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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.03.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191403012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-01
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Sonntags-Ausgabe «»»«tvchl.ttM., vi«1*YLHrU» ^75 m. »«, 0«r Mal«, nn» Nusgad.N.U« adg.hvU: monatUch 1M., »t«t^LhrNch, «. »«rchsl« p»st! N»«hald vnltfchlasü, «»» »«r -«tsch« «onatllch l^o SU, »»«toyShrüch 4^0 M.. «msschU.gUch p,K»«ft«Ug,t0. »as «rsck>«tat »»«l. Sona. i». l»«t. 2» «ppp, So» »achdarort«, m>» »«, »r<«, »tt «»«« Mal« »US A« N4r»0a»»sad, «ch am Nd«ö Sa» «rschotnu—ta, y«m» g«U»t«1. L«lt«r ««SaNt»,, 2» 0« Z«U« 17, r«aspr«ch.tU^chluS- /lrntsbloü desRutes und despolrseüuutes der Stadt Leipzig «o»a«1»« «*fchLst»ft»ü«r Zohaanla-ag, Ur.«. » r«»spr.ch-Nr>schl»S Nr. 140«, 1»»« «0 14«»«. ISS. Jahrgang lliyrtzmpnlst: L v»a aaawLn» 1» Pt., NeNamro 1.2»M., Sl.ia« fta,«I,,n nur ro pf.d.wI«0»rkol.Na»..7af,ral» o»a üehörüra im amtlichratruoi« vrtit- r»tl« -» Pf. e«schaft»aa;rtgea mit ploNvorlGrift im vrris» ertzSht. Nada« aa«d Tarif, «rtiagra: »»sam1aofl.LM.üo,Taus«n» au»schl.pall,,düdr. Nu^iarn-Nanakm,: )»dam,l»,a«fr«. dri rämrUck,,» filtaira r«tp,ta»r LagadlaU«» uaö aUra Naaoacra-Expr-itioara Sr, Ja- ua» Na»laaür,. »rlchattaftrU« für Srrlia u. St» pr. Vraa»«adur,: Virrktian waUrrZltigrl. Vrrlla w. 1», Mar-ar-lhrastraS» «. Z«mfpr»ch-ftafchlu-: Httzow «71. Nr. 10S Sonnlsg, «en 1. Mir;. Vas Wichtigste. * Der Reichstag beendete am Sonnabend die zweite Lesung des Etats der ReichS- eisenbahnen. (S. Art. u. Ber.) * Die dritte Ergänzung zum Besol dungsgesetz ist dem Reichstage zugegangen. (S. Pol. Uebers.) Der Direktor der Handelspolitischen Ab teilung des Auswärtigen Amtes, Geh. Rat Dr. v. Koerner, wird zum 1. April in den Ruhe stand treten. (S. T. R.^ * Im französischen Ministerrat teilte am Sonnabend Minister Renault mit, daß der Streik der Bergarbeiter in Ab nahme begriffen fei. * Die albanische Deputation ist von Kaiser Franz Joseph am Sonnabend empfangen worden. (S. Ausl.) * Das Snndikat der portugiesischen Eisenbahner hat die Streikbewegung vertagt. Ans allen Linien ist der Dienst normal. ' * Die griechische Regierung hat die Räumung des Distrikts von Chi- mar a angeordnet. * DaS neue Militärluftschiff „Schütte- Lanz II" stieg am Sonnabend in Mann heim zu seiner ersten Werkstättenfahrt auf. (S. Sp. u. Sp > Umschau. Leipzig, 28. Februar. rjc Wenn es nicht spaßhaft wäre, möchten wir ernsthaft den Vorschlag machen, daß ein Reichstagsausschuß oder eine Staatsgelehrten kommission berufen würde, die von Zeit zu Zeit ein Lexikon der politischen Begriffe herauszu geben hätten. Das wäre heutzutage insofern für manche Leut« von Nutzen, als sie sich dann, ehe sie reden oder schreiben, über den Sinn der Worte, die sie zu gebrauchen denken, unterrich ten könnten. Was wird jetzt z. B. ein Unfug mit dem Wort Demokratie getrieben? Alles was den Herren der äußersten Rechten mißfällt, nennen sie demokratisch. Die Absicht ist klar: weil wir eine übel angeschriebene sozialdemokra tische Partei haben, ist es außerordentlich be- ouem, dem Gegner mit dem Wörtchen „demo kratisch" etwas anzuhängen, ebenso wie viele in den siebziger Jahren das Wort „sozial" miß brauchten, um die Befürworter einer sozialen Gesetzgebung ohne Weiteres sozialdemokratischer Gesinnung zu verdächtigen. So bringen es heute konservative Blätter fertig, von dem „demokra tischen" Reichstag zu reden, einfach, weil sie mit ihm unzufrieden sind, wobei sie zu ver gessen geruhen, daß