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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.02.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191402224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140222
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140222
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-22
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
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Sonn«-, rr. Feimmr 1S14. Leipzig«! Tageblatt. Nr. SS. Sonnta-s-rius-abr. Sri« IS. Sücherschau. rr. App«. Zur Einfühlung. Sonderabbruck der „Psychologischen Untersuchungen". II. Bd. 2. u- 3. Lest (S. 111^191). Leipzig 1918. W. Engelmann; drosch. 18 ^l. Ueber,,dte ästhetstche Einfühlung" hat L. bereits ,-tne Arbeit veröffentlicht, in der er in vielen Punk ten mit Volkelt, der zuerst die Einfühlung nachtrück- lich betonte, übereinstimmt. Die hier vorliegende neueste Arbeit betont schon im Thema den umfassen deren Gesichtspunkt, unter dem die Einfühlung nun eigentlich den gesamten Wahrnehmungsvorgang, der immer Subjektives in das Objekt hinüberträgt, in sich begreift. — Betrachten wir die Formulierungen des berühmten Münchener Gelehrten etwas näher. Zwischen dem Ich und dem Objekt ist eine Brücke geschlagen, auf der ich in das Objekt htnüberwandere. Indem ich durch mein Tun den Gegenstand empfange, bin ich an einem Punkte in diesem Gegen stände. Dieser ist wohl durch seine Beschaffenheit bestimmt und doch zugleich von mir geschaffen. Wo Vie Gegenstände am meisten unser Interesse erregen, verdanken sie der Einfühlung ihr Dasein. „Die Welt wäre für uns leer und tot, wenn wir nicht überall Bestimmtheiten, die ein Moment in sich tragen, das einzig im Bewusstsein angetroffen werden kann, in sie emfühlten und so sie belebten." (174.) — Durch sie Bezeichnung „Einfühlung" darf man sich nicht verführen lassen, den in Rede stehenden Vorgang auf oie Eefü'hlserregungen wie Freude, Trauer usw. an- Uiwenden. Es handelt sich hierbei ja um meine Freude als rein subjektiven Vorgang, der nicht ..gegenständlich" bedingt ist, was L. von der Ein fühlung durchaus fordert. — Auch bei der Kausa lität ist sie wirksam: Die Beziehung zwischen einem A und einem B ist nicht an sich gegeben; die erlebe ich in mir. Aber ich trage sie in die Ereignisse hinüber, ohne jedoch dieser Uebertragung bewußt zu lein, sondern „mein beziehendes Tun ist das Tun des Ereignisses, mein Beziehen ist sein Sichbeziehen, oas nur in mir erlebte Bedingen ist sein Bedin gen." (218.) Was mich, den Auffassenden, erfüllt und mein Wesen ausmacht, das strömt bei der Auf astung eines Gegenstandes auf ihn über, ja ich -äuge mich gewissermaßen an den Dingen fest. Das ,st das Wesen der Einfühlung. L. schließt seine Betrachtungen — wenn man vom Nachtrag absteht — mit folgendem metaphysischen Ausblick: Die Einfühlung ist vielleicht eine Ahnung von dem, was in Wirklichkeit stattfindet. Es könnte sein, daß das Wirkliche überhaupt ein Ich, „ein Ana logon unser selbst" wäre, ein Bewußtsein, und das sinnlich Wahrnehmbare ein Hinweis darauf. „Da mit sage ich nicht, daß es sich so verhalte, nur von ^iner möglichen Betrachtungsweise ist hier die Rede, lind ich gestehe, daß ich keine andere durchzuführen vermag." (466.) O. Pg- Richard Wagners Gesammelte Schriften. Heraus gegeben von Dr. Julius Kapp. Mit zahlreichen Bildnisten, Abbildungen und Handschriften. Leipzig, Hesse K Becker Verlag. 