Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140303017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914030301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914030301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-03
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen» Ausgabe für r»«p-«s »ad Vorort» »urch onf»r» krOarr un-epro>trur»rma<tagNck>In»yau»,«dro»tr «,na»U<» 1.25 M., »terteliahrUch 3.75 M. S»t der S»fth«ft»st»U», onfrr« Ztttol«» ua» ftlt»gab«ft«U»n adgrholt: monotltch IM., v!»rt»llührltch 3 M. Vnrch »I» poftr »««»»halb v.utschlan», un» 5«r »»utschra Rolon«»» «ooatUch 1^4 M., ol»rt»l>ührUch 4-50 M., auoschUigUch poftd«ft»ll,»l». da» l»lpzlg»r Laa»dlatt «rschtlnt w»rktag» »mal. Sonn-u.Z»t«rtag» »mal. 2« L»lpzlg, 0«a Nachbarort»« und ürn Vrtrn mlt «>g,n»n Zlllalra wir» 0l« ftd»«»au»gab» noch am ftbrnb S»o «rschelnen» In« hau» g«ll«f»rt. 0»rUn»r Nr-aktl»n:Inü»aZilt»n»7. Z«rnlpre»»slnschluft: Moabit Nr.447. Amtsblatt des Rates urrd des polizeiarntes der Stadt Leipzig «»Saktlon un» S»fchSft»st«U«: lohonniogaff« Nr.». » Z»rafpr«ch»hnschluS Nr.»4»«, I4»43 un» »»44. ISS. Jahrgang ftnz-Ig«npr-Is«: von ouowart» 30 Vf., N»Nom»n ».24 »n.. Ul»ln« ftn,»»,»n »l«p»tltz»llr nur 24pf.b.wl«»»rbot.N»b.,Inserat» oon Seb»r»«n lm amtlichenLeil »le Petit, zell« 54 Pf. S«sch»st»anz»lgrn mit playoorschrift 'm Preis» erlebt. Nadatt nach Loris. Srllagrnr chesamtousl.5M.üa»Lousrn» auoschl.poftgrdahr. fln3»ig«o»ftnnabm»: lohannlogaftr», b»l sämtlichen flliaicn ü»» Leipzl-er Lag»d!ott«o un» ollen ftanoncrn»L»pr»ltlonrn »»» In» un» ftuolan»»*. Srschast»ft»U< für Vrrlin u.»ie Pr.0raa0«ndurg virektionwaiterZlirgrl, Serlln w «4 Moraarrtbenftraft« 5. Z«rnspre<b»ftnschlug: Liivow »47i. Nr. H2. viensisg, »en 3. Miir». 1S14. Vas Wichtigste. * Die Zweite Kammer beschäftigte sich am Montag mit zwei Anträgen ans Einrich tung eines behördlichen K r e d i t i n sti t n ts für den Mittelstand. (S. Art. n Ber.) * Ter Reichstag begann am Montag die Beratung des Postctat s. (S. Art. u. Ber.) -* Ter bayrische K ri c g s m j n i st er hat einen bemerkenswert scharfen Erlau gegen die Soldaten Mißhandlungen veröffent licht. (S. Pol. Nebers.) ,-* I m ungarischen Abgeordneten haus«: wurde der Anschlag ans den Bischof von Debrcezin verhandelt. (S. Ausland.) * Ein Telegramm der mcxilani s ch e n Regierung bestätigt, daß Benton durch Mlla ermordet wurde. (S. Ausland.) 4 * In Nordamerika wüten seit Sonntag heftigeStürme.diegroßeVerwüstun- gen angerichtet haben. (S. Nachr. v. Tage.) Vie Erhaltung un- Zör-erung -es öauerntums. H. Das deutsche Bauerntum war früher be deutend stärker als heute. In den Jahren von 1816 bis 1860 sind in Preußen mehr als 5 Millionen Bauernland» in Rittergutland umgewandclt worden. Erst in den 70er Jahren setzt die Bewegung zugunsten des kleinen Bauertums ein. Das hat aber keines wegs dazu geführt, daß der Großgrundbesitz sich nun überhaupt nicht mehr erweitert. Vielmehr suchen viele Großgrundbesitzer fortwährend ihre Besitztümer zu erweitern und abzurunden, wie man beschönigend sagt. Ueberall her in Deutschland erklingen die Klagen über die Einschnürung des Bauernbesitzes durch den Großgrundbesitz. Dazu kommt, daß immer noch ein großer Teil tos landwirtschaftlichen Bodens in Fideikommissen gebunden wird. Man