dieser demokratische Reichs tag eine Wehrvorlage bewilligte, wie sie noch nicht da war, und dazu eine Steuergesetzgebung, über deren „demokratischen" Charakter die Steuerzahler gewiß sehr verschiedener Meinung sind. Das ist ja das Merkwürdige: wäre der Reichstag dazu übergegangen, Vermögen und Be sitz zu schonen, und dafür die Masse mit in direkten Steuern zu belasten, so wäre das aller dings ein ..demokratischer" Zug gewesen, gegen den die „Aristokraten" nichts einzuwenden ge habt haben würden. An zwei verschiedenen Tagen hat sich die sächsische Zweite Kammer beim Kapitel Vertretungim Bundesrate über diese Steuer gesetzgebung' mit der Regierung auseinander gesetzt, und auch hierbei fehlte es nicht an selt- jamen Begriffsirrungen. Nationalismus, Uni- tariSmus, Partikularismus, ^Liberalismus, Fi nanzhoheit usw. — ja man spllte doch denken, einigermaßen wenigstens müsse man sich, wenn man über diese Dinge spricht, auch verste hen. Es war aber des AneinandervorbeiredenS kein Ende. Abg. Dr. Zöphel, der die ganze Auseinandersetzung anregte, ging vom natio nalen Standpunkt« aus als er sein Bekrem- dan über di« Tatsache aussprach, daß sich die sächsische Regierung nach Erledigung der Reichssteuergesetzgebuna an die Oefsentlichkeit wandte und ihre Mißbilligung der Reichsver- mögenSzuwach-steuer rundtat. ES geschah dies vor allem in der Thronrede. Ja, war die ses Verfahren etwa nicht befremdlich? Wir erinnern uns aus der Geschichte des Reiches, wiederholt sei eS gesagt, kemeS gleichen Vorge hens eine» anderen Bundesstaates. Ohne die Zustimmung des Bundesrates kommt kein Ge setz zustande. Der Bundesrat aber war seither ei« geschloffener Reichsregierungskörper, und es ward noch nicht erlebt, daß «ine Regierung nachträglich in einer öffentlichen, an dar Par lament wie an da- Land gerichteten Kundgebung . ihre von einem Mehrheitsbeschluß des Bunde-- V rate- abweichende Haltung zum Ausdruck brachte. Ganz einerlei, welche Beweggründe sie dazu be stimmte: es war dies, und dies festzustellen, dar auf kam cS den nationalliberalen Rednern an, ein Vorgang, der vom nationalen Standpunkte also im Relchsinteresse zu bedauern war. Man stelle sich nur vor, dies Vorgehen fände Nach ahmung. Was dem einen recht ist, ist dem an dern billig. Bei allen möglichen An lässen könnte eS eine im Bundesrate mit ihrer Meinung unterlegene Regierung kür richtig halten, gegen den Bundesrat öffentlich aufzutreten. Wohin würde das führen? Mitten hinein in die Eschenheimergasse, in die Zänke reien, wie sie einst in Frankfurt a. M. am großen grünen Tische durchgefochten wurden. Mag das von uns übertrieben ausqedrückt sein — leugnen läßt sich nicht, daß das Vorgehen der sächsischen Regierung wie ein elektrisches Flui dum auf den Partikularismus wirkte. Er fing an zu zucken und zu zappeln, fühlte sich neu belebt und tatenfroh. Gewiß wäre es ein Un recht, die sächsische Regierung für den Preußen bund verantwortlich zu machen, aber ein Zufall war das zeitliche Nacheinander nicht. Das parti- kularistische Fluidum fand eben eine günstige Atmosphäre. So konnte es nicht ausbleiben, daß auch dieses nationale Erlebnis, der Preußen tag, in den Kreis der Betrachtungen gezogen wurde. Aber was wollen wir? Mr hörten ja von den sächsischen Ministern, daß sie gerade bei dieser Sache im nationalen Interesse han delten, und sie wie der Führer der sächsischen Konservativen, Herr Opitz, der mit den Seinen ganz auf die Seite der Regierung trat, ver warfen den Begriff Partikularismus und schoben dafür ein: Föderalismus. Der Unterschied? Ja, lieber Leser, den mußt du