5 Leinenbände 10 .E, 5 Halblederbände 15 A, 7 feine Halb pergamentbände 20 »st. Nicht nur jeder Wagnerverehrer, sondern jeder Freund deutscher Kultur und deutschen Geistes wird es gern vernahmen, daß der rührige Leipziger Ver- lag von Hesse L Becker Richard Wagners Schriften nnH^-U-haungsn in,«»r?jchlichten und vornehmen Ausgabe hat erscheinen lasten. Für die Trefflichkeit und Genauigkeit dieser Ausgabe birgt in vollem Maße der Name des Herausgebers. Kein Geringe ¬ rer atz der wohlbekannt» Wagnerforscher Dr. Ju lius Kavv ist mit der Aufgabe betraut worden, «ine tertkrttische Sammlung von Waaners Dichtun gen und Schriften zu veranstalten. Daher ist e» denn kein Wunder, daß eine in jeder Beziehung vor zügliche Ausgabe entstanden ist. Kapp hat sich nicht nur eine genaue Durchsicht der Texte sehr angelegen sein lassen; rr hat weiterhin alle einzelnen Ver öffentlichungen Wagners, sowohl die in gebundener, als auch die in ungebundener Form, mit knappen, gediegenen Einleitungen versehen, zahlreiche Fuß- noten zugefügt, wie dies nötig erschien, und vor allen Dingen auch mit rührendem Fleiß sämtliche weithin verstreuten einzelnen Aufsätze, offenen Briefe und sonstigen Kundgebungen (darunter mehrere Reden) des Bayreuther Meisters gesammelt und abgedruckt. Sehr wertvoll ist es auch, daß der Herausgeber die Schriften nach sachlichen Gesichtspunkten in ein zelne Abschnitte grupoiert hat, so daß das Ganze einen künstlerisch wohl gegliederten, sorgsam abge rundeten Eindruck macht. Er laßt den eigenen Mit teilungen Wagners über sein Löben, die Dichtungen des Meisters, dann die Entwürfe und Fragmente von Dichtungen folgen, schließt hieran die zahlreichen Aufsätze zur Musikgeschichte und die musikalischen Erläuterungen. Dann läßt er die grundlegenden theoretischen Werke folgen und vermittelt schlieUich. immer an der Hand der Schriften, einen liefen Blick in das Evesen Svagners als Revolutionär, Reorga nisator, Polemiker und Weltweisen. Alles in allem eine mustergültige Ausgabe, die einen weiten Der- breitungskreis verdient. Orb. Adolf Holst. „Das goldene Tor." Mit Illustrationen von Ernst Kutzer. Verlag von I. A. Stein- kamp-Düsteldorf. Ein echtes, rechtes Kinderbuch voller entzückender Derschen und reizender Bilder. Beides, Wort und Bild, kommt dem kindlichen Verständnis in erfreu licher Weise weit entgegen, und dadurch hebt sich das vornehm ausgestattete Buch von Erzeugnissen ähn licher Art glücklich ab. —r. Aeitsihrlsten-Umfthau. Fasching und Faschingstreiben, so lautet die Devise der dicswöchentlichen Nummer (3685) der „Illustrierten Zeitung", die unter den Karnevalsausgaben der illustrierten Zeitschriften mit an erster Stelle steht. Futuristisch ist die Nummer gehalten und futuristisch sind auch die zahlreichen Darstellungen erster Künstler, von denen wir die Namen Olbertz, Schmidhammer, Strathmann, Schaberschul, Bloos, Gwestiki nennen. In einer neu