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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.02.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191402224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140222
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140222
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-22
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
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SNSNTN Kunst uncl wissensetigft SZSSWW Leipzig, 22. Februar. Johan Bojer. Tie Augen der Liebe. Uraufführung im ?llten Theater. Der Eindruck des B o j c r schen Dramas ist nicht rein, nicht einheitlich, wie cs nun einmal immer ist, wenn ein geborener Epiker zum Drama greift. Bojer hat gewiß ernste und starke Abrichten. Er rührt an ein tiefes Menschhcitsproblem, das Ge heimnis der Körperlichkeit. Die ganze Abhängigkeit unseres seelischen Leins und Werdens ooni Körper lichen wollte er in diesem Drama fassen. Die Handlung selbst ist knapp. Ovldia, ein junges Mädchen voll Lonne und Leben, liebt einen jungen, schönen Offizier, der in den Krieg zieht. Lm zweiten Aufzug erfährt man, daß sie bei einem Brande schwer verletzt wurde, und ihr Gesicht ist durch rote Aarden entstellt, sie leidet furchtbar unter dieser Häßlich keit, meidet die Menschen und ergibt sich grausamen Grübeleien. Schatten ist über ihr ganzes Leben ge fallen. Der Vater, ebenso wie der Pfarrer bemühen sich, sie zu heilen. Vergeblich! Sie, die früher überall hin Sonne brachte, ne^gt zu hysterischen Ausbrüchen, za sie wird hart und rücksichtslos. Der geliebte Offi zier ist inzwischen — so erfährt man! — im Kriege schwer verwunde: worden und erblindet. Der Ge danke, daß er sie in seiner Seele noch so blühend sieht, wie er sic einst in glücklicherer Stunde verlassen hat, tut ihr wohl. Jin dritten Aufzug sind die roten Male fast vernarbt, die innere Gebrochenheit ist frei lich g-ebliebcn. Da finden die beiden sich wieder; und sie richten sich aneinander auf. Ooidia sieht mit dem Blick der Liebe die Welt wieder hell. Noch einmal droht ein Umschlag, als sie für gowollte Küte durch das Mißtrauen ihrer Untergebenen Haß erntet. Doch die letzte Wolk- schwindet, als sie von dem Geliebten erfährt, daß er trotz seiner Blindheit sie kennt, wie sie ist. Zn diesen Szenen greift Bojer tief; und ihr Eindruck wird nur gefährdet durch einige Mißgriffe in das Sentimentale. Zn den beiden letzten Aus zügen spielt der ewige Gegensatz von Traum und Sein, von Seele und Körperlichkeit. Die ganze Handlung ist romanhaft. Der Brand, die Verwundung und Erblindung des Offiziers, das Wiederfinden, alles das sind bloße Zufälle. Alles wirkt auf die Gestalten ein, und ihre Aeußerungen sind demnach nichts als Rückwirkungen, aber keine Offenbarungen eines inneren Trieblebens. Es gibt in diesem Drama nur Schicksale, aber keine Hand lungen. Man erfährt zu viel und erlebt zu wenig. Die Szenen sind breit geraten, und der Dialog dient vielfach einer bis ins einzelne ausgeführten Charak termalerei, lyrisch empfundenen Stimmungen oder nachdenklichen Erwägungen über den Sinn des Lebens, ober leider nie einer dramatischen Ent wickelung. An solchen Breiten ist besonders der dritte Aufzug gesegnet. Das Beste sind die Gestalten. Sie haben fast durchweg Fleisch und Blut. Die seelischen Wandlungen im Wesen der Ooidia sind an sich nicht unwahr; die Uebergange hat Bojer freilich zu wenig vermittelt. In der Art aber, wie er Zwiespältigkeiten, die