dir herauSluchen. Das ist ebenso schwierig, als w»nn du drr klar machen willst, weshalb nun die von der Regie rung veru-orf n: RctchSve.m g:ns «. ec durchaus ein Angriff auf die Finanzhoheit der Einzel staaten war, die von lhr gebilligte und leider ausgefallene ReichSerbanfallsteuer aber nicht, und ebenso schwierig wird es, auseinand^rzuklaubep, weshalb die vom Bundesrat zuerst vorgeschlage- nen veredelten Matrikularbeiträge lwohlgemerkt: mit der Androhung, daß die Einzelstaaten unter Umständen-gezwungen sein sollten, im Auf trage des Reiches eine Besitzsteuer einzuführen) durchaus besser mit der Fina'nzhoheit der Einzel staaten verträglich gewesen seien, als die im Na men des Reiches tatsächlich eingeführte Vermö- genszuwachssteuer. Ganz mit Recht frug der Abg. Lettner wiederholt, wo denn nun eigent lich die von der Reichsvermögenszuwachssteuer befürchtete Beeinträchtigung der seitherigen S t a a t S steuerquellen zu finden und nachzu weisen sei. Zugegeben: .Herr v. Seydewitz hat recht: das Reich ist nun einmal ein föderalistischer Staat und aus den Einzelstaaten ist es zusam mengebaut; Sachsen hat stets seine volle Schul digkeit gegen das Reich getan. Gut. Aber um einmal zu theoretisieren: könnten wir uns heute ein Sachsen ohne das Reich vorstellen? Was würde es bedeuten? Ist überhaupt heute nach einer mehr als vierzigjährigen Reichsgeschichte ein deutscher Bundesstaat als alleinstehendes Gebilde denkbar? Und wenn es darauf einer Antwort gar nicht bedarf, versteht es sich da nicht von selbst, daß uns die Erhaltung des Reiches, seine Standfähigkeit auch in finanzieller Be ziehung das Aller aller erste sein müssen? Ist das „Umtarismus"? Hat man sich auch bei diesen Fragen,« weil eigentlich überflüssig, einiger Zurück-' Haltung befleißigt — zwecklos war die von der nationalliberalen Fraktion eingeleitete Aus einandersetzung nicht, und zwar schon deshalb nicht, weil der Gegensatz zwischen der konser vativen Auffassung der Tinge — sie ist, was man auch sagen mag, mit partikularistischem Geiste durchtränkt — und der nationalen Auffassung, die deshalb noch lange nicht eine uni- tarische ist, klar und greifbar zu Nutz und Frommen aller, die etwas lernen wollen, her ausgestellt wurde. Daß dabei auch die Parteien untereinander Abrechnung hielten, schadete nichts. Für die Liberalen, die in der Kammer im wesentlichen einer Anschauung waren, brachte die Woche noch eine besondere Genugtuung, hat sich doch bei der Landtags wähl im 2. ländlichen Wahlkreise, die durch den Tod des Sozialdemokraten Riehm nötig ge worden war, das Zusammengehen der National liberalen und Fortschrittlichen Volk-Partei voll kommen bewährt. Die Niederlage der Sozial demokratie in der Lausitz zeigt deutlich, wie falsch es ist, ihr irgendwo das Feld zu überlassen. Mit 4000 Stimmen Mehrheit hat der national liberale Kandidat Rückert gesiegt. Die Kon servativen hatten vernünftigerweise auf einen eigenen Kandidaten verzichtet, wohl au- dem einfachen Grunde, weil ihre Stimmenzahl nicht zu einem selbständigen Auftreten hinreichte. Jedenfalls ist die Zweckmäßigkeit eine- libe ralen Abkommens, wie es für die Landtags wahlen im nächsten Jahre vorbereitet ist, be wiesen. Wie wir hoffen, wird es gelingen, die Befürchtung, die sich anscheinend auch in Re- gierungskreisen festgesetzt hat, daß nämlich die Sozialdemokratie eine weitere ganze Sitzreihe in der Zweiten Kammer erobern werdc, zu widerlegen. Natürlich fehlte auch Zabern unter den vielen Dingen nicht, die man sich wechselseitig vorhielt. Von den Abgg. Brodauf und Koch wurde mit erfreulicher