zeitlichen Darstellung des italienischen Abenteurers aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Graf Cagliostro werden wir mit zwei Zukunftsmedizinern und ihrem Zukunftsserum bekannt gemacht. — Dr. Tutmacher, der Verfasser des berühmten und berüch tigten Werkes „Aeskulap, ein Kurpfuscher", hat einen Bazillus gefunden, der die Aerzte überflüssig macht, und sie zum Schneeschaufeln geeignet erscheinen läßt. Sämtliche Krankenhäuser leeren sich und werden niedergerissen. — Wir gelangen ferner zu den blut dürstigsten aller Indianer Nordamerikas: den Ogalallas, lernen den wirklichen P^goudtsmus kennen und werden zurückgeführt zum Tango und dessen Nächster: dem Zukunftstanz Kongos (Känguruh). Nicht unerwähnt wollen wir schließlich die von Rudolf Nelson verfaßte Tangowoise „Tango flirt" mit unterlegtem Text von Harry Waldau mit dem farbigen Olbertzschen Bilde ,Ln der Tanz schule", eine köstliche und humoristische ganzseitige Darstellung, lassen. Die vorliegende Faschings- Nummer bildet eine angenehme Faschingslektüre. Einzelpreis 1,50 Al. (Verlag von I. I. Weber, Leipzig.) -Licht und Schatten" Nr. 21 bringt die Titel- Zeichnung „Karneval" von Alfons Wölfte, außerdem im graphischen Teil Oriainalarbeiten von: Otto Hettner, Max Beckmann, Paul Bach, Käthe Kollwitz, Georg Groß, Earl Spitzweg, Erich Büttner; im lite rarischen Teil Beiträge von: Franz Servae», Heinrich Lautensack, Fred. A. Collins, Han» Wyneken und Alfred Manns. WtzttvrbsobLokruvAsn in l^oipris. 120 m Uber Vlk. fkdciiv MI, l,N- !Vv!. Mitt!- ned- 27. » 8kf 21. 7M 7 »Iir 28. 2 Utir 745.3 744,7 748,3 4- «,5 -i- 7 2 U 8» »4 ? 4 2 Irüd, Nock«, IM, Ismovslarsilism» «m 28. tednirs 8 M: Ismpsislai: -s- k l. b«Ut« -s- 1.?. NsMMsaz» in UI«rl> pro : 2.8. Ul-iMiln« Nst1«f»»kUa!: Ir8d» Vock«», Müerarz. Witterung In Snebsa» mn BL. ksdrunr 1B1L. r-ud« lOLODsUtvk »ZU "SL AM 5'5„4«, 5»nlr«i . dti« . , Va»iao>n . Pisas» 8o5»«»8«sx 8N,»d»rr «»NlWklI» klMoldss- 118 11» 282 . rro 24» 3Z2 38» 398 4Z5 588 532 751 772 1213 - 6.» - 5.7 - 4L »I s- 4^ t- 4.8 - 5.8 s- 3.7 !- 2.5 - 3.8 - 2.8 . 82 - 2.7 1.2 7.1 - 9.2 8.7 t k - 1.8 - 2.6 - 2.8 tt> t r < r l i ß r > 3 8 8 2 3« 2 5« 3 88 2 » 4 »« r »l 2.» 3.5 L« 2.7 3» 15 4.3 «.7 3.2 5.1 »4 K4 > L W ltterunxsverluuk vom 20. dis 21. kokruar 1814 20. Tcbrusr regnet« berw. scbneits es au allen Stationen <ie« banäos. Heute krilk ist rumsist Lnk bciteruvg emgetrcten. Vie Winrlo wobon «us 81V nnck 8- Ver vuktöriielr ist gestiegen. Vio Temperaturen «insi küksc als um Tage ruvor. voiekts 8cbneodeäeoltn»g reicht dis rn 500 m kvrab. ^Vvtterltrrrtv vom SL. tvl»rn»r. ökl'leiü lieg öei'Iinel' Wettet)lwesu8 vom 21. lodroar. xsitain, 8sit «»mdiisx 9«al»5rv»s»ss Ä,m°I 8^,6»« gi-omosrx UM ». U. > »„Mads »üaadsa riid 8»aI!->. 2800 m üoak Vslsac!« ld«r<i«»n (NisittN. Id0f»d»,a tfrrSf») Ldfisllsasoaö daosadsxa» Llaaddolm 6>o„,aila pMi-sduf- »>Is, kin,< l.