scheinbar gesucht, dennoch in der Tiefe in letzten Dissonanzen unseres Menschendaseins überhaupt ihmn4ürund haben, ^lyrlegt und wie er diese Un-, -lösbarkeiten-wiederum zur Harmönje- «HzulÄe» sich b»nMt, in dem allen, so gewollt es sein mag, offens bart sich doch unverkennbar eine innere Kraft. Nur daß diese Kraft noch nicht voll sich selbst gefunden hat, daß dieser Znhalt noch seine Form sucht! Bojer ist äußerlich Zmpressionist. Die leise religiöse Sehn sucht aber, die aus seinem Mesen spricht, der Ein klang philosophischer Weltfragen, das Auskostcn feinster Stimmungsmomente macht ihn zu einem der Modernsten. Eins freilich bleibt fest. Die Neigung Bojers zur Vertiefung der Einzelheit, die Vorliebe für innerliche Stimmungsreize und selbst die ihm eigene Lust an der Farbe wird im Roman den ihm gemäßeren Ausdruck finden als im Drama. Bei allem dem war es ein literarisches Verdienst unseres städtischen Theaters, daß uns dieses Werk Bojers vertraut gemacht wurde. Dis Aufführung mar sehr interessant. Vor allem überraschte Martina Otto durch eine hoch talentvolle Verkörperung der Ovidia. Diese Probe war ganz bedeutend stärker als ihre beiden Leistungen, die sie neulich bei ihrem Gast spiel auf Anstellung bot. Sie bewährte eine scharfe Eharakterisierungskunst; und nachdem sie im ersten Aufzug einen sonnigen, liedensn üidigen Backfisch hingestellt hatte, traf sie im zweiten die harten und grellen Töne der Vcrbittevuna über Erwarten gut. Die Rolle war klug abgetönt, und auch in mimischer Hinsicht durchgefeilt. Mit ihr sind vor allem zwei treffliche Charakteristiker, die Herren Heyse und Demme zu nennen. Beide in trefflicher Maske, Heyse eine mit scharfen Umrissen gezeichnete Charaktergestalt als Vater, Demme ein Pastor von wundervoller Innerlichkeit und Schlichtheit. Reimers erfreute als erblinde ter Offizier durch ein sehr wohl abgestimmtes Spiel. Mamelock als dessen Freund bot eine vornehme und lebendige Leistung. Recht gut war auch die Jungfer Martensen der Frau Huth. Eine seiner seinen Kabinettleistungen bot Carl Huth in der Seemannstype des Pedersen. Die Regie des Herrn Prina hatte mit Liebe gewaltet und das Stim mungshafte herausgehoben. Das Publikum spendete starken Beifall; und es ist gewiß, daß diesem Stück bei allem Mangel an eigentlicher Dramatik doch starke Wirkungen innewohnen. vr. k'risckrick 8ebreetu. . Marys großes Herz. Erstausführung im Schauspielhaus. Die letzte Liebe einer alternden Frau: das ist kein allzu n.ues Thema; und was Kors.z Holm daraus gemacht hat, ist ein Spiel, über dem wohl hin und wieder ein grelles Witzwort auflcuchtet, doch keines eigentlich im Grunde, das zum Aushorchen zwingt. Die schöne Frau Mary, die nicht glauben mag, datz es ein Ältwcrden gibt, und die eben noch mit einem blutjungen Leutnant ein neues Abenteuer leben wollte, fühlt plötzlich, daß cs vorbei ist: und rasch entschlossen zieht sie die Konsequenz und räumt ihrer Tochter das Feld. Das alles spielt sich vor uns ob in einer leichten Folge angenehm sricher Szenen, denen freilich die zwingende Situationskomik fran zösischer Komödien nicht zuteil wurde, und zwischen Menschen, bei denen wir vergeblich etwas von der Feinheit und Schärfe Shawschcr Gestalten suchen. Aber Agnes Sorma ritz dieses Stück durch dick und dünn. Sie gab uns ein paar Stunden, die prächtig waren, und man staunte immer wieder diese wunderbare Frau an, deren Temperament ebenso echt war wie die leise angedeutete Resignation; und