braucht den Fideikommissen gegenüber nicht so ab lehnend zu stehen, wie Brentano und seine Schule, und doch wird man einer weiteren Bindung des Botins nur besorgt zusehen können. Gerade der ge bundene Grund und Boden wird im UUsentlichen dem allgemeinen Nutzen entzogen. Es ist auch nicht rich tig zu behaupten, daß der Großgrundbesitz vor allein den schlechteren Boden erwerbe, um sich zu erweitern. Mar Weber behauptet sogar, daß gerade neuerdings der bessere Boden bevorzugt würde. Es ist deshalb verständlich, daß allerorten Bestrebungen hervor treten, die weitere Bindung des Bodens, wenn nicht zu verbieten, so doch zu erschweren. Für Sachsen be steht seit 1900 t-as sogenannte Familien- anwartschaftsgcsetz, nach dem die Neu gründung eines Fideikommisses abhängig gemacht wird von einem bestimmten Reinertrag (mindestens 7500 tts und von der landesherrlichen Genehmigung. Anträge der liberalen Parteien im Reichstage und in den einzelnen Landtagen fordern noch weitere Ein schränkung, auch Konservative fordern, daß der Fidei- kommiß nur t»ann zugestandcn werden soll, wenn der Besitz mindestens 50 Jahre derselben Familie zu gehört hat. Soll also einerseits einer weiteren Bindung des Bodens vorgebeugt werden, so gilt es anderseits vor allem, neue Stellen für mittlere und kleinere Bauern und für Landarbeiter zu schaffen. Dieses Ziel haben sich die preußischen Ansiedlungs kommissionen und die privaten Siedlungs - gcnosscnschaften, deren es in Preußen mehrere gibt, gesteckt, und sie können schon auf mehrfache hübsche Erfolge Hinweisen. Aber die Bewegung geht doch außerordentlich langsam vor sich; der Schwierigkeiten sind viele, und es scheint, als ob in der letzten Zeit die Besiedelung geradezu ins Stocken käme. Die Ansiedelungskommission hat bisher 125 000 Hektar Land besiedelt und gegen 600 Mill. Mark für die Zwecke der inneren Kolonisation aus gegeben. Das ist gewiß beachtenswert. Auch die Moor- und Heidekultur hat erfreuliche Fort schritte gemacht. Es ist statistisch festgestcllt, daß sich seit 1882 der Großgrundbesitz etwa um 267 000 Hektar vermindert hat. Bedeutsam ist es ferner, daß Städte sich der inneren Kolonisation und der Kleinsiedelung annehmen und durch gemeinnützige Ballgesellschaften auch Arbeiter und Häusler auf dem Lande im Um kreise der Stadt festsässig machen. Beachtlich ist auch die Arbeit der Finanziustitute, die die Entschuldung des Landbesitzes be treiben. Die Wutsche Mittelstandskasse in Posen hat im ganzen etwa 6000 Bauerngüter saniert, daß die Besitzer jährlich mehr als eine Million an Zinsen ersparen. Besonders interessant ist auch der Ber ben der Verein für soziale innere Kolonisation angestellt hat; dieser will durch sie der Arbeitslosig keit steuern. Die Kolonie Reppen bei Berlin hat nach dieser Richtung hin einen zwar nicht großen, aber doch überaus bedeutungsvollen Erfolg gehabt. Angesichts der Größe der Aufgabe sind die Er folge immerhin bescheiden, und in mancher Hinsicht sind die Bemühungen bisher vergeblich gewesen. Das gilt vor allem für die A n s i e d c l u n g von Land arbeitern. Dazu sind auch manche Bedenken gegen die innere Kolonisation überhaupt erhoben worden. Nicht ohne Besorgnis weift mau daraufhin, da die Ladenpreise außerordentlich gestiegen sind; 1886 zahlte die Kommission 