Entschiedenheit der Rechtsstandpunkt festgehalten, der doch am Ende für eine sachliche Beurteilung einzig maßgebend sein kann. Aber will man denn sachlich sein? Abg. Nitzschke erhob mit Fug nach rechts hin den Vorwurf, daß alle Begriffe durchein- andergeworfen und insbesondere die Äom- mandogewact künstlich vorgeschoben würden, um die Meinungen zu trüben. Diese Trübung hat es mit verschuldet, wenn der Zabernkom- Mission des Reichstages in der Oeffent- lichkeit mit solchem Erfolg entgegengearbeitet werden konnte. Tie konfervative Presse brüstet sich mit ihrer weisen Voraussage, daß die Kom mission notwendigerweise auf den toten Punkt kommen mußle. Wenn die Regierung die reichsgesetzliche Regelung der Militärbcfug- nisse und iyre Abgrenzung von den Rechten dec Zivilbchörden abwies, nun so war das frei lich ein toter Punkt, war aver vielleicht weniger eine Beschämung der Kommission, die einem offenbar gewordenen Rechtsbedürfnis zu ge nügen versuchte, als eine Ausschaltung des Recchsgedankens, der doch gerade im Hinblick auf die Kommandogewalt des Kaisers im Heer wesen fichtbarliH werden sollte. Also nein! Legt'- zu dem übrigen! Es wird sich ja nun hoffentlich bald zeigen, was etwa der Reichs kanzler äroch durchzusetzen imstande sein wird. Kommt eS zu einer Uebereinstimmung der für die einzelnen Staaten geltenden militärischen Bestimmungen, so ist praktisch das erreicht, was als Mindestmaß gefordert werden mußte. Die „Post", die sich unbändig freut, daß die Zabern-KomMission „in ihrer Sünde Maien blüte" gestorben sei, wie andere verwandte Blätter werden gut tun, das Endergebnis ab zuwart«, da-, wie heute verlautet, doch ettvas ander- auSseheu wird, als die etwa- vergilbte KabinettSorder vom Jahre 1820. Wiederholt haben wir diese Presse, die sich im Herunterrecßen des Reichstages nicht genug tun kann, auf die Vorgänge in der franzö sischen Volksvertretung hingewiesen. Es ist und bleibt ein Verdienst des Reichs tages, daß er durch seine rasche Erledigung der Teckungsvorlagen uns vor nachträglichen Kämpfen, wie sie nun bald ein Jahr lang in Frankreich toben und ein Ministerium nach dem andern unterwühlen, bewahrt hat. Gestern wurde in der Kammer festgestellt, daß für zwei Milliarden 65 Millionen im Haushalt keine Deckung vorharlden ist! Wenn trotzoem das Mi nisterium Doumergue mit 329 gegen 214 Stim men eine Vertrauenserklärung erstritt, so steht dem die Tatsache einer Niederlage im Senat gegenüber, der von neuem durch einen Beschluß kundtat, daß er die von dem Finanzminister Caillaux geforderte sog. qualifizierte Ein kommensteuer nicht will. Die Regierung ließ ihn gewähren. Sie setzt ihre Hoffnung auf die Kammcrneuwahlen, die den Senat eines Besse ren belehren sollen. Inzwischen will sich Caillaux mit kleinen Anleihen behelfen. Aber welche Künste dieser geschickte Mann auch noch spielen lassen mag: seit Jahren hat das französische Volk kei nen Zustand erlebt, wie den jetzigen, und fast jeden Tag nimmt in diesem oder jenem Blatte ein grollerfüllter Geist das Wort zu einer bitte ren Klage über die Not des Landes. „So kann es nicht weitcrgeyen" — das ist Anfang und Ende. Vie aufgeflogeae Gröensfabrik. I,. Paris, 27. Februar. Heute früh sind eine Menge „Ritter hoher Orden" mit schmerzlicher Uobervalschung aufgewacht — ihre für schwerer Geld erworbenen blinkenden Kreuze und Stern« sind „Made in Germany". An der Riviera wurde ich vor ein paar Tagen einem bis über die Ohren dekorierten Pariser oorgeftellt, der mit simpler Herablassung versichern zu müssen glaubte, all die Adler usw. wären ihm ganz von selbst zugeflogen, und