deren Spiel zum Glauben zwang, selbst wenn man wußte, daß Mary log. Zeder ihrer Bewegungen folgte man wie gebannt und mit einer großen Freude: wie sie die Rosen nahm, ihre letzten, dunkel roten Rosen: in Stolz und in Eitelkeit und dann in verhaltenem Schmerz; uüd wie ihre Lippen lachten und lächelten und zuckten. . . All das war mehr als artifizielles Können. Neben ihr hatten die Künstlerinnen und Künstler des Schauspielhauses einen schweren Stand; aber sie hielten sich sehr wacker und konnten sich gern mit Agnes Sorma in den Erfolg des Abends teilen. Als besonders glück- lich möchten wir Hermann Wolfram und H. M. Laurence herausareifen, während uns Carl Keßlers Hans von Keßbaum zu scharf markiert in seiner knabenhaften Unbeholfenheit erschien und der alte General Hans Leibelts die über den Dingen stehende " Sicherheit des Wcllmanns^ycrmisstn Uetz: I». ü. " 1 ^-d^Üevcii-Konzcrt. war eitle Welt der Gegensätze. Zunächst Borodin, der sich im D-Dur- Quartett so naiv und spezifisch musikalisch gibt, im Scherzo fast einen Ländler anhebt und uns auch sonst gar nicht russisch kommt. Dann Thuille im Es-Dur- Klavierquintett voller Kraft und in der Freude, ge danklich sich ziemlich weit zu verbreiten im ersten Latze und voller Humor im letzten: endlich Debussy, dessen E-Moll-Quartett neben starker Chromatik so viel an Positivem enthält. An ihren langsamen Sätzen solle man sie erkennen, sowohl die hohen, älteren Meister, uns mit ihnen einen Brahms und Bruckner, wie auch die kleineren und neueren. Zeder formt ein Andante, gar nun ein Adagio, je nach An gehörigkeit zur Nation und der eigenen Person. Borodin z. B. läßt sich genügen an einem Notturno, einem ziemlich einfachen und mehr durch nur vorwie gend klangliche Wirkungen hervorstechenden Stim mungsbild. Thuille ist der sinnierende Tiroler und ganz deutsch dazu; sein Adagio dehnt sich unter der Hand und will gar schwer nur zum Abschluß kommen. Debussy wählt bloß ein Andantino, aber „ckoueemein espr^dü". Ganz Schwärmer und Zmpressionist, absolut Ltimmungsmensch und Künstler des Kolorits, zieht er die Töne lang aus wie schim mernde Fäden, träumt von Gesang und singt träu mend. Möglich, daß er an sich etwas ganz Gewöhn liches sagt. Zugegeben; aber er sagt es doch eigen tümlich, und solches ist nach Vater Horaz des Dichters Aufgabe. Von ungewöhnlicher Schönheit jedoch war die Reproduktion der vorstehend genannten Werke durch die Herren Lhotsky, Prochazka, Moravec und Fingerland nebst Herrn H. Kroemer als trefflichen Kammermusikspieler am Flügel. Die Zuhörer spen- dcten nach jedem einzelnen Satze rauschenden Beifall, der bestens geeignet war, eben empfangene, große Eindrücke geradezu gedankenlos zu morden. Vielleicht fände sich endlich einmal einer, der den Ton an gibt und der Beifollsmodc (wie auch manchmal dem Modebeifall) den Zügel anlegt, also, daß vielleicht erst bei Ouartettschluß die Hände sich fleißig rühren. Es wär' ein wahrer Segen. Kuxen Lexnitr. * Aus den Städtischen Theatern: Als nächste Neu einstudierung eines klassischen Wertes wird für Sonntag, den 1. März, im Alten Tbeater Shake speares Lustspiel „Viel Lärm um Nichts" vor bereitet. — Das „Russische Ballett" wird am Dienstag und Mittwoch im Neuen Theater die bereits angekündigten zwei Gastipwle geben. Zur Aufführung gelangt am Dienstag: Cleopatra, Carne- val. Der Geist der Roie, Polowetzer Tänze; am Mitt woch: Thamar; Die Silphyden. Carneval, Feslin. Das Ensembie bringt seine