601 .lt für den Hektar, 1910 bereits 1519 <tt. schwierig ist die Geldbeschaf fung, und Kursschwankungen schädigen die Gesell schaften bei Rentenbeleihung. Auch ein falscher Bu- reaukratismus und eine zuweilen sich findende falsche Gcmcindepolitik erschweren die Arbeit. Die Wider stände, die sich in den Reihen des Großgrundbesitzes linden, sind auch keineswegs leicht zu ncymen. Zn Sachsen ist im allgemeinen die Verteilung zwischen Groß-, Mittel- und Klcinbesitz günstig. Da die Industrie vordringt, wird der lano- wirtjchaftlichc Besitz an sich kleiner; den Landverlust trägt aber nicht der Großgrundbesitz, sondern in erster Linie der kleinste, der Zwerg besitz. Das ist nicht günstig. Dazu kommt, daß an vielen Stellen der Bauernbcsitz aufgekaust wird. Der Ab geordnete Barth berichtete, daß in seiner engeren Heimat, der noroöstliaicn Lausitz, in den letzten Fah ren 161 kleine und mittlere bäuerliche Betriebe v o l l st ä n d i g verschwunden seien, darunter 72 Bauerngüter, 77 Wirtschaften, 6 Mühlen und 9 kleinere Häuslcrbesitzungcn. Und der Minister Graf Vitzthum, der zwar eine Gefahr für die Zusammensetzung und den Bestand des bäuerlichen Besitzes bestreitet, teilt doch aus den Be richten der Amtshauptleute mit, daß in einigen Be zirien in den letzten Fahren zahlreiche solche Aufkäufe stattgefunden haben. Die meisten und stärksten Auf saugungen werden aus dem Leipsiger Kreise, und zwar aus den Bezirken Grimma. Oschatz und Döbeln, sodann aus den Bezirken Dippoldiswalde und Meißen gemeldet. Fn Grimma sind 1907 9 Güter zu 100—200 Hektar, in Dübeln 2 Güter über 200 Hektar, und in Oschatz ist 1 Gut zu 100—200 Hektar mehr vorhanden als 1882. Fm Kreise Döbeln haben die Aufkäufe in letzter Zeit zugenommen. Aus Dippol diswalde wird gemeldet, daß durch Aufsaugung von Gütern selbständige Existenzen und Steuertraft ver loren gehen, daß den Gemeinden hierdurch Schaden nach verichiedenen Richtungen erwächst, die Land flucht befördert und die Heranziehung auswärtiger Arbeiter gesteigert werde. Die Ursachen dafür, daß Bauern ihr Besitztum verkaufen, sind natürlich verschieden; sie sind gele gentlich wohl auch so, daß der Berkaus als wirtschaft Uch berechtigt, ja notwendig erscheinen mag. Immer hin muß es beklagt werden, wenn Bauernoesitz nicht wieder in die Hande von Bauern kommt, sondern zum Großgrundbesitz geschlagen wird. Was nun geschehen soll, ist die wichtige Frage. Was geschehen könne, sagen die Erfahrun gen, die hier und da gemackst worden sind. Freilich gibt es keine Schablone; aber man solide sich die Er fahrungen anderer zunutze machen. Ein gewisses Eiugriffsrecht des Staates sollte man in dieser Hin sicht nicht bestreiten. Auch das neue preußische Fidei- kommißgcsctz wird eine Höchstgrenze für den Großgrundbesitz festjctzen. Wichtiger aber als das wäre es, den Ankauf von Bauerngütern nicht ohne Bo »wissen der Behörde geschehen zu lassen. Wenn wirtlich nur die bloße Lust am Besitz, wenn nur der Wunsch, die Jagdgründe zu erweitern, maß gebend wäre, wenn wirklich „Bauernlegen" statt fände. dann müßte der Staat cingreifen können. Erst recht aber sollte die Behörde in Kenntnis gesetzt werden, wenn etwa die Not zum Verkaufe drängt, dann wäre ja vielleicht durch geeignete Maßnahmen noch zu helfen. Auch das Vorkaufsrecht des