er lege ihnen nicht den mindesten Wert bei. „Sehen Sie", sagte er, „hier das Kreuz von Isabel la Tatolioa erhielt ich durchs Telephon." Ich fürchte, daß di« per Draht verliehene Ifaüeüa auch ein klei ner Schwindel von Ordenshändlern war. Baron Moser de Beiga, Kammevherr des Papstes, Thef eines Dekoration-Warenhauses in Berlin, ist gestern ver haftet worden, mitsamt seinem hochgeborenen Stabe von Mitarbeitern. In seinen Koffern Lagen Hun derte von Klein- und GroMreuzon. Moser, alias Rothschild, seine Geliebte, Elisabeth Zell, und Hans Bvanco, die aus ihrem vornehmen Hotel-immer in di« weniger komfortablen Zellen des Pariser Lntersuchungsgesängntsses ülbersisdelten, haben eine reiche Berliner Vevgcurgenheit — dl« Standalchronik Spreeathen» wird sie ausführlich er- zählen, drn Telegrammen nach zu urteilen, die von de« Korrespondenten des „Matin" und „Journal" aus Berlin gesandt wurden. Drei Klagen sind bis lang in Pari» ringe reicht worden: von dem Kauf mann Ren6 Dreyfus, dessen Angestellten Herczeg und dem ungarischen Geschäftsreisenden Fuchs. Herczeg hat hiesigen Reportern sein Abenteuer rote folgt in anschaulicher Weise erzählt: „Ich wohne seit einigen Monaten tn einem Hotel der Rue d'Hauteoille, wo ich die vedanntschast de» Ungarn Fuchs machte; dieser stellte mich jüngst einem lS14. im gleichen Hotel wohnenden eleganten Ehepaar vor, über das er nicht genug des Lobes zu sagen wußte. Baron Moser de Beiga, päpstliü-er Kammerhsrr, und seine Gattin gewannen wogen ihrer Liebenswürdig leit und Vornehmheit schnell mein Vertrauen. Ich unterhielt mich mit der sehr hübschen Baronin oft in deutscher Sprache, fand sie geistreich, lustig und hörte sie unaufhörlich von den hohen Beziehungen ihres Gemahls in der diplomatischen Welt sprechen. Sein päpstliches Amt öffne ihm die Tore aller Botschaften. Eines Tages vertraute sie mir an, ihr Gatte bemühe sich gerade, für Herrn Auchs einen ausländischen Orden zu erlangen. „Der Baron brauchte nür ein Wort zu sagen und die Geschichte war abgemacht", erklärte sie. Ich hatte wirklich Seinen Grund, die Worte der Baronin Mojer de Beiga zu bezweifeln. Verließ sic nicht mindestens zweimal in der Woche das Hotel in großer Toilette, um mit ihrem Manne zu irgendeinem dem diplomatischen Korps gegebenen Feste zu fahren? Dann war der Baron jedesmal prächtig anzuschauen. Der hochgrwachsvne, schlanke Herr trug die Galauniform der päpstlichen Kammer- Herren; Zweimaster mit weißer FeSer, blauen Frack mit roten Aufschlägen. Ueder und über mit Gold litzen und Orden bedeckt, an der Seite einen wunder vollen Degen — wer hätte nicht Vertrauen zu einer solchen Persönlichkeit gehabt? Und dann zeigte der Baron eine so wohlwollende Einfachheit, daß ich auf den GedanLen Sam, ihn auch für mich um etwas zu bitten: um ein Bändchen oder ein Kreuz. Ich wagte mich an ihn damit Heron, auch an einen seiner Freunde, der über nicht geringeren Einfluß verfügte, Hans Bvanoo, Mödelifadrikant in Berlin und „Hoflieferant des Kaisers". Der Baron willigte ein. Welches Kreuz er mir geben würde? Das wußte er selbst nicht. Aber ich würde schon eins bekommen, und das war die Hauptsache. Die Proze dur schien mir so bequem, daß ich auch mit meinem Thef davon sprach. Herr Renü Dveyfus nahm sogleich mit Vergnügen an rmd bat mich, ihn doch sogleich dem Baron vorzustellen. Als ich ihn mit meinem Thef im Hotel traf, war er schon für einen neuen diplomatischen Empfang angekleidvt; er trug im Knopfloch der Frack» di« Rosette der Ehrenlegion und über dem Leib einen hellblauen Grotzkordon. Der Baron hatte es eilig. „Ich muß aus die Botschaft. Einen Ovd-n wollen Sie? Gehen Sie doch hinauf zur Baronin. BesprechenSie mit ihr, was Sk« haben möch ten. Sie wird das in die Reiche bringen. Auf Wieder- sehen! Sehr erfreut . . Die Baronin war die Liebenswürdigkeit selbst. Dor meinem Freunde brei tete sie Bänder jeder Art aus. Aus einem gewaltigen Koffer holte sie Bruststerne, Kreuze ohne Ende und Medaillen hervor. Mehr als dreihundert, jedes Formats, aller Länder. Das goldene Vlies, den Hosenbandorden, die Ehrenlegion, die Militär medaille — die Baronin erklärte uns die Bedeutung jeder Klasse. Selbst der rote Halbmond Marokkos fehlte nicht. Auch für jeden gab es «inen Preis. Die Ehrenlegion kostete 30 060 Franken, die Palmen 4000 Fr., der Nickam und andere Kolonialorden 3000 Fr. und der Merit« national 200 Fr. Diese lange Aufzählung klärte Herrn Dreyfus so fort über die wahren Absichten dieser Baroneß auf. Er bat die Dame, ihm 24 Stunden Bedenkzeit zu lasten. Dann ging er sogleick» zum Polizeikommistar, auf dessen Ersuchen er am folgenden Tage wieder beim Baron Veiga vorsprach und um Beschaffung des Königlichen Ordens der Isabella Totolica bat. Die Kosten sollten sich auf 2000 Fr. belaufen, Anzahlung 500 Fr. Herr Dreyfus übergab Moser einen Scheck auf 500 Fr., dieser ihm eine Bescheinigung folgen den Wortlauts: „Empfangen von Herrn Ren« Drey fus 500 Fr. als Anzahlung auf eine Summe von 2000 Fr., die Herr Dreyfus gegen Aushändigung des Patents des Kgl. spanischen Ordens Isabellas der Katholischen an Baron Moser de Beiga bezahlen wird. Paris, 23. Februar 1914. Gez. Baron Moser de Veiga." Zwei Tage später wurde der Baron vor der Bank, als er seinen Wechsel einkassiert hatte, verhaftet. Die Baronin und Hans Branco wurden im Hotel abgefangen. Während der päpstliche Kammerherr hoch und teuer protestierte, ein richtiger und aufrichtiger Edelmann zu sein, fand man bei einer Haussuchung außer dem unerhörten Ordensvorrat zahlreiche diplo matische Uniformen, Deqen und selbst den ganz aus Elfenbein und Gold gefertigten Stock des Kammer herrn. Beschlagnahmt wurden haufenweise Ordens dekrete, Briefschaften, gefälschte Stemvel uiü> Statuten von Ritterschaften, die Moser und Branco gegründet hatten. Aus den Briefen ging hervor, daß die An geklagten mit den vor drei Jahren verurteilten Ordensschacherern Elementi und Dalensi in inniger Beziehung standen; auch eine vollständig« Liste der bereits mit Auszeichnungen Bedachten lag vor. Im Portefeuille Mosers entdeckte man den Drohbrief einer Mlle. L^andre an Clömentt, wenn ihr Ge liebter, ein gewisser de Thampoans, mit Moser und Branco assoziiert, ihr nicht bald Geld schicke, werd« sie das ganze Geschäft der Polizei denunzieren. Tomte Fritz de Thampoans, mit seinem wahren Namen Fritz Hahn, war am Morgen nach Nizza abgeretst, wird aber wohl bald in die Hände der ihm nach- aefandten Detektive fallen. Er wurde in der Nach barschaft de» Hauses, wo er feit längerem wohnte, der „König des Mysteriums" genannt, weil auch er oft in wunderbaren Uniformen ausfuhr; er wollte ..Delegierter des Roten Kreuzes von Tuba und Ehrenmitglied der französischen archäologischen Gs» fellscdast" sein. Moser, der auch al» Baron d« Monte-Thristo auf trat, seine Geliebte, di« verführettsche Elisabeth Zell, und Hans Branco, der tatsächlich der Sohn eine» Berliner Möbelfabrikanten ist, werden scharfen Strafen entgegengehen. Denn tn der Republik spaßt man nicht mit Ordensdingen. Di« demokratischen Republikaner tragen zwar gern Dekorationen — aber echt müßen sie sein! T»rl I^km.
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