gesamte eigene Äusstat ung mit. — Für „Parsifal" werden zur Erstaufführung lam 22. März) wie zu den Wiederholungen (27., 29-, ZI. März und 5. April) schriitliche Bestellungen von der Kaste des Neuen Theaters entgegengenommen uns nach der Reihenfolge des Eingangs erledigt. Für die Wiederholungen ist den Abonnenten ein Vorkaufsrecht eingeräumt und zwar der Serie 1 lgrlln) für 27. März, der Serie 2 (rot) für 29. März, der Serie 3 sweitz) für 31. März und der Serie l (braun) für 5. April, doch müssen die diesbezüglichen schrift lichen Anträge bis 1. März an die Kasse gelangt sein. Der Verkauf der Karten gestaltet sich folgender maßen: Ausgabe der zur 'Erstaufführung bestellten Karten: 9. und 10 März. Allgemeiner Ver kauf: zur Erstaufführung ab 12. März. Aus gabe der iür die Wiederholungen von den Abon nenten bestellten Karten: 16.—18. März: Ausgabe der von den Nichtabonnenten bestellten Karten: 20.—23 März. Allgemeiner Verkauf für die Wiederholungen ab 24. März. * Bei Oswald Weigel, Leipzig, Königstraßc 1, beginnt am Sonntag, den 22. Februar, die Ausstel lung der für eine Auktion bestimmten Werke des zu jung verstorbenen Leipzigers Leo Rauth und des Weimarer Alex. Ed. Weichberger (1843-1913). Leo Rauths Kunst ist allgemeinhin bekannt und be darf des empfehlenden Wortes nicht mehr. Die träumerische Landschaft Thüringens mir ihren weichen Linien, die vertrauten, lieben Winkel Weimars hat Weichberger in farbenfroher Manier festgehalten. Außer diesen beiden hauptsächlich vertretenen Künstlern bietet die Ausstellung auch Werke von Heubner, K ü ch l e r, Künnicke. Amalie Rost. Heinr Hofmann, Hans v. Marse r. Der Eintritt ist für jedermann frei. , * Stuttg« er Theater und Konzerte. Stuttgart. 20. Februar. In der jüngsten Zeit bi^dOche».-inter essante Gastspiele die Hauptcreigniffe in unseren: Hoftheater. Das russische Ballett feierte wohlver diente Triumphe. John Forjell. der ausgezeichnete schwedische Sanger, gewann sich als Don Juan. Holländer und Lcarpia („Tosca") neue Freunde und Pvette Euilbert übte wiederum mit eigenartigen Gaben ihrer reifen Vortragskunst starke Wir kung. Von den Darbietungen unseres Schau spiels sind die gestrige Erstausführung der Shaw- schen Komödie „Pygmalion" und die Neuinszenierung des Shalespeareschen „Wrntermärchen" hervorzuheben. „Pygmalion" fand, wie dle meisten früher vor geführten Stücke Shaws, geteilte Aufnahme; man ergötzte sich lehr an den vielen witzigen und geist reichen Einfällen des Dichters, aber die St.llosigkeit des Ganzen ließ volles, ungetrübtes Behagen nicht aufkommen Zntendanzrat Stepuany Hane das neue Stück trefflich inszeniert; von den Darstellern machten sich besonders Egmont Richter, Tenhäff und Alexandrine Rossi verdient. — 2m Stutt garter Schauspielhause gastierte an zwei Abenden Erls Tiroler Bühne mit günstigem Erfolg; sie führte in naturfrischer Darstellung Anzengrubers köstliche „Kreuzelichreiber" und die Bauernposse „Der heilige Florian" vor. — Das letzte Konzert der K. Hofkapelle gewann durch die Mit wirkung Forsells besonderen Reiz. Der Verein für klassische Kirchenmusik trat mit einer wohlgelungenen Aufführung des Mendelssohnschcn „Elias" hervor, dessen ermüdende Längen allerdings unangenehm empfunden wurden. Die rührige Konzertagentur Auer vermittelte wieder eine Reihe guter Konzert Veranstaltungen (Sofie Palm-Cordes. Gertrude Förstel, Carl Friedberg. Kalinowski u. a. m. ckn. * Bom Berliner Kgl. Opernhaus Unter den mancherlei Plänen von