Staates oder gemeinnütziger Gesellschaf ten käme für gewisse Fälle in Frage. Es gilt darüber uachzudenken, ob Bestimmungen über die B e r s ch u l d u n g s g re n zc getroffen werden könnten, ob zu der Entschuldung des Grundbesitzes nicht ein gewisser Zwang anzuwendcn wäre, ob etwa Lebensversicherungen für diesen Zweck in Anspruch genommen werden könnten. Auch die Be strebungen der B o d e n r e f o r in e r sind gelegent lich mit zu beachten. Ob das Erbrecht immer zweckmäßig wirkt oder in gewissem Umfange zu ändern wäre, ist zu überlegen. Weiter wäre zu er wägen, ob nicht die Gemeinden verpflichtet werden könnten, nach und nach Gemeindeland aufzu kaufen, das an selbständig werdende ländliche Dienst boten oder Landarbeiter zunächst verpachtet, schließlich auch verkauft werden könnte, wie es z. B. in Mecklenburg geschieht; ob man nicht älteren Dienstboten, die sich ein kleines Anwesen erwerben woollen, durch gering vcrzinsbarc Darlehen behilflich jein könnte. Wichtig ist die neuerdings auftretende Anregung einer Heimstättcnversicherung, vor allem in Verbindung mit dem Ausbau der Kleinwoh- nungsbaugesellschaften und des Erb baurechts. Die größeren und mittleren Städte möchten auch im Sinne der inneren Kolonisation Vorgehen. Endlich muß auch t»c Industrie ver pflichtet werden, dort, wo sic Land zu ihren Zwecken aufkauft, möglichst auch dafür zu sorgen, daß die Bauern, die es betrifft, in der Nähe wieder ange- sicdelt werden können, möglichst auch die Klein siedelung mit zu fördern. Selbstverständlich darf die Entwicklung der Industrie nicht gehindert werden; der Boden, der als Arbeitsstätte und als Wohnstätte arbeitsamer Leute benutzt wird, erfüllt seinen Zweck. Wenn freilich Industrielle selbst zu Großgrundbesitzern werden, dann müssen sie selbstverständlich auch diesen gleichgemacht werden, und es ist selbstverständlich auch bei ihnen nicht zu billigen, wenn sie lediglich um des Besitzes willen, womöglich nur um des Ansehens willen, Baucrnexistenzen vernichten helfen. Daß unter diesen Träger „orientalischer Namen" hervor träten, wie der Abgeordnete Schmidt-Freiberg be hauptet. trifft für Sachsen wohl kaum zm Ietvnfalls hat in erster Linie der Staat selbst die Pflicht, den Bestand des Bauerntums zu schützen und zu fördern. Darum müßte er dort, wo er Land für seine Zwecke kauft — etwa bei der Anlegung von Exerzier- und Schießplätzen, bei der Anlage von Landesanstalten — möglichst tifür sorgen, daß die enteigneten Bauern wieder angesicdclt werden. Darum müßte er mindestens die ncuerworbenen Staatsgüter zweckmäßig auftcilen. Wie aus den Landtagsvcrhandlungen hcrvorgeht, ist das keines falls überall geschehen. Deshalb wird hierauf weiter hin zu achten sein. Wie weit nun reichsgesetzliche Maß nahmen in Frage kommen, wird ganz davon ab hängen, für wie bedeutsam man die ganze Frage hält. Selbstverständlich werden die einzelnen Bundes staaten ihren eigenartigen Verhältnissen entsprechend das Bauerntum zu fördern haben. Aber es ist doch zu erwägen, ob nicht gemeinsame Maßnahmen nach vorheriger Vereinbarung zwilchen den einzelnen Ne gierungen getroffen werden könnten, ob nicht doch reichsgesetzlichc Bestimmungen in Frage kommen, ob nicht doch eine über das ganze Reich sich ausdehnende Organisation, die unter dem Rcichsamtc