«md„z Ms» CkSfdOIIsL e„i, -irr, Nam SrmckÄ 747 74» 752 758 757 787 755 751 752 758 75« 758 757 ?52 7,4 754 757 758 5,7 75» 725 748 72, 74, 733 7,8 755 758 7SI 751 755 75» 781 747 74, 7S7 1 N8N 4 8 «3« 85» 58 »5* - 1 1 5 4 1 2 58 338 588 8 8 -1* -88 8« 8 8 88 UI» UUI 8S »llil N 8 88 8N 8 «8N 88» 88» 8 088 888 8) -8 - 5 2 8 2 r 8 2 3 2 3 3 S S 2 2 d«6«edl 8 aast dsösskt -sd»I dsdaedt üedas» bsdsatt dsa»eu d»ldo«8„!i! »alsir dsdsl dsdaadt »SjM »azsa 8sg«i> dsäsodt »aNiz »aldlz »SL«, doFsokl dsiads^soU iiadn— 8«gai> dsilsakl ds»,el<t -,dÄ ds6»»KI dsdsatlt dsdsi 5»6»oU «oiklz «aldh 5s6«dt WlttoruugiUdereiekti Vas westlieb von Lobottlanck gelegene barometrische )linimum sslrt »ick Kents noch dockoutonck tieker al« gestern nnck Kat sein Ocbiot «ksiwLrts dis nach Mitteleuropa aus^säskot. In vsatscklanä Kaden sick iokolZoliessen öis VVincke grösssnteil» nack 8üä Lnrkclrxeckrckt un i ciio bitöltarscklitgs Ükter vvissierbolt. Varw!»cdvn lllLrtv »!ek ckas Wetter bisweilen aut, deute trüb ist vs aber wiecker in sien meisten tlegenckea rfflbe, im Lüüwesten ünöSL-LhIrLicks llegenkülle statt^ wkbrencl Aeme! bei scbwuckeni Xvrsinorsiostwincks ückneo kullt. vio Temperaturen sinck im blorckwosten nöck eln wenig tfortle^dü, rov°k gemntrvn. klemel Kat am ^lorgm» L° 0 KLlto. Zacken hingegen 8* Wärme. Wltterangaansslokt: Zeitweise milch vieltacb wolkig, leickte lle^onkktile, starke gtlckwvstwinck». einen Der Schntzverband gegen die Abstinenzbeweguusg, das deutsche irrezuführen, indem man ihm die Wahrheit verschleiert. Die Wahrheit, aber auch die ganze Wahrheit über den Alkohol verlangt selbst ein Hauptvertreter der Alkoholgegner, vr. Scharffen berg in Christiania. Wer es jedoch mit der Wahr heit ernst nimmt, muß auch die Auffassung anders denkender Gelehrter verbreiten. Doch hier liegt der Hase im Pfeffer! Der alleinseligmachende Unfehl barkeitsdünkel und der Hochmut der Abstinenten machen zurzeit eine wissenschaftliche Verständigung einfach unmöglich. Ernste Forscher — wir erinnern an Harnack, Rosemann, Eulenburg-Hüppe, Storch, Kauffmann u. a. — sind so unwürdig von den Fanatikern behandelt worden, daß man den Glauben an den erzieherischen Wert allgemeiner Bildung und an die Freiheit der Wissenschaft vollkommen verloren hat. Professor Rosenbach geißelte daher mit Recht die Lehren der Abstinenten als eine „kulturfeind liche Pseudowistenschaft." Es ist hier nicht der Ort, die Resultate medizi nischer Forschungen auf dem Gebiete der Alkohol wirkungen einer kritischen Würdigung zu unterziehen, aber einige Punkte seien wenigstens als besonders charakteristisch herausgegriffen. Da ist zum Beispiel die Gtstlehre. Mit dem Worte „Gift" wird zurzeit geradezu Unfug getrieben. Jeder Einsichtsvolle muß zunächst zugeben, datz der Abstinenzpartet die Be deutung, welche ihre Führer ihr beilegen, nicht zu kommt, und daß es daher anmaßend und gewissenlos ist, nur auf Grund einer persönlichen Auffassung die alkoholischen Getränke, die Erzeugnisse staatlich konzessioulrrler und achtbarer Gewerbe, in der Leffeutlichkeit herabzufttzeu, zu derunglimpsen und als gemeinschädlich hin,«stellen. Die Eigenschaft der alkoholischen Getränke, in der Jugend, bei einseitigem Gebrauch, im Uebermaß oder bei gewissen krankhaften Zuständen genossen, schädlich zu wirken, teilen sie mit vielen Nahrungsmitteln, und dennoch fällt es keinem Verständigen ein, diese Nahrungsmittel auf die Proskriptionsliste zu setzen. Was aber die moderne Ueberemofindlichkeit