Novitäten und Neueinstudie rungen, die das Königliche Opernhaus noch in dieser Caston zu verwirklichen gedenkt, ist dieNeubcarbcitung von Webers „Euryanthe" entschieden am interessan testen. Die Oper wird sich nämlich in einer ganz neuen und eigenartigen „Aufmachung" präsentieren. Die Webersche Musik wird man dabei völlig unver ändert und unangetastet lassen, ihr aber einen ganz neuen Text unterlegen, und zwar die .b-archendichtung „Die sieben Raben" von Dr. Moser, dem Sahn von Professor Andreas Moser an der Hochschule für Musik. Die Bühnenbilder zu dieser „neuen" Oper werden angcfertigt nach dem bekannten Aquarell zyklus „Die sieben Raben" von Moritz v. Schwind. Von Novitäten der Oper in dieser Saison ist ferner zu nennen die Aufführung von „Der Liebhaber als Arzt" von Wolff-Ferrari. Es besteht die Absicht, Zu sammen mit dem Wert noch eine einaktige Oper zu geben, doch ist darüber etwas Näheres noch nicht be stimmt. Ob Humperdincks einaktige Oper „Die Marketenderin" noch in dieser Spielzeit in Szene gehen wird, steht gleichfalls noch nicht fest. * Neue Professuren in Hamburg. Der Ham burger Senat beantragte, wie uns telegraphisch gemeldet wird, bei der Bürgerschaft die Schaffung von drei neuen Professuren für Sprache und Kultur Japans, für Kultur und Geschichte Indiens und Geschichte und Kultur Rüglands, sowie die Errichtung einer kolonialgeschichtlichcn Abteilung am Histo rischen Seminar. * Die neue Oper Lsoncavallos „2 Zingari" („Die Zigeuner") wird am nächsten Freitag ur Gegenwart des Komponisten im Mainzer Stadt theater die deutsche Erstaufführung erleben * Aus dem Geraer Musikleben. Im V. Konzert des Musikalischen Vereins erspielte sich, wie unser K.-L.-Referent mitteilt, Professor Joseph Pem ba u r aus Leipzig einen großen Erfolg. Der aus gezeichnete Künstler erwies sich aufs neue als einen der hervorragendsten Interpreten Fr. Chopins, dessen F-Moll-Klavierlonzert er prachtvoll vortrug. Stets ist er am Bliithner der fein und tief zugleich mit empfindende Poet und der bedeutende Stimmungs künstler, dem alles nur rein Virtuosenmäßige durclz- aus fremd und fern bleibt. Auch als Ausleger der Lisztschen Klaviermusik, z. B. der Mazeppa-S.uoie und der Legende von St. Franziszi Vogelpredigt gc^ wann sich Joseph Pembaur allseitige Bewunderung und große Snmpathie. Die übrigen Bestandteil« des anziehenden Programms bildeten Robert Schumanns D-Moll-Sinfonie und (als Novität) die Serenade für kleines Orchester von Walter Braunfels (Op. 20). Der talentierte Münchener Komponist strebt hierin, wie er wohl sonst zu tun pflegt, weniger kolossale oder auch groteske Wirkungen an. Vielmehr zeigt er sich in dieser fein gearbeiteten Nachtmusik als Meister klug sich beschränkender künstlerischer Oekonomie. Er hält sich streng im Rahmen der einmal gewählten Vorlage und versteht die verhältnismäßig beschei denen instrumentalen Mittel aufs beste auszunutzen. Unter Hoskapellmcister Laders ungemein an regender Leitung erfuhren die genannten' beiden Orchesterkompositionen eine vortreffliche und bcifalls werte Wiedergabe. * Gaston La Touche. Am 12. Juli v. 2. ist der farbenfreudige Maler E a st o n La Touche in St. Cloud bei Paris gestorben Die Gemälde seiner Hand, die das Tusculum, in dem Poincare. Barthou, Rostand gern als Gäste weilten, einst schmückten, sind für kurze Zeit, bis Ende Februar, im Kunstsalon P. H. Beyer L Sohn (Thomasring 22) aus gestellt. Wir tommen auf diese hervorragend künst lerische Darbietung ausführlich zurück. * Die städtischen Kollegien in Hannover haben den Professor German Bestelmcycr von der Akademie der Bildenden Künste und der Technischen Hochschule in Dresden zum Stadtbaurat und Leiter des Städtischen Hochbauamts gewählt. Vas neue glück. 