des Innern stehen würde, zu schaffen wäre. Jedenfalls ist die Erhaltung und Förderung des Bauerntums eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Zukunft. Der Kamps um die Einkommen steuer in Frankreich. Die Einkonunensteuec isr ans dem Marsche. So hieß es in der französischen Presse schon vor zwanzig Jahren. Wenn sie wirklich voran-" marschiert, so innß ihr Weg bodenlos schlecht sein. Im Jahre 1896 versuchte das Ministerium Bour geois bereits, Kammer und Senat für eine Ein- tommensteuervorlage zn gewinnen. Vergebens! Die „bürgerliche Freiheit" wurde gegen diesen Eingriff in die „privaten Angelegenheiten" mit Erfolg aufgerufen. Tas Beispiel der deutschen Staaten, die längst die Einkommensteuer ein geführt und alle Vorurteile besiegt hatten, wurde als nicht beweiskräftig abgetan: ja, man pochte auf den starken Unterschied zwischen dem freien Wesen des französischen Bürgertums und dec Unterwürfigkeit des deutschen. Erst 1907 wurde die Aufgabe vou neuem anfgegrifsen, und zwar von Eaillaux, demselben Manne, der jetzt mitten im Kampfe steht. Wieder und wieder war es der Senat, der unbelehrbar an dem Widerstande gegen die einfachste und gerechteste Steuer festhielt, und wie schon berichtet, erst letzte Woche eine Probe seiner Zähigkeit lieferte. Noch ist nicht zu sagen, ob Eaillaux diesmal an das Ziel gelangen wird, denn wer weist, wie lange der letzte Erfolg des Ministeriums Tou- mergue, den es in der Kammer errang, vorhalten wird! Ja, wenn es sich nur um die eine große Sache, ebeu um die Einkommensteuer handelte, aber sie ist ja verstrickt in ein Gewirr von parteipolitischen Treibereien, so daß es schwer ist. Wesentliches und Unwesentliches zn trennen. Immerhin haben die letzten Verhandlnnbeu im Senat und in der Kammer das Schicksal der Finanzpläne des Herrn Eaillaux einigermaßen aufgehellt. Wir geben hier eine Schilderung der merkwürdigen Vorgänge aus der Feder un seres Pariser Mitarbeiters wieder: „Mitunter glaubte ich zwei Heere zu sehen, die am Raube eines Abgxunds kämpften", schreibt Jean Jaurös in der sozialistischen „Humanitä". Die kämpfenden Heere waren der „Bloc" der Linken und die von Briand geführte Reaktion, der Abgrund das Riesenloch im Budget, in das sich die Helden gegen seitig zu stürzen suchten. Briand ist gefallen, noch liegt er — um im Bilde zu bleiben — quer überm Abgründe, aber es will uns scheinen, daß nicht mehr viel fehlt, uni ihn vollends darin verschwinden zn sehen, ihn und die ganze Koalition lauer Republi kaner und ungeduldiger Royalisten wie Bona- par Listen Im Senat hatte die Regierung eine Niederlage erlebt, aber eine, deren sich die Gegner nicht freuen durften. Mit 5 Stimmen Mehrheit hatte das Ober- lmus im Prinzip die Einkommensteuer (Antrag Perchot) abgelehnt. Das Ministerium Doumerguc Eaillaux, das gut unterrichtet war, ver mied es, die Vertrauensfrage zu stellen, obwohl der Finanzminister den in fünfjähriger Kulisscnarbeit des Uebelwollens entstandenen und oon dem Bericht erstatter Aimont verteidigten Gesetzentwurf für un genügend und sich an das von der Kammer votierte Gesetz der direkten, progressiven Besteuerung der Ein kommen gehalten hatte. Der Senat der Jubelgreise ist der letzte Wall der Kapitalisten, die in der Republik der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit das konservativste, ungerechteste und gesellschafts feindlichste Steuervcrfahren bcizubehalten und aus zugestatten wußten; in Europa, ja 'n der ganzen Welt gibt es kein veralteteres. Da sich kn England ein Lloyd George fand, der kühn, wie einst der klar sehende Bismarck in Deutschland, den fiskalischen Staatsjozialismus zum Prinzip erhob, mußte sich endlich auch in Frankreich ein Mann finden, der allen ausgetürmten Hindernissen zum Trotz den An sturm auf den „Geldschrank" führte: Eaillaux. Nach dem gestrigen Zusammenstoß im Parlament hat man den Eindruck, daß er noch zu einer großen Rolle in der republikanischen Geschichte berufen ist. Aristide Briand, Mlllerand und Klotz, drei der Hauptleute der „Federation des Gauches", benützen eine Interpellation von Louis Dubois über die allgemeine Finanzpolitik des Kabinetts, um die Krisis heraufzubeschwörcn. . Sie gaben sich der falschen Hofsnuna hin, daß die Abstimmung im Senat ihnen die Ausgabe erlcicbtern werde. Dubois malte die Lage in schwärzesten Farben aus: Das Defizit an laufenden und einmaligen Ausgaben erreicht nach ihm 1911 insgesamt 2^ Milliarden Franken. Eaillaux, der nicht weniger als vier Reden hielt, um seine Widersacher ab'uwciscn, bestritt nicht die Sckwicrw- keiten, zeigte aber, daß, wenn die Budgets von 1901 bis 1911 um 838 und die von 1911 bis 1911 um 810 Millionen wuchsen, von diesen Mehrausgaben nur 200 auf sog. soziale, 828 Millionen auf mili tärische Ausgaben entfielen. Briand warf daraui Eaillaux vor, im Senat nicht die Vertrauensfrage auf den Zusätzantrag Perchot. d. h. das Prinzip der Ein kommenstcuer, gestellt zu haben. Auch ihm antwortete Eaillaux sofort: einerieits verlangt Briand von der Regierung größere Energie im Senat, anderseits will er selbst eine versöhnliche Finanzpolitik, und seine Anhänger im Oberhaus stimmten sämtlich gegen den Antrag Perchot! Wo ist da die Auf- rich.igkeit?! Der Finanzminister ließ durchblicken, daß er es für klüger hielt, nicht im Oberhaus die Existenz des Kabinetts durch eine Vertrauensfrage aufs Spiel zu setzen und auf anderen Wegen die geringe, reform feindliche Mehrheit in eine Minderhett zu verwandeln; er schloß mit einem auf Briand persönlich abgezielten Pfeil, der traf; „Ich kann mich in einzelnen Punkten irren, aber ich bleibe in meiner Partei!" Millerand und Klotz hofften Verwirrung zu säen und die De putierten der Landbezirke abspenstig zu machen, indem sie als geriebene Geschäftsadvokaten frugen: „Ist es nicht die Hauptsache, daß mir zuerst die übersteuerten Bauern entlasten und den entstehenden Fehlbetrag durch Abgaben auf ausländische Wertpapiere decken? (Vorschlag des Scnatsausschusses.s Was werden die Dauern bei den Wahlen sagen, wenn wir mit leeren Händen kommen? Und die ganze Einkommensteuer kann vorher nicht mehr votiert werden ..." Darauf erwiderte Eaillaux: „Sie wollen, daß wir zu nächst die Erleichterung der Bauern votieren, von der auch die Großgrundbesitzer den Nutzen haben werden. Und nachher wollen S>e sich zurückziehcn. Ich aber verlange, daß der Senat außer der Wertpapiersteuer die sogenannte .Komplementärsteuer annimmt, die der Anfang zur wahren Einkommensteuer ist und Dekla rationszwang einbegrcift." Nach einem vierten An griff von Lefevre, über ein« G-eldstrafe gegen die