vieler Menschen gegenüber den alkoholischen Getränken anbelangt, so liegt hier ohne Frage «ine Krankheit, eine durch Suggestion infolge der wüsten Agitation gegen den Alkohol hervorgerufene Modekrankheit vor, die man kurz als Alkoholhysteri« oder Alkohol idiosynkrasie bezeichnen kann. Kranke Menschen, so urteilt sehr richtig der Hallenser Nervenarzt Vr. weck. Kauffmann, haben den gesunden nicht vor zuschreiben, wie sie zu leben haben. In der Ausfteüung wurde ungerechtfertigter weise varwiegeud gegen das vier gewütet. Dieses Borgehen ist wohl nnr dadinch zu erklären, daß das vier das populärste und unschuldigste der alko holischen Getränke ist, das zu beseitigen, gerade w aen seiner Harmlosigkeit, den Abstinenten die arößten Schwierigkeit-" macht. Wenn nun aber die Abstinenten zwischen konzentriertem Alkohol und dem in schwacher Konzentration und als Natur produkt auftretenden Alkohol im Bier absolut keinen Unterschied machen wollen, so beweisen sie nur damit, daß ihr oharmakoloaisches Wissen recht mangelhaft ist, und daß sie infolgedessen gar nicht berechtigt sind, belehrende Vorträge über den Alkohol zu halten. Alkohol und Bier sind nicht ohne weiteres physiologisch miteinander zu vergleichen. Weiterhin war eine Anzahl Präparate gesunder und kranker Organe ausgestellt, die in der bekannten skrupellosen Weise mit dem Alkohol in Zusammen hang gebracht wurden. Gegen diese Darstellung, die in durchaus unrichtiger und uuznläfsiger Weife die Wirkung eines übermäßigen Alkobol- mißbraucheS zuungunsten alles Alkoholgenusses verallgemeinert, haben sich schon wiederholt hervor ragende Pathologen gewendet. Steht es doch noch nicht einmal fest, ob die Deformation edler Organe überhaupt durch den Alkoholmissbrauch in allen Fällen hervorgerufen wird, denn man fand selbst bei ausgesprochenen Säufern vollkommen intakte Gefäße und Organe, während umgekehrt Personen an Miß bildungen litten, die vollkommen abstinent gelebt hatten. Man macht weiter das Bier verantwortlich für das soziale Elend, für die Mehrzahl der Geistes krankheiten, der Verbrechen und Degeneration, ohne auch nur den leisesten Versuch zu machen, die Be gleitumstände richtig einzuschätzen; z. B. die Ein flüsse des vielgestaltigen Lebens, die in dem Indi viduum selbst liegenden eigentlichen Ursachen, 'die körperliche und geistige Minderwertigkeit, falsche Erziehung, mangelhafte Bildung, widrige Lebens, schicksale, ungünstige Zeitverhältnisse, Unterernährung usw. Die Kinder von Säufern sind nicht entartet, weil der Vater trank, sondern weil der Vater bereit» ein minderwertiger Mensch war, als er anfing zu trinken, weil sie also seinem ungesunden Stamm entsprossen und in einer verpesteten Umgebung aus gewachsen sind. Endlich! Nicht der Alkohol schafft die Verbrecher, sondern in der weitaus über- wiegenden Zahl ist es der schlecht erzogene Mensch, der robe Geselle oder der psychopathisch Veranlagte, der in der Angetrunkenheit kriminell wird! ES wäre nun ein schwerer Berstotz gegen die Volkshygiene, weil die alkoholischen Getränke für eine Anzahl unglücklich angelegter Natnreu unbe dingt vom Nebel sind, daramhtn dieselben für die Akgemrinheit zu perhorreszteren. Man darf nicht übersehen, datz der Rnßen der alkoholischen Ge tränke den Schaden bei weitem überwiegt. Die Berechtigung des Genusses alkoholischer Ge tränke wird von der Majorität der Mediziner rück haltlos anerkannt. Von hervorragender hygieniicher Bedeutung — das betonte auch auf der Hygiene- Ausstellung in Dresden der bekannte Alrohol- iorscher, der Physiologe Prof. Vr. Rosemann in Münster — sind vor allem die physischen Wirkungen. Die alkoholischen Getränke verschaffen ein ge wisses Lehnstuhlanliegen und eine wohltuende, die Im Städtischen Kaufhaus der Stadt Leipzig vurde vier Wochen lang die Wanderausstellung des Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke" gezeigt, und es dürfte nunmehr angebracht sein und insbesondere der ausgleichenden Gerechtigkeit ent sprechen, in der Alkoholfrage auch einmal die Anders denkenden zu hören. Wer da glaubte, in der Ausstellung eine sachliche Belehrung über den Genuss alkoholischer Getränke zu linden, wurde bitter enttäuscht. Die Ausstellung mit Kren übertreibenden Tendenzen, welche den Menschen ihre freie Selbstbestimmung mit Rücksicht auf etwaige Auswüchse derselben bestreiten und so den Menschen irden auch noch so mässigen Genuss alkoholischer Ge lränke vergraulen wollen, machte in ihrer Absichtlich keit einen höchst unerfreulichen Eindruck. Die Ver anstalter schienen sich gar nicht bewußt zu sein, dass is mit den geradezu kindischen Abschreckungstheorien oem deutschen Volk ein erbärmliches Armutszeugnis ausstellen. Wir legen an dieser Stelle Wert darauf, zu be tonen, datz die Tendenz des Vereins gegen den MtzbrauL geistiger Getränke nicht mehr zu Recht besteht. Der Verein schwimmt ganz im Fahrwasser oer Abstinenten und benutzt seinen alten Namm nur noch als Aushängeschild, nm naiven und kritik losen Menschen die Mitgliedschaft mundgerecht zu macken. Selbst in bezug auf die Jugend sprechen wir der Ausstellung jeden erzieherischen Wert ab, denn wer der Jugend Scheuklappen anlegt, erzieht kein« Männer, sondern unselbständige Weichling«, sentimentale Moralisten und Hyste riker, die in allen ernsten Momenten versagen. Vor nicht allzu langer Zeit erst warnte der bekannte Schulmann Wirkl. Geh. Rat Mathias vor der sich jetzt breitmachenden Hypertrophie der Hygiene, der Metbode und der Disziplin, welche die Jugend ver weichliche. Er brach sogar eine Lanze für die dick felligen Primaner und Sekundaner von ehedem, die nur langen, „gesundheitswidrigen" Pfeifen rauchten nnd e» vertrugen, di« ebenso „gesundheitsschädliche" Quantitäten Bi«r tranken und sich so kräftig von den Nikotin- und alkoholfreien Gefährten der heu tigen Zeit abhoben, von dieser Jugend, für die alles geschieht, was körperpflegende Sorgfalt nur ersinnen kann, und der doch der Wille und die Kraft zum Leben und die humorvolle Freude an dieser Welt mehr und mehr versiegen. Wer zur Arbeit und zur sucht an sich selbst erz»gen «nb nicht schon kra ik- yaft veranlagt in die Wclt gesetzt wurde, v,r braucht sich vor dem Genuß alkoholischer Getränke nicht zu sürckten. Der Mißbrauch charakterisiert nur den Minderwertige», den Degenerierten nnd richtet ihn zugcunde. — Wir haben das Vertrauen zur Iuaend, dass sie auch ohne Schreckgespenst mit oem Alkohol fertig wird und der Führung der Abstinenten entraten kann. Im übrigen sollte man sich hüten, ein so hochstehendes Kulturvolk wie Nerven entsoannende Feierabendstimmung. Dec Geist, der sich in Geschäften gemüht hat, wird ab- gelenkt, und das Gefühl der Depression, der Trauer und Befangenheit, das die Nerven unnötig abnutzen würde, wird beseitigt. Ein allgemeines körperliches und geistiges Behagen und nachts ein gesunder Schlaf, die Vorbedingung zu neuer, ersprießlicher Tätigkeit, sind das Gesamtergebnis. In demselben Sinne sprach sich anlässlich eines Vortrages der Hallenser Pharmakologe Geheimrat Harnack aus: „Es ist eine Kleinigkeit zu behaupten, wieviel Men- schen durch übermäßigen Alkoholgenuß ins Gefängnis gelangen, aber schwer ist es nachzuweisen, wieviel Menschen durch mäßigen Nlkoholgenuß vor lebens länglichen Neroenzerrüttungen bewahrt werden!" Alles, was zur Erfrischung und Belebung und zu einer behaglichen Stimmung führt, was den Geruchs und Geschmackssinn anregt, wirkt indirekt auf die Magensaftbildung und fordert die Verdauung bzw. die bessere Ausnutzung der eigentlichen Nahrungs mittel. Die alkoholischen Getränke sind allo gewisser- maßen als Schrittmacher der Nahrungsmittel anzu- sehen und bei gesunden Menschen für den normalen Ablauf der Lebensvorgänae ebenso wichtig wie die Nahrungsmittel selbst. Eine besondere Bedeutung kommt dem Biere zu, es vereinigt in sich die Eigen- schäften eines Nahrungs- und Eenußmittels und ist in bezug auf den Alkohol das harmloseste aller Ge tränke. Da nun die Alkoholgegner au» Prinzip oder wegen ihrer eigenartigen Aörperbeschaffenhett, die fick in der Intoleranz gegenüber Pen geistige» Ge tränken verrät, gar nicht in der Lage sind, den hyntenischcn Wert der alkoholische« Getränke zu würdigen, so dürfen sie auch von feite« der Behör den nicht ermächtigt werd«», al» Sachverständige und Autoritäten in der Alkoholfraae aufzutreten. Würde man wohl in einer Fleischnotdebatte einen Vegetarianer zum Wortführer machen, oder einen Nichtraucher zum Direktor und Einkäufer einer Zigarettenfabrik wählen? Nur auf dem Gebiete der Alkoholfrage herrscht dieser Widerspruch. Nach alledem wird «» gut sein, nicht n»r iin Interesse der Gärung»- und Schankgewerb«, de» Handels, der Jndustri« und der Landwirtschaft, sondern auch im Interesse der genußfreuvrgen Menschheit ganz energisch den Uebertreibungen und Uebergnffen der Äbstinenzfanatiker entgegen- zuarbeiten, ehe Schädigungen entstehen» deren Tragweite sich schwer übersehen läßt. Da» schliesst nicht aus, daß man mit gleichem Eifer alle ver nünftigen Bestrebungen auf diesem Gebiet« unter- stützt, die im Interesse der VolkswoUfahrt und Volksgesundheit geboten erscheinen. ..Warum den Genüssen entsagen, wenn man sich ihrer erfreuen kann ?" jo schrieb einst Friedrich der Grosse. „Die wahre Philosophie besteht darin, den Missbrauch zu ver dammen. ohne den Gebrauch zu untersagen, man muß alles entbehren können, aber auf nicht» verrichten." Ein Appell an die Vernunft Ttritik den Wanderausstellung über den Alkohslrsnrus.
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