14) Roman von Erik Lie. Autorisierte Uebersetzung von Mathilde Mann. (Nachdruck verbpisn.) Der alte Amtmann war in rosigster Laune. Es war einer der ersten wirklichen Früh lingstage, und die Sonne glühte auf die -Haus wand. Der Rasen fing an grün zu werden, hier und da guckten Blumen hervor — Krokusse und Schneeglöckchen, und dort im Schatten in der Hecke blühten weiße und blaue Anemonen. Die schweren Birken vor der Veranda standen in hellstem feinsten Grün, und die Flicderbüsche hakten angefangen zu bersten. . Durch eine Luke zwischen den Obstbäumen sah man ein wenig von der blauen Fläche des Fjords mit ein paar schimmernd weißen Segeln. Beibom rieb sich die Hände vor Wohlsein. Wenn er jetzt nur Markussen für den Küchengarten bekommen könnte. Den zu be stellen und Salat und Kohl und Radies zu ziehen, das war seine Passion. Es lagen schon zwei herrliche Haufen Dünger zum Untergraben fertig. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so früh mit der Gartenarbeit begonnen zu haben. Gr schlürfte die milde Frühlingsluft förm lich ein, wie er da ging und jeden" Baum und jede Pflanze betrachtete, als sei es das erstemal, daß er so etwas erblickte. Dieser Markussen — wie herrlich, so einen Mann zu haben! Er dachte an alles, sorgte für alles — hatte er nicht, weiß Gott, schon die Gartenbänke und die Korbstühle hinausge tragen! Das mußte er Jetten doch erzählen — — Der Lärm eines Automobils, das durch die Allee dahergesaust kam, hemmte feine Schritte. „Das ist der Herr Großhändler —" sagte Markussen, indem er den Spaten tief in die weiche Erde hineinsteckte. „Du, Jetten!" rief Beibom, „Markussen sagt, daß Alfred oa kommt." Frau Beibom richtete sich auf und starrte hinaus. Das Automobil bog auf den Hofplatz hin ter dem Hause ein. Nach einer Weile erschienen Alfred und Augusta in Hellen Frühlingstoiletten auf der Veranda. Die beiden Alten gingen ihnen entgegen. „Na, jetzt ist der Skandal im Gange!" platzte Alfred heraus. Seine korpulente, blutreiche Ge stalt sah so aus, als sei sie mit dem Unglück aller Welt beladen. „Gustav und Ernestine wol len sich scheiden lassen. Gustav ist schon von Hause fortgezogen. Die ganze Stadt spricht davon." „Was erzählst du da!" ries der alte Vei- bom aus. „Gustav und Ernestine —!" „Ja, denk dir bloß, Schwiegermutter!" sagte Augusta, die säst vor Neuigkeiten platzte. „Auf dem großen Fest vorgestern soll irgend etwas vorgegangen sein. Das Verhältnis mit Fräulein Moritz liegt wohl der ganzen Sache zugrunde." „Aber das ist ja doch schrecklich, Jetten!" sagte Beibom mit einem ganz niedergeschlagenen Ausdruck. „Herr du meines Lebens!" jammerte die alte Dame beinahe. Die Mitteilung war zu plötzlich und überwältigend gekommen. Die magere Hand vor dem Gesicht sank sie still in einen Stuhl. „Jetten, meine Jetten —" Beibom strich ihr liebevoll über die Stirn. „So, so, so. Wir müssen uns Mühe geben, daß wir stark sind und alle Schickungen des Lebens ertragen, Jet ten. Er platzt nun auch mit der Neuigkeit ins Zimmer herein wie eine Kuh. So, so, Herzens- fettcffen!" „Es ist so furchtbar, so unglaublich —" murmelte die alte Dame, indem sie die Hände in den Schoß hinabgleilcn ließ und dasaß und mir blanken, tränenlosen Augen vor sich hin starrte. „Ich hatte ja nicht gedacht, daß es s o stark auf euch wirken würde. Sonst —" begann Al fred verzagt. „Ach, ich hätte wohl aus etwas Dergleichen vorbereitet sein müssen," bemerkte die alte Dame. „Die armen Menschen und die armen Kinder!" „Ja, das kannst du wohl sagen," warf Bci- bom hin. „Es ist ein Jammer um die Men schen, die sich selbst ein solches Leid antun, und die es nicht verstehen, ihr eigenes Glück zu wahren. Es ha: auch etwas jo Verschlossenes, nach innen Gekehrtes über Gustav gelegen, wäh rend der ganzen letzten Zeit. Aber so sage mir doch —" wandte er sich an Alfred, „woher weißt du das denn eigentlich? Hast du Gustav getroffen oder mit ihm geredet?^ „Die ganze Stadt weiß cs," erwiderte Al fred überlegen. „Ich hörte es heute vormittag von Doktor Gurre, lleücrall in den Eafös und aus der Straße redet man davon — überall. Ich klingelte gleich bei Gustav an, Ernestine war am Telephon, und da fragte ich, ob Gustav zu Hause sei." ^,Und was antwortete sie'?" „Gustav sei nicht zu Hause. Ernestine wisse auch nicht, wo er sei. Wie cS schien, war un aufhörlich bei ihr angeklingelt worden." „War sie verbittert?" „Kalt wie Eis." Im Gartenzimmer ertönten Schritte. „Na, was sagt Ihr denn dazu?" Es war Karsten, der auf seine nachlässige Manier plötz lich erschien. „Ach, es ist entsetzlich, mein Junge," er widerte Beibom. „Ich wundere mich nur, daß sich Gustav nicht uns zuerst anvcrtraut hat — Jetten und mir. Wir haben ja längst gemerkt, daß nicht alles so war, wre es sein sollte. Er hatte sich natürlich lange darum hernmgedrnckl." „Ich war bei der bewußten Aiiäre zu gegen," warf Karsten dazwischen. „Ach, erzähle!" bat 'Augusta eifrig. „Die Sache war die, daß Gustav den gan zen Abend von Fräulein Moritz in Anspruch genommen war, natürlich. Er hatte kein Auge für andere und vergaß ganz, daß er mit Er nestine verheiratet war. Gegen zwei Uhr war er plötzlich verschwunden. Und ich — das heißt Inger — sah, wie Ernestine herumging und überall nach ihm fragte und suchte, bis sie aus irgendeine Weise Gewißheit erlangte, daß er mit Fräulein Moritz fortgefahren war." „Und dann?" „Ja, weiter weiß ich auch nichts — nichts weiter, als daß er sich schon irgendwo in dem Drammenswege eine Wohnung gemietet hat." „Woher weißt du das?" Fragen und Antworten kreuzten einander unablässig. „Das erzählte man sich gestern abend im Segelklub. Alle waren ja mit dem Skandal beschäftigt." „Ja, das mag Gott wissen!" rief Alfred aus, indem er sich erhob. „Das ist ein Schand fleck aus dem Familiennamen! Man wechselt die Frau wie man seinen Anzug wechselt." „Und diese Ehe, die so durch und durch glücklich ivar," sagte Frau Velboin. „Der arme Junge, was muß er nicht durchgemacht haben, und wie still hat er das alles getragen." „Ja, der arme Gustav," fügte Beibom hin zu. „Er mit seinem reinen, offenen Charakter. 'Aber ich weiß doch nicht recht. Wenn man Kin ¬ der in die Welt gesetzt hat, so hat man in sei nem Alter doch eine gewisse Verantwortung. Man läuft nicht so ohne weiteres von Haus und Heim, nachdem man zwölf, fünfzehn Jahre verheiratet gewesen ist. Wären es noch Karsten und Inger gewesen, die leine Kinder haben. Das hätte man ja begreifen können." „Es ist so leicht, so etwas zu sagen, Bei- bom," culgc.jnetc die alte Dame. „Es entsteht ja so leich: ei:'. Brand, wenn diese große Liebe anfflammt.' lForr,etzung in der Morgenausgabe.)
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