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Morgen - Ausgabe Nir LeZpzZa und Vorvrt» durch uufer« LrSaer ^«AUAVpr»!^». UN» «prdtknire »mol tdgNch tu» Hau» gedrucht: »»nntNch 1.23 M.. »lerteyährUch 3.73 M. Sri der VeschäftosteU». unser« ZtUalrn uad Nusgadeftellen adgeholt: monatlich IM-, vierlrljdhrllch 3 M. vurch dl, Post: Innerhalb veutschlaud» und drr ürutschen stolonlea «ooalllch 1^0 M., olerteljährstch d^d M.. auoschlleftltch postdesteUgelü. V«, Leipziger Lo-edlott «rschetat Werktag, »mal. Sonn» o.Zeiertageimal. 2« Leipzig, den Nachbarorten und den Orten mit «larnrn Zilloieu wird di» stdrudauogad» noch am stdrnü de» «rschrinen» tu» Hau» geilrsrrt. «erlincr NcSaktion: 3n Sen Zelten 17. Zcrnsprech»5n>chluH: Moodlt Nr. «»7. /irntsbloL des Rottes und despoUzeuuutes der Stadt Leipzig «edaMoa und cheschdstostrlle: Zobanntogast» Nr.». » Zerasprech-stoschluS Nr. 14d»2. ,»»»3 und l«d»4. ISS. Jahrgang . für Inserat» au» Leipzig und Umgebung die /lUAuIAenpkklse« >spalt>gep»titz»ii«23ps.,dl»«»klonie'r ic> M.« vou auowürt» 3d Pf., N»klamen 1.2» M., stleine Anzeigen Slepetitzcile nur 2dpf.b.wied«5l,ol.Nad.,2nseratc vonSehdcdrn im omtlichenLeil die Petit» -eile ro ps. cheschäftoanziigen mit plabvorschrift «m Preise erhöht, ttadatt nach Laris. Setiagru: iv«samtausl.sM.üa»Lausend au»schl.postc«dtihr. finz«>gea»staaahmr: Zohannisgoss« 5, de« sdmtlichcn Filialen Seo Leipziger ilagedlatte» und allen ftnnoneen-Lxpedirionen de» 0n» und stuslanüe». Srschäfl»st»U« für Verltn u.dte pr.0raaüendurg Direktion Wolter Zliegel, Srrlto D >d MargarethenstraS» «. Zernsprech-stnschluft: Lunsw S»7l. Nr. 1S4. Vonnrrswy, den 2ö. lkläc;. 1914. Vas Wichtigste. * Die Erste Kammer erledigte am Mitt woch Eisenbahnangelegenheiten und einige Etatkapitel. (S. Ber.) * In der Zweiten Kammer wurde am Mittwoch die vorletzte Rate für den Bau des Hauptbahnhofs in Leipzig bewilligt. (S. Art. u. Ber.) * Am Mittwoch sand in Venedig eine Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem König von Italien statt. (S. Pol. Uebers.) * Wie verlautet, ist die Reise des Kron prinzen nach den Kolonien für dieses Jahr aufgegeben worden. (S. Dischs. R.) * In der r e ichs l ä n d is ch e n Ersten Kammer wurde mit 17 gegen 10 Stimmen eine Resolution angenommen, die sich gegen die Herabminderung der Repräsenta tiv ns ko st en des Statthalters ausspricht. (S. des. Art.) * Die Londoner Presse erwartet den Rück tritt des Kriegsministers Seely und rechnet mit dem Rücktritt des ganzen Kabinetts. (S. Leitart.) * Bor dem Rochette-Ausschuß wurden am Mittwoch Monis, Caitlaux, Fabre und Bernard vereidigt. (S. bcs. Art.) * Der provencalischc Dichter Frsdöri Mistral ist in Maillane gestorben. (S. Kunst u. Miss.) * Eine von Angehörigen aller Kreise des Leipziger Spanes besuchte Versammlung beschloß, einen Leipziger Sport-Ausschuß , zu gründen. (S. Ep. u. Cp.) Vie LVirren in knglanst. London, 25. März. (Draht meld.) Man erwartet für morgen eine Ent, scheidung über das Schicksal der Regierung. Der Kriegsminister Seely hat wegen des Widerstandes gegen seine militärischen Vorschläge seinen Rücktritt angelündigt. Er beriet heute mit dem Marineminister Churchill über ein gleichmäßiges Bor, gehen. Das Ministerium trat zu einer Be ratung der Lage zusammen. Hr Ueber Nacht kann sich in England Be deutsames ereignen. Nach den heute eingelau fenen Nachrichten steht die gegenwärtige Regie rung vor einem Zusammenbruch. Sie kann die Dinge nicht mehr halten, und selbst wenn sie sich im Parlament noch einmal behaupten sollte, so sind doch ihre Tage gezählt. Das englische