Bank Pcrier (Tiirkenanleihej, von Cailleaux zurück gewiesen, und mach einer kurzen Intervention des Ministerpräsidenten, wurde das Vertrauensvotum mit der staatlichen Mehrheit von 115 Stimmen an genommen, unter dem Jubel der Linken. Laillaur hatte mit viel Schneid Briands Vorstöße pariert: „Die Briandisten, die sich so viel Mühe gaben, um im Lande Stimmung für das Zusammengehen der gemäßigten Republikaner mit den Konservativen zu machen, sind heute, ihrer Presse nach zu urteilen, sehr kleinlaut. Das Wahlgeschäft, von dem das End schicksal der ganzen Steucrsache abhängt, wird von Doumergue-Eaillaux besorgt werden!" poMeke Ueberliekt Oer bayrische Erlaß gegen Sol-aten- mlßhan-lungen. Wie wir bereits im gestrigen Abendblatt kurz mitteilten, hat der bayrische Kriegsminister Freiherr Kreß von K r e i s e n sk e i n einen Erlaß über die Behandlung der Soldaten herausgegeben. Mit bemerkenswerter Schärfe richtet sich dieser Erlaß gegen die Soldatenmißhandlungen. Es heißt u. a. darin: „Die Fälle unwürdiger Behandlung von Untergebenen haben trotz vielfacher Erlasse des Kriegsministeriums keine ge- nügendeEinschränkung erfahren. Um dies endlich zu erreichen, ist es unerläßlich, daß bei allen Vorgesetzten der e r n st l i ch e Wille zur Aus rottung dieses die Armee nach innen wie nach außen schwer schädigenden Uebels vorhanden ist. Als Vorgesetzter muß ich von jedem Offizier fordern, daß er der Vornehmheit seines Berufes eingedenk sich nicht nur roher Behandlung, sondern auch gewohnheitsmäßiger Anwendung von Schimpf, warten enthält. Ich erwarte, daß in dem Vor gehen gegen Offiziere, die die erforderliche Selbst beherrschung vermissen lassen. künftig jede un angebrachte Nachsicht von den Disziplinär vorgesetzten oder den Gerichtsherren beiseite gelassen wird. Von ausschlaggebender Bedeutung für die Er- reichung dieses Zieles ist eine gewissenhafte Hand- habung der Dien st aufsicht und eine nach haltige Erziehung der Unteroffiziere und der mit Vorgesetzten-Eigenschaft ausgestatteten Mannschaften durch die Kompaniechefs usw. Ich werde die dem Kriegsministerium zur Meldung gebrachten Fälle eingehend prüfen lassen und mit unnachsichtiger Strenge auch gegen jene Vorgesetzten einschreiten, die durch nach lässige Pflichtauffassung eine Mitschuld an der unwürdigen Behandlung von Mannschaften tragen. Offiziere, die fernerhin in gröblicher Weise gegen den zur Genüge gekennzeichneten Willen des Kriegsministeriums verstoßen oder die Pflichten der Dienstaussicht in erheblichem Grade vernach lässigen, haben eine strenge Erörterung der Frage, ob sie sich noch für ihre Stellung eignen, zu ge wärtigen. Damit auch die Unteroffiziere über die Tragweite einer solchen Hand lungsweise nicht im unklaren sind, ist ihnen zu eröffnen, daß bei schweren Fällen von Miß brauch der Diensrgewalt — es zählen hierzu auch Schikanen und Quälereien der Mannschaften im inneren Dienst — nach dem Willen des Kriegs ministeriums die Genehmigung zur Fort setzung der Kapitulation nicht mehr erteilt werden soll, sofern nicht überhaupt eine sofortige Kapitulationslösung ein tritt. Die Befürchtung, daß durch ein strenges Vorgehen gegen Mißhandlungen die Leistungen einer Truppe Schaden leiden könnten, ist irrig; der
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite