spitzen der Zivil- und Mlitürbehörden, Abgeordnete, Senatoren, Offiziere, aus dem Gefolge, des putschen Kaisers sowie viele andere hervor- ragcnde Persönlichkeiten eingefunden. Der König trug, als er von San Giuliano gefolgt dem -Hofzuge entstieg, kleine GeneralSunifvrm. Er wurde von den Anwesenden herzlich begrüßt und dein: Verlassen des Bahnhofs vom Publi kum mir einer lebhaften Kundgebung empfangen. Der König begab sich mit dem italienischen Mi nister des Aeußern Marquis di San Gin- lianv, Vizeadmiral Garelli, seinem Genc- raladjutanten Brusati sowie dem übrigen Ge folge nach dem Palazzo Reale, wo er nm 9 Uhr einlraf, von den Mannscl-aften der dentschen Kriegsschiffe und der italieniscl-en Torpedoboote mit drei Hurras begrüßt. Vom Balkon ans dankte der Monarch für die dargebrachten Kund gebungen. Um 10 Uhr begab sich der König an Bord der „Ho Heu zoll er n", die die Flagge Savoyens gehißt hatte. Kaiser Wilhelm, der, einem Vorschlag des Königs folgend, von einer besonderen Erwide rung des Besuches dcS Königs bei dem schlect)- ten Wetter Abstand genommen hatte, begab sich mit Gefolge gegen 1 Uhr von der „Hohen- zollern" nach dem Königspalast, trm dort an der F r n h st ü ck s ta f e l teilzunehmen. Das Publikum brachte dem Kaiser lebhafte Zlund- gcbungen dar. Bei dem Frühstück sahen der Kaiser und der König nebeneinander in der Mitte der Tafel, rechts vom Kaiser Marquis di San Giuliano, links vom König Botschafter von Flotow. Nach Beendigung der Tafel erschienen die Majestäten auf dem Balkon nach dem Markusplatz zu, wo eine große Menschenmenge die Monarchen mit begeisterten .Hurrarufen und Hüteschwenken be grüßte. Um 2V, Uhr begaben sich der Kaiser und der König auf das Kriegsschiff „Gäben", um es zu besichtigen. Ver Rochette-fiusfchuß. Wie aus Paris, 28. März, gemeldet wird, ver nahm der Nochette-Ausschuß am Mittwoch vormittag Monis, Caillaux und Fabre, welche ver eidigt wurden, sowie Maurice Bernard, welcher schwor, er werde vorbehaltlich des Berufgeheim nisses die ganze Wahrheit sagen. Iaurss betonte die Wichtigkeit der Daten, an denen die Unter redungen >,wischen Bernard und Caillaux, sowie zwischen Monis und Fabre stattgefunden haben. Caillaux gab die ausdrückliche Erklärung ab, Bernard habe zum ersten Male am 24. März mit ihm von der Nochctte-Angelegenheit gesprochen. Bernard versicherte, er habe eine einzige Unterredung mit Caillaux über den Fall Röchelte gehabt; er beuritt nicht, daß diese am 24. März stattgesunden habe. Monis sagte aus, er habe Fabre am Nachmittag des Tages m sich berufen, wo Caillaux mit ihm die An gelegenheit besprochen habe; er könne aber nicht das Datum genau angeben. Bernard erklärte, wenn es der 24. März gewesen sei, als er bei Caillaux und Fabre geweilt habe, so habe er bereits vor seiner Unterredung mit Caillaux gewußt, daß der Aufschub bewilligt würde. Als Caillaux oorschlug, von seiner Unter redung mit Bernard zu berichten, erklärte die ser, er werde nichts bestätigen oder ableugnen. Cail laux erzählte darauf. Bernard habe ihm bei der Zu sammenkunft versichert, er habe durchaus Ruhe nötig und würde nicht imstande sein, am 27. April Rochette zu verteidigen. Er beabsichtige, den Gerichtspräsidenten Bidault um Aufschub zu bitten, der auf keine Schwierigkeiten stoßen würde, abgesehen von dem Widerstande Fabres, den er fürchte. Auf die Frage Caillaux' habe Bernard ge antwortet, der Aufschub würde keinen Nachteil mit sich bringen, und hinzugosügt: Wenn ich Monis kennen würde, so würde ich ihn fragen, ab die Regierung Einwendungen machen wird. Er, Caillaux. Hohe erwidert: Sie bitten mich, an Monis die Frage zu richten, ob die Regierung gegen einen Aufschub Einwendungen erheben wird? Nach dieser Aussage Caillaux' nMrdt Bernard von der Kommission über seine Unterredung mit Fabre verhört. Er erklärte, er habe mit Fabre nicht von Caillaux gesprochen. Fabre versicherte das Gegenteil. Bernard stellte dem ein abso lutes „N e i n" entgegen und sagte, er habe sich bei Fabre vorgestellt, nachdem er die Nachricht erhalten habe, daß der Aufschub bewilligt fei. Monis gab an, Caillaux allein habe mit ihm von der Rochctte-Angelegenhcit gesprochen. Staats anwalt Fabre habe sich in seinem Protokoll geirrt. Fabre r>ersicherte, das Schriftstück sei nicht vor datiert. Er habe es Anfang April Scherdling und Bloch-Laroquc vorgclescn. Caillaux stellte darauf ausdrücklich in Abrede, von dem Vorhandensein des Schriftstücks gewußt zu haben. Weiter erklärte Cail laux, entgegen gewissen Gerüchten habe er keine Be ziehungen zu der Bank von Venezuela gehabt. — Hier auf wurde die Sitzung auf Nachmittag vertagt. Deutsche» Reich. * Aus dem 8. städtischen Landtag-wahlkreise wird uns geschrieben: Die Geschäftsführung der national liberalen Vereine im 8. städtischen Landtagswahl- trcise veranstaltete am Montag eine öffentliche Ver sammlung in Strehla. Der große Ratskellersaal war voll besetzt. Das Thema lautete: Die sächsische Bezirkspolitik und das Babnprojekt Riesa- Strehla—Belgern—Torgau. Nach den Begrüßungs worten des Versammlungsleiters Parteisekretärs Hilmer nahm Abgeordneter Beda-Wurzen das Wort. Der Redner schilderte die Verkehrspolitik der letzten Jahre und erinnerte dabei vor allem an den Ankauf der Kohlenfelder, die Talsperrenpolitik und die Wegebauangelegenheiten. Dann kam er auf die Autolinien und das Eisenbahnwesen zu sprechen. Der Staat sei bestrebt, dort Autolinien einzurichten, wo ein Bahnverkehr unmöglich sei. Aussührlich ver breitete er sich über die Neuanschaffungen an rollen dem Material und über neue Bahnbauten. Kurz streifte der Redner noch den sogenannten Eisenbahn krieg und kam sodann auf die beiden Bahnprojekte Oschatz—Beigern sowie Riesa-Strehla-Belgern zu sprechen. Er meinte, daß es bedauerlich wäre, wenn das Hinterland von Oschatz nicht aufgeschlossen würde; er versicherte, daß er nach wie vor den Bau der Bahn von Oschatz nach Belgern befürworten werde, auch die Deputation stehe dem Projekt günstig gegen über. Mit der Versicherung, daß er, Abg. Beda, auch ferner die Interessen von den Strehlaer Ein wohnern und namentlich auch der Industrie wahr nehmen werde, schloß der Redner seine mit lautem Beifall aufgenommenen Ausführungen. Nach leb hafter Aussprache schloß der Versammlungsleiter mit Dantesworten an den Vortragenden und die Debatte redner, sowie mit dem Wunsche, daß die beiden Bahn projekte bald zur Verwirklichung kommen möchten, die vortrefflich verlaufene Versammlung. * Der Nationakliberale Verein Wittgenvdorf und Umgegend hielt am Dienstag abend seine Haupt versammlung ab Nach dem Jahresbericht hatte er auch im letzten Geschäftsjahr Mitgliederzuwachs zu v-rzeichnen, der hauptsächlich auf eine lebhafte Be tätigung nach außen hin zurückzuführen ist. Den Einnahmen von 214 76 ./L standen Ausgaben von 117,31 ./L gegenüber. Der Gesamtvorstand mit Fabrik- direltor Frötscher an der Spitze wurde wieder gewählt. An Stelle des infolge Wegzugs ausschei denden KaßenwartsBuchbalters Weißenfels trat Prokurist Austel. Nach Erledigung der geschäft lichen Angelegenheiten hielt Parteisekretär Näther einen mit lebhaftem Beifall ansgenommenen Vor trag über: „Das liberale Landtagswahlabkommen für 1915". G * Besuch des Kaisers in Wiesbaden. Wie die Intendanz der Kgl. Schauspiele in Wiesbaden mit teilt, ist der Aufenthalt desKaisersin Wies baden endgültig für die Zeit vom 13. die 18. Mai festgesetzt worden. Während dieser Zeit werden die alljährlichen Maifestspiele im hiesigen Hoftheater stattfinden. * Die Reise des kronprirrzenpaares in die Kolonien aufgeschoben. Wie das Wolffsche Telegraphen bureau hört, gelangt die Reise der kronprinzlichen Herrschaf- ten in die deutschen afrikanischen Schutzgebiete in diesem Frühjahre noch nicht zur Ausfüh rung, da es sich als unmöglich herausgestellt hat, die Reise in der zur BcMgung stehenden Zeit so v«G,- bereiten, wie es nach der koionialpolitischen Bedeu tung und dom informatorischen Zweck erwünscht er scheint. * Kronprinz und Kanzler. In der,Frkf. Ztg." war vor einigen Tagen in einem Feuilleton dem Kronprinzen zu verstehen gegeben worden, daß er besser getan hätte, die öde Veranstaltung des Berliner Sechstagerennens nicht mit seinem Besuch zu beehren. Die „Verl. Neuesten Nachr." schreiben dazu: In den Kreisen, die es wißen müßten, wird versichert, daß der Reichskanzler sein b e - sonderes Wohlgefallen an diesem Aufsatze und die Absicht geäußert habe, ihn auch dem Kaiser zur Kenntnisnahme vorzulegen. * Die Neuregelung des Waffengebrauchs. Der „Berl. Lok.-Anz." kündigt an, daß die Neuregelung des Waffengebrauchs des Militärs im Frieden für Preußen und Elsaß-Lothringen nunmehr devorsteht. Wie wir auch schon einmal hier schrieben, be schränkt sich diese Neuregelung auf Preußen und Christian Zrieörich Daniel Schubart, lgcb. am 26. März 1739). Zu Schubarts 175. Geburtstag. Von Geh. Hofrat Pros. Dr. Oskar F. Walzet. In Arnim und Brentanos Sammlung „Des Knaben Wundcrhorn" erscheint mitten unter alt- heimifchcn Volksliedern ein Gedicht, das nur wenige Jahrzehnte alt war, als Arnim cs in das ..Wundcr horn" aufnahm. Es war nicht Arnims Absicht ge wesen, den Verfasser besonders zu ehren, indem er dem Gedicht den Ruhmestitel eines Volksliedes bei legte. Ganz im Gegenteil hatte er das Gedicht in allen Dörfern auf ein hundert Meilen herum singen hören, ohne zu ahnen, wer der Dichter sei. Wie ein echtes Volkslied, unmittelbar aus dem Munde des Volkes, war es an sein Ohr geklungen. Hinterdrein erfuhr er, daß cs eine der glücklichsten Schöpfungen des Schwaben Schubart sei. Ein Buchhändler klärte ihn auf. So berichtet Arnim selbst in einem Briefe an Jakob Grimm vom 14. Juli 1811. Schubarts „Kaplied" — das wird bezeuat durch Arnims Erlebnis — ist ein echtes Volkslied ge worden. Es ist aus einen Ton gestimmt, der den Deutschen des ausgehenden Jahrhunderts tief ins Herz dringen mußte. Ein trauriges Bild deutjck>en Lebens lut sich auf, wenn seine Entstehung zu be richten ist. Herzog Karl Eugen von Württemberg suchte wieder einmal seine leeren Kassen zu füllen und verkaufte einige tausend seiner Untertanen an die Holländisch cstindische Kompanie, die am Kap der guten Hoffnung Soldaten benötigte. Vergeblich waren die bitteren Anklagen gewesen, die Schiller in „Kabale und Liebe" gegen den Schacher mit Sol daten erhoben hatte. Mit grimmer Ironie deckt hier der alte Kammerdiener die Mittel auf, die dem Fürsten es möglich machen, seine Maitreffe mit Brillanten zu überschütten: ,^Sie tosten ihm keinen Heller. Gestern sind siebentausend Landcskindcr na h Amerika fort. — Sie zahlen alles. Lauter Frei willige. Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verlaust? — aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter aus dem Paradeplatze ausmarjchieren und die M.rul affen nicderschießen Wir hörten die Büchsen knallen, strhen ihr Gehirn aus das Pflaster ivritzcn, und die ganze Armee schrie: Juchhe, nach Amerika!" Nicht in sarkastischem Galgenhumor, sondern um ehrlich zu trösten setzt das Kaplied ein: Aus, auf! ihr Brüder, und seid stark, Der Abschiedstag ist da! Schwer liegt es auf der Seele, schwer! Wir sollen über Land und Meer Ins heiße Afrika. Und dann wandelt das Lied sein Thema „Es muß geschieden sein" ab. Es klingt aus in ein freund liches Zukunftsbild: gesunde Ankunft in Afrika, braves und gutes Leben im fernen Land: sagen «oll man dort, die Deutschen seien brave Leut, sic haben Geist und Mut. Und trinken auf dein Hoffnungskap Wir seinen Kütterwein: So denken wir von Sehnsucht weich, Ihr fernen Freunde, dann an euch; Und Tränen fließen drein. Schubart will nicht aufwiegeln, er will die armen Kerle über den Schmerz des Abschieds weg täuschen. Er schrieb am 22. Januar 1787: „Der Ab zug wird einem Lcicbenkondukte gleiä>en, denn Eltern, Ehemämwr, Liebhaber, Geschwister, Freunde verlieren ihre Löhne, Weiber, Liebchen, Brüder, Freunde, — wahrscheinlich auf immer. Ich hab ein paar Klagelieder auf diese Gelegenheit verfertigt, um Trost und Mut in manches zagende Herz auszu gießen." Er fügte noch an: „Der Zweck der Dicht kunst ist, nicht mit Geniezüaen zu prahlen, sondern ihre himmlische Kraft zum Besten der Menschheit zu gebrauchen." Gleich dem „Kaplied" sind noch andere Gedichte Schubarts in den Vollsmund übcrgegangen. Aehn- liches wie Arnim widerfuhr später den Sammlern Erck und Böhme. Als sic ihren „Liederhort" zu- sammcntrugcn, tönten ihnen, zersungen wie alt heimische Volkspocsie, „Des Invaliden Mahnung" und „Der Bettelsoldat" ans Volksmund entgegen; und sic reihten die Sänge ihrem Buche ein, ohne nach dem Dersasser zu fragen. Hoffmann von Fallers leben billigte vollends mehr als einem Dutzend von Schubarts Liedern zu, daß sic volkstümlich geworden seien. Fest muß der Beurteiler von heute diese Tatsache einer unleugbar starken Wirkung aus das deutsche Bolksgcmüt im Auge behalten, soll er dem Dichter nicht ungerecht werden. Wer an Schubarts Lieder einen strengkn und feinen ästhetischen Maßstab legt, der wird schwerlich ein günstiges Verhältnis zu dem Dichter Schubart gewinnen. David Friedrich Strauß, der Biograph Schubarts und Sammler seiner Briefe, entwickelt in der Charakteristik des Lyrikers Scbubart ein Sündenregister seiner künstlerischen Un arten. Ein Uijähriges Mädchen wird an ihrem Gc burtstag von ihm angeiungcn: ..Fluch dem stechen Schattenungebener. Fluch der Wollust, wenn sie dich beschleicht!" Oder die unschuldige Lina muß zur Un schuld flehen: Wenn Wollust, die Schlange, so lieblich gefleckt. Sich unter den Blumen des Frühlings versteckt, Und eh' sie sich rüstet zu tödlichem Stich, O himmlische Göttin, so warne du mich! Von solchen ungefügen, hanebüchen groben Der-, deutlichungen geht es unvermittelt weiter zu seraphischen Klängen, die dem Dichter des „Messias" abgelauscht sind. Und dazwischen fehlen nicht Triva- litäten, die leidigcrweise noch mit dem Anspruch auftrcten, etwas bedeuten zu wollen. Endlich gelingt dem Sänger Schubart nicht ost, das Gefühl sich aus sprechen zu lassen, sondern er spricht, mitunter in platter und nichts weniger als geistvoller Betrach tung, über das Gefühl: „Jeden Zug der Snmpathic fühlt mein armes Herz durch sie " „Ewig soll mich nun entzücken diese Scelensvmpathie; diese süße Zärt lichkeit, die uns Lherubsschwingen leiht." Selten nur wird ein rein lyrischer Ton durch ein ganzes Gedicht hindurch festgehalten. Mag Schubart immerhin einmal ein Gedicht ge schaffen haben, das in Goethes Sesenheimer Lieder buch stehen könnte, ganz gewiß weisen feine Lieder Schwächen, die von dem prächtig emporwachsenden Baum deutscher Lyrik damals schon längst überwun den waren. Nicht nur Goethe, auch die Sänger des Göttinger Hains waren zu seelisch vertiefterem, künst lerisch reinerem Gefühlsausdruck gelangt. Selbst Bürger, dessen Seele gleichfalls nicht harmonisch genug gestimmt war, um ihn vor lyrischen Entglei sungen zu wahren, gerät im Bewußtsein genial rück sichtsloser Pinselführung minder oft auf Schubarts Abwege. Schuld an diesem Zurückbleiben, an diesen Opfern, die schubart einer älteren, bildungsärmeren Art deutscher Poesie brachte, ist zum guten Teil das Land, in dem er aufwuchs, ist der künstlerische Tief stand Schwabens um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Beim Abschluß der klassischen Zeit deutscher Lite ratur ist das ganze deutsche Sprachgebiet in den Umkreis dichterischen Schaffens cinbezogen, und im Süden wie im Norden herrscht ein reger Wett bewerb, herrscht ein eifriges Streben, hinter den Führern der Literatur nicht zurückzublcibcn, ia sie zu überholen. In den folgenden Jahrzehnten vis in die Gegenwart hinein wird diese gleichmäßige Höhe der Leistung gewahrt. Wohl blickt dann und wann ein engerer Kreis deutscher Bildung, im Glauben, cs weiter gebracht zu haben, herab auf andere deutsche Eeoicte. Allein die Selbstüberschätzung darf nicht lange bestehen; mindestens überläßt heute weder der Süden dem Norden, noch der Norden dem Süden Sen Ruhm, eigentliche Heimstätte deutscher Dichtung zu sein. Gern übersieht angesichts dieser gewohnten Verhältnisse der rückschauende Beobachter von heute, wie langsam und wie spät einzelne Land schaften im 18. Jahrhundert sich der Litcraturentwick- lung angeschlossen haben. Die Führung hatten auf dem ansteigenden Wege Sachsen und die Schweiz übernommen. Ziemlich rasch dehnte sich das Gebiet reiferer Bildung ans. Aber noch zur Zeit, da Goethe Elsaß-Lothringen. E» steht eine einheitliche An weisung für die Truppen aller deutschen Kontingente, die in Elsaß-Lothringen stehen, bevor. In den letzten Tagen sind noch einige strittige Einzelheiten zwischen dem bayrischen und württembergischen Kriegsmini sterium geordnet worden. Diese neuen Bestimmungen, die für alle in Elaß-Lothringen stehenden preußischen, bayrischen, württembergischen und sächsischen Kontin gente gelten werden, stellen im wesentlichen ein Kompromiß zwilchen den in Preunen und Süd deutschland gegenwärtig in Kraft befindlichen Vor schriften über den Waffengebrauch des Militärs im Frieden dar. * Wiederholte» Dementi. Die in letzter Zett von verschiedenen Blättern in Umlauf gefetzten Gerüchte über angeblich in Kürze bevorstehende Personalver änderungen an der Spitze des Auswärtigen Amtes und auf mehreren Botschafterposten sind, wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" erfährt, unbe gründet. — Wir gaben davon bereits in der gestrigen Abendnummer Kenntnis. * Der Entwurf eines Eisenbahanleihegesetzes iSe- kundärbahnvorlage) ist dein preußischen Abgeordneten hause zugegangen. Der Entwurf fordert insgesamt 566 211 600 Mark. Im einzelnen sind zum Bau von Haupt- und Nedeneisenbahnen sowie zur Beschaffung von Fahrzeugen infolge des Baues dieser Eisenbahnen 117473000 Mark vorgeiehen. Zur Herstellung von zwei ten und weiteren Gleisen werden 174 823000 Mark, zu weitern Bauausführungen 33 565000 gefordert. Zur Beschaffung von Fahrzeugen für die be stehenden Staatsbahnen sollen 173 200000 zur Weiteren Förderung des Baues von Kleinbahnen 6 500 000 verwendet werden. Schließlich fordert der Entwurf zum Erwerb des Cronberger Eisen bahnunternehmens 650 000 * Ter Deutsche Arbeitgeberbund für das Bau- qewerbe, der sich mit 30 Bezirks-, Landes- und Piovinzialverbänden sowie 11 unmittelbar an- aeschtossenen Ortsverbanden über das ganze Deutsche Reich erstreckt und auch den Betonarbeitgeber verband für Deutschland mit umfatzt, hat auf seiner in Eisenach unter dem Vorsitz von Architekt Behrens-Hannover tagenden Generalver sammlung heute einstimmig den Beitritt zur Ver einigung der Deutschen Arbeitgeberverbände be schlossen. Durch den Beitritt dieser Verbände, deren Mitglieder rund 250 Arbeiter beichäftigen, hat die Zentralorganisation der Deutschen Arbeitgeberver bände eine weitere bedeutsame Stärkung erfahren. Ausland. Rußland. * Tie Fabel vo» der Reuaruppierung der Mächte. Aus Petersburg, 25. März, wird telegraphrsch berichtet: Bezüglich der Meldung eines Petersburger Blattes, ein Würdenträger hätte in unmittelbarem Auftrag aus hohen Kreisen in Paris und Berlin Unterredungen über die Möglichkeit einer Neu- gruppierung der Mächte aufderBasis einer Teilung Oesterreichs gehabt, äußert die halbamtliche „Rossija", der Name des Würden trägers sei nicht genannt, doch könne jedenfalls ge sagt werden, daß die von ihm geäußerten Ansichten, sollten sie nicht vollständig Phantasiegebilde eines Journalisten sein, die Ansichten der leitenden rus sischen Kreise nicht widerspiegelt. -Ubaulea. M L * Lag« tz. Südalbani«..Asts!, U t he W. 25. Marz, wird berichtet: Die Zustände rn Nordepirus verschlimmern sich von Tag zu Tag. Der griechische Oberst a. D. D o u l i s, der an der Spitze der epiro tischen Armee steht, hat, wie ich aus besonderer Quell« erfahre, all« notwendigen Dispositionen ge troffen, um eine kräftige Offensive gegen die Albanier anzufangen. Munition und Nahrungs mittel sind in großen Mengen vorhanden. Es besteht Warum Wli- lriu m°» schön mrökil kann. Erfahrene Damen verwenden als Jdeal-Toi- LLLL INvrrdolillselto weil sie sich durch ihren Gehalt an edlem Myrrholin mit seinen antiseptischen, heilenden und neubildenden Eigenschaften seit fast 20 Jahren als einzigartige Toilette-Eesundheitsseife bewährte. ckoos« seine Erstlinge der Welt schenkte, wollte man einem Sohn des östlichen Mitteldeutschlands so wenig künst lerisches Können zutrauen, daß Goethe und seine Umgebung — zunächst sein Genosse Klinger, ein Frankfurter wie Goethe —, sich dem Vorwurf aus gesetzt sahen, aus einer ungebildeten und geistig wie künstlerisch zurückgebliebenen Gegend könne nichts Rechtes heroorgehen. Dem Zeitalter, daß noch immer gern antikisch sprach, wenn es das Nächst liegende bezeichnen wollte, galten die Frankfurter als Böotier. Nicht minder verächtlich als ein Sohn Athens und Landsmann des Sophokles oder Platon über bäuerisch gebliebene Thebaner äußerte sich Lichtenberg über die Frankfurter Genies. Als Goethe und Schiller zwanzig Jahre später die „Lcnien" drechselten, galt noch der ganze katholische Süden als „köotisch", Bayern ebenso wie das Land der Phüaken an der Donau. Der junge Schiller erlebte daheim, wie die Frage erwogen wurde, ob die armen Schwaben unter einem so bv »tischen Himmel wohnen, daß die herrliche Pflanze des Genies bei ihnen nicht gedeihen könne. Er betrachtete Schwaben wie einen erkältenden Nor den des Geschmacks. Gegen «inen Großsprecher, der durch ein Almanachbündchcn die schwäbische Wildnis in ein Land der Musen umgewandelt zu haben meinte, erging er sich in Spott und Hohn. Auch ihm, dem größten Dichter Schwabens, lag etwas von dem un ausgeglichenen uns ungebärdigen Wesen, das damals der Kulturstufe seiner Heimat eignet«, im Mut. An den lyrischen Gaben seiner Jugend tritt es zutage, greifbarer, mindestens störender als an seinen ersten dramatischen Schöpfungen, deren kraftgenialischem Wurf auch groteske Derbheiten nur dienen konnten. Schier gigantisch sind die Geschmacklosigkeiten der Ge dichte, die Schiller 1782 in seiner „Anthologie" Kot. Sprach da der gewollte Zynismus eines jungen Medi ziners mit, so hatte noch das Naturevangelium des Sturmes und Dranges Mitschuld an dem Schmutz, den Schillers Iugendgedichtc mit Wollust auswühlen. Der strengen Form- und Sprachzucht, die der deutschen Dichtung bisher anfgezwungen worden war, entliefen die Stürmer und Dränger. Ungebrochen sollte sich der Mensch aussprechen. Wahr wollte man sein. Don Kraft und Saft strotzende Dichtung war der Wunsch der Zeit. Goethe entging den Gefahren, die den Aposteln des Evangeliums drohten. Er durfte sein Innerstes künden, und er durfte auch kraftgeniale Ge bärden wagen, ohne ins Widerliche zu verfallen. Schon seinen unmittelbaren Gefährten und Alters genossen, Klinger etwa und H. L. Wagner, war gleiches nicht vergönnt. Schubarl war volle zwanzig Jahre älter als Schil ler. Das Schwaben, n dem er aufwuchs, stavd noch <mf weit niedrigerer Bikkungsstufe als da« Schwaden,
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