Volk steht vor einer schweren Entscheidung und vielleicht — vor einem Bürgerkriege. Man würde an eine solche Möglichkeit nicht glauven, wenn nicht durch die militärischen Maßnahmen gegen Ulster diese Gefahr deutlich erkennbar gemacht worden wäre. Die Regierung selbst rechnete mtt der Notwendigkeit eines Vorgehens zu Lande und zu Wasser. Also muß es mit deu Dingen in Ulster schlecht stehen. Der Gedanke, daß Militär zur Verhütung oder zum Niederschlagen eines Aufstandes ent sandt wird, hat für den englischen Bürger etwas höchst Ungemütliches. Es würde uns nicht anders zumute sein. Für den Engländer liegt darin eine Erschütterung überlieferter Begriffe. Er stellte sich das Militär immer als ein notwendiges Uebel vor, und wenn auch nach dem Buren kriege die Achtung vor dem Heerwesen gestiegen sein mag, wenn auch die Sorge vor der berüch tigten „Invasion" dazu führte, daß die Heeres- reform nicht aus dem Gesichtskreise schwand, so ist dem Volke der Gedanke, das Heer könne auf englischem Boden etwas zu tun bekommen, unfaßbar, und noch viel unfaßbarer ist ihm tue Tatsache, vor der man seit einigen Tagen mit verblüfften Augen steht: die Androhung eines militärischen Aufruhrs zu politischen Zwecken! Die Weigerung einer Anzahl irischer Offiziere, sich nach Ulster kommandieren zu lassen, ist nichts anderes als Gehorsamsverweigerung. Dabei handelte es sich aber offenbar nicht nur um „Gefühle", sondern um politische Absichten. Die konservative Partei hat sich ihrer guten Ver bindungen »u hohen aristokratischen Offizieren bedient und diese haben sich bereit gefunden, „mit zumachen", d. h. sie tun der konservativen Par tei den Gefallen, in der kritischsten Stunde der liberalen Regierung in den Rücken zu fallen. Und das ist für England neu: die Einmischung des Militärs in die Politik! Das stimmt in der Tat nicht zu der hohen Meinung Englands von der Vorzüglichkeit seiner Verfassung und seiner parlamentarischen Einrichtungen. Es war bis anhin kein Streit darüber, daß das Heer so gut wie die Polizei der Regierung Gehorsam schulde, ganz einerlei, ob nun eine liberale oder eine konservative Regierung am Ruder sei. Mit diesem idealen Zustand scheint es nun vor bei zu sein. Und all dies wegen Homerule! Die englischen Politiker also, die von Anbeginn behaupteten, die Homerule-Politik werde zu einer schweren Erschütterung des englischen Staatswesens führen, sind heute vollauf gerecht fertigt. Was wird sich zunächst ereignen? Die libe rale Regierung, die vor acht Jahren mit Lamp- bell-Bannermann die Herrschaft antrat, wird auffliegen. Die Neuwahlen werden voraussicht lich die Tory-Partei ans Ruder bringen, und ihr erstes wird sein, das Homerule-Wert in die Ecke zu werfen. Zum Heile Englands ? Das ist die Frage. Denn eine neue Enttäuschung so nahe vor dem Ziele werden die Iren sicherlich nicht hinnchmen wie ein unabänderliches Ge schick. * * * Es liegen folgende Drahtmeldungcn vor: Die Auflehnung der Offiziere.' London, 25. März. Aus den über die letzten Er eignisse beim irischen Kommando veröffentlich ten Schriftstücken geht folgendes hervor: Bevor Ge neral Eough nach Irland zurückkehrte, fragte er namens der Offiziere am 23. März schriftlich beim Generaladjutanten an, ob sie, falls die Homerule Ge setz würde, aufgerufen werden könnten, dies Ulster aufzu zwingen. In der Antwort, die General Eough am 23. März zuging, wurde er ermächtigt, den Offizieren mitzuteilen, der Armeerat sei über zeugt, daß der mit den Entlassungsgesuchen zu sammenhängende Zwischenfall auf ein Mißverständnis zurückzuführen sei. Die Regierung müsse das Recht der Verwendung aller Streitkräfte in Irland wie anderswo behalten, um Gesetz und Ordnung aufrecht zuerhalten und die Zivilbehörden bei der regel mäßigen Ausübung ihrer Pflicht zu unterstützen. Die Regierung beabsichtige nicht, dieses Recht zu be nutzen, um die politische Opposition gegen die Grund sätze der Homerulebill zu Zerschmettern. — General Paget teilte am 26. März um Mitternacht dem Kriegsamt mit, daß ein Brigadegeneral und 57 Offi ziere der Kavalleriebrigade es verzögen, ihren A b schied zunehmen, wenn sie nach dem Norden kommandiert würden. Krieasminister Seely er mächtigte daraufhin General Paget, unverzüglich alle älteren Offiziere, die ihr Entlassungsgesuch ein gereicht hätten oder auf andere Weise seine Autorität in Zweifel zögen, vom Dienst zu suspendie ren: ferner befahl Lord Seely General Eough und den übrigen Offizieren, sich wfort beim Kriegsamt zu melden. Er gab Anweisung, sie des Kommandos zu entheben. Offiziere zum Ersatz wurden abgesandt. Es liegt eine Denkschrift des Kriegsministers Seely über die Unterredung vor, die er am 16. Dezember mit einigen höheren Offizieren hatte. Ueber die Pflicht des Soldaten erklärte Seely, das Gesetz sage deutlich, daß der Soldat dem Befehle zu schießen nur zu gehorchen brauche, wenn cs den Um ständen gemäß vernünftig sei. Wenn daher Offiziere und Mannschaften z. B. zu einem Blutbad gegen eine Ausschreitung von Orangisten, die nicht gefährlich sei für die Nachbarn, aufgeboten werden sollten, wäre es in der Tat und nach dem Gesetz gerechtfertigt, wenn sie daran dächten, den Gehorsam zu verweigern, so schlecht dies auch auf die Disziplin wirken müßte. Niemals habe man daran gedacht, den Truppen übertriebene und ungesetzliche Befehle zu geben. Man habe nur die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß die Truppen zur Unterstützung der Zivilbehörden zum Schutze von Leben und Eigentum aufgeboten werden könnten, wenn die Polizei überwältigt würde. Gegenüber den Versuchen, die Truppen zu überred.'n, den gesetz mäßigen Anordnungen nicht zu gehorchen, erklärte Lord Seely den Generalen, er mache jeden von ihnen dafür verantwortlich, daß gegen jede derartige re volutionäre Haltung den Bestimmungen des Königs gemäß oorgegangen werde. London, 25. März. Die „Times" meldet aus Dublin: Die Verhandlungen der Offiziere im Kriegsministerium verliefen sehr stürmisch. Feld marschall French erklärte ihnen, daß ihre Hand lungsweise die schärfste Strafe verdiene. Erst das Dazwischentreten des Feldmarschalls Lord Roberts wirkte besänftigend. Zum Schluß unterschrieb Feld marschall French ein von den Offizieren aufgesetztes Schriftstück, in dem er bestätigt, daß die Offiziere keinen Befehl erhalten würden, gegen Ulster zu kämpfen oder Homerule mit Gewalt d u r ch z u i e tz e n, und daß sie dies c-en anderen Offi zieren mitteilen dürften. General Eough und Oberst Mac Ewan wurden bei ihrer Rückkehr nach Curragh begeistert empfangen. Truppen be gleiteten sie in ihre Quartiere und brachten drei Hurras auf sie aus. General Gough dankte für den Willkommgruß und gab den Truppen die Versicher ung. daß sie nicht nach Ulster gesandt werden würden. Daraus brachen die Truppen von neuem in Hoch rufe aus. London, 25. März. Die Abendblätter sprechen von der Entlassung gewisser Minister, beson ders des Kriegsministers Seely. — In einem Ar tikel der „Westminster Gazette" heißt es, daß eine Armee, di« der Regierung ihre Bestimmungen diktier«, die Freiheit und öffentliche Ordnung bedrohe. Das Blatt fordert, daß die Regierung ohne Zögern eine deutliche Sprache führe. — Während der Abhal tung einer Sitzung des gesamten Kabinetts ließ man Sir John French nach Downingstreet kommen. — Di« Arbeiterpartei hält heute noch, wie die Rede Wards rm Unterhaus« beweist, zur Regierung, ist aber mit der schwächlichen Haltung Asquiths sehr unzufrieden. Unruhen in Belfast. London, 26. März. Gestern und heute nacht kam es mehrfach zu Zusammenstößen zwischen der lärmenden Menge und der Polizei. Es wurde mit Revolvern geschossen. Eine Anzahl Unruhe stifter wurde verhaftet. Für morgen planen die Nationalisten eine große Kundgebung. Vie Zweite Kammer uaö -er Leipziger Hauptbahnhof. Stimmungsbild aus dem Landtage. rg. Dresden, 25. März. Am Mittwoch stand auf der Tagesordnung der Zweiten Kammer eine große Reihe von Eisen- bahnangekegenheiten. Die Regierung hat Len Ständen ein Eisenbahndekret zugehen lassen, das eine Anzahl alter Verkehrswiinsche be friedigt. eine noch größere Zahl freilich unbefriedigt läßt. Von verschiedenen Seiten kam im besonderen die Genugtuung der Kammer darüber zum Ausdruck, daß der so lang ersehnte Bau einer Eilenbahnlinie von Wurzen nach Eilenburg nunmehr der Erfüllung entgegengehen soll. Zu einer umfänglicheren Aussprache lam es erst bei Puntt 5 der Tagesordnung. Es wurden da 5 000 003 ./L als siebente und — wie der komervative Abg. Rentsch betonte — als vorletzte Rate zum Ausbau des Leipziger Hauotbahnhofs gefordert. Von allen Seiten des Hauses gab man der Freude Ausdruck über das gewaltige im allgemeinen wohlgelungene Werk und dem Dank an alle, die zu feiner Voll endung beigetragen haben. Der Dank wurde aus drücklich auch bezogen auf den Berichterstatter, den nationalliberalen Abg. Gleisberg, der sich seiner nicht eben einfachen Aufgabe in geradezu mustergültiger Weise entledigt hat. Natürlich ver gaß man nicht, trotz der allgemeinen Freude auch Verbesserungswünslhe vörzubringen. So zeigte der nationalliderake Abg. Dr. Loebner eine ganze Reihe von Kleinigkeiten, wo Verbesserungen möglich und angedrächt seien. Der Fortschrittler Günther wies darauf hin, daß die Zu- und Ab- gangsveryältnisse bei diesem Bahnhofe, dem größten des Kontinents, doch viel zu wünschen übrigließen und keineswegs ungefährlich seien. Es sei an der Zeit, an eine Untertunnelung dieses Zuganges zu denken. Darüber war man natürlich einig, aber schwieriger gestaltete sich die Frage, wer diese „Reform' bezahlen solle Herr Günther meinte, der Staat, und er verteidigte diese Meinung damit, daß er sagte, der Staat müsse für einen ge sicherten Zugang sorgen. Ganz anders der Herr F i n a n z m i n i st e r, der die Kosten der Unter- runnelung der Stadt aufburden möchte. Die übrigen Punkte der Tagesordnung betrafen Eisenbahnpetitionen rein lokaler Natur. Au -en Anfragen im Reichstage. Es wird uns aus Berlin geschrieben: Der Reichs tag beschäftigte sich zu Beginn seiner gestrigen Sitzung wiederum mit „Anfragen" Es gehört viel Uebel- wollen dam, in dieser sich mehr und mehr bewähren den Einrichtung eine Gefahr sür die sonstigen Ge schäfte des Reichstages, wie einst die Gegner jedes parlamentarischen Fortschrittes prophezeiten, zu er- vlicken. Die „Anfragen" wurden in etwa zehn Minuten erledigt. Eine erfreuliche Unter brechung der leise dahinplätschernden Beratung des Reichshaushaltes. Gerade im Gegensätze zu jenem Gebrauche, der mit Recht auch in diesem Blatte be klagt wurde, daß zu jedem einzelnen Punkte jede Fraktion einen Redner stellt, wobei meist ber eine nur „unterstreicht", was schon ein anderer genügend gesagt hat, wird hier im engsten Rahmen eine Fülle von Stoff behandelt, ohne oaß Dritte eine Auseinandersetzung daran knüpfen können. Die Vorschriften der Geschäfts ordnung und die ganze Natur der Einrichtung zwingen den Amrager und den Antworter zur Knapvoeit, Bestimmtheit und Klarheit. Das Ergeb nis ist darum meist ausserordentlich wertvoll. Selbst verständlich wird auch einmal ungeschickt „gefragt". Das prägt sich bann auch in rer Antwort aus, ist aber gewig keine Eigentümlichkeit des parlamen tarischen Lebens. Die Frage über den Einfluß be stehender Staatsverträge aus die Wehrbeitragspflicht der Ausländer istngestern vom Reichskanzler dahin beantwortet worden, daß die Staatsverträge der Anwendung des Gesetzes nicht emgegenstehen, eine Ansicht, die schon vor kurzem rn diesen Blättern vertreten wurde. Unmöglich hätte diese Antwort erteilt werden können, wenn etwa die bete.ligten Stelloertretungsämter — Reichsschagamt, Auswär tiges Amt, Reichsiustizamt — nicht einverstanden gewesen wären, ^.enn sie sind die verfassungsrecht lichen Or ane des Kanzlers. Natürlich ist damit der Entscheidung der obersten Verwaltungsgerichte nicht vorgegriffen woroen. Welche innere Bedeu tung aber die Meinungsäußerung des Kanzlers trotzdem hat, weiß jeder, der Sinn und Gefühl für unser öffentliches Leben besitzt. Nebenbei bemerkt: theoretisch stunde leider nichts im Wege, daß die Entscheidungen der partikularen Verwaltungsgerichte in der Ausländerfrage von einander abwichen, und man sieht, wie vernünfrig doch der Vorschlag der Liberalen im Reichstage war, schon jetzt ein gemein sames Reichsfinanzgericht über Fragen der Reichs finanzgesetzgebung entscheiden zu laßen. Was sonst die „Anfragen" anlangt, so betrafen gester zwei unsere auswärtigen Beziehungen. Das Schicksal eines verflogenen Luftschiffers und unsere konsularische Vertretung in Aden. Die Antworten waren knapp und erschöpfend. Keine Rede davon, daß etwa — wie es wohl in England von seilen der Opposition geschieht, — der Regierung Schwierig keiten bereitet werden sollen. Es ist im Gegenteil gar nicht ausgeschlossen, daß eine kluge Negierung einmal dankbar dafür ist, daß sie eine Erklärung, für die es sonst an einer passenden diplomatischen Form fehlen würde, im Rahmen einer „Antwort" abgeben kann. Das ist, wie für ängstliche Gemüter bemerkt sein möge, kein Uebergriff der Volksver tretung in die Exekutive. Es wird nur sozusagen eine Brücke geschlagen. Regierung und Volksver tretung, die sich sonst leider oft wie zwei Prozeß parteien gegenüber stehen, werden einander näher gebracht und auf die Gemeinsamkeit ihrer Inter essen hingewicsen. Nichts berührt die Nation mehr als die Führung ihrer auswärtigen Angelegen heiten: ein Satz, der unbegreiflicherweise lange Zeit verkannt war, aber angesichts steigender allgemeiner Volksbildung mehr und mehr zur Geltung tommt. Ist die Frage nicht dienlich oder gar schädlich: nun, die Sprache der Diplomatie ist reich genug, um unbequeme Enthüllungen vermeiden zu können. Wirklichen Hebelgriffen kann jederzeit begegnet werden. Es besteht ver fassungsrechtlich nicht das geringste Bedenken, die Beantwortung einer Frage abzulehnen. Die Veran lassung dazu wird bei zunehmendem Gemeinschafts gefühl — worin schließlich die wahre Bedeutung der ganzen Einrichtung liegt — immer seltener werden. Es wäre ungerecht, behaupten zu wollen, daß das Fragerecht auch nur von einer Seite im Reichstage gemißbraucht worden wäre. Alle Parteien bedienen sich der neuen Be fugnis, nur die Herren von rechts nicht. Sie glauben offenbar, daß sie sich damit etwas vergeben würden. Sie finden sich aus ihrer isolierten Stellung nicht heraus und haben nicht den Mut einzugestehen, daß sie sich früher geirrt haben. Aber auch das wird vorübergehen. Der Kampf um -ie Kepräseatatioasgel-er -esStatthalters-erReichslan-e. In der rcichsländischen Ersten Kam mer begründete Oberlandesgerichtspräsident Dr. Molitor folgende Resolution: Die Kammer bleibt nach wie vor bei ihrer in den beiden letzten Fahren ausgesprochenen Auf fassung, daß eine Herabminderung der Repräsentationskosten des Statthalters nicht begründet ist und der verfassungsmäßigen Stellung des Statthalters nicht entspricht. Zur Begründung führte Dr. Molitor u. a. aus: Er bedauere, daß der Wert der Statthalter'chaft im Hause angezweiselt werde. Die Bedeutung Lieser Institution im Anschluß an die Ereignisse in Zabern jetzt herab mindern zu wollen, wäre eine Trutzpolitik und eine Rückwärtsrevidierung der Verfassung. Die Frage sei die: Hält die Erste Kam mer die Stellung des Statthalters sür so überflüssig und wertlos, daß es gerecht fertigt erscheint, die bisherigen 200 000 Ul betragen den Repräsentationskosten auf die Hälfte zu kürzen'? Bürgermeister Blumenthal führte aus: Die Ausstattung der Statthalterschaft mit 100 000 Ul ge nüge den höchsten Ansprüchen. Die Elsaß-Lothringer seien demokratisch veranlagt und nehmen sich die Schweizer zum Vorbilde. Der Statthalter möge seine freie Willensbestimuiung so aussühren, wie er es wünsche. Wenn sein Wille nicht überein stimme mit der freien Willensbestiininung des Reichs kanzlers, was dann? Die Ereignisse der letzten Monate hätten den Beweis erbracht, daß der Reichs kanzler der Direktor der elsaß-lothringi chen Polittk sei. Die Statthalterschaft und die neue Verfassung hätten nichts geändert an dem preußischen Enttluß. Rach wie vor bestehe die Tatsache der Ab hängigkeit von Berlin. Der Reichskanzler habe den Schein beseitigt durch seine Darlegungen über die Bundesratsstimmen. Die Regierung sei bis, her nicht in der Lage gewesen, zu sagen, was der Statthalter getan habe, um den Reichs kanzler in die gesetzlichen Schranken zu verweisen. Solange dies nicht der Fall sei, werde kein Mensch glauben, daß man cs mit einer dem Geiste der Verfassung entsprechenden Politik in diesem Lande zu tun habe. Der Statthalter hätte fallen müssen, weil er durch die Haltung des Reichs kanzlers plötzlich aufs Trockene gesetzt woroen fei. Damit habe die Institution der Statthalterschaft einen Stoß erlitten, von dem er sich nicht mehr er holen könne. Die landesherrlichen Befugnisse seien so minderbedeutcnder Art, daß sie auch untergeordneten Stellen übertragen werden könnten. In allen wichtigen Zachen entscheide und repräsentiere der Kaiser. Neben ihm werde der Statthalter stets in den Schatten gestellt. Staatsrechtslehrer Prof. La band wünschte, daß dem Statthalter ein im Etat begründetes G e - halt ausgeworfen werde. Bürgermeister Sch wand er erklärte, er stimme gegen die Resolution. Konsistorialpräsident Curtius sprach sich für die Resolution aus und bedauerte aufs tiefste, daß der Abgang des Grafen Wedel als Folge von trau rigen Umständen sich vollziehe, wie man sie in der letzten Zeit erlebt habe Die Frage der Autonomie muffe mehr denn je auf der Tagesordnung stehen. Das Mitglied Weißmann erklärte sich gleich falls für die Resolution. Ebenso schloß sich Unioer- fitätsproscssor Wiegand den Ausführungen Moli tors an. Man müsse an einer Erhöhung des An sehens des Statthalters arbeiten. Die Resolution wurde in namentlicher Abstim mung mit 17 gegen 10 Stimmenangenom, men. Fünf Mitglieder enthielten sich der